Bedoeld is: antroposofie in de media. Maar ook: in de persbak van de wijngaard, met voeten getreden. Want antroposofie verwacht uitgewrongen te worden om tot haar werkelijke vrucht door te dringen. Deze weblog proeft de in de media verschijnende antroposofie op haar, veelal heerlijke, smaak, maar laat problemen en controverses niet onbesproken.

dinsdag 25 november 2014

Waagstuk

Het is me al die tijd sinds 17 oktober (zie ‘Marketing’) helaas niet gelukt om een bericht te maken. Dus zelfs geen wekelijks verslag. En hoe langer het duurt, hoe lastiger de draad op te pakken. Want er is natuurlijk genoeg. Daarom vandaag een nieuwe, maar ook bescheiden poging, om het niet te moeilijk te maken. Nou ja, dat wil zeggen... kort en bescheiden zal het niet gauw worden. Er zijn vier mensen die ik graag volg, drie Duitsers en een Amerikaan: Ansgar Martins, Michael Eggert, Lorenzo Ravagli en Christian Clement, de laatste de bezorger van de ‘Rudolf Steiner Schriften – Kritische Ausgabe’. Michael Eggert ruimt op zijn weblog ‘Die Egoisten’ graag ruimte in voor anderen. Zo liet hij op 2 november Christian Clement aan het woord in ‘Helmut Zander und Christian Clement – zwei Blickwinkel auf die Anthroposophie’:
‘Michael Eggert hat mich freundlicherweise hier zu den “Egoisten” eingeladen und vorgeschlagen, meinen letzten Kommentar, der sich mit dem Verhältnis zwischen mir und Helmut Zander befasst, als thread einzustellen. Dem komme ich hiermit gerne nach.

Die Frage ist ja in der Debatte um die SKA wiederholt aufgeworfen worden. Da gibt es jene, die mich mit Zander zusammen in den Topf der akademischen “Anthroposophiegegner” werfen. Andere sehen mich eher als “steinerfreundlich” und Zander als “steinerfeindlich” und meinen daher, letzteren ablehnen zu müssen. Ich finde beide Ansichten gleichermaßen unzutreffend und wenig erkenntnisfördernd und habe dazu einige Gedanken formuliert.

Zunächst einmal: Sowohl Zander und auch ich gehen an die Anthroposophie natürlich von unserem persönlichen biographischen Standpunkt aus heran, er von seinem Hintergrund als Theologe und Religionswissenschaftler, ich von meiner geistigen Heimat in der Philosophie, der Kunst und in der Mystik. Dadurch unterscheiden wir uns.

Aber wir sind uns einig darin, dass wir beide jeweils eine wissenschaftliche Methode benutzen. (Obwohl ich eigentlich nicht so gern von “Wissenschaft” rede, sondern von meiner Arbeit lieber als von einer “kritischen” reden würde, im Gegensatz zu einer “unkritischen”. Der Diskurs um die Wissenschaftlichkeit oder Nicht-Wissenschaftlichkeit der Anthroposophie bzw. des Umgangs mit dieser finde ich eher unfruchtbar weil anachronistisch. Aber das nur am Rande.) Also, beide bedienen wir uns einer wissenschaftlichen und kritischen Methode, die zum einen eine Beschränkung und eine Maske ist, die wir uns aufsetzen müssen, um im allgemeinen akademischen Diskurs mitsprechen zu können und ernstgenommen zu werden, zugleich aber auch ein wertvolles Instrument, um uns zu disziplinieren, um das Persönlich-Biographische im Hintergrund zu halten, welches zwar als Triebkraft und Motor unseres Interesses immer da ist, aber in der wissenschaftlich-kritischen Arbeit in den Hintergrund tritt, um möglichst die Sache selbst, den Untersuchungsgegenstand, und nicht unser persönliches Verhältnis dazu im Mittelpunkt stehen zu lassen.

Das haben wir also gemeinsam. Allerdings ist Wissenschaft nicht gleich Wissenschaft, und die jeweiligen kritisch-methodischen Zugänge bei Zander und mir sind nun wieder verschieden. Er arbeitet mehr historisch und quellenkritisch, d. h. er schaut vor allem auf Dokumente und das materielle Umfeld, in denen diese entstanden sind: die sozialen Verhältnisse und Strukturen der Zeit, der Gesellschaften, in denen Steiner arbeitete, etc. Ich hingegen arbeite eher philosophisch-geistesgeschichtlich, d. h. mir geht es weniger um Quellen und historische Hintergründe, sondern ich betrachte mehr die Vorstellungen und Ideen Steiners als solche, wie sie sich zu einander und zu ihren ideengeschichtlichen Vorfahren und Nachkommen verhalten.

Da diese Ansätze zwar beide kritisch, als solche aber grundverschieden sind, erschaffen sie sich auch je einen ganz anderen Gegenstand, gemäß ihrer inneren Logik, ihrer Methoden und ihrer Ziele. Daher ist die Anthroposophie, die Zander bearbeitet, eine ganz andere als die, die in meinen Texten erscheint. Er betrachtet gewissermaßen mehr ihren Leib, ich mehr ihre Seele, wenn dieses grobe Bild erlaubt ist. Dennoch haben beide Ansätze ihre Berechtigung, keine ist von Haus aus die “bessere” oder “richtigere”, gar die “einzig wahre”. (Man erinnere sich an Ingrids posting der Geschichte von den Weisen und dem Elefanten.)

Zu vielen kritischen oder negativen Urteilen über Steiner muss Zander einfach kommen, nicht aufgrund seiner persönlichen Ansichten oder eines Übelwollens, sondern aufgrund der Prämissen, von denen er ausgeht, und der Methoden, mit der er arbeitet. Als quellenbasierter Historiker muss er hinter viele Ansprüche bei Steiner und hinter viele idealisierte und ungesicherte Vorstellungen über Steiner ein Fragezeichen setzen und stößt damit bei vielen Anthroposophen, für die Steiner oft eine Art Übermensch oder Prophet ist, natürlich auf harsche Kritik. Ich habe den Luxus, diese Aspekte ganz neutral angehen oder sogar ignorieren zu können, weil bei mir die Ideen als solche und ihre ideellen Quellen im Zentrum stehen, und nicht die materiellen Quellen und auch nicht die sozio-politischen Realitäten, in denen diese entstanden sind. Steiners materielle Situation, die Machtkämpfe innerhalb der verschiedenen Gesellschaften usw., mögliche materielle Quellen für seine Ideen: also alles das, wo nicht nur Ideen im Mittelpunkt stehen, sondern der mit Fehlern und Schwächen behaftete Mensch Rudolf Steiner ins Bild kommt, bleibt bei mir weitgehend aussen vor. Ich nenne materielle Quellen nur dann, wenn sie eindeutig belegbar sind. So ist es ganz natürlich, dass Rudolf Steiner in meiner Darstellung viel unbeschadeter und mit dem anthroposophischen Ideal übereinstimmender davon kommt, weil ich mich vor allem auf die Gedanken konzentriere und den Denker und den Morast, durch den sich dieser als physischer Mensch durchkämpfen muss, aussen vor lasse. Helmut Zanders hingegen nimmt besonders diese materielle Dimension ins Auge, und da kommt eben der Steiner in den Blick, der sich durch die materielle Welt arbeiten und sich dementsprechend auch schon mal die Hände schmutzig machen musste. Das heisst aber wiederum nicht, dass Zanders Darstellung prinzipiell weniger wert oder weniger wahr wäre als meine. Sie blickt auf Rudolf Steiner und die Anthroposophie nur aus anderer Perspektive und mit einem anderen Erkenntnisinteresse. Zu einem abgerundeten Blick, muss man aus beiden Perspektiven mal geschaut haben.

Dazu muss ich natürlich auch sagen, dass an vielen Stellen Zanders Darstellung in der Tat sehr problematisch ist, nämlich da, wo er tatsächlich die Grenzen der eigenen Methode überschreitet und statt über Fakten zu berichten anfängt zu spekulieren oder zu fabulieren oder zu polemisieren. Oder da, wo seine Fakten eben nicht stimmen. Oder da, wo er ganz offensichtliche Quellen Steiners einfach nicht kennt und daher über mögliche Einflusse spekulieren muss. Solche Stellen gibt es viele bei Zander. Und verständlicherweise, denn das von ihm übernommene Pensum ist enorm und konnte von einer einzelnen Person einfach nicht adäquat bewältigt werden. Wer viel arbeitet, und dazu noch allein, der macht auch viele Fehler. – Aber all dies kann, und da ist wieder eine Gemeinsamkeit, auch von meiner Arbeit mit der SKA gesagt werden.

Aber: viele der Fragezeichen, die Zander setzt, stehen zurecht da. Und viele der unbequemen Fragen werden zurecht gestellt. Und viele seiner kritischen Fragen und viele der von ihm zusammengebrachten Fakten werden die Anthroposophieforschung und damit auch die Anthroposophie wahrscheinlich weiter bringen, als all das unkritische Nachbeten und Wiederkäuen und Idealisieren, welches einen großen Teil der binnenanthroposophischen Literatur zu Steiner ausmacht. In einem Wort: wem Anthroposophie am Herzen liegt, der sollte Zander in vieler Hinsicht dankbar sein für das, was er objektiv angestoßen hat. Und ihn korrigieren, wo er sachlich daneben liegt. Und Spekulationen über seine persönlichen Motive als völlig irrelevant beiseite lassen.’
Diezelfde 2 november plaatste Ansgar Martins op zijn ‘Waldorfblog’ een bespreking van een nieuw boek van Info3-hoofdredacteur Jens Heisterkamp, waarbij hij in het begin naar een artikel van Heisterkamp verwijst dat ik de vorige keer, op 17 oktober, had opgenomen. Martins schrijft over ‘Denken als meditative Verbindung zur evolutionären Wirklichkeit: Jens Heisterkamps “Anthroposophische Spiritualität”’:
‘Über den “leidgeprüften Redaktionsalltag einer anthroposophischen Zeitschrift in Zeiten von Kopp-Verlag, Wahrheits-TV und Reichsbürger-Freunden” schrieb kürzlich Jens Heisterkamp – Chefredakteur von “Info3”. Er berichtete von verschwörungstheoretischen, ja rassistischen Lesermeldungen seiner Zeitschrift, die sich in der letzten Zeit gehäuft zu haben scheinen. “Losgelöst von aller Vernunft” nennt er diese Kategorie Anthroposophen. Er stellt aber klar: “Von einem Leben in Bewusstheit und Verbundenheit lasse ich mich davon nicht abbringen.” (Heisterkamp: Völlig losgelöst) Wie das aussehen soll, verrät sein eben erschienenes Buch “Anthroposophische Spiritualität”. In dessen Zentrum steht tatsächlich ein Leben der Meditation: “Erkennen durch Hingabe”. Heisterkamps Buch nun ist ein prägnant formuliertes Zeugnis einer Art post-postmodernistischen Esoterik, die nach deren postmoderner Relativierung den Anschluss an die höchste moderne Tugend wieder sucht: die Vernunft bzw. das Denken. Das führt zu einer stark epistemisch geführten Esoterik, die auch durchaus noch auf den Schultern Herbert Witzenmanns steht. Quellentechnisch bezieht sich Heisterkamp vielfach auf die Schriften des jungen, philosophischen Steiner. Mit diesem Buch legt der Info3-Verlag ein kleines Credo der liberalen Anthroposophie vor, das als solches verdient, hier ausführlich diskutiert zu werden.

“Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden”

In der Tat ist Heisterkamps Steinerbild dezidiert selektiv. “‘Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden’ – diese von Steiner selbst formulierte Lebensregel gilt es auch im Blick auf sein eigenes Werk zu beherzigen.” Letzteres funktioniere oftmals “wie ein Steinbruch”, das sei auch legitim, immer müsse aber eruiert werden, “was genau davon aktualisiert werden will. Manches ist inzwischen zeitlich überholt – nicht nur die sprachliche Diktion ...” Hier kommt er auf Steiners Rassismus zu sprechen, es gelte, “den zeitlichen Abstand zu einer Gründerfigur aus der Spätkolonialzeit” ins Bewusstsein zu rufen. (Heisterkamp: Anthroposophische Spiritualität. Denken, Meditation und geistige Erfahrung bei Rudolf Steiner, Frankfurt/M 2014, 36f.) Dies ist nicht die einzige Stelle, an der der Autor sich von rassistischen Aussagen abgrenzt, wobei er sich freilich auch auf “Humanismus und Individualismus in Steiners Denken” beruft.

Insbesondere kritisiert er Steiners “oft begrenzte Sicht des Judentums, die einem christozentrischen Denken entsprach, dessen Überwindungsbedürftigkeit sich die Kirchen heute weit bewusster sind als noch viele Anthroposophen.” Es sei an der Zeit, “Steiners betonte Exklusivität der christlichen Religion und den von ihm selbst gewollten überkonfessionellen Charakter andererseits neu zu gewichten.” (ebd., 125) Heisterkamp beruft sich vielmehr auf die Kabbala-Deutung Gershom Scholems: “Es ist also mit anderen Worten Worten der Mensch, der dem Antlitz Gottes die letzte Vollendung gibt.” (ebd., 81)

Dialog und Entmythifizierung

Hier mag man an andere Info3-Autoren, wie den insbesondere für die Beziehung von Judentum und Anthroposophie eintretenden Janos Darvas denken. Darvas wie Heisterkamp stehen für eine interreligiöse Anthroposophie, deren Funktionieren nicht eine kosmosophische Universaltheorie, sondern eine mystisch-meditative Praxis garantiere, die gleichermaßen in Kabbala und Buddhismus, Christentum und eben bei Steiner gefunden werden soll. (vgl. auch Janos Darvas: Gotteserfahrungen. Perspektiven der Einheit: Anthroposophie und der Dialog der Religionen, Frankfurt/M 2009) Wouter Hanegraaff würde hier wohl von “Religionism” sprechen. Wie seine Zeitschrift “Anthroposophie im Dialog” untertitelt ist, geht es Heisterkamp aber nicht etwa um eine inklusivistische Religionstheologie, sondern tatsächlich um eine esoterische Ökumene: “im Dialog nach ‘außen’ ein der Gegenwart entsprechendes Problembewusstsein und Diskursniveau gewährleisten.” Insbesondere sind seine Überlegungen im Rahmen der “Herbstakademie” entstanden, die Info3 jährlich mit der (Ken Wilber verpflichteten) “Integralen Akademie” und der deutschen “EnlightenNext”-Bewegung (Andrew Cohen) veranstaltet. Einige der veröffentlichten Texte wurden im Rahmen dieses Austauschs vorgetragen. Dieses Milieu sorgt in der Tat für regen personellen und ideellen Austausch zwischen den zusammengetretenen Lagern: Der ehemalige Info3-Redakteur Sebastian Gronbach hat sich etwa zwischenzeitlich gemeinsam mit seiner Frau für die Gründung und Leitung einer New Age-Meditations-”Akademie im Schloss Gelsdorf” entschieden.

Heisterkamp lässt keinen Zweifel daran, dass er auf eine “pluralistische Weltzivilisation” und auf eine “post-metaphysische Spiritualität” (Wilber) zielt, was auch immer das im einzelnen sein soll. (ebd., 37, 82) An die Stelle von übersinnlicher Wesenschau tritt, auch im Anschluss an Wilber, eine induktive Bewusstseinsphänomenologie mit idealistisch-”transpersonalem” Menschenbild. Heisterkamp sieht sich hier in der Nähe des “philosophischen Idealismus ... dass die Weltentwicklung im Menschen zu sich selbst kommt und von hier aus eine neue Zukunft beginnt.” (ebd., 124) Interessanterweise diskutiert Heisterkamp Hartmut Traubs umfangreiche Kritik der philosophischen Hauptwerke Rudolf Steiners nicht. Er bemüht sich vielmehr, diese panpsychistisch-evolutionäre Weltsicht auch in Steiners Frühwerk aufzufinden, fordert jedoch zugleich “eine Neubesinnung auf eine ursprüngliche, ‘nicht-theosophische’ Anthroposophie.” (ebd.) Mit Steiners ab 1903 vertretener theosophischer Evolutionsdoktrin jedenfalls kann der Info3-Chef anscheinend wenig anfangen: “das Eingreifen des Geistes in den Evolutionsstrom ... scheint bisher nicht ohne den Rückgriff auf mythologische Elemente darstellbar zu sein ... Steiner hat hier offenbar keinen anderen Weg der Darstellung gesehen, als die Wirkmächtigkeit von Bewusstsein als evolutiver Kraft unter Rückgriff auf die Bildlichkeit ‘höherer Wesen’ zu schildern. Entstanden sind dabei äußerst bilderreiche Erzählungen speziell in seinem Buch Geheimwissenschaft im Umriss, die seiner als Philosoph aufgestellten Maxime eines Verzichts auf ‘außermenschliche’ und ‘außerweltliche’ geistige Kräfte zu widersprechen scheinen.” (S. 87f.)

Denken und Wirklichkeit

Interessanterweise steht Heisterkamps Trans-Steiner vor allem auf zwei Füßen: Auf dem Mystik-Denker Steiner nach 1900 und dem Goetheanisten Steiner vor 1890. Das theosophische Werk findet weniger Resonanz. Auch der von Steiner ab Mitte der 1890er eingeschlagene freiheitsphilosophische, schließlich zum Anarchismus führende Weg wird nicht bis in die letzte Konsequenz entfaltet. Heisterkamp versucht nicht, Steiner mit Fichte und Stirner, sondern mit Goethe und, nicht zuletzt, Hegel zu denken: “Er prägte die fundamentale Erkenntnis: Die Wahrheit ist das Ganze, Sein und Werden” (S. 82), aber noch nicht fertig: Gott habe sich in seine Schöpfung verströmt und an sie gebunden, zitiert er Steiners “Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung” (1886): “Hat somit der Weltengrund Ziele, so sind sie identisch mit den Zielen, die sich der Mensch setzt, indem er sich darlebt … Er lebt nicht als Wille irgendwo außerhalb des Menschen; er hat sich jedes Eigenwillens begeben, um alles von des Menschen Willen abhängig zu machen.” (GA 2, 124) Dieser Gott realisiere sich im Selbstbewusstsein des Menschen, dem eben das Denken und somit die Möglichkeit zu ko-kreativer Vollendung der Schöpfung eigen sei. So konkretistisch allerdings ließe sich Hegels Absolutes, das ein getrenntes Sein als Moment seiner eigenen Wahrheit voraus-setzt, und von dort in sich zurück kehrt, nicht auf eine universale Evolution oder eine linkshegelianische Ich-Philosophie festlegen.

Heisterkamps Fokus auf das Denken als Medium der kosmischen Evolution setzt das Denken als archimedischen Punkt menschlicher Verbundenheit mit der Welt, die wir in unserem Denken wirklich erfassen. Dies führt dazu, die Welt unter dem Gesichtspunkt eines Ideen- bzw. Begriffspunktes wahrzunehmen: “Unser Erkennen” als ein “Geschehen”, “das als organische Fortsetzung zur Welt dazugehört”: “Ja, der Begriff der Pflanze gehört zur Pflanze selbst, und dass wir ihn fassen können, ist gleichzeitig die Ursache unserer Verbindung mit ihr. In uns selbst kommt zur Erscheinung, was in der Pflanze am Werk ist.” (S. 52) Das ließe sich von (Steiners) Goethe her denken, nicht aber von der “Philosophie der Freiheit”, in der Steiner nach einer Kritik an Ansätzen, die Zweckbegriffe an die Natur selbt anlegen, klarstellt: “In der Natur sind aber nirgends Begriffe als Ursachen nachzuweisen; der Begriff erweist sich stets nur als der ideelle Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Ursachen sind in der Natur nur in Form von Wahrnehmungen vorhanden.” (GA 4, 189)

Mit und ohne Hegel

Heisterkamp denkt den Zusammenhang von Begriff und Sein ontologisch. Steiners postulierter ideeller Zusammenhang von Welt und Mensch war in seiner Freiheitsphilosophie ein epistemischer, kein ontologischer (wie noch in seinen “Grundlinien einer Erkenntnistheorie”). Geist und Natur werden durch das Denken hier nicht einfach nur überbrückt, der Begriff wirkt nicht aus einem geistigen Urgrund in die Natur hinein. Sondern der vom Menschen gefasste Begriff erfasst die Wirklichkeit, weil sich in seinem Bewusstsein in der Synthese von Wahnehmung und Begriff erst die gedachte Wirklichkeit konstituiert. Die Wahrnehmung als solche hat keine Wahrheit, das Denken fügt ihr den Sinn hinzu. Es erweist sich nicht als organische Fortsetzung der Welt, sondern die Welt als erkannte Voraussetzung seiner Begriffsbildung. Dies entspricht dem Verhältnis von Hegelscher Seins- und Begriffslogik. Das menschliche Denken hebt das Seiende, Wahrgenommene, ins Begriffliche auf: Der Begriff setzt zunächst ein Seiendes, auf das er sich bezieht, voraus, das er erkennend aufhebt: “das Sein, als Unmittelbare Einheit mit sich” wird vom “Begriffe, als der freien Vermittlung in sich” transzendiert: “Indem sich das Sein als Moment des Begriffs gezeigt hat, hat er sich dadurch als die Wahrheit des Seins erwiesen”. (Enzyklopädie, I, § 159) Trotz dieser Übereinstimmung war Steiners Ansatz subjektivistischer. Gegen diesen objektiven Idealismus vertrat er (einmal mehr in seltsamer Einmütigkeit mit Kant, wenn auch mit ganz anderen Konsequenzen), dass nicht schon Hegelsche “Wissenschaft der Erfahrung des Bewusstseins”, sondern erst das sittliche Handeln des Menschen Ideelles in der Welt realisiere, diese selbst zeige sich keineswegs als Verkörperung von selbst teleologisch wirksamem Geist:

“Meine Sendung in der Welt ist keine vorherbestimmte, sondern sie ist jeweilig die, die ich mir erwähle. Ich trete nicht mit gebundener Marschroute meinen Lebensweg an. Ideen werden zweckmäßig nur durch Menschen verwirklicht. Es ist also unstatthaft, von der Verkörperung von Ideen durch die Geschichte zu sprechen. Alle solche Wendungen wie: «die Geschichte ist die Entwicklung der Menschen zur Freiheit», oder die Verwirklichung der sittlichen Weltordnung und so weiter sind von monistischen Gesichtspunkten aus unhaltbar.” (GA 4, 186)

Diese Ansicht sollte sich bis 1900 zum radikalen Subjektivismus und ethischen Egoismus steigern. Es ist daher falsch, wenn Heisterkamp Steiners Verhältnis zum Historischen Materialismus während seiner Lehrtätigkeit an der Berliner Arbeiter-Bildungsschule schreibt: “Die Geschichte stellt er vielmehr im ursprünglich Hegelschen Sinne als Geschichte zunehmender Freiheit dar.” (S. 27) Somit zahlt Heisterkamp deutlich seinen Tribut an Steiners theosophische Kehre. An dieser ging der “radikale Aufbruch in die Freiheit”, so Hartmut Traub, verloren, “also das, was den frühen Steiner – auch Stirner, Nietzsche und Fichte – besonders anziehend macht: Das Freiheitsmotiv, das die Philosophie seit ihren europäischen Anfängen in denkenden Wesen anspricht und zum Klingen bringt, der unüberwindliche Glaube an die selbstschöpferische Kraft des Individuums.”

Es liegt mir fern zu behaupten, Heisterkamp habe sich über das Verhältnis von Steiner und Hegel oder die Pointen der “Philosophie der Freiheit” getäuscht: Es ging mir darum, zu zeigen, auf welche Pole von Steiners vielschichtigen und wechselhaften Denkgebäuden in der Anthroposophie Jens Heisterkamps wert gelegt wird. Dies ist die Suche nach einer Verbindung von Steiners ethischem Individualismus mit einer Haltung der Kontemplation, in der sich denkend das evolutionäre Weltbewusstsein entfaltet und auf eine neue Stufe hebt. Hier darf man wohl auf Christian Clement hinweisen, der Steiners philosophische Weltanschauung einerseits und theosophische Entwicklung andererseits von seinen “Mystik”-Schriften nach 1900 zu erschließen versucht hat. Auch Jens Heisterkamps Steinerrezeption lebt aus der Spannung zwischen diesen beiden Polen und lässt sich nicht auf den “frühen” oder “späten” Steiner allein festlegen.

Ontologie statt Epistemologie

Letztendlich will Heisterkamp nicht auf die vom frühen Steiner angestrebte Erkenntnistheorie, sondern auf die spirituelle Verbundenheit mit der Welt hinaus. So wird der philosophische Idealismus Steiners bereits in den okkulten Wissenschaftsanspruch des Theosophen hineingenommen, beide verbünden sich zur New Age-Philosophie: Es gehe beispielsweise der anthroposophischen Samenkorn-Meditation darum, “die übersinnlichen Bildekräfte der Welt (Jahrzehnte später von Rupert Sheldrake als ‘morphische Felder’ bezeichnet), konkret ‘anschauen’ lernen.” (S. 31) Auch nach “der Wahrnehmungsfähigkeit der Chakren” wird gefragt. (S. 116)

Der philosophische Individualist Steiner wird mit dem esoterischen Weltanschauungslehrer verschmolzen – was aber auch ein erklärter Programmpunkt ist. Heisterkamp bestimmt das individuelle Denken als den Ort, in dem sich ein überindividuelles Allgemeines realisiert, und kann sich dabei durchaus wieder auf Steiners spinozistische Religionsphilosophie in der “Philosophie der Freiheit” berufen. Steiner dort: “Jeder Mensch umspannt mit seinem Denken nur einen Teil der gesamten Ideenwelt, und insofern unterscheiden sich die Individuen auch durch den tatsächlichen Inhalt ihres Denkens. Aber diese Inhalte sind in einem in sich geschlossenen Ganzen, das die Denkinhalte aller Menschen umfaßt. Das gemeinsame Urwesen, das alle Menschen durchdringt, ergreift somit der Mensch in seinem Denken. Das mit dem Gedankeninhalt erfüllte Leben in der Wirklichkeit ist zugleich das Leben in Gott.” (GA 4, 250) Heisterkamp erweitert das Leben in Gott, dieses “mit dem Gedankeninhalt erfüllte Leben in der Wirklichkeit”, zu einer evolutionären Fortschrittsgeschichte:

“Der individuelle Mensch ist mehr als ein Exemplar der Menschheit, er ist nur die einzigartige Form, in dem sich ‘das Eine’ manifestiert – denn dann wäre in diesem ‘Einen’ schon enthalten, eine Evolution wäre sinnlos und es wäre nichts wirklich nichts neues mehr möglich.” (S. 69)

“...das Ziel ist auch hier die konkrete Erweiterung unseres zunächst ego-verengten Menschseins durch erkennendes Eins-Werden mit dem Geist der Dinge und dem Ganzen des Kosmos ... Die einsetzende Erfüllung mit dem konkreten Geist der Dinge ist für ihn gleichzeitig die Höher-Transformation des Menschen, seine ‘Erleuchtung’.” (S. 117)

Immer wieder wird im Buch versucht, eine Verbindung Steiners zu Martin Heidegger zu konstruieren. Weil ersterer in Wien bei Franz Brentano gehört hat, dessen Schüler Husserl der Lehrer Heideggers war, seien Steiner und der Edelontologe quasi geistesverwandt: “Wenn man Brentano als einen Stamm sieht, dessen einer Zweig zu Heidegger führte, dann führt ein anderer zu Rudolf Steiner” und beide zu einer “Strömung, der es um das Sein als Ganzes und um die Überwindung des Dualismus von Subjekt und Objekt.” (S. 20) Übersinnlichkeit wird hier als unmittelbare Kommunikation des Denkens mit dem Gegenstand beschrieben, Übersinnlichkeit als Erfülltsein durch die denkende Einheit mit dem Gegenstand, der mit nicht mehr bloß die sinnlich wahrnehmbare Außenseite zeige. Die Steiner-Interpretation bei Heisterkamp ist keine Verfälschung, sondern der konsequent durchgedachte Versuch, Steiners Esoterik mit seiner Philosophie zu stabilisieren und erstere bereits als die eigentliche Quelle der anthroposophischen Esoterik zu deuten.

Evolution

Heisterkamps (freilich durch Steiner in vielerlei Hinsicht gedeckter) Versuch, eine Mystik des Denkens als Zugang zum Übersinnlichen zu entwickeln, ohne dabei gegenständlich-übersinnliche Hinterwelten zu konstruieren, führt auch zu einem veränderten Verständnis der anthroposophischen Grundidee: Evolution. Nicht mehr wird hier eine Emanationsgeschichte der “Wesensglieder”, begleitet von engelhaften Hierarchien und mythologischen Orten beschrieben, wie bei Steiner selbst. Bei Heisterkamp ist von Steiners wimmelnd-arbeitsteiliger Geisterwelt nicht mehr übrig geblieben als das Postulat, in der Physis manifestiere sich Geist und ein anthropisches Prinzip der Evolution: “Sie bringt nach und nach die Stufen von Stofflichkeit, von immer höher organisiertem organischen Leben und von beseelten und bewussten Lebewesen erscheint, in dem der Geist als Fähigkeit zum Selbstbewusstsein und als Potenzial sinnstiftender Zusammenhangbildung erscheint.” (S. 86f.)

Wie aber sind dann Steiners durchaus konkrete Darstellungen von Planeten-Stufen und Engelhierarchien zu deuten? Heisterkamp interpretiert sie als Versuch, die Einwirkung des Geistes auf Materie (und seine ontologische Vorgängigkeit vor Materie) ohne “Schöpfergott” zu erklären. Aber als einen resignierten Versuch, den er mit spitzer Feder beschreibt. Die “bilderreiche Erzählung” der Planetenevolution fasst Heisterkamp in nur einem flüchtigen Absatz zusammen. Offenbar möchte Heisterkamp Evolution ohne die “Bildlichkeit” von “höheren Wesen” denken, und unterstellt auch Steiner, dieser habe mit dem “Rückgriff auf mythologische Elemente” arbeiten müssen, um seine tieferliegenden Thesen zu illustrieren.

Hier zeigt sich, warum der philosophische Steiner für Heisterkamp so wichtig ist: Es geht durchaus darum, Geist und Welt ohne deren Zersplitterung in Geister zu denken, dazu die Konstruktion von Hinterwelten und geschichtsmetaphyischen Mächten zu vermeiden. Die top-down Entwicklung der “geistigen Welt” wird letztlich negativ-theologisch zur Entwicklung einer bottom-up Bewusstseinsgeschichte. Hier schlägt sich die aus der transpersonalen Psychologie stammende New Age-Philosophie Ken Wilbers nieder. Entsprechend werden alle evolutionären Konkretionen Steiners abgeschwächt und umgedeutet: Die Wurzelrassen und Kulturepochen spielen keine Rolle mehr, stattdessen schildert Heisterkamp die Kulturgeschichte Wilbers: archaisch, magisch, mythisch, rational, integral entfalte sich das Bewusstsein des Menschen aus der Urgeschichte zur Moderne. Gegenüber Steiners Ansatz hat das in der Tat den Vorteil, dass dies eine universale Zivilisationsgeschichte beschreiben soll, die Fixierung auf Kulturkreise, “Rassen” und Völker wird umgangen. Die Aufteilung der Geschichte in bestimmte “Epochen” mit bestimmten “Missionen” und Träger-Völkern wird überflüssig.

Damit ordnen sich auch andere anthroposophische Vorstellungen in Heisterkamps Buch neu an. Zum Beispiel seine Deutung der Reinkarnation, deren Plausibilität aus der Traurigkeit des Gegenteils erhärtet werden soll: “Im Sinne der evolutiven Weiterentwicklung wäre es geradezu widersinnig, wenn schon entstandene Reife an Individuation wieder vollständig verfallen würde”, also mit dem Tod ausgelöscht wurde. Dazu beruft sich Heisterkamp auf Eckermanns “Gespräche mit Goethe”, der aus dem Begriff der Tätigkeit ableitete, dass ein tätiges Subjekt eine neue Daseinsform gewinnen müsse, wenn “die jetzige meinen Geist nicht ferner zu halten vermag.” (S. 75) In der Tat hatte Steiner vor 1900 noch verkündet:

“Diesen Gedanken als eine in der Zeitenfolge vor sich gehende Verkörperung des Individuums in verschiedenen, immer vollkommeneren Formen vorzustellen ist bloß bildliche Darstellung. So meint es die Esoterik. Wer die Bilder für die Sache nimmt, weiß nichts von Esoterik.” (GA 30, 511)

Jens Heisterkamp plädiert ebenfalls für eine allegorische statt wörtliche Auslegung der Reinkarnationsidee:

“Über das genaue ‘Wie’ dieser Idee, insbesondere über die Frage, ob es einen vom Körper unabhängigen individuellen Geist geben kann, der in zeitlicher Folge unterschiedliche Körper ‘bewohnt’, ist damit noch nicht gesagt... Die Vision wäre also: Spirituelle Einheit nicht als etwas zu begreifen, was durch Zurücknahme von Individualität entsteht, sondern durch das schöpferische Spiel entwickelter, reifer und immer umfassender werdender Individuen...” (ebd., 76)

Mit seinem Buch ist Heisterkamp seinem Ruf als Vordenker einer liberalen Anthroposophie gerecht geworden. Die Hofffnung auf die Einheit der Menschheit als Summe universal rereifter Individuen ist bürgerliche Utopie – nicht umsonst erinnert Heisterkamps Reinkarnations- an Kants Unsterblichkeitspostulat. Anders als Jens Heisterkamp vermag ich eine solche Tendenz zur Versöhnung von Allgemeinem und Besonderem in der Geschichte nicht zu erkennen. Sie optimistisch als Ziel des evolutionären Gangs zu verkünden, scheint mir ungerechtfertigt – weil sich der ersehnte Fortschritt der Menschheit als Ganzer nicht eingestellt hat.’
Ook Michael Eggert heeft zich uitgelaten over dit boek van Heisterkamp – een stuk ongecompliceerder en positiever. Dat gebeurde op zijn website (niet zijn weblog), op 8 november, in ‘“Anthroposophische Spiritualität”. Zu einem Buch Jens Heisterkamps’:
‘Ganz in dunklem Blau, mit kräftigen Spuren eines komplementären Orange, das den Rahmen einer sich öffnenden Tür umrandet – so präsentiert Jens Heisterkamp sein Büchlein mit dem Titel “Anthroposophische Spiritualität”.* Nicht nur die Untertitel, sondern vor allem der Autor selbst geben die Gewähr, dass es sich keinesfalls um eines der zahllosen anthroposophischen Schriften mit großem Anspruch und wenig Originalität handelt, sondern vielmehr um eine Positionsbestimmung, in die Erfahrung, Umsicht, Zeitgenossenschaft, ein selbständiger sprachlicher Duktus und Mut zum persönlichen Statement einfliessen.

Heisterkamps Betrachtung umfasst fünf Abschnitte, die durchaus auch in sich abgeschlossen bestehen könnten. Zunächst widmet er sich einer prägnanten Betrachtung von Rudolf Steiners Denkentwicklung, die Heisterkamp auf knappe Art und Weise in ihren Umbrüchen charakterisiert. Er verzichtet dabei fast vollständig auf das typische anthroposophische Vokabular, sondern beschränkt sich auf knappe Zitate mit einer modernen Interpretation: “Im Bemerken der Tatsache, dass die Geistigkeit der Welt in das menschliche Innere nicht nur hineinragt, sondern in ihm sogar neu zu Bewusstsein kommt, geht Steiner der Sinn des Menschseins auf. Dabei meint er mit seiner platonisch anmutenden Rede von der “Ideenwelt” nicht das intellektuelle Denken des Verstandes, dessen kombinatorisches Vor-sich-hin-Laufen ja jede spirituelle Entwicklung hemmt, sondern die bewusst gemachte Anwesenheit des Einen spirituellen Urgrundes, der in Form einer Denk-Spur durch unser Bewusstsein zieht – mit den Merkmalen tiefer Verbundenheit ausgestattet und jederzeit dazu in der Lage, uns denkend über unsere Begrenztheit in ein tieferes Verstehen hinauszuführen.” (S.19) In Vergleichen zu Denkern wie Heidegger und der Zen-Philosophie versucht Heisterkamp, den Logosbegriff Steiners (“der Welt und Mensch übergreift”) ebenso zu charakterisieren wie dessen Vorstellung von Freiheit (“Die Erfahrung an der All-Einheit im Bewusstsein ist ja eine Erfahrung von Freiheit: Freiheit im Sinne einer prinzipiellen Unbegrenztheit und Ungetrenntheit, der “Aufgehobenheit” des Individuellen im All-Einen...”). Besonderes Gewicht in der Darstellung – im Sinne einer inneren Metamorphose – erhält Steiners zeitweiliges Aufgehen im mystischen Rahmen der Theosophie, aber auch seine Emanzipation gegenüber der “östlichen Weisheit” durch Steiners Begründung der Anthroposophischen Gesellschaft. Der eigentliche spezifische spirituelle Schulungsweg Steiners findet sich fragmentiert in seinem gesamten Vortragswerk verteilt. Um eine “rezeptartige Übernahme” der vielen vorgetragenen “Forschungsergebnisse” Steiners kann es für den modernen Leser nicht gehen, zumal manches “inzwischen zeitlich überholt” (S. 37) erscheint – manchmal auch in dem Sinne, dass die “Aussagen Steiners” z.B. über Menschen mit anderer Hautfarbe “diskriminierenden Charakter” haben.

Im zweiten Teil versucht Heisterkamp, Steiners Grundansatz, eine “Spiritualität vom Denken her” zu entwickeln, seine “Mystik des Denkens” sprachlich zu fassen und damit Motive für eine “moderne, aufgeklärte Spiritualität” (S.39) heraus zu arbeiten. Das Nachdenken über das Denken im Sinne Steiners führt eben nicht nur zur postmodernen Position, im Denken “lediglich ein subjektives Konzept” zu sehen, sondern auch zur “zentralen Eigenschaft des Denkens: Seine Universalität und seine Allgemeingültigkeit.” (S. 45) Die “mystische” Erfahrung des Denkens führt in den Worten Heisterkamps zu der Erfahrung: “Nicht ich denke die Gedanken, sondern ich bewege mich denkend in einem in sich selbst begründeten (organischen) Weben des Denkens.” (S. 47) Die “Schlüsselerfahrung” moderner Spiritualität mündet schließlich in der Fähigkeit, “Bewusstsein als Bewusstsein selbst” zu erfassen – in der Leere eines fokussierten Denkens, das sich aber nicht mehr in seinen Inhalten verliert. Damit ist auch die Erfahrung verbunden, dass das Denken uns erst als Subjekt konstituiert. Der anthroposophische Weg führt zur Ursprünglichkeit eines reinen Bewusstseins, ohne sich dabei in einer “Selbstauslöschung” aufzugeben. Die dualistische Weltsicht wird in dieser meditativen Denkaktivität nach und nach überwunden, indem die “Denktätigkeit” (S. 57) selbst erfahrbar wird. Dies ermöglicht es, etwas “zuvor nicht Vorhandenes in die Welt zu bringen” (S. 60) und somit unabhängig, kreativ, auch sozial schöpferisch tätig zu werden. Die Evolution der Dinge und Wesen bis hin zur Selbstgewahrwerdung wird in dieser Sicht durch eine “Involution” des Geistes in die Materie ergänzt. Heisterkamp ist an diesem Punkt der Betrachtung bemüht, die widersprüchlichen Signale zwischen Individualismus, Kultur, reaktionären Tendenzen und ungehemmter Freizügigkeit als zeitgenössische Wegmarken verständlich zu machen und zugleich existentielle Grundbedingungen des Menschen zu erfassen: Menschen sind “grundsätzlich unfertig und unbestimmt” (S. 69). Das schließt Probleme, Hemmnisse, Schmerzen und die “vielleicht auch dunklen Seiten” (S. 73) des Individuums mit ein. Das “Evolutionäre” bedeutet für Heisterkamp an diesem Punkt weniger, individuell nach “Erleuchtung und höherer Erkenntnis” zu verlangen, als im Sinne Steiners “das Erwachen am anderen Menschen” zu suchen – und damit praktisch und konkret tätig zu werden. Das “Interesse am anderen”, an einer “Zukunft dieses Menschen” ist das Credo dieser Spiritualität, die ihr Potential in einer “neuen Achtsamkeit für Gemeinschaftsbildungen” gewinnt. Hier sieht Heisterkamp auch die gemeinsame Schnittmenge mit anderen spirituellen Richtungen, die er im dritten Teil des Buches (“Stufen der Entwicklung”) weiter ausführt.

Die Vertiefung der Grundmotive einer so angedeuteten evolutionären Bewusstseinsentwicklung führt Heisterkamp zur Darstellung kosmischer und menschlicher Entwicklung im Sinne von Bewusstseinsstufen, die sich zwar entfalten, aber zugleich in den “transformativen (freien) Möglichkeiten, Bewusstsein zu entwickeln” (S. 89) auch, da es sich keinesfalls um einen linearen Prozess handelt, “Brüche und Abstürze” frei legen – das 20. Jahrhundert war von diesen Abgründen geprägt. Totalitarismus und Terror sind die Schattenseiten dieser Evolution des Bewusstseins, das, in anthroposophischer Terminologie zum “Berührt-Werden vom Geist” im Sinne der Entfaltung des Geistselbstes führen kann. Heisterkamp spricht an dieser Stelle von einer Einverleibung des Geistes, oder, in Worten Andrew Cohens, vom “Authentischen Selbst”.

Die eigentliche meditative Arbeit daran stellt Heisterkamp im vierten Teil (“‘Schulungsweg’: Spirituelle Transformation durch Weltbegegnung”) – wiederum in einer spezifischer werdenden Darstellung – vor. Auf der einen Seite steht eine Umwandlung des “intellektuell-emotionalen Apparat(es)” (S. 101), auf der anderen eine zunehmende Verankerung im Sinne einer zu entdeckenden Ruhe (“sein Lebensschiff einen sicheren, festen Gang zu führen” – nach Steiner). Die Darstellung der meditativen Schritte führen Heisterkamp auch zu einer Darstellung der Entfaltung der Chakren.

Im letzten, recht kurzen Abschnitt wagt Heisterkamp einen Ausblick auf die weitere Entfaltung der Anthroposophie im 21. Jahrhundert. Die “exklusiven Lehrinhalte”, die ritualisierten Arbeitsformen und die relative Abgeschiedenheit der anthroposophischen Bewegung sollten in seinen Augen überwunden werden zugunsten einer umfassenden Dialogbereitschaft auch mit anderen spirituellen Strömungen. Dabei geht es nicht um Vermischung und Verwässerung der Impulse, sondern um ein “Sondieren und Fruchtbar-Machen von geistigen Schnittmengen” (S. 123). Die Zeiten haben sich natürlich seit Steiners Lebens- und Wirkenszeit verändert – heute findet sich die anthroposophische Bewegung wieder in einer Zeit der “globalisierten Spiritualität und Religiosität” (S. 125). Dazu gehört für Heisterkamp einerseits das Besinnen auf die “philosophisch-gedanklichen Grundlagen der Anthroposophie” (S. 127), andererseits das Überdenken mancher (häufig lediglich als Phrase benutzten) anthroposophischen Maximen wie z.B. dem viel beschworenen “Christus-Impuls”.

Das zentrale Anliegen Heisterkamps, was die Anthroposophische Gesellschaft im 21. Jahrhundert betrifft, ist aber die Notwendigkeit eines fortlaufenden und sich vertiefenden Dialoges – eben das, was er auch als zentrales spirituelles Motiv für das Individuum heraus gearbeitet hat. Das Büchlein selbst ist dafür selbst ein Beispiel, da es – ohne den Ballast anthroposophischer Nomenklatur – zentrale anthroposophische Anliegen und Bestrebungen darstellt und damit “Einsteigern”, aber auch Anhängern anderer spiritueller Bewegungen näher bringen kann.

*Jens Heisterkamp, “Anthroposophische Spiritualität. Denken, Meditation und geistige Erfahrung bei Rudolf Steiner. Eine Einführung”, Frankfurt/ Main 2014’
Op 7 november had Christian Clement weer een bijdrage geschreven op de weblog van Michael Eggert, getiteld ‘Von Wölfen und Viren’:
‘Über Grenzen und Möglichkeiten kritischer Anthroposophieforschung, erläutert am Vergleich mit der kritischen Bibelforschung

Jüngst hieß es auf diesem Blog, dass “es Bereiche in Steiners Werk gibt, die sich einer (Text)Kritischen Edition einfach entziehen...” und dass man darüber doch “angstfrei und wutfrei” reden und nachdenken könne. Durch diese Äußerungen wurden folgende Überlegungen angeregt, die Anspruch und Grenzen der SKA durch einen Vergleich mit der modernen Bibelforschung zu illustrieren suchen.

Die kritische Anthroposophieforschung hat mit der kritischen Bibelforschung gemein, dass beide nicht darauf aus sind, den Selbstanspruch der Texte, die sie untersuchen, zu erhärten oder zu widerlegen. Ob Rudolf Steiner ein “Hellseher” war, ob Autoren wie Jesaja und Johannes “Seher” und “Propheten” gewesen sind – das interessiert in der kritischen Lektüre nicht und wird auch nicht nicht thematisiert. Der Selbstanspruch dieser Texte, dass es sich um “Offenbarung”, um Botschaften aus dem “Übersinnlichen” handelt, wird einfach ausgeklammert. Sie werden ausschließlich unter Gesichtspunkten betrachtet und analysiert, die jeder denkende Mensch (also der “Hellseher” wie der gewöhnliche Mensch, der “Gläubige” wie der Skeptiker) teilen und nachvollziehen kann. In der kritischen Forschung geht es daher um die entsprechenden Texte nur insofern, als sie sich in nachvollziehbarer Weise als Produkte ihrer Zeit und ihres Autors verstehen lassen. Denn dass sie dies sind, kann jeder anerkennen. Ob sie darüber hinaus noch mehr sind, wird weder bejaht noch verneint.

Die kritische Anthroposophieforschung liest einen Text Rudolf Steiners ähnlich, wie die kritische Bibelforschung heute einen Text von Jesaja oder Johannes liest. Wenn also in diesen Texten dargestellt wird, wie sich dem Verfasser “die Himmel öffnen” und wie “Engel” erscheinen, die ihnen eine “Schriftrolle” überreichten, dann fragt die kritische Bibelforschung nicht “war Johannes tatsächlich ein Seher?” oder “öffnete sich wirklich der Himmel?”, sondern sie versteht diese Schilderungen als symbolisch-imaginative Einkleidung, in welche der Autor seine persönlichen Ansichten und Erfahrungen und Intentionen kleidete. Man untersucht die Art und Weise, wie diese Autoren ihre Erfahrungen in Bilder kleideten, spürt den Ursprüngen dieser Bilder nach, untersucht, was diese Bilder in ihrem ursprünglichen Kontext bedeuteten und wie der Verfasser sie benutzt, um seine besondere Botschaft deutlich zu machen. Ferner untersucht sie das soziale, politische und kulturelle Umfeld des Verfassers, um zu verstehen, inwiefern dieses Umfeld den Text geprägt hat. Und vieles mehr. Genau das tut auch die kritische Anthroposophieforschung.

Die kritische Forschung hat also nicht die Absicht, demjenigen, für den die untersuchten Texte Quelle spiritueller Inspiration, Objekt der Verehrung oder Gegenstand der Meditation sind, diese Verwendung der Texte auszureden. Eine kritische Lesart eines biblischen Textes nimmt dem Text ja nichts von seinen Qualitäten als Katalysator spiritueller Erfahrung; sie fügt lediglich eine Reihe von Gesichtspunkten hinzu, die bei unkritischer Betrachtung übersehen werden. Das Buch Jesaja ist nach wie vor ein Glanzlicht der Weltliteratur, es wurde nicht aus der Reihe der Propheten oder aus der Bibel ausgeschlossen, obwohl es von der kritischen Forschung über ein Jahrhundert lang in die Mangel genommen wurde. Im Gegenteil, wir verstehen heute, wo wir von den biblischen Autoren und ihrem sozialen und intellektuellen Umfeld mehr wissen, die Botschaft ihrer Texte möglicherweise besser, als zu früheren Zeiten, wo diese Texte kritiklos als “Worte der Propheten”, als “Botschaft aus übersinnlichen Welten” hingenommen worden sind. Die kritische Bibelforschung hat manchen Mythos, manchen Aberglauben und manches kulturelle Missverständnis aus dem Weg geräumt; aber die Substanz der biblischen Botschaft und den Glauben der Gläubigen hat sie nicht zerstört, vielmehr hat sie unser Verständnis der Grundlagen dieses Glaubens bereichert – sowohl für diejenigen, welche im Glauben stehen, wie für die, die ihn nur von aussen betrachten.

Weil dies so ist und allgemein so gesehen wird, wird von Seiten der Kirchen und der Gläubigen im kritischen Umgang mit biblischen Texten heute kaum mehr ein Problem gesehen. Jeder kann ja für sich entscheiden, ob er mit der kritischen Forschung Jesaja als einen Menschen wie ich und du ansieht, der für seine Botschaft nun einmal die literarische Textart der Prophetie wählte, oder ob er ihn als Medium einer höheren Offenbarung betrachtet. Es würde als peinliche Entgleisung gesehen, wenn von Kirchenseite jemand sich über solche Forschung empören würde, wenn jemand etwa über eine “Einsargung” Jesajas durch die Bibelkritik schimpfte, wenn jemand die Bibelforscher als “Wölfe im Schafspelz” verdächtigte, welche die Substanz der christlichen Botschaft zerstören wollen, wenn jemand sie gar als “Krankheitserreger” bezeichnete, welche den gesunden Körper der Mutter Kirche infizieren und von innen heraus zerstören wollen, oder wenn gar die Bibelkritik insgesamt als “vom Teufel inspiriert” charakterisiert würde.

Können solche Reaktionen, welche, würden sie gegenüber der kritischen Bibelforschung heute gemacht, von jedermann als lächerlich und peinlich und “mittelalterlich” empfunden würden; können solche Reaktionen gegenüber einer kritischen Anthroposophieforschung in irgendeiner Weise gerechtfertigt werden? Ich glaube nicht. Vielleicht können sie aber verstanden werden, wenn man sich bewusst macht, dass die Bibelkritik auf eine weit längere Zeit zurückblicken kann, als die kritische Anthroposophieforschung. Heftige und aggressive Reaktionen gegen diese Bibelkritik, wie sie gegenwärtig im Lager orthodoxielastiger Anthroposophen zu vernehmen sind, kennen wir aus der Zeit, als diese Disziplin noch jung war. Später, als man sah, dass diese kritische Theologie dem Glauben nichts anhaben konnte, legte sich die Aufregung. Bedenkt man, dass die Anthroposophie im Vergleich mit Katholizismus und Protestantismus noch ausgesprochen jung ist, und dass die kritische Anthroposophieforschung kaum ein Jahrzehnt alt ist, kann man sich der Hoffnung hingeben, dass auch hier sich irgendwann die Einsicht durchsetzen wird, dass der spirituellen Dimension der steinerschen Texte durch ihre kritische Erforschung nichts genommen werden kann; dass aber auf der anderen Seite viele neue Einsichten zur Geschichte der Texte und manche Berichtigungen von Mythen und Missverständnissen zu erwarten sind. Jeder kann ja weiterhin die Texte der GA als neue Offenbarung verehren, darüber meditieren oder sie den Verstorbenen vorlesen, und, wenn die Darlegungen der Anthroposophiekritik ihm selbst nichts zu geben vermögen, sich immerhin freuen, dass durch die kritische Erforschung diese Texte nun auch von Menschen gelesen und ernsthaft erwogen werden, die sich sonst niemals damit beschäftigen würden. Und es soll ja sogar Menschen geben, welche den kritischen Umgang mit den Grundlagen ihrer Spiritualität nicht als Bedrohung und Infragestellung, sondern vielmehr als Bereicherung und Vertiefung ihres spirituellen Lebens empfinden.

Also: schon wenn die SKA “nur” eine kritische Ausgabe nach dem Vorbild der traditionellen Bibelkritik wäre, hätten die Anthroposophen nichts von ihr zu befürchten und viel von ihr zu gewinnen. Nun gibt es aber noch einen zentralen Unterschied, denn die SKA klammert eben nicht den Selbstanspruch der Steinerschen Texte – d. h. aus “übersinnlicher” Erkenntnis hervorgegangen zu sein – aus, wie die traditionelle Bibelkritik dies mit dem Offenbarungsanspruch der Bibeltexte tut. Sondern die SKA nimmt diesen Anspruch explizit in die kritische Auseinandersetzung hinein – etwa indem Steiners Aussagen über “höhere Erkenntnis” an bestimmte Traditionen innerhalb des deutschen Idealismus angeknüpft werden.

Man sehe dies nicht als Widersproch zu dem oben Gesagten. Die SKA fragt in der Tat nicht, ob Rudolf Steiner Hellseher war oder nicht; sie thematisiert aber durchaus die Natur des Hellsehens als einen integralen Teil des anthroposophischen Selbstverständnisses und sucht Steiners Aussagen dazu, sofern sie rational nachzuvollziehen sind, historisch und systematisch an vergleichbare Modelle in der abendländischen Geistesgeschichte anzuknüpfen. Insofern tritt also die SKA ihrem Gegenstand näher, als es die traditionelle kritische Bibelforschung zu tun gewohnt ist. Sie führt das Element der Kritik nicht nur von aussen an die Inhalte der Anthroposophie heran, sondern zugleich, quasi von innen heraus, an die Quelle, das Innerste, das Allerheiligste dieser Weltanschauung, versucht ihren Gegenstand also gewissermaßen durch konzeptionelle Rekonstruktion von innen heraus zu verstehen.

Vielleicht ist ja gerade diese Intimität, dieses ernstnehmende Eingehen nicht nur auf die äußeren Inhalte, sondern auf das Innerste der anthroposophischen Weltanschauung, der Grund für die Heftigkeit der Kritik an diesem Unternehmen. Zumindest eine Ahnung davon zeigt sich ja in den oben zitierten Metaphern der Gegner des Projekts SKA – der Herausgeber sei ein “Wolf”, der sich im “Schafspelz” in die anthroposophische Herde schleicht; ein “Krankheitserreger”, welcher in den anthroposophischen Körper eindringt, indem er dessen “Immunsystem” umgeht usw. Möge man doch diese Bilder zuende denken und einsehen, dass der “Wolf” in der Regel nur die kranken und schwachen Lämmer reisst, und dass die Krise, in welche der Virus den Körper versetzt, letztlich dessen Selbstheilungskräfte anregt. “Wolf” und “Virus” dienen somit letztlich der Stärkung, Gesundung und Selbstreinigung dessen, der von ihnen befallen wird.

Ähnlich kann mit gutem Grund auch von der kritischen Anthroposophieforschung erwartet werden:

Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,
er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.’
Op 15 november volgde van dezelfde auteur ‘Muss man zum Verständnis eines Textes die Motivation des Autors kennen?
‘Über die metaphysische Sehnsucht nach der textuellen “Hinterwelt” am Beispiel der SKA-Kritik 
In den Diskussionen um die SKA wird immer wieder nach der “Motivation” des Autors gefragt. In den extremen Fällen führt dies zu wilden Spekulationen über mormonische Verschwörungen oder Anschläge Ahrimans auf die Anthroposophie; aber auch viele gemäßigtere Leser stellen immer wieder Fragen wie: “Was will der Herausgeber der SKA eigentlich?” “Welche Rolle spielen die Mormonen?” “Warum befasst sich überhaupt ein Nicht-Anthroposoph mit Rudolf Steiner?” Oder, wie jüngst auf diesem blog: “Wenn jemand [...] an einem Kulturwerk wie der Anthroposophie arbeitet, dann empfinde ich die Fragen nach Motivation und Kontext nicht nur als berechtigt, sondern sogar geradezu als verpflichtend! Und zum Kontext gehört eben in beiden Fällen auch der religiöse Kontext.”

Im Folgenden möchte ich mit einigen Gedanken dafür plädieren, dass solches Fragen nach der “Motivation” eines Autors, so verständlich und berechtigt es auf den ersten Blick erscheinen mag, bei genauerem Hinsehen als unsachgemäß, ja als unsinnig abgewiesen werden muss. Die Ansicht, dass sich “hinter” dem Text etwas im Text selbst nicht Manifestes verbirgt, dessen Kenntnis – vergleichbar einer platonischen “Idee” – erst den Schlüssel zur wahren Bedeutung des Textes liefert, ist ein Überrest eines metaphysischen Dualismus, der sich in den modernen Natur- und Geisteswissenschaften längst überlebt hat, der aber ausserhalb der Akademie, besonders auch in anthroposophischen Kreisen, weiterhin sein Unwesen treibt.

Die Frage nach der “Motivation” des Autors ist in der neueren Literaturwissenschaft mittlerweile glücklicherweise zum alten Eisen geworfen worden, ähnlich wie die Naturwissenschaft die Frage nach den “Zwecken” in der Natur überwunden hat. Und das mit gutem Grund. Denn wenn ein Autor nicht mehr lebt und man ihn nach seinen Motiven nicht mehr befragen kann, dann fehlt die empirische Basis und alles Reden über mögliche Motive kann nur reine Spekulation sein.

Aber selbst wenn der Autor noch lebt und man diesen befragen kann, oder wenn er Zeugnisse über seine Motivation hinterlassen hat, wird sich niemals mit Sicherheit sagen lassen, ob der Autor uns seine wirklichen Motive gibt (vielleicht hatte er Gründe, seine Leser zu täuschen), oder ob er sich, auch wenn er völlig ehrlich mit sich und seinen Lesern zu sein versucht, über seine eigenen Motive wirklich im Klaren ist. Wir wissen heute nur zu gut, in welchem Maße uns die wahren Motive unseres Handelns oft verborgen sind, weil sie im Unterbewussten spielen und sich hinter allerlei Masken verbergen.

Aber selbst in dem theoretischen (und unwahrscheinlichen) Fall dass, drittens, ein Autor seine Motive völlig wahrheitsgemäß darlegt und sich selbst dabei völlig durchschaut und keiner List seines eigenen Unterbewussten unterliegt: selbst dann hätte das Offenliegen der Motive eines Autors für die (Be)Deutung des Textes keinerlei Relevanz. Denn der Text wird durch das Bekanntsein dieser Motive doch kein anderer. Nachdem der Text geschrieben ist, steht er allein da, getrennt von seinem Verfasser, und muss in seiner Eigenheit verstanden werden, wie ein Mensch in seiner Eigenheit verstanden muss, unabhängig davon, was seine Eltern für Motive hatten, als sie ihn in die Welt setzten, als sie ihn erzogen. Denn wer kann sagen, ob der Text auch wirklich die Motivation des Autors in die Tat umsetzt? Ein Autor mag dies oder jenes mit seinem Text bezwecken wollen; aber Texte haben ihr eigenes Leben und eine Wirkung, die beide ausserhalb der Kontrolle des Autors liegen. Leicht kann ein Text durch dieses Eigenleben und durch die Art der Rezeption in etwas ganz anderes, ja in das Gegenteil dessen umschlagen, was der Autor beabsichtigte.

Viele weitere Gründe ließen sich aufführen, warum sowohl die Suche nach den Motiven eines Autors als auch die Deutung eines Textes im Lichte dieser vermeintlichen Motive zu nichts führen kann als zu Spekulationen und Hypothesen, welche dann zwar viel über den Spekulierenden, aber nichts über den Text selbst offenbaren.

Dass nichtsdestoweniger der Hang zu Spekulationen und Hypothesen darüber, was sich “hinter” dem Text verbergen mag, weiterhin so verbreitet ist, kann man vielleicht verstehen als ein hartnäckiges Überbleibsel jenes alten naiv-metaphysischen Denkens, das sich mit der gegebenen Wirklichkeit nicht zufrieden gibt, dem die unmittelbar gegebene Wirklichkeit als solche durch die eigene Denktätigkeit nicht verständlich wird und das daher nach einem “Jenseits” und “Hinter” der wahrnehmbaren Wirklichkeit sucht. Wie der Platonist sich die Erklärung der wahrnehmbaren Welt von den unwahrnehmbaren “Ideen” versprach, so suchen diese metaphysischen SKA-Leser in der “Motivation” des Herausgebers nach einem “hinter” und “Jenseits” des Textes, durch welches sie sich eine Klärung der Bedeutung des Textes erhoffen, die sich ihrem bloßen Denken offenbar nicht erschließt.

Was nun merkwürdig ist, ist das Phänomen, dass solches Suchen nach der “Hinterwelt” der SKA ausgerechnet von Leuten propagiert wird, die sich als Anthroposophen verstehen und bei jeder Gelegenheit den steinerschen Erkenntnismonismus lobpreisen, der doch gerade nach Überwindung solcher metaphysischen Dualismen strebt. Diesen anthroposophischen Hinterweltlern sei daher empfohlen: Man folge doch nur einmal Steiners Vorschlägen, stelle sich dem Text der SKA unvoreigenommen als einem Gegebenen gegenüber und suche das zum Verständnis Notwendige nicht in irgendwelchen tatsächlichen oder projizierten Absichten des Herausgebers, sondern in der denkenden Durchdringung des im Text Gegebenen. Vielleicht erschließt sich ja so eine Wirklichkeit, angesichts derer die Frage nach des Herausgebers Motiven sich gar nicht mehr stellt.

Ähnlich verhält es sich mit der Frage nach dem “Kontext” der SKA. Natürlich darf und soll gefragt werden, in welchem geistigen Kontext die Gedanken des Herausgebers stehen – wenn man ihnen denn einen solchen Wert zumisst, dass solche Fragen sich lohnen. Aber auch hier suche man den “Kontext” der SKA bzw. ihres Herausgebers im real Gegebenen, also in den Ideen und Autoren, auf welche er im Text ausgesprochen oder unausgesprochen Bezug nimmt (so wie jetzt gerade auf Rudolf Steiners Erkenntnistheorie), nicht aber in irgendwelchen ihm rein spekulativ unterstellten Anschauungen oder religiösen Überzeugugen, in ideologischen oder gar okkulten Zugehörigkeiten, auf deren Vorhandensein es im Text selbst keinen Hinweis gibt. (Ein Beispiel für solch einen rein erfundenen Kontext ist das dem Herausgeber von Pietro Archiati unterstellte “unausgesprochne” Ziel, die SKA wolle, gemäß den Prämissen einer “materialistisch” ausgerichteten Wissenschaft, die Unmöglichkeit geistiger Erkenntnis erweisen). Wenn man sich denn für den “Kontext” der SKA interessiert, erforsche man doch das real Gegebene, des Herausgebers geistige Welt, wie sie sich in seinen Texten darstellt, und spekuliere nicht über dessen Partei-, Religions- oder sonstiger Zugehörigkeit.’
Op 19 november nam Michael Eggert weer zelf het woord, nu om de nieuwste uitgave van Christian Clement te bespreken, namelijk Band 7, Steiners “Schriften zur Erkenntnisschulung” in de Kritische Ausgabe der Hauptwerke Rudolf Steiners (SKA). Getiteld ‘Das erkenntnisschulische Konzept Steiners...’:
‘...und die behauptete ideologische Verkürzung durch Christian Clement

Dass die Formulierung dieses anthroposophischen “Konzepts” des Erkenntnisweges, zumal mit dem Anspruch, ohne Brüche aus dem Denken entwickelt zu sein und eine monistische Selbst- und Weltsicht zu vermitteln, im Zentrum der SKA 7* zu stehen habe, macht Christian Clement schon in seiner Einleitung deutlich: “Da Steiner selbst in den Texten dieses Bandes sein erkenntnisschulisches Konzept nicht ausdrücklich in seiner philosophischen Weltanschauung verankert hat, wird eine solche Kontextualisierung zumindest andeutungsweise Aufgabe dieser kritischen Ausgabe sein müssen. Dies soll geschehen, indem wir in dieser Einleitung sowie im Stellenkommentar Steiners Meditationskonzept in den Kontext sowohl seines Gesamtwerkes wie auch der abendländischen Geistesentwicklung überhaupt zu stellen versuchen.”

Steiners “Erkenntnisschulung” wird von Clement in sehr viel weiterem Rahmen gesehen als von Zander: “Die in diesem Band zum ersten Mal in kritischer Edition vorgelegten erkenntnisschulischen Schriften Rudolf Steiners gehören, ebenso wie seine Theosophie von 1904 und seine Geheimwissenschaft von 1910, in die beschriebene Tradition der mythischen, philosophischen und psychologischen »Jenseitsreisen« der abendländischen Geistesgeschichte von Platon bis Freud und über diesen hinaus.” Wie Clement selbst in einer Anmerkung hinzufügt, bestand Zanders entscheidender Bezug in seiner Forschungsarbeit über Steiner in dessen theosophischen Quellen: “Helmut Zanders Versuch, die erkenntnisschulischen Texte Steiners ausschließlich aus dem Kontext von dessen unmittelbarer theosophischer Umgebung zu verstehen (vgl. Zander [2007] I, 580 ff.), erscheint uns zu eng.” Den geeigneten Rahmen für eine Kontextualisierung Steiners sieht Clement dagegen in der abendländischen Frage des Bewusstseins nach sich selbst: “Jakob Böhme, Lessing, Kant, Schiller, Hegel, Marx, Wagner, Nietzsche, Freud und Heidegger sind nur die prominentesten in einer langen Liste neuzeitlicher Erben Platons, die den Menschen aus der Begrenzung des bisher erworbenen Bewusstseins auf eine höhere Stufe des Wahrnehmens und Denkens heben wollten, sei es durch Schulung der Ideenschau, der religiösen Inbrunst, der kritischen Rationalität, der Empfindsamkeit, der ästhetischen Erfahrung, des dialektischen Denkens, des Klassenbewusstseins oder der Analyse des Unbewussten.”

Rudolf Steiner ist in dieser Sichtweise eine der Figuren innerhalb der westlichen Kultur, die nach Ursprung und Selbständigkeit des menschlichen Geistes schlechthin fragen, nach Mythos und Verwirklichung: In “Wie erlangt man..” z.B. suche Steiner “also einerseits den Anschluss an die mythischen Ursprünge des abendländischen Geistes und zugleich die Anbindung des präreflexiven mythischen Bildbewusstseins an jene neuzeitlichen Errungenschaften des Geistes, in denen die Grundlage des modernen Selbstverständnisses des Menschen geschaffen wurde.”

Anthroposophische Meditationsübungen stehen dabei als methodisches Rüstzeug für die Arbeit am “modernen Selbstverständnis” des Zeitgenossen bereit: “Die Faszination der modernen abendländischen Kultur an der Meditation kann denjenigen nicht überraschen, der sich bewusst macht, dass die meditative Arbeit als systematische Arbeit des Bewusstseins an sich selbst eine Reihe von Elementen aufweist, die in der westlichen Tradition sehr wohl verankert sind, sich hier aber gewissermaßen arbeitsteilig auf verschiedene Disziplinen und Schulen verteilt haben. Meditation im modernen Sinne verbindet das in Wissenschaft und Philosophie gepflegte wache Beobachten und rationale Denken mit der in Mystik, Magie und Religion kultivierten Versenkung in Bilder, Gefühle und Stimmungen, in der das diskursive Denken systematisch ausgeschaltet wird; sie arbeitet mit subtilen Methoden der Introspektion und Selbstanalyse, wie wir sie aus den bewusstseins-philosophischen, phänomenologischen und tiefen- psychologischen Ansätzen der europäischen Neuzeit her kennen, baut aber zugleich, ähnlich wie ästhetische Bildungskonzepte von Schiller bis Beuys, auf das unser Vorstellen, Fühlen und Wollen transformierende Potential der Auseinandersetzung mit den Produkten der menschlichen Einbildungskraft.” Diese Methodik steht für Clement sehr viel enger in der Tradition eines Kant, Fichte und Goethe als in fernöstlichen Verwirklichungskonzepten, da es am Denken selbst ansetzt: “Ähnlich wie Platoniker zur »Ideenschau« und Mystiker zur »unio mystica«, wie Goethe zum »anschauenden Denken« oder die Philosophen des deutschen Idealismus zur »intellektualen Anschauung« anleiten wollten, so zielt auch das anthroposophische Meditationskonzept nicht primär auf eine gefühlshaft-religiöse Erfahrung, sondern auf die systematische und streng geregelte Hervorbringung neuer und verfeinerter Formen des klarbewussten Denkens, aus denen dann ebenso eigenständige Wahrnehmungs- und Erlebniswelten hervorgehen, wie die sinnlich-greifbare Welt unserer Alltagserfahrung aus dem an sinnliche Inhalte gebundenen Denken entspringt.”

Der strenge Monismus Steiners erklärt sich vor allem dadurch, dass in seiner Erkenntnisschulung der Mensch Mittel und Ziel des Verwandlungsprozesses selbst ist – die mystische Einheit mit “der Welt” wird durch eine Transformierung des Denkens des Menschen angestrebt: “Der Mensch soll nach Steiner die materielle Welt als Manifestation seines eigenen innersten Wesenskerns erkennen lernen und sich so mit ihr umso wesenhafter verbinden, um sie dann, gewissermaßen die traditionelle Rolle des Schöpfergottes übernehmend und weiterführend, mittels seiner Imaginationen, Inspirationen und Intuitionen schöpferisch um- und weitergestalten zu können.” Es geht bei Steiner nie um eine Befreiung im Sinne der Abkehr von der realen Welt (im Sinne des klassischen klösterlichen Lebens oder der religiösen Ekstase), sondern um “eine im praktischen Leben sich verwirklichende Freiheit in der Welt bzw. eine als Welt sich verwirklichende Freiheit”.

In einem Beitrag im Waldorfblog bewegt Ansgar Martins trotz der Fülle von kulturhistorischen Bezügen in Clements Buch nicht nur die Frage, welche Möglichkeiten der Kontextualisierung dieser übersehen, sondern auch an welchem Punkt Clement Steiner verkürzt gesehen haben könnte; Martins unterstellt Clement, er “blendet wichtige Teile von Steiners Selbstverständnis” aus, ja er produziere eine “ideologische Verzerrung”, denn “Clement versucht Steiner stattdessen als Bewusstseinsphänomenologen und die Inhalte der höheren Welten als rein bildlich-symbolischen Ausdruck für geistig-monistische Selbsterfahrung zu deuten.” Martins ist also nicht willens oder in der Lage, die monistische Darstellung Clements – die materielle Welt als Manifestation des eigenen menschlichen Wesenskerns zu erkennen – zu akzeptieren, sondern beharrt auf der dualistischen Konzeption, “da draußen” gäbe es eine Welt geistiger Wesenheiten und Dinge, deren separate Existenz Clement bewusst leugne – wahrscheinlich eben deshalb, um Steiner für den akademischen Diskurs verkehrsfähig zu machen. Daher behauptet Martins auch, Clement stelle Steiner insgesamt “reduktionistisch” dar, da dieser “Steiner die Entwicklung nach 1900 abzusprechen” wage; ja, Clement betreibe in der Kritischen Ausgabe eine “Umdeutung Steiners”.

Angesichts der oben angeführten Positionierung Christian Clements erscheint mir der Vorwurf der ideologischen Verkürzung Rudolf Steiners abwegig – dies auch deshalb, da Clement die Widersprüche Steiners durchaus aufführt. Es ist ja nicht zu bestreiten, dass der Autor einer “Philosophie der Freiheit”, ein Monist, der explizit innere Autonomie des Individuums propagierte, in seinen späteren Jahren zum Guru einer Schar von devoten Jüngern avancierte: “Hier spricht nicht mehr eine Stimme, die ein kritisches Publikum durch Argumentation von der eigenen Position zu überzeugen versucht, sondern eine solche, welche die Autorität eines Wissenden für sich in Anspruch nimmt und als Lehrer zu Schülern spricht, d. h. zu Menschen, die den »Pfad der Erkenntnis« schon beschreiten und insofern bereits für sich eine Vorentscheidung über die Validität des Vorgebrachten getroffen haben. Steiner verfasste die Schrift zeitgleich zu seiner Tätigkeit als Lehrer innerhalb der Esoterischen Schule der Theosophischen Gesellschaft.” Gerade in Bezug auf das Schildern von übersinnlich Geschautem hat sich Steiner auf das dünne Eis des sich selbst Widersprechenden gewagt: “Diese in traditioneller mystischer und esoterischer Literatur nicht unübliche Veranschaulichung und Verdinglichung innerer Erlebnisse hat unzweifelhaft den Vorteil der Konkretheit und Fasslichkeit und bindet Steiners Text an bestehende Traditionen an, wirft jedoch beim kritischen Leser die Frage auf, ob und inwieweit Steiner hier mit seiner eigenen intellektuellen Vergangenheit und mit allen Gepflogenheiten eines kritisch-philosophischen Diskurses gebrochen hat und möglicherweise in eben jenen »naiven metaphysischen Realismus« verfiel, den er selbst zehn Jahre zuvor in seiner Philosophie der Freiheit so scharfsinnig charakterisiert und leidenschaftlich bekämpft hatte.”

Es sind also die inneren Widersprüche in Steiners Auftreten und Werk, die Ansgar Martins Christian Clement gegenüber zum Vorwurf der “Ideologie” verleiten, aber in Clements Arbeit keineswegs verschwiegen werden.

* Christian Clement (Hrsg), Kritische Ausgabe der Hauptwerke Rudolf Steiners (SKA). Band 7, Steiners “Schriften zur Erkenntnisschulung”’
Vandaag wordt Eggert nog expliciter op zijn website, in ‘Der radikale Wandel in Rudolf Steiners Werk – zu Christian Clements “Kritischer Ausgabe”’:
‘Die SKA 7 (Kritische Ausgabe ausgewählter Schriften Rudolf Steiners*) hat zum Thema Meditation und anthroposophische Erkenntnisschulung im Sinne einer aktiven Auseinandersetzung des modernen Menschen angesichts einer sich globalisierten Welt, aber auch angesichts eines sich stark ändernden Selbstwahrnehmung. Von beiden Seiten erscheint der moderne Mensch bedroht von Leere und, wie Rudolf Steiner es nannte, dem Erleben der “Ohnmacht”:

“»Ich bleibe mit meiner Fassungskraft hinter dem, was ich eigentlich anstrebe, zurück; ich empfinde meine Ohnmacht gegenüber meinem Streben. – Es ist dieses Erleben ein sehr wichtiges [...] denn dieses Ohnmachtsgefühl ist nichts anderes als das Empfinden der Krankheit [...] Dann, wenn man genügend kräftig diese Ohnmacht empfindet, dann kommt der Umschlag [...] Suchen Sie in sich, und Sie werden finden die Ohnmacht. Suchen Sie, und Sie werden finden, nachdem Sie die Ohnmacht gefunden haben, die Erlösung der Ohnmacht, die Auferstehung der Seele zum Geist« (GA 182, 180 f.).” (1) Christian Clement äußert in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass die so benannte “Ohnmacht” (übrigens nennt Steiner im Heilpädagogischen Kurs als Ursache für Depression aufgestaute Gefühle) inmitten der “Krise der Moderne” mit der heute so genannten Depression im Zusammenhang steht: “Was das Individuum als »Depression«, was die Menschheit als »Krise der Moderne« erlebt, ist nach Steiner Ausdruck jener inneren Entwicklungskräfte, die den Menschen aus den Tiefen seines Wesens heraus von seinen früheren instinkthaften Bindungen an Natur und Gesellschaft emanzipieren und ihn gewaltsam zum Erlebnis seiner inneren Freiheit drängen.” (2)

Der “Schulungsweg” Steiners soll – analog zur psycho-therapeutischen Selbstbewusstmachung – als notwendiges Instrument zur inneren Stärkung, Fokussierung, Emanzipation des modernen Menschen dienlich sein können, wenn er recht verstanden wird: “Die Herausforderung der anthroposophischen Erkenntnisschulung an den Menschen der Gegenwart ist somit im Grunde nicht die: Ob der Einzelne die beschriebene innere Entwicklung will oder nicht; sondern vielmehr die: Ob er diese faktisch sich bereits vollziehende Entwicklung bewusst in die eigene Hand nehmen will oder es dem allgemeinen Evolutionsgeschehen, der »Natur« oder der »Gesellschaft« überlässt, diese Wandlung an ihm zu vollziehen.” (3)

Derjenige, der selbstbewusst, analytisch und engagiert mit dieser Erkenntnisschulung beschäftigt ist, wird auch dem Lehrer Steiner selbst radikale Wandlungen und Entwicklungsschritte zugestehen und nicht annehmen, Steiner sei quasi als Menschheitslehrer fertig gebacken zur Welt (und zur Reife) gekommen. Dies kann man nirgends besser erkennen als an den Änderungen, die Rudolf Steiner selbst an seinen Schriften zur Erkenntnisschulung, im Laufe stetig neuer Auflagen vorgenommen hat. Diese gehen, wie Christian Clement beweist, über die formale Änderung von theosophischen zum anthroposophischen Lehrer weit hinaus. Clement nennt diese Veränderung “Vom Einweihungsritus zum individuellen Schulungsweg” (4). 1904 sieht (“Das Christentum als mystische Tatsache”) die Einweihung – als Ziel der Erkenntnisschulung – nach Steiner “der Form des antiken Mysterienkults (bzw. der steinerschen Rekonstruktion desselben) noch sehr ähnlich”, wird in geheimen “Tempeln” vollzogen und entstammt einer “Geheimüberlieferung”. In “Wie erlangt man..” verfolgt Clement von Auflage zu Auflage, wie “zunehmend die Konzeption eines modernen Schulungswegs, der von jedem individuell und überall, ohne Einbindung in institutionelle oder personelle Bindungen praktiziert werden kann” (5), in den Neuformulierungen Steiners zutage tritt. Das von Steiner skizzierte Lehrer-Schüler-Verhältnis ändert sich vollständig: “Der Schüler »begibt« sich nicht mehr in eine »Geheimschule«, sondern »lässt sich ein« auf die Schulung (WE, 107). Aus der »Aufnahme« in eine Schule wird der »Antritt« der Schulung (WE, 96) und die »Geheimlehrer« heißen nun »Berater«, »Lehrer des geistigen Lebens«, »Kenner der Geheimwissenschaft« oder »geistig Geschulte«, die statt strenger »Forderungen« und »Anweisungen« jetzt »Ratschläge« und »Empfehlungen«“ (6) geben. “Der reduzierten Rolle des Lehrers in der geistigen Schulung entspricht eine zunehmende Betonung der Autonomie des Schülers.” (7)

Im Grunde hat sich in Steiners Arbeiten im Laufe der Jahre das gesamte Konzept einer “Geheimwissenschaft” und eines klüngelnden Mysterienwesens restlos überlebt: “Hatte Steiner zuvor stets betont, dass bestimmte esoterische Vorstellungen geheim gehalten werden müssten, so verschiebt sich das traditionelle Schweigegebot der alten Mysterien immer mehr in Richtung des Gedankens, dass das Esoterische sich selbst vor unberufenen Augen und Ohren schützt.” (8) Damit ändert sich auch der elitäre “Wissensvorsprung” der “Eingeweihten”: “Zudem wird der exzeptionelle und elitäre Charakter der Einweihung entschärft, indem das frühere Ziel des Eingeweihten, zu einem »Führer des Menschengeschlechts« zu werden, soweit herabgestuft wird, dass er nunmehr zur Befreiung der Menschheit nur noch »beizutragen« habe (WE, 219).” (9)

Insgesamt sieht Christian Clement in den Textveränderungen Anzeichen einer “Deinstitutionalisierung der »Einweihung« zum »Schulungsweg« und ihre Entkopplung von Lehrer, Institution und Ritus” (10). Dieser lange Weg einer völligen Neuorientierung Steiners in Bezug auf die Rollen von Lehrer und Schüler, Ziel und Organisation der Schulung (und damit verbundenen Methoden) kann man sich gar nicht radikal genug vorstellen. Steiner hat sich keineswegs nur von theosophischen Vorstellungen getrennt, sondern vom gesamten traditionellen Konzept der “Einweihung”. Er ist Stück für Stück in seinen Adaptionen in die Moderne gerückt und hat damit den aufgeklärten, autonomen, sich selbst infrage stellenden und im sozialen Zusammenhang lebenden Menschen in den Mittelpunkt genommen: “Aus der alten Idee einer Initiation unter Anleitung eines spirituellen Führers wird so nach und nach ein Weg der Selbsteinweihung des gut informierten und daher weitgehend autonomen Schülers.” (11)

Parallel dazu ist Rudolf Steiner dazu übergegangen, dem naiven Realismus des Lesers entgegen zu wirken und den bildhaften Charakter der Hinweise in den esoterischen Schriften heraus zu stellen – die selbst gewonnene Erkenntnis soll schließlich nicht dem Glauben an wortwörtlich vorgestellte geistige Wesen zum Opfer fallen. Als ein Beispiel mögen die “geistigen Wahrnehmungsorgane” dienen, deren exakte “Lage” im Körperschema nicht mehr als feste Tasche hingestellt wird; in “Wie erlangt man..” heißt es stattdessen in späteren Auflagen, solche Organe könnten “geistig wahrgenommen” werden, wobei die Drehbewegung dieser Organe “als bildhafte Ausdrucksweise zu verstehen und nicht wörtlich zu nehmen” (12) sei: “Insgesamt herrscht die Tendenz, sämtliche Beschreibungen übersinnlicher Phänomene als uneigentlich und bildhaft auszuweisen und stets davor zu warnen, sich von der Konkretheit und Bildlichkeit nicht dazu verführen zu lassen, die beschriebenen seelisch-geistigen Erlebnisse im naiven Sinne als Objekte oder Dinge misszuverstehen.” (13)

In Bezug auf die vermittelten Übungen selbst fällt in den Textveränderungen auf, dass sich “die Tendenz (zeige), Übungsbeschreibungen, die zuvor in relativ normativer Weise dargestellt worden waren, nunmehr als bloße Beispiele zu verstehen”: “Offensichtlich will Steiner den eigenen Meditations-Anweisungen den autoritativen Charakter nehmen und den generellen Charakter bestimmter Techniken betonen, die dann der Übende gemäß seiner persönlichen Präferenzen individuell gestalten kann.” (14)

Besonders stark sind Steiners Eingriffe in den Text in der 8. Auflage von “Wie erlangt man..” zu konstatieren. Aber sie gehen alle weiter in die bislang von Clement skizzierte Richtung des sich selbst bemühenden, eigenverantwortlichen Zeitgenossen: “Zentral ist nicht mehr, dass er von einem autorisierten Lehrer unterwiesen wird, sondern dass er in der rechten Weise bestrebt ist.” Weiterhin überarbeitet Steiner seinen Text und insbesondere die Begriffe, die “einen Institutionscharakter der Einweihung implizieren und die 1914 stehen geblieben waren”; sie “werden jetzt durch solche ersetzt, die den Prozesscharakter sowie die Flexibilität und Freiheit in der individuellen Verwirklichung des Schulungsweges betonen.” (15)

So bildet Rudolf Steiner in den durch die Forschungsarbeit Christian Clements dargestellten Text-Veränderungen eine Neuorientierung spiritueller Schulung ab, wobei Steiner erst nach und nach, wie es Zeit, Einsicht und Umstände erlaubten, seine früheren Texte einer Revision unterzog. Sein dabei sichtbar werdendes Ziel war es, ein “Konzept eines allgemeinen, sicheren und von Lehrerautorität unabhängigen Schulungsweges”(16) zu entwickeln. Er hat dabei seine frühere Einstellung zum Thema “Einweihung” sehr weitgehend revidiert.

*Steiner, Rudolf: Schriften. Kritische Ausgabe (SKA). Band 7: Schriften zur Erkenntnisschulung
Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? – Die Stufen der höheren Erkenntnis. Samt einem Anhang mit Materialien aus Rudolf Steiners erkenntnisschulischer und erkenntniskultischer Arbeit. Herausgegeben und kommentiert von Christian Clement. Mit einem Vorwort von Gerhard Wehr. 2014. CXXX, 498 S. 17,4 x 25 cm. Ln.

Leseprobe

1 Zitiert nach: Christian Clement, SKA 7, lxxxix, “Schulungsweg und Psychotherapie”, Anmerkung 137
2 CC, SKA 7, Einleitung, XC
3 dito
4 CC, SKA 7, Einleitung, CXII
5 dito
6 dito
7 dito
8 CC, SKA 7, Einleitung, CXIII
9 CC, SKA 7, Einleitung, CXIII f
10 CC, SKA 7, Einleitung, CXIV
11 dito
12 CC, SKA 7, Einleitung, CXV
13 dito
14 CC, SKA 7, Einleitung, CXVII
15 CC, SKA 7, Einleitung, CXIX
16 CC, SKA 7, Einleitung, CXX’
Waar blijft Lorenzo Ravagli nou, zult u zich afvragen. Die heb ik voor het laatste bewaard. Op 8 november publiceerde hij ‘1963 – Das Ende einer Ära’ in zijn serie over de geschiedenis van de Algemene Antroposofische Vereniging:
‘1963 ging die lange Ära zu Ende, in der Albert Steffen maßgeblich die Geschicke der Anthroposophischen Gesellschaft bestimmt hatte. Über die Dauer dieser Ära kann man geteilter Meinung sein. Man könnte sie im Dezember 1925 beginnen lassen, als Steffen den Vorsitz der Gesellschaft übernahm, oder im April 1935, als die beiden Vorstands-Kolleginnen Ita Wegman und Elisabeth Vreede durch den Beschluss der Generalversammlung ihrer Ämter enthoben wurden. Im ersteren Fall hätte sie einen Zeitraum von rund 38 Jahren umspannt, im letzteren rund 28 Jahre, also vier Jahrsiebte.

Wie dem auch sei: dem historischen Rückblick erscheint dieser ganze Zeitraum als von Krisen, Konflikten und Katastrophen bestimmte Epoche. Das erste Jahrzehnt von 1925 bis 1935 war von Auseinandersetzungen mit den beiden Vorstandskolleginnen und ihren Verbündeten über die legitime Nachfolge Rudolf Steiners geprägt. 1935 wurden nicht nur diese beiden und die mit ihnen verbundenen Landesgesellschaften ausgeschlossen, 1935 wurde auch die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland durch das nationalsozialistische Regime verboten. 1937 starb Steffens an Epilepsie leidende Stieftochter, die Elisabeth Stückgold 1935 mit in die Ehe gebracht hatte. Während des II. Weltkriegs begann der Konflikt um den Nachlass mit Marie Steiner, der über ihren Tod hinaus fortdauerte, zu rechtlichen Auseinandersetzungen führte, und erst einige Jahre nach Steffens Tod, 1968, zu einem vorläufigen Abschluss kam. Natürlich war Steffen nicht allein für all diese Katastrophen verantwortlich, aber er war als 1. Vorsitzender der Gesellschaft (oder Privatperson) von allen betroffen und als Handelnder oder Leidender in sie verwickelt. Wie mochten sich die Geschicke dieser Gesellschaft in seinem persönlichen Lebensrückblick darstellen? Eine Frage, die schwierig zu beantworten ist, zumal ein großer Teil seines Nachlasses bis heute nicht veröffentlicht wurde.

Steffen verstand sich zeitlebens als Künstler, insbesondere als Dichter, nicht als Wissenschaftler. Im ganzen Zeitraum, in dem er die Geschicke der Gesellschaft lenkte (1925-1963), verfasste er 14 Theaterstücke (7 davon zwischen 1933 und 1945), 8 Romane und 10 Gedichtbände und schuf ein nicht unbeträchtliches malerisches Oeuvre, aber kein einziges theoretisches Werk, das zur Lehrentwicklung der Anthroposophie beigetragen hätte. Auch seine großen Essays, die zwischen 1926 und dem Ende seines Lebens erschienen, befassten sich in der Hauptsache mit Fragen der Dichtungstheorie und der Gestalt des Künstlers. Er sah seine Aufgabe nicht darin, die Anthroposophie als Geisteswissenschaft, soweit sie in Steiners Werk Gestalt angenommen hatte, auszubauen oder zu systematisieren. Rund einen Monat nach dem Ausschluss Ita Wegmans und Elisabeth Vreedes aus der Gesellschaft schrieb er in sein Tagebuch (am 26. Mai 1935): »Aber wir in Dornach sind nicht dazu da Lehrstühle für Dr. Steiner’s Erkenntnisse einzurichten, sondern selbst zu erkennen und zu schaffen. Die geistige Welt wandelt sich, und mit ihr die Werke, die aus der Schau derselben geschaffen werden.« Die Dichtkunst verstand er als eigenständigen Weg zum Geist, als Form sozialer Therapie, als eine ihm mögliche Methode, Anthroposophie zu leben, nicht zu lehren. Deutlich macht dies ein Tagebucheintrag vom 12. Mai 1948, in dem Steffen auch seine Überzeugung festhielt, er sei von niemandem verstanden worden, außer von Rudolf Steiner: »Es gibt eine anthroposophische Naturwissenschaft, Astronomie, Sprachgestaltung, Bewegungskunst, Geschichtsauffassung – aber keinen Anthroposophen, wenn dieser die Anthroposophie nicht lebt. Ich lebe sie, und das anthroposophische Erleben macht mich zum Dichter. Ich will nichts anderes als Dichter sein. Als solcher bin ich Anthroposoph. Kein Mensch kann mich verstehen, wenn er mich nicht als Dichter zu begreifen sucht.

Als Dichter zeige ich die neuen Lebensmöglichkeiten. Kein Naturwissenschaftler oder sonstiger Wissenschaftler hat eine Möglichkeit etwas über mich als Dichter zu sagen. Ein Dichter kann niemals Autorität sein. Er kann dem Geiste dienen. Aber er kann keine Lehrsätze geben. Er kann nur das wahr Erkannte erleben. Mag man daraus machen, was man will, es darf und wird ihn nicht kümmern, und er wird nie verlangen, sondern immer strenge abweisen, dass man sich danach richtet. Man richte sich nach dem Geiste. Nach Christus, von dem der Geist ausgeht. Ihm dient der Dichter. Mögen auch seine Leser ihm dienen. Der Dichter spricht nur von dem Schicksal, das sich aus diesem Dienen ergibt, sei es, dass altes Geschick sich löst, sei es, dass neues sich bildet.

Man muss als Dichter jeden Augenblick Dichter sein. Ich bin als Dichter an der Anthroposophie gestorben und auferstanden. Ich war schon vor der Geburt Anthroposoph und werde es auch nach dem Tode sein. Das ist mein Zeugnis (mein Martyrium), was niemand in der Anthroposophischen Gesellschaft (außer Rudolf Steiner) verstanden hat und versteht [1948 – sic!]. Aber ganz gewiss wird der Tag kommen, und wäre es erst am Ende des Jahrhunderts, wo man es verstehen wird.«

Heinz Matile, der Präsident der Albert Steffen Stiftung, schrieb über Steffen: »Als eine der führenden Persönlichkeiten der Anthroposophischen Gesellschaft suchte er die Anthroposophie besonders dadurch fruchtbar zu machen, dass er sie ins Leben überführte ... Spektakulär konnte ein solches Wirken, das sich nicht nach außen, sondern nach innen richtete, nicht sein. Steffen war ein Mensch, der aus der Stille heraus wirken wollte und konnte. Nach außen wirkte er eher scheu, beobachtend, ernst, doch mit feinem und treffsicherem Humor.

Seine Führungsaufgabe machte er sich nicht leicht. Man hat Steffen vorgeworfen, er habe die Anthroposophische Gesellschaft nicht mit genügend fester Hand geleitet. Steffen ging aber davon aus, dass in einer Gesellschaft, die ganz auf dem freien Handeln des Einzelnen beruhen sollte, ein Eingreifen aufgrund einer wie auch immer gearteten Machtposition sich von selbst verbietet. Da für ihn die Kunst das denkbar Freilassendste war, versuchte er, die Gesellschaft durch das Kunstwerk zu leiten. Dass dieser neue, um nicht zu sagen zukünftige Führungsstil nur von wenigen verstanden worden ist, ja, ihm im Gegenteil viel Feindseligkeit eintrug, gehört zu den tragischen Entwicklungen, unter denen die Anthroposophische Gesellschaft bis heute zu leiden hat.«

Auch mit den geistigen und politischen Entwicklungen seiner Zeit – und der Gesellschaft, die er leitete – setzte sich Steffen in erster Linie als Dichter auseinander. Das Drama »Der Chef des Generalstabs« beschäftigte sich 1927 mit Helmuth von Moltke und dem Ausbruch des I. Weltkriegs, die dramatische Skizze der »Sturz des Antichristen« von 1928, die am Karsamstag 1933 in Dornach uraufgeführt wurde, mit dem Geist, der zu dieser Zeit (1928) von Deutschland Besitz zu ergreifen drohte, aber auch mit dem Urnenstreit, dessen Augenzeuge Steffen gewesen war. Der jüdische Komponist und Anthroposoph Viktor Ullmann, der in Auschwitz ermordet wurde, vertonte dieses Drama zu einer Oper, die erst 1995 in Bielefeld ihre Uraufführung erlebte und im Oktober 2014 im Goetheanum zum 70. Todestag des Komponisten ihre Schweizer Erstaufführung. Steffens »Friedenstragödie« von 1936 setzte sich mit Woodrow Wilson und der Idee des Völkerbundes auseinander, während das »Adonisspiel« von 1935, das allerdings erst Ende 1937/Anfang 1938 im Goetheanum uraufgeführt wurde, in mythisch-poetischer Form die Geschehnisse aufarbeitete, die sich in diesem Frühjahr in der Anthroposophischen Gesellschaft abgespielt hatten und zugleich den Odinanhängern im nationalsozialistischen Deutschland das Bild einer Mysterienstätte entgegenhielt, die dem Auferstandenen verpflichtet war, der die Menschheit aus der Gefangenschaft von Blutsdämonen befreit hatte. Hier tritt ein »Jugendhäuptling« auf, der über die Ziele seiner Odinsschar sagt: »Ein mitternächtig’ Feuer haben wir/ dem Abendland als Aufgang angezündet./ Das Sonnenrad erfaßt die Völkerseelen, /streut Funken auf die dunkle Erde nieder./ Und aus der Tiefe glüht ein Leuchteleben./ Der Kern der Erde ist ja lichtgeboren/ und keimt und blüht und reift sich selbst zur Sonne. / Erzengel-Morgenröte steigt empor.« In einem am 15. September 1935 verfassten Gedicht, das im Band »Der Tröster« im selben Jahr veröffentlicht wurde, erklingt die Antwort an diesen Odinsjünger: »Predigen Boden und Blut / bis ihr Körper verblutet / führen das große Wort / haben die Macht der Lüge. / Lehrer der Finsternis / Usurpatoren des Lichtes / Diener des Antichrists / Wach o Mensch widerstehe.« Am 7. April 1938 schrieb Steffen in sein Tagebuch: »Am gleichen Tag wie in Stuttgart dem Befehl der Regierung [auf Schließung der Waldorfschule] nachgekommen wurde, führten wir das Adonisspiel auf, worin die Lösung der Rassen-, Religions-, Menschheitsschulungsprobleme dargestellt wird. O daß die Welt doch merkte, daß ihr Wege gewiesen werden, die gültig sind, weil sie geistgemäß und gottgewollt sind.«

Aber möglicherweise erschwerte gerade die Form, die Steffen gewählt hatte, das Verständnis seiner Beiträge zur Klärung des innergesellschaftlichen Lebens und die Anwendung der in ihr enthaltenen Therapeutika, ganz zu schweigen von der möglichen historischen sozialtherapeutischen Wirkung. Es ist eine merkwürdige Tatsache, dass zum ersten Nachfolger Rudolf Steiners, der zugleich der 1. Vorsitzende der Gesellschaft mit der längsten Amtsdauer war, bis heute keine Biografie oder nennenswerte biografische Monografie veröffentlicht wurde.

Am 2. März 1963 starb Guenther Wachsmuth in seinem 70. Lebensjahr. Der inzwischen 78jährige Steffen scheint die Notwendigkeit empfunden zu haben, das Haus der Gesellschaft und sein eigenes zu bestellen. Kurz vor seinem Tod gründete er unter dem Namen »Stiftung für Therapeutische Dichtung« (heute Albert Steffen-Stiftung) – »außerhalb der Gesellschaft« – eine Nachlassverwaltung, deren Aufgabe die Betreuung seines künstlerischen und wissenschaftlichen Lebenswerkes war, in die auch der Verlag für Schöne Wissenschaften, der Verlag der gleichnamigen Sektion, übergeführt wurde.

Da der Vorstand der Gesellschaft nach dem Tod Wachsmuths (Louis Locher-Ernst war bereits im Herbst 1962 tödlich verunglückt) nur noch aus dem 78jährigen Steffen, dem 72jährigen Poppelbaum und dem 57jährigen Grosse bestand, war eine erneute Erweiterung dieses Gremiums unumgänglich. Zu Ostern 1963 wurden daher der 60jährige Literaturprofessor Friedrich Hiebel (1903-1989), die 69jährige Ärztin Margarethe Kirchner-Bockholt (1894-1973) und der 58jährige Unternehmer Herbert Witzenmann (1905-1988) in den Vorstand berufen. Kirchner-Bockholt hatte seit 1955 zusammen mit Madeleine van Deventer, Hans Bleiker und Gerhard Schmidt die Medizinische Sektion verwaltet und übernahm nun deren Leitung, Witzenmann die Jugendsektion, Grosse die pädagogische Sektion, deren bisheriger Leiter, Hermann Poppelbaum, zur naturwissenschaftlichen Sektion wechselte.

Friedrich Hiebel (1903-1989)

Friedrich Hiebel, dessen Mutter Jüdin war und aus einer Industriellenfamilie stammte, hatte das Benediktinergymnasium Kremsmünster in der Nähe von Wien besucht und mit 17 Jahren durch die Mutter Walter Johannes Steins, Hermine Stein, die Anthroposophie kennengelernt. 1921, beim Stuttgarter Kongress »Anthroposophie, ihre Erkenntniswurzeln und Lebensfrüchte« begegnete er Rudolf Steiner in Person. Dieser schlug ihm vor, deutsche Literatur, Geschichte und Sprachwissenschaften zu studieren. Hiebel nahm dieses Studium tatsächlich in Wien auf.

Seit der Begegnung mit Walter Johannes Stein und der Stuttgarter Waldorfschule hatte er die Absicht, Waldorflehrer zu werden. Am Pfingstmontag 1922 führte er in Wien ein weiteres Gespräch mit Steiner, nahm 1923 an der Gründung der österreichischen Landesgesellschaft teil und gehörte 1923/24 zu den jüngsten Teilnehmern der Weihnachtstagung. Kurz darauf nahm ihn Steiner – ohne dass Hiebel ihn darum gebeten hätte – in die Freie Hochschule auf. 1924 setzte er sein Studium in Tübingen fort, um im dortigen Pädagogischen Arbeitskreis mit Wilhelm Dörfler und Friedrich Kübler mitarbeiten zu können. Schließlich promovierte er 1928 in Wien über den Romantiker Wilhelm von Schütz. 1929 begann er als Klassenlehrer an der Essener Waldorfschule tätig zu werden, wechselte jedoch ein Jahr später nach Stuttgart über. Dort unterrichtete er Griechisch, Latein sowie Freie Religion und führte ebenfalls eine Klasse. Nebenbei arbeitete er in der Zeitschrift »Erziehungskunst« mit, der er auch ihren Namen gab.

Als Sohn einer jüdischen Mutter musste Hiebel aufgrund der rassistischen Gesetzgebung des Naziregimes 1934 die Stuttgarter Waldorfschule verlassen und kehrte zunächst nach Wien zurück. Auch dort arbeitete er als Lehrer an der Rudolf Steiner-Schule. Nach dem »Anschluss« Österreichs flüchtete er 1939 in die USA. In New York setzte er seine Waldorflehrertätigkeit für sieben Jahre fort und gab die Zeitschrift »Education as an Art« heraus. Bis 1961 war er an verschiedenen Universitäten als Lektor und Professor für deutsche Sprache und Literatur tätig. Einige Jahre war er zudem im Vorstand der amerikanischen Anthroposophischen Gesellschaft tätig. 1961 entschloss er sich, mit seiner Familie nach Dornach überzusiedeln. Bis ihn Albert Steffen 1963 in den Vorstand der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft berief, nahm er einen Lehrauftrag an der Universität Freiburg wahr. Nach dem Tod Steffens sollte er die Leitung der Sektion für Schöne Wissenschaften übernehmen und 1966, nach dem Tod des Dichters Paul Bühler, die Redaktion der Zeitschrift »Das Goetheanum«. 1965 veröffentlichte er einen noch heute lesenswerten Essayband über »Rudolf Steiner im Geistesgang des Abendlandes«. Rückblicke auf seine Begegnung mit der Anthroposophie und die Weihnachtstagung enthält sein autobiografisches Werk »Entscheidungszeit mit Rudolf Steiner« (1986).

Margarethe Kirchner-Bockholt (1894-1973)

Margarethe Kircher-Bockholt war eine der engsten Mitarbeiterinnen Ita Wegmans. In Dülmen (Westfalen) geboren, hatte sie nach dem Besuch eines Kölner Mädchengymnasiums an den Universitäten Freiburg, Münster, München, Berlin und Rostock Medizin studiert und ihr Studium 1919 mit dem Staatsexamen abgeschlossen. Seit 1921 arbeitete sie als Assistenzärztin in der Rostocker Psychiatrischen Universitätsklinik. Ihr dortiger Vorgesetzter beuaftragte sie, über einen Vortrag Eugen Koliskos zu berichten – so wie einst Annie Besant den Auftrag erhielt, H.P. Blavatskys »Geheimlehre« zu rezensieren. Zwar verstand sie nicht viel von seinen Ausführungen, erfuhr aber durch Koliskos Vortrag von der Existenz einer Freien Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach und fasste den Entschluss, diese Hochschule zu besuchen. Sie fuhr nach Stuttgart, um Steiner zu hören und begegnete dort der Eurythmie. Sogleich begann sie bei Alice Fels diese neue Bewegungskunst zu studieren. Von Marie Steiner wurde sie nach Dornach eingeladen, um ihr Studium zu vertiefen.

Hier traf sie des öfteren Rudolf Steiner, der sie stets mit »Guten Morgen, Frau Doktor« begrüßte, vermutlich, um sie an ihre eigentliche Aufgabe zu erinnern. Im August 1922 vertrat sie Ita Wegman für einen Monat am Klinisch-Therapeutischen Institut und wurde daraufhin Assistenzärztin an der Arlesheimer Klinik. Da sie sich mit der Eurythmie vertraut gemacht hatte, gehörte sie bald zu den Pionierinnen ihrer therapeutischen Anwendung. Sie betreute die seelenpflegebedürftigen Patienten in einer Dependance der Klinik und Kranke im Sonnenhof. Sie nahm regelmäßig an den Konsultationen mit Steiner und Ita Wegman teil. Zwischen 1922 und 1924 erlebte sie die Katastrophen und Höhepunkte des anthroposophischen Lebens mit: den Brand des ersten Goetheanum, die Weihnachtstagung, die Karma-Vorträge Steiners, seine diversen medizinischen Kurse sowie den Heilpädagogischen Kurs. Sie übernahm die kommissarische Leitung der Jugendsektion bis Maria Röschl sich von der Stuttgarter Waldorfschule freimachen konnte.

Nach Steiners Tod stand sie bedingungslos an der Seite Ita Wegmans. Als Wegman 1931 angesichts der bedrohlichen politischen Lage in Deutschland die Initiative ergriff, die dortige medizinische Arbeit zu intensivieren, ging sie in deren Auftrag nach Berlin und eröffnete eine Praxis sowie ein heilpädagogisches Tagesheim. 1933 kehrte sie allerdings nach der Machtergreifung in die Schweiz zurück. Als die Arlesheimer Klinik aus Furcht vor einem Einmarsch der deutschen Armee evakuiert wurde, begleitete sie Ita Wegman ins Tessin und übernahm die Leitung des heilpädagogischen Heimes »La Motta« in Brissago. 1949 kehrte sie nach Arlesheim zurück und heiratete Emil Kirchner, den kaufmännischen Leiter der Klinik. 1950 gründete sie zusammen mit Franz Geraths und Albrecht Strohschein das Heilpädagogische Seminar Eckwälden und arbeitete unter anderem mit Zeylmans van Emmichoven zusammen. Wie bereits erwähnt, nahm sie 1955 das Angebot an, zusammen mit anderen Ärzten die Medizinische Sektion am Goetheanum zu verwalten und leitete damit, gegen nicht geringe Widerstände, die Rückkehr der Strömung, die Ita Wegman repräsentiert hatte, in die Anthroposophische Gesellschaft ein. 1962 veröffentlichte sie ein Grundlagenwerk zur Heileurythmie (»Grundelemente der Heileurythmie«). Eine nicht minder bedeutende Leistung – insbesondere für die anthroposophische Historiografie – dürfte jedoch das Buch »Die Menschheitsaufgabe Rudolf Steiners und Ita Wegman« gewesen sein, dessen letztes Kapitel sie wenige Tage vor ihrem Tod verfasste, und das ihr Ehemann zwei Jahre später, im Jahr 1976 herausgab. Warum es 33 Jahre dauerte, die sich aus dem Nachlass Ita Wegmans ergebenden Erkenntnisse zu veröffentlichen, dürfte sich aus einem Blick in diese Publikation erklären. Dazu später mehr.

Herbert Witzenmann (1905-1988)

Herbert Witzenmann, das dritte neue Vorstandsmitglied, wurde am 16. Februar 1905 in Pforzheim geboren, wo sein Vater in der zweiten Generation eine Metallschlauchfabrik führte. Witzenmann war vielseitig begabt: musikalisch, philosophisch, unternehmerisch und nicht zuletzt spirituell. Bereits als Gymnasiast beschäftigte er sich mit Humboldts Sprachphilosophie und seine Abiturientenrede befasste sich mit »Schillers Menschheitsidee«. Die Schimpftiraden eines Lehrers machten ihn auf Steiners Buch »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten« aufmerksam. Während eines Aufenthaltes in der Schweiz besuchte er mit seinen Eltern das erste Goetheanum und hörte Vorträge Steiners. Den Beruf des Pianisten konnte er aufgrund einer Sehnenschwäche nicht ergreifen. Wie für Kirchner-Bockholt erwies sich auch in seinem Leben Walter Johannes Stein als Weichensteller. Er vermittelte einen Kontakt zu Steiner, der Witzenmann riet, seine philosophischen Interessen zu vertiefen. Witzenmann begann daraufhin ein Studium der Philosophie, der Musik-, Kunst- und Literaturgeschichte. Ende der 1920er Jahre schickte Witzenmann einige seiner Gedichte an das »Goetheanum«, die Steffen 1931 veröffentlichte. 1930 heiratete er die Sängerin und Lyrikerin Maria Wozak, die ihm im Verlauf ihrer Ehe vier Kinder schenkte.

Seine Dissertation und Habilitation nahm Witzenmann bei Karl Jaspers in Heidelberg in Angriff, der zwar nichts von der Anthroposophie hielt, ihn aber trotzdem als Doktoranden annahm. In seiner Habilitationsschrift beschäftigte sich Witzenmann mit dem Thema »Die Philosophie der Arbeit bei Hegel und Nietzsche«. Allerdings scheiterte das Habilitationsvorhaben vermutlich an Jaspers Ablehnung der Anthroposophie. Witzenmann schrieb 1985, der Plan sei aufgrund »von Jaspers Diffamierung durch die Nationalsozialisten« (Jaspers war mit einer Jüdin verheiratet und wurde 1937 zwangsemeritiert) verhindert worden, sein Biograph meint jedoch, warum das Vorhaben scheiterte, könne »wohl nicht mehr geklärt werden« (Klaus Hartmann, »Herbert Witzenmann«, Bd. I). Witzenmann wandte sich daraufhin der Leitung des väterlichen Unternehmens zu und erwies seine geistige Beweglichkeit durch eine Reihe technischer Erfindungen, die sich patentieren ließen.

Während der nationalsozialistischen Herrschaft musste der »Judenfreund« eine Reihe von Verhören und Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen. Bei der Bombardierung Pforzheims im Februar 1945 wurden all seine Aufzeichnungen, darunter die Habilitationsschrift, vernichtet. Nach der Flucht aus französischer Kriegsgefangenschaft, in die Witzenmann kurz vor Kriegsende geraten war, widmete er sich dem Wiederaufbau der zerstörten Firma. Neben seiner Arbeit im Unternehmen betätigte er sich als Dozent im Stuttgarter Waldorflehrerseminar, begründete zusammen mit Friedrich Kempter das Freie Jugendseminar und arbeitete an der Seite von Erich Schwebsch als Redakteur in der Zeitschrift »Die Drei«. In dieser »Monatsschrift für Anthroposophie, Dreigliederung und Goetheanismus« erschien 1948 sein grundlegender Aufsatz »Intuition und Beobachtung«, der 1977/78 einer zweibändigen Aufsatzsammlung den Titel gab. Im genannten Aufsatz geht es, wie der Untertitel sagt, um das »Erfassen des Geistes im Erleben des Denkens«, was deutlich Witzenmanns Grundanliegen, die Anthroposophie philosophisch zu interpretieren bzw. zu reformulieren zum Ausdruck bringt. Diesem Anliegen blieb er auch in seinem weiteren Wirken verpflichtet, in dem er versuchte, ausgehend von Steiners philosophischen Werken einen denkerischen Weg zur Erkenntnis des Geistes zu bahnen. Anfang 1950 beschloss eine Konferenz von Mitgliedern in Wuppertal, Witzenmann als Generalsekretär der damals in Bildung befindlichen Deutschen Landesgesellschaft vorzuschlagen. Wie sich aber herausstellte, war der Widerstand der maßgeblichen Personen (unter anderem Ernst Schwebsch und Ernst Weissert) gegen Witzenmanns intransigente Haltung in der Nachlassfrage zu stark und das Vorhaben, das der Dornacher Vorstand (in Gestalt Wachsmuths) begrüßte, verlief sich im Sande. Schon hier, 1950, zeichnete sich einerseits ab, dass Witzenmann durch seine Solidarität mit Steffen für diesen zu einem wertvollen Verbündeten werden konnte, andererseits war aber auch erkennbar, dass gerade seine konsequente Ablehnung des Nachlassvereins eine künftige Einigung mit diesem nicht zulassen würde. In den folgenden Jahren zog sich Witzenmann aufgrund persönlicher Umstände und auch aufgrund der erfahrenen Ablehnung aus der Funktionärsarbeit für die Gesellschaft zurück und widmete sich seiner unternehmerischen Tätigkeit. Trotzdem hielt er weiterhin Vorträge, gab Kurse und veröffentlichte 1958 im Verlag des Münchner Arbeitszentrums die kleine, aber bedeutungsvolle Schrift »Die Voraussetzungslosigkeit der Anthroposophie«. Mit der Aufnahme Herbert Witzenmanns in den Vorstand wurde der Grund für einen neuen Gesellschaftskonflikt gelegt. Denn Rudolf Grosse war vermutlich schon vor dem Tod Steffens entschlossen, das Bücherproblem und die Nachlassfrage ein für allemal aus der Welt zu schaffen – koste es, was es wolle. Herbert Witzenmann stellte sich zu dieser Frage ganz anders.

Am 13. Juli 1963 starb Albert Steffen, das letzte Mitglied des einstigen Gründungsvorstandes. Hermann Poppelbaum übernahm daraufhin den Vorsitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft.

Im Jahr 1963 fand eine weitere historisch bedeutsame Zäsur statt: Die Anthroposophische Gesellschaft Englands, die seit 1935 ihre eigenen Wege gegangen war, schloss sich unter ihrem Vorsitzenden, Alfred Cecil Harwood (1898-1975), wieder der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft an. Harwood gehört zu den Generalsekretären mit der längsten Amtszeit in einer anthroposophischen Landesgesellschaft, hatte er diese Position doch 37 Jahre, von 1937 bis 1974, also bis kurz vor seinem Tod, inne. Nur Willem Zeylmans und Albert Steffen übertrafen ihn. Ersterer war exakt 38 Jahre General-Sekretär der holländischen Landesgesellschaft, von der Gründung am 18. November 1923 bis zu seinem Tod in Süd-Afrika am 18. November 1961. [Den Hinweis auf Zeylmans verdanke ich einem aufmerksamen Leser]. Letzterer war 38 Jahre 1. Vorsitzender der Anthroposophischen Gesellschaft (1925-1963). Harwood, der 1925 die erste Steinerschule in England mitbegründet hatte, sah sich als Träger eines esoterischen Auftrags, der von Ita Wegman über George Adams auf ihn übergegangen war. Er hatte zusammen mit Owen Barfield in Oxford studiert und unterhielt wie dieser Beziehungen zum Kreis der Inklings um J.R.R. Tolkien. Er gehörte zu den führenden Persönlichkeiten der britischen Waldorfschulbewegung und hatte deren Zeitschrift »Child and Man« gegründet. Sein Verständnis von Esoterik ließ es ihm notwendig erscheinen, die Kluft zwischen der Dornacher esoterischen Tradition und der englischen Anthroposophenschaft zu überbrücken. Daher bemühte er sich um persönliche Beziehungen zum Vorstand in Dornach. Zu Goetheanum-Tagungen in Leicester 1961 und 1962 reisten Rudolf Grosse und Hagen Biesantz an und die mit ihnen geführten Gespräche vermochten offenbar seine Bedenken auszuräumen. Daher kam es Ende 1963 zum Wiederanschluss. Über diesen informierte eine Mitteilung im »Nachrichtenblatt« im Januar 1964, die zwar nicht so lakonisch klang, wie die Nachricht, die 1960 über den Wiederanschluss der holländischen Landesgesellschaft veröffentlicht wurde, die aber nicht unbedingt aussagekräftiger war. Auch sie enthielt nicht mehr als das nackte Faktum und gab keinerlei Aufschluss über das »Warum« und »Wozu« der Fusion. »In einer von positiver und froher Stimmung erfüllten Versammlung, die in einer Art Fest der Wieder-Vereinigung gipfelte, hat die Mitgliedschaft [der Anthroposophischen Gesellschaft in Großbritannien] beschlossen, den Vorstand in Dornach zu bitten, die Wiedervereinigung zu vollziehen ...« hieß es am 19. Januar 1964 im »Nachrichtenblatt«. Gleichzeitig dankte der Vorstand der englischen Landesgesellschaft Albert Steffen für die »weitherzige Art«, mit der er die Landesgesellschaft in den vergangenen zwei Jahren behandelt habe. Der Adressat dieses Dankes war seit 6 Monaten tot.

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Fortsetzung folgt’
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‘1964, im Jahr der Gründung der PLO, der Unterzeichnung des Bürgerrechtsgesetzes zur Aufhebung der Rassentrennung durch Lyndon B. Johnson – der die Nachfolge des am 2. November 1963 ermordeten Präsidenten John F. Kennedy angetreten hatte – und der Tonkin-Resolution, die den Eintritt der USA in den Vietnamkrieg vorbereitete, bahnte sich auch in der Führung der Anthroposophischen Gesellschaft ein Politikwechsel an.

Karl König, 1902-1966

Der Tod Guenther Wachsmuths und Albert Steffens eröffnete die Möglichkeit, Verhandlungen mit der Nachlassverwaltung zur Klärung der gegenseitigen Beziehungen aufzunehmen. In den vergangenen vier Jahren war es gelungen, die holländische und die englische Landesgesellschaft wieder in die Muttergesellschaft zu integrieren und damit den ersten großen historischen Bruch symbolisch zu heilen, der im Jahr 1935 diese Gesellschaften ins geistige und soziale Exil getrieben hatte. Im Jahr 1965 sollte sich auch Karl König (1902-1966), der Begründer der Camphill-Bewegung, der zu den Ausgeschlossenen von 1935 gehört hatte, kurz vor seinem Tod wieder der Dornacher Gesellschaft anschließen (Nachrichtenblatt, 22.05.1966). Noch immer aber klaffte die schwärende Wunde im Leib des anthroposophischen Amfortas, die das Zerwürfnis zwischen Marie Steiner und Albert Steffen geschlagen hatte.

Treibende Kraft bei den Bemühungen, die sog. »Bücherfrage« zu klären, war Rudolf Grosse, der sich dabei auch auf die inzwischen verstorbenen Vorstandsmitglieder Steffen und Wachsmuth berief. Wiederholt erzählte er eine Episode, die sich zwischen ihm und Albert Steffen kurz vor dessen Tod zugetragen haben sollte und nur aus seinen Erzählungen bekannt ist. Dass ausgerechnet Rudolf Grosse die Lösung der »Bücherfrage« vorantrieb, ist insofern bemerkenswert, als er zu Lebzeiten Albert Steffens zu den unversöhnlichsten Gegnern der Nachlassverwaltung gehört hatte.

Zweimal war er in Generalversammlungen gegen Anträge aufgetreten, die »Bücherfrage« pragmatisch zu lösen und den Verkauf der Publikationen der Nachlassverwaltung im Goetheanum zu ermöglichen.

1955 hatte er gegen einen solchen Antrag argumentiert: »Welche Konsequenzen hätte die Annahme des Antrages? Er würde zunächst die Konstitution der Anthroposophischen Gesellschaft verändern, die von einer Goetheanumleitung spricht, deren Verantwortungsbereich auch der Büchertisch anheimgestellt ist und die in diesen Angelegenheiten nicht dem Befehl der Generalversammlung unterstellt sein darf.« Die Annahme des betreffenden Antrages, so Grosse weiter, »würde das Goetheanum zum Büchertisch für den Nachlassverein und uns zu dessen Verkaufspersonal machen.«

Und 1956 hatte er ausgeführt, die Herausgabe der Bücher Rudolf Steiners und ihr Verkauf sei eine spirituelle Angelegenheit, deswegen habe dieser bei der Weihnachtstagung seinen Büchern ein »Signum« mitgegeben, indem er sie als »Publikationen der Hochschule« bezeichnete. In den vom Nachlassverein herausgegebenen Werken fehle jedoch der von Steiner gewünschte Schutzvermerk, da der Nachlassverein diese Intention nicht erfüllen könne, sondern nur das Goetheanum, dessen Vorstand aber verhindert worden sei, das, was seine Pflicht und Aufgabe seit der Weihnachtstagung sei, zu erfüllen – und zwar eben durch die Nachlassverwaltung. Der Nachlassverein könne nicht den Anspruch erheben, das Werk Steiners zu schützen, denn ein noch so getreuer Abdruck der Worte Steiners allein gebe noch keinen Schutz. Zu diesem gehöre die Erfüllung seines Willens, seine Bücher als Publikationen der Hochschule erscheinen zu lassen und sie durch den Hochschulvermerk gegenüber der Öffentlichkeit zu schützen. Man könne einem solchen Antrag nicht zustimmen, wenn man nicht die Hoffnung aufgeben wolle, dass das, was dem Goetheanum entzogen worden sei, aber zu ihm als Zentrum gehöre, ihm je wieder eingefügt werden könne.

Seit dem Tode Steffens oder bereits früher musste Grosse in dieser Frage einen Schwenk um 180 Grad vollzogen haben und offenbar erschien ihm nun die »Veränderung der Konstitution« der Anthroposophischen Gesellschaft, die er 1955 noch befürchtet hatte, nicht mehr als Bedrohung, wenn nicht sogar wünschenswert. Seither erzählte er jedem, der es hören wollte, jene Episode, auf die er auch bei der Generalversammlung 1968 wieder zurückkam: »Ich erwähnte an der letzten Generalversammlung [1967] und in den vielen Gesprächen, die wir unter den Freunden geführt haben, ein Wort Albert Steffens, das ich heute noch einmal in diesen Saal hineinbringen möchte. Es war Albert Steffen im Laufe der Jahre, besonders je näher der hundertste Geburtstag Rudolf Steiners [1961] kam, damit beschäftigt, ob man etwas finden könne, der Gesellschaft eine Lösung zu zeigen, wie man sich heraus entwickle aus dem, was als Wunde, als Verletzung bezeichnet werden kann. Ich habe Ihnen schon einmal erzählt, wie Albert Steffen auf der Treppe herunter zur Wandelhalle stehenblieb und sagte: ›Herr Grosse, ich kann es fast nicht mehr ertragen, dass die Bücher Rudolf Steiners nicht im Goetheanum sind, aber ich weiß nicht, wie ich es machen soll.‹ Ich verhielt mich still in einer erschütterten Haltung im Entgegennehmen dieser Worte. Und wie ist die Situation gewesen? Die Bücher Hereinnehmen war falsch, die Bücher draußen lassen war falsch, nichts zu tun, war falsch – ja, was soll man dann in diesem Erdenleben, wo alles falsch ist, noch tun? Er bezeichnete das als eine unübersehbare Tragik seiner Stellung. Guenther Wachsmuth war verzweifelt über die Sackgasse, in die die Entwicklung geraten war. Der Tod hat sie beide im Jahre 1963 enthoben und sie frei gemacht für neues Entwickeln und Werden.« (Nachrichtenblatt, 5. Mai 1968)

Konradin Haußer, 1883-1973

Möglicherweise lagen aber die Gründe, die Grosse zu seinem Sinneswandel bewogen, nicht nur auf der Ebene der esoterischen Metageschichte, bei der es um Gefolgschaftstreue, lückenlose Sukzession, höhere Einsicht, Verletzung und Heilung ging, sondern auch in der weitaus handfesteren Welt der profanen Geschichte. Eine nicht unbedeutende Rolle dürften dabei die Aktivitäten des Unternehmers Konradin Haußer (1883-1973) und der von ihm 1959 gegründeten Stiftung gespielt haben. Der in Ulm geborene Haußer hatte 1919 daselbst Vorträge Alfred Meebolds gehört und war im Januar 1920 durch die Vermittlung von Carlo Septimus Picht in die Anthroposophische Gesellschaft aufgenommen worden. 1920 wurde er neben Hans Kühn und Wilhelm Trommsdorff in das Direktorium des »Kommenden Tages« berufen, einer Aktiengesellschaft, die mit dem Ziel gegründet worden war, finanzielle Mittel für die Unterstützung der anthroposophischen Bewegung zu erwirtschaften. Später baute Haußer ein eigenes Firmengeflecht auf, zu dem Unternehmen für Datenverarbeitung und Apparatebau gehörten. Teile des beträchtlichen Vermögens, das diese Firmen erwirtschafteten, stellte Haußer getreu der Dreigliederungsidee der anthroposophischen Bewegung zur Verfügung. Da er offenbar Marie Steiner nahestand, kam insbesondere die Nachlassverwaltung in den Genuss seiner Unterstützung. Er förderte nicht nur die Herausgabe der Werke Rudolf Steiners, sondern stellte auch deren Publikationen weltweit solchen Einrichtungen, öffentlichen Bibliotheken und Hochschulen zur Verfügung, die sie ihrerseits Interessenten zugänglich machten. Seine Stiftung förderte auch die Übersetzung der Bücher Rudolf Steiners. Neben dem Verkauf durch den Verlag der Nachlassverwaltung trugen die Akivitäten der Haußer-Stiftung seit Beginn der 1960er Jahre nicht unerheblich zur Verbreitung der Werke Rudolf Steiners bei. Angesichts dieser Tatsache erschien es immer absurder, dass ausgerechnet im Goetheanum die Werke Steiners, die von der Nachlassverwaltung herausgegeben wurden, nicht erhältlich waren, hundert Meter von diesem entfernt, in der Bücherstube der Nachlassverwaltung jedoch schon.

Auf diese Situation schien jedenfalls Hermann Poppelbaum anzuspielen, wenn er bei der Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft 1964 sagte: »Ohne eine tätige Gesellschaft könnten noch so gute und reich- und weitverschickte Ausgaben der Werke Rudolf Steiners nicht voll wirksam werden. So wird es von diesem Gesichtspunkt aus immer eine tätige Anthroposophische Gesellschaft geben, die vor der Welt dokumentiert, dass ihr die Anthroposophie und das Werk Rudolf Steiners am Herzen liegt. Der Vorstand vertraut darauf, dass in dieser Richtung Fortschritte gemacht werden können, auch dass, um einen noch größeren Gesichtspunkt zu zitieren, manches, was in der Gesellschaft in Unordnung gekommen ist, auch schicksalsmäßige Ausprägung erlangt hat, dass das in Ordnung gebracht werden kann und muss, vorzugsweise durch diejenigen, die selber noch verbunden waren mit der Entstehung der Schwierigkeiten ... Der Vorstand wird sich in diesem Suchen nicht irremachen lassen durch jene Neunmalweisen, die immer schon alles gewusst haben, die gewohnheitsmäßigen Besserwisser, die plumpen Friedensmacher und dergleichen.«

Hans Zbinden, 1899-1977

Mit diesen Worten kündigte Poppelbaum am Karsamstag, dem 28. März 1964 eine Erklärung des Vorstandes an, von der er sagte: »Wollen Sie sie als Symptom nehmen ... wie wir gedenken, die Initiative zu bewahren ...« Anschließend las er die Erklärung vor. Sie lautete: »Am Donnerstag, den 12. März 1964, hatte der Vorstand auf seine Einladung hin am Goetheanum eine Begegnung mit den vier Persönlichkeiten der Nachlass-Verwaltung, den Herren Dr. Zbinden, Dr. Jenny, Dr. Weidmann und Herrn Froböse.

Das Gespräch dauerte annähernd drei Stunden und zeigte die Stellung der grundlegenden Probleme zwischen Vorstand und Nachlass-Verwaltung.

Es wurde in diesem Gespräch u.a. berührt die Frage von Gesellschaft und Bewegung, diejenige nach der Hochschule, dann die Gründung des Nachlassvereins und die Frage des Testaments. Daraus kann man ersehen, dass den Problemen nicht aus dem Wege gegangen wurde, sondern dass man ihnen in Ruhe und Offenheit in einer Aussprache von Mensch zu Mensch begegnet ist.

Diese Zusammenkunft war ein freier Versuch und sollte die Bemühung einleiten, auf Grund von Erkenntnisbegegnungen die Geschicke der Gesellschaft in gemeinsamer Verantwortung für das Werk Rudolf Steiners zu ordnen.

Diesem ersten Gespräch, das durchaus deutlich auch die gegensätzlichen Auffassungen zeigte, soll demnächst ein weiteres folgen. Der Vorstand wird darüber zu gegebener Zeit Mitteilung machen.«

Eine in mehrfacher Hinsicht merkwürdige Erklärung, die auch durch die nachfolgenden Erläuterungen Poppelbaums nicht unbedingt verständlicher wird. Abgesehen von der hölzernen Formulierung fällt auf, dass die Erklärung keinerlei konkrete Absicht oder Zielrichtung des Gespräches nennt. Zwar ist die Rede davon, »die Geschicke der Gesellschaft in gemeinsamer Verantwortung zu ordnen«, was das aber konkret bedeutet – für den Vorstand oder auch für die Nachlassverwaltung – erfahren die Adressaten der Erklärung, die Mitglieder, nicht.

Im Anschluss an die Verlesung fuhr Poppelbaum fort: »Nehmen Sie es ... als ein Zeichen der Grundhaltung des Vorstandes, dass bestimmte Punkte in dieser Besprechung auch als gemeinsame Ansichten herausgekommen sind, – z.B. ... dass die Bücherfrage sekundär sei gegenüber der zentralen Frage der Hochschule [kursiv im Original]. Denjenigen, die wissen was für Dinge da vorliegen, wird diese Erklärung ja sehr viel sagen können. Ich möchte ... schließen damit, Sie zu bitten, das als eine der Initiativen des Vorstandes sorgfältig zu überdenken und die Größe der Aufgabe und die Größe des Wagnisses auch zu berücksichtigen. ...«

Wer unter den Zuhörern Poppelbaums gehörte wohl zu »denjenigen«, die wussten, »was für Dinge da vorlagen«? Lag die »Größe des Wagnisses« darin, dass der Vorstand der Gesellschaft nach über einem Jahrzehnt der Gesprächsverweigerung die Vertreter der Nachlassverwaltung nun zu einem Gespräch einlud? Oder lag die Größe des Wagnisses in etwas ganz anderem, das vielleicht nicht einmal diejenigen ahnten, die »wussten, was für Dinge da vorlagen«? Worin das Wagnis bestand, sollte im Lauf der folgenden Jahre klar werden.

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Kort en bescheiden, ik zei het toch?
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(Hilversum, 1960) – – Vanaf 2016 hoofdredacteur van ‘Motief, antroposofie in Nederland’, uitgave van de Antroposofische Vereniging in Nederland (redacteur 1999-2005 en 2014-2015) – – Vanaf 2016 redacteur van Antroposofie Magazine – – Vanaf 2007 redacteur van de Stichting Rudolf Steiner Vertalingen, die de Werken en voordrachten van Rudolf Steiner in het Nederlands uitgeeft – – 2012-2014 bestuurslid van de Antroposofische Vereniging in Nederland – – 2009-2013 redacteur van ‘De Digitale Verbreding’, het door de Nederlandse Vereniging van Antroposofische Zorgaanbieders (NVAZ) uitgegeven online tijdschrift – – 2010-2012 lid hoofdredactie van ‘Stroom’, het kwartaaltijdschrift van Antroposana, de landelijke patiëntenvereniging voor antroposofische gezondheidszorg – – 1995-2006 redacteur van het ‘Tijdschrift voor Antroposofische Geneeskunst’ – – 1989-2001 redacteur van ‘de Sampo’, het tijdschrift voor heilpedagogie en sociaaltherapie, uitgegeven door het Heilpedagogisch Verbond

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