Voordat ik me, zoals vorige keer toegezegd, op het Duitstalige nieuws stort, eerst dit relevante Nederlandse nieuws, zoals het eergisteren verscheen op de website van Motief. Het is getiteld ‘Locaties Veldheim en Stenia worden afgestoten’:
‘Intermetzo Zonnehuizen stoot twee hoofdlocaties in Zeist af: Veldheim, in 1932 aangekocht, tegenwoordig een monument, en Stenia, in 1948 betrokken. Oud-medewerker van Zonnehuizen Alexandra Buijsman laat weten: “Na de zomer gaan in Zeist twee grote terreinen met grond en gebouwen (ieder ongeveer twee hectare) in de vrije verkoop. Het zijn de bijzondere terreinen Veldheim en Stenia met een lange geschiedenis in de heilpedagogie. Bernard Lievegoed heeft met de Zonnehuizen heilpedagogie in Nederland gegrondvest. Na bijna negentig jaar gaat Intermetzo Zonnehuizen beide locaties nu verlaten.”
Na het faillissement december 2011 nam jeugdzorginstelling Intermetzo (voorheen LSG-Rentray) Zonnehuizen over. Drie jaar geleden werd al de hoofdlocatie in Brummen, Michaelshoeve, afgestoten. Het pand was niet te onderhouden. Een groot deel van de zeventig kinderen werd in Eefde ondergebracht. Nu is ook Zonnehuizen aan de beurt, om dezelfde reden. De meeste kinderen gaan verhuizen naar een locatie in Maarsbergen.
Eind april kwam Intermetzo nog landelijk in het nieuws vanwege grote financiële problemen. Vele gemeenten, waarmee Intermetzo door de nieuwe wetgeving heeft te maken, betalen namelijk hun rekening voor geleverde diensten niet op tijd. Zie ook ons bericht “Jeugdzorginstelling Intermetzo in de problemen“ van 11 mei.
Intussen heeft curator Marie-José Cools van advocatenkantoor Van Riet op 14 juni haar 18e faillissementsverslag inzake Zonnehuizen uitgebracht. Daaruit blijkt dat het faillissement na vijf jaar bijna helemaal is afgewikkeld. In maart kwam zij nog in het nieuws, omdat zij de voormalig directeur en raad van toezicht aansprakelijk wilde stellen voor het faillissement en de vertrekpremie van de directeur niet wilde uitbetalen. De rechter stelde haar echter in het ongelijk. Hun schuld moet immers nog worden aangetoond.
Dat zij hiermee bezig is, is uit het nieuwste faillissementsverslag op te maken. Daarin staat bijvoorbeeld dat zij vorige maand een tuchtklacht heeft ingediend bij de Accountantskamer vanwege het ten onrechte afgeven door Pricewaterhouse Coopers van een goedkeurende verklaring bij de jaarrekening van Zonnehuizen over 2009. Ook vermeldt zij dat in maart de locaties Bronlaak en Overkempe plus bijbehorende kleinere organisaties voor achttien miljoen euro definitief zijn verkocht aan DeSeizoenen.
Terrein en gebouw van de Michaelshoeve hebben daarentegen nog altijd geen koper gevonden. Ook verkoop van het vastgoed van Veldheim en Stenia laat al jaren op zich wachten, omdat Intermetzo geen beschikking had over alternatieve huisvesting. Nu dit wel zo is, moet de opbrengst dienen om de schuldeisers, voornamelijk banken, tevreden te stellen. Het ging oorspronkelijk om een bedrag van circa zestig miljoen euro. Na de recente verkoop zal de schuld nog ongeveer twee derde hiervan bedragen.’
‘Für viele Heilpädagogen war es über Jahre der Tag schlechthin, und auch wenn die Erinnerung manchmal verblasst und das Gedenken ein wenig in den Hintergrund rückt: Heute ist der so genannte Lauensteintag.Dan kan ik aankondigen een nieuw boek van Jelle van der Meulen, ‘Der Ruf der Freundschaft. Unterwegs zu einer Kultur des Herzens’:
Am 18. Juni 1924 machte Rudolf Steiner Station auf dem so genannten Lauenstein bei Jena, einer heilpädagogischen Einrichtung. Untrennbar verknüpft mit dem Namen Lauenstein ist der Name Siegfried Pickert, der 1923 zusammen mit Franz Löffler und Albert Strohschein an der Weihnachtstagung in Dornach teilgenommen hatte, wo die drei von Rudolf Steiner die entscheidenden Hinweise für die zukünftige heilpädagogische Arbeit bekamen. Sie durften dann zu Beginn 1924 am Jungmedizinerkurs teilnehmen und beginnen dann, so schreibt Johannes Denger auf Biographien.Kulturimpuls: “die selbstständige Arbeit in einem Vorstadtgasthaus von Jena, dem Lauenstein. Schon am 18. Juni 1924, im Anschluss an den Landwirtschaftlichen Kurs in Koberwitz, besucht Rudolf Steiner den Lauenstein, schaut alle Kinder einzeln an und gibt Hinweise für Therapie und Schicksalsverständnis (Lauenstein-Tag). Als Antwort auf die kraftvolle Initiative der drei Freunde hält er den ‘Heilpädagogischen Kurs’ (GA 317) in Dornach als Grundlage für die künftige Arbeit.”
Nachdem es in Jena schon bald zu eng wird und der “Lauenstein” aus allen Nähten platzt, zieht Pickert mit der Hilfe von Ita Wegman und der finanziellen Hilfe von Freunden aus der Schweiz nach Schloss Hamborn, “wo Siegfried Pickert 1931 mit etwa 40 Betreuten und etlichen Mitarbeitern einzieht. Schloss Hamborn entwickelt sich unter seiner Leitung – unterstützt von Georg Moritz von Sachsen-Altenburg – zu einem Ort der Kultur, bis es 1941 von den nationalsozialistischen Machthabern geschlossen wird. Am 18. Juni 1946 (dem ‘Lauenstein-Tag’) wird als Neuanfang eine Waldorfschule mit drei Kindern begründet.”
Der Schulunterricht fand damals im so genannten Gartenhaus statt und heute befindet sich in dem ab 1947 errichteten Schulneubau das Café Alte Schule und auch unsere Redaktion ist in diesem Gebäude beheimatet. Schloss Hamborn gehört heute zu einer der größten anthroposophischen Einrichtungen in Deutschland.
Zum Lauensteintag gibt es neben dem Eintrag auf biographien.kulturimpuls auch verschiedene Beiträge hier auf TdZ.
biographien.kulturimpuls
Der Lauenstein-Tag
Der Lauenstein und die Heilpädagogik’
‘Freundschaft – was ist das eigentlich, worin liegt ihr Geheimnis, ihre Bedeutung? Jelle van der Meulen holt die Freundschaft aus der privaten Ecke und legt ihre gesellschaftlich verwandelnde Kraft frei – als Motor gegenseitiger Stimulation zur Freiheit. Aus vielen Anzeichen heraus sieht der Autor heute eine “Kultur des Herzens” heraufziehen, die das Phänomen der Nähe neu entdeckt. Wie aber ist Freundschaft überhaupt möglich? Dazu kommen Aristoteles und Augustinus, aber auch moderne Autoren wie Nietzsche, Steiner, Benjamin, Hannah Arendt, Foucault oder Derrida zu Wort. Dennoch ist dieses Buch weit entfernt von einer nur theoretischen Abhandlung: Mit seiner gewitzten Sprache, persönlichen Interventionen und dem in jeder Zeile spürbaren eigenen Ringen ist hier ein ebenso fundiertes wie leidenschaftliches Grundlagenwerk für ein kommendes Thema entstanden.Op 6 juni prees Info3 dit op Facebook als volgt aan:
“Freundschaft ist eine Werkstatt der Menschlichkeit, in die wir uns hinein begeben, um uns mit den Widersprüchen des Lebens auseinanderzusetzen. Freundschaft beruht prinzipiell nie auf etwas, was wir schon können, sondern gerade auf etwas, was wir lernen wollen, werden sollen, sein wollen. Die Flamme der Freundschaft ist eine offene Frage: was sagt dein Wesen über mein Wesen aus? Wie kann ich dich als fremdes Rätsel oder unerschöpfliches Mysterium in mein Leben integrieren, ohne dich je zu fixieren? Wie kann ich dich verstehen, ohne dich zu verstehen? Wie kann ich dich lieben?” Jelle van der Meulen
Jelle van der Meulen, Jahrgang 1950, geboren in den Niederlanden, lebt seit 2000 in Köln. Er ist Journalist, Buchautor und Dozent. Er beschäftigt sich zurzeit mit philosophischen und gesellschaftlichen Themen.
1. Auflage, 238 Seiten, Klappenbroschur, € 18,00 ISBN 978-3-95779-042-2’
‘Das vielleicht anrührendste Buch aus unserem Verlag in diesem Jahr: Jelle van der Meulens Ode an die Freundschaft. Gedanken, Überlegungen und Erfahrungen zu einer ganz besonderen Beziehung. Jetzt überall wo es Bücher gibt oder direkt bei uns im Shop bestellen’Ook uit de hoek van Info3 komt dit artikel van Wolfgang G. Vögele op 27 april, ‘Neue Steiner-Biographie aus Norwegen. Morgen um Mitternacht – Steiner ohne Theosophie’:
‘Der norwegische Autor Kaj Skagen stellte in Dornach seine neue Steinerbiographie vor. Auf mehr als tausend Seiten hat er sich auf den jungen Steiner und das Werk vor dessen theosophischer Phase konzentriert.Dezelfde Wolfgang G. Vögele schreef op 24 mei voor Themen der Zeit ‘Betonklotz, Molochtempel, Sendestation...’:
Am 21. April stellte der bekannte norwegische Literat Kaj Skagen (geb. 1949) am Goetheanum in Dornach seine neue, umfangreiche Steinerbiographie mit dem Titel Morgen ved Mittnatt (Morgen um Mitternacht) vor, die Leben und Werk Steiners bis zum Jahr 1902 nachzeichnet. Mit dem Autor diskutierten der Anwalt Cato Schiøtz und Bodo von Plato vom Dornacher Vorstand. Moderiert wurde die Veranstaltung vom Leiter der Dokumentation am Goetheanum, Johannes Nilo, der einleitend das in 16-jähriger Forschungsarbeit entstandene Werk als “das bisher umfangreichste Werk über den jungen Rudolf Steiner” kennzeichnete. Der Autor ist in Norwegen durch seine Romane, Essays und Gedichte bekannt. Er gilt dort als “einer der kühnsten, unberechenbarsten Kritiker der Gegenwart”. Das Buch hat in Norwegen schon heftige Diskussionen in den großen Tageszeitungen ausgelöst. Nilo begrüßte außerdem Cato Schiøtz, einen der prominentesten norwegischen Anwälte, der sich u.a. als Kämpfer für die Pressefreiheit einen Namen gemacht hat und außerdem der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung angehört.
Skagen las zunächst in deutscher Übersetzung ein Kapitel seines Buches, das von dessen langer Entstehungszeit handelt. Dabei kam immer wieder der feine Humor des Autors zum Vorschein. Zunächst sei er dem Thema immer wieder ausgewichen, schrieb zwischendurch eine Autobiographie, weil er spürte, nicht genügend Distanz zu Steiner zu haben: “Es war, als sollte ich ein Sachbuch über eine vergangene Geliebte schreiben”, so Skagen. Auch habe er in Gefahr gestanden, sich in Spezialstudien zu verlieren. Mit Fichte sei es ihm ergangen “wie mit meiner Ehefrau: ich liebte ihn, aber ich verstand ihn nicht”. Die Identität von Idee und Wesen habe sich für ihn als Grundüberzeugung Steiners, ja als Schlüssel zum jungen Steiner erwiesen. Durch die Zusammenschau verschiedender Perspektiven Steiners habe sich Skagen ein bestimmtes Muster, eine Koinzidenz ergeben. Überhaupt sei dieses Buch ein Logbuch seiner eigenen Erkenntnisreise geworden.
Cato Schiøtz erzählte dann auf Englisch, wie er schon früh verschiedene Biographien Steiners kennenlernte. Als Anwalt habe ihn schon immer interessiert, was Kritiker über Steiner sagen. Er sei dann später Mitglied der Steiner-Nachlassverwaltung geworden. In Steiners Biographie und Werk habe er nach den “essentials” gesucht, die nicht leicht zu identifizieren gewesen seien. Für ihn seien folgende Fragen wichtig: Wie erklärt ein Biograf Steiners “Wandlungen”? Sieht er einen Bruch oder eher eine Kontinuität? Skagen sehe keinen Bruch in Steiners geistiger Entwicklung. Auch viele weitere Probleme müssten noch bearbeitet werden. Vorausblickend auf Steiners 100. Todestag im Jahr 2025 sollte man sich klar werden, welche Aufgaben noch in Angriff zu nehmen seien: Neben der Vollendung der Gesamtausgabe hält Schiøtz auch die forschende Zusammenarbeit mit Nichtanthroposophen für unerlässlich.
Bodo von Plato fragte aus der Perspektive des Historikers nach dem Wandel des Steinerbilds im Lauf der Geschichte. Er sei überzeugt, dass Steiners “Sichtbarkeit” in Bezug auf Genauigkeit und Vielfalt wachse, was man von anderen Geistesgrößen wie Hegel oder Kant nicht behaupten könne. Skagen habe mit seinem Werk erheblich zu dieser Sichtbarkeit beigetragen. Steiners wichtigste Botschaft, die sich durch sein gesamtes Leben und Werk ziehe, bleibe die Freiheit. Gefolgschaft und Bekennertum seien zwar legitim, doch dürfe daraus keine Lebenslüge werden.
Kritik wandle sich bei Steiner immer wieder zur Anerkennung des Fremden, zur Toleranz. Das zeigten seine Hommagen an Nietzsche oder Haeckel. Diese Fähigkeit zur Anerkennung habe Steiner schon früh in sich kultiviert. Verehrung sei ihm zur Lebenspraxis geworden. Gemeinsamkeit im Gegensätzlichen sei auch heute ein Ideal. Das Aufblicken zu einer “Autorität” sei im Geistesleben völlig natürlich. Statt Autorität sollte man aber heute besser Orientierungs- oder Richtkraft sagen. Eine esoterische Schule mit Hierarchien und Graden sei heute problematisch. Die von Steiner konzipierte Dornacher Hochschule komme ohne Hierarchie aus. Dieser Entwurf sei allerdings bis heute noch nicht völlig realisiert, dazu werde es noch Jahrzehnte brauchen. Im Umgang mit Kritikern sei das Freund-Feind-Denken heute überholt und auch nicht mehr entscheidend.
Skagen ergänzte noch, dass Steiner mit seiner Dissertation “Wahrheit und Wissenschaft” die rückschauende Position zu Goethe verlassen habe. Er habe seinen Plan einer Wiederbelebung des deutschen Idealismus aufgegeben und sich seitdem verstärkt der Gegenwart zugewendet, etwa Nietzsche und Haeckel. Während seiner Berliner Zeit (um 1900) habe die Mystik immer im Hintergrund gestanden. Skagen, der alle Artikel Steiners aus dieser Zeit chronologisch las, entdeckte in einem dieser Artikel eine geradezu “anthroposophische” Haltung. “Er reitet immer diese zwei Pferde”, erklärte Skagen und meint damit die Mystik und die Naturwissenschaft.
Steiner habe beruflich durchaus auch andere Möglichkeiten gehabt als bei den Theosophen anzudocken, meinte Skagen. Hätte man ihm etwa das Rektorat einer neugegründeten sozialistischen Hochschule angeboten, hätte er vermutlich auch dieses Angebot angenommen. Steiner ließ um 1900 bewusst eine ungewöhnliche “Passivität” walten und forcierte nichts. Er habe dem Zufall eine Chance eingeräumt. Sein Plan, eine “Philosophie des Zufalls” zu schreiben (den er in einem Brief an Rosa Mayreder äußerte), hatte er zu dieser Zeit noch nicht aufgegeben. Er wartete auf das, was auf ihn zukam. Später hat er diese von außen auf ihn zu kommenden Aufgaben als Karma bezeichnet.
Er habe sein Buch nicht für einen bestimmten Leserkreis geschrieben, meinte Skagen abschließend. Sein nichtanthroposophischer Lektor sei übrigens während des Lesens zum “Steinerfan” geworden. Offenbar besteht größtes Interesse an einer deutschen Übersetzung, versichert Skagen. Er und sein Verlag sondieren zurzeit die Möglichkeiten dafür.’
‘...gar ein buddhistisches Kloster? Wie das Dornacher Goetheanum wahrgenommen wurde. Streiflichter aus Geschichte und Gegenwart.Overigens had de Neue Zürcher Zeitung een maand daarvoor, op 30 april, een prachtig geschreven en ook prachtig geïllustreerd artikel van Valerie Zaslawski, ‘Goetheanum. Im Auenland der Anthroposophen’:
“Oh, là, là, soll Le Corbusier gesagt haben, als er zum ersten Mal vor dem noch im Bau befindlichen Goetheanum stand. Ob er damit Verwunderung oder Anerkennung zum Ausdruck bringen wollte, ist nicht bekannt. Es muss beides gewesen sein.”[1]
Der unter Denkmalschutz stehende Monumentalbau auf dem Dornacher Hügel ist längst zum Vorzeigeobjekt des Dreiländerecks um Basel avanciert. Das nach einem Modell Rudolf Steiners 1924-1928 errichtete Gebäude gilt als Pionierwerk der künstlerischen Verarbeitung von Sichtbeton. Die Architekturgeschichte ordnet es meist dem Spätexpressionismus und der organischen Architektur zu. Nicht nur Mittelpunkt der weltweiten anthroposophischen Bewegung, dient es heute als multifunktionales Kulturzentrum, Festspielhaus und Hochschule zugleich und lockt immerhin jedes Jahr Tausende von Tagungsbesuchern und neugierige Touristen an. Der Name ist Programm: Wer Goethes “Faust” ungekürzt erleben will, muss nach Dornach pilgern.
Der gefährdete Vorgängerbau
Das heutige Goetheanum gilt stilistisch als Metamorphose seines größtenteils hölzernen Vorgängerbaus, der durch Brandstiftung zugrunde ging. Weniger den Dornachern, wohl aber den klerikalen Gegnern Steiners war der seit 1913 errichtete “Tempel” mit seinen zwei Kuppeln (der bis 1918 Johannesbau hieß, nach einer Gestalt aus Steiners Mysteriendramen, die hier aufgeführt werden sollten) ein Dorn im Auge. Anfangs ging sogar das Gerücht durch die Zeitungen, man wolle hier eine “buddhistisches Kloster” errichten.
Heute nur schwer nachvollziehbar sind der Hass auf Steiner und speziell die Hetze gegen das Goetheanum, die nach dem ersten Weltkrieg ihren Höhepunkt erreichten. Über den im Juni 1922 in Wien tagenden anthroposophischen Kongress schrieb die katholische Zeitung “Reichspost”: “Für uns ergibt sich aus dem Auftreten Dr. Steiners und seiner Anhänger eine ernste Warnung vor dem alles Wissen zersetzenden Geiste jüdischer Geheimlehre.”[2] Ein völkischer Publizist schrieb, Steiner möge aufpassen, “damit nicht eines Tages ein richtiger Feuerfunke der Dornacher Herrlichkeit ein unrühmliches Ende bereitet.”[3] Und auf einer Versammlung katholischer Vereine in Dornach wurde die Parole ausgegeben: “Sturm dem Goetheanum!”[4]
Kein Geringerer als Albert Schweitzer, der Rudolf Steiner persönlich kannte und schätzte, versicherte rückblickend, er habe dessen Leben und Wirken immer in herzlicher Teilnahme verfolgt, so auch “das Gelingen der Gründung des Goetheanums in Dornach, wo seine Gedankenwelt eine Heimat fand, den Schmerz, den ihm deren Vernichtung durch Feuer in der Silvesternacht 1922 auf 1923 brachte, den Mut, mit dem er den Wiederaufbau betrieb.”[5]
Heimatschützer gegen den Neubau
Während des Planungsstadiums für das zweite Goetheanum (das nach einem Modell Rudolf Steiners 1924-1928 errichtet wurde) erhob der Schweizerische Heimatschutz gegen die Pläne Einspruch und verfasste ein negatives Gutachten, das aber von der Baubehörde abgewiesen wurde. Noch am 30. Dezember 1924 bemühte sich der bereits erkrankte Rudolf Steiner, verbliebene Vorurteile und Missverständnisse zu zerstreuen. Er schrieb an den Vorsitzenden des Heimatschutzes: “Am meisten gekränkt in den Ausführungen der gegnerischen Versammlungen hat mich der Vorwurf, dass die Größe des Baues eine Folge des Hochmutes, der Anmaßung oder gar irgendwelcher Machtgelüste sei, da ich mir doch dessen vollbewusst bin, dass ich nur aus der Notwendigkeit der Sache heraus handle.”[6] Die Ärztin Ita Wegman rechtfertigte den Festungscharakter des neuen Gebäudes: “Burgartig musste es sein, um den Anprall von Gegnermächten aushalten zu können.”[7]
Gegner und Enthusiasten
Wie unterschiedlich der Bau in früheren Jahrzehnten beurteilt wurde, zeigen die folgenden Äußerungen von Besuchern aus dem In- und Ausland, architektonischen Fachleuten und Laien, Steinergegnern und -Anhängern. Wer weltanschauliche Vorurteile mitbrachte, lehnte meist auch das Goetheanum ab. Ein Nazi, der sich später aktiv an der Vorbereitung des Verbots der Anthroposophischen Gesellschaft beteiligen sollte, schrieb 1930: “Von weitem sieht man es, dieses graue Ungeheuer aus Eisenbeton, in einem eigenartigen, angeblich steinerschen Stil erbaut (...) Das Gebäude verunstaltet tatsächlich die malerische Gegend, wie ja das die heimattreuen Schweizer, noch als der Bau sich im Projekt befand, voraussagten und daher, leider ergebnislos, dagegen Einspruch erhoben. (...) Betrachtet man das Goetheanum von vorn, so kommt einem unwillkürlich der Moloch-Tempel in den Sinn, so wie er im Film “Kabyria” dargestellt wurde. (...) Weite Terrassen und breite Altanen, mit denen das Goetheanum verschwenderisch ausgestattet ist, nützen gar nichts, trotz der lichtdurchfluteten Wandelgänge, glaubt man zu ersticken, so dumpf, so erdrückend ist die Aura dieser Stätte.”[8]
Begeistert äußerten sich dagegen zwei Österreicher. Der Journalist Hans Liebstoeckl, ein glühender Verehrer Steiners, der aber selbst nie in Dornach war und das Goetheanum nur aus Abbildungen kannte, schwärmte von einem “Tempel neuer Gralssuche”. Der neue Bau sei eine “Sendestation der seelischen und geistigen Welten für alle Arten von Wellen, deren Namen und Wesen die exakte Wissenschaft von heute gar nicht kennt”.[9]
Die Anthroposophin Alice Wengraf schickte eine Ansichtskarte an Freunde: “Von der Schönheit des Goetheanums kann man sich nach diesem Bilde kaum eine Vorstellung machen. Der Bau ist immer noch ganz roh, noch lange nicht vollendet und ausgeschmückt, aber die Dimensionen sind herrlich, und eine solche Terrasse, die in breitem Bande um den ganzen Bau in halber Höhe läuft, gibt es in der Welt nur einmal. [...] Früher allerdings, als Dr. Steiner noch lebte und wir in der primitiven Schreinerei saßen, war die Stimmung noch viel weihevoller als heute, wo so viele Fremde beim Durchreisen der Schweiz sich die Bühne aus Neugierde anschauen und einen stark mondänen Ton in dieses Weihe-Spielhaus hineintragen.”[10] Beide Berichterstatter sollten übrigens später dem Holocaust zum Opfer fallen.
Urteile von Fachleuten
Der Kunstwissenschaftler Reinhold J. Fäth hat in seiner Dissertation eine ganze Reihe von Urteilen über den Bau zusammengetragen.[11] So assoziierte der Kunsthistoriker Beat Wyss das Goetheanum mit einem Affenschädel. Den Architekturkritiker Christoph Hackelsberger erinnerten die Formen an Bunkeranlagen des Dritten Reiches (Westwall), die “klobigen” Möbel im Goetheanumstil kamen Wolfgang Bachmann wie “Staffagen zu einem Frankensteinfilm der Dreißiger Jahre” vor, das geschnitzte Rednerpult im großen Saal wurde gar als “faschistoider Brutalismus” bezeichnet.
Doch es mangelte auch nicht an Komplimenten von Seiten bedeutender Architekten, die das Goetheanum besuchten, wie Henry van de Velde, Frank Lloyd Wright, Hans Scharoun oder Frank Gehry. Hans Scharoun, der Erbauer der Berliner Philharmonie, meinte, das Goetheanum sei der bedeutendste Bau der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt bezeichnete den Bau als “eine der großartigsten architekturplastischen Erfindungen, die das 20. Jahrhundert auszuweisen hat.”
Journalistisches Befremden
Obwohl der “Goetheanumstil” in vielfacher Abwandlung Zweckbauten und Design in aller Welt beeinflusst hat, tun sich manche Journalisten beim Anblick des Goetheanums noch immer schwer mit der Beschreibung. Sie scheinen hin- und hergerissen zwischen Bewunderung und Befremden: “Faszinierender Koloss”, “Fest wie ein Raumschiff steht das Goetheanum auf der Wiese, mit dem festen Gewicht eines uralten Elefanten.”[12] Oder “gigantomanisch”, “Kathedrale der Anthroposophie”, “Ein Fremdkörper aus Beton vom anderen Stern”[13]
Fanden frühere Betrachter (siehe oben) oft etwas Dämonisches, so scheint heute der Eindruck von Science Fiction, von etwas Außerirdischem, zu überwiegen. Lag Liebstoeckel vielleicht doch nicht so falsch, wenn er den Bau mit einer Sendestation verglich?
Anmerkungen:
1 Zitiert nach einem Essay von Norbert Fiebig in www.betonprisma.de
2 Reichspost, Wien, Nr. 158, Sonntag, 11.06.1922, S. 5.
3 Zitiert nach Lorenzo Ravagli: Unter Hammer und Hakenkreuz. Stuttgart 2004, S. 152
4 Karl Rohm, zitiert nach Rudolf Steiner Gesamtausgabe, GA 259, S. 451
5 Albert Schweitzer: Brief aus Lambarènè, 5. November 1960, zitiert nach: Wolfgang G. Vögele (Hg.): Der andere Rudolf Steiner. Dornach 2011, S. 158
6 Rudolf Steiner Gesamtausgabe, GA 260a, S. 556
7 Ita Wegman: An die Freunde. Aufsätze und Berichte aus den Jahren 1925-27. Arlesheim 1960, S. 21
8 Gregor Schwartz-Bostunitsch: Rudolf Steiner, der ‘Theosoph’. Völkischer Beobachter vom 28.08.1930
9 Hans Liebstoeckl: Die Geheimwissenschaften im Lichte unserer Zeit. Wien 1932, achtes Kapitel, Schlusswort und Ausblick
10 Alice Wengraf: Ansichtskarte an Helene Berg, Dornach, 25.09.1933. Österreichische Nationalbibliothek, F 21 Berg 2184/3
11 Reinhold J. Fäth: Rudolf Steiner Design. Spiritueller Funktionalismus. Dornach 2005 (zugl. Diss., Univ. Konstanz 2004)
12 Susan Sitzler: Wo der Weltgeist wohnt. Die Zeit, 02.12. 2004
13 Bettina Schulte, Badische Zeitung, 19.2.2011’
‘Der surreale Bau scheint aus einem Land vor unserer Zeit zu stammen. Dennoch ist er Ausdruck einer der grössten Reformbewegungen des 20. Jahrhunderts. Hier lernt der Mensch, sich selbst zu finden.’Dat mag ik helaas niet overnemen. Maar u kunt er zo heenklikken en genieten van tekst en beeld. Dan heb ik voor u de uitvoerige ‘Newsletter Mai 2016’ van het ‘Institut für anthroposophische Meditation‘ van 7 mei:
‘Drei Kongresse in den letzten Wochen mit Artikeln vorab und Berichten hinterher – Anstehende Veranstaltungen – Eine Artikelserie über “Wie erlangt man” in “Die Drei” und zwei neue Bücher – Steiners Nebenübungen auf Youtube. Von Anna-Katharina Dehmelt und Terje SparbyOp 6 juni publiceerde Frank Meyer op de website van Info3 het artikel ‘Therapie mit der Mistel. Die Mistel – Heilpflanze mit “Antitendenz”’:
Zu berichten ist von drei größeren Veranstaltungen, die in den letzten Wochen stattgefunden haben. Diese Häufung von großen Veranstaltungen, die auch im Vorblick anhält, ist Ausdruck der Tatsache, dass anthroposophische Meditation da, wo man Anthroposophie kennt, Fuß gefasst hat. Sie ist aus der Ecke der Verschwiegenheit wirklich hinausgekommen. Dies war vor wenigen Jahren noch ganz anders: zwar gab es hier und da Kurse oder auch Artikel, aber keine breitenwirksame Präsenz der anthroposophischen Meditation. Das ganze Feld hat sich in den letzten Jahren wirklich grundlegend verändert.
Dies schlägt sich auch in der Länge unserer Newsletter wieder. Wir versuchen, Ihnen die Übersicht leicht zu machen, indem Sie längere Passagen nicht auf den ersten Blick, sondern erst hinter einem fettgedruckten mehr finden. Ebenso verbergen sich weitere Texte, Links, Filme etc. hinter den fettgedruckten Worten. Das kleine Inhaltsverzeichnis oben gibt Ihnen eine Orientierung, was Sie ungefähr erwartet. Es ist eben mittlerweile so viel geworden, dass man für sich schon eine Auswahl treffen muss. Wir versuchen dennoch weiterhin, das komplexer werdende Feld der anthroposophischen Meditation im Blick zu behalten – und freuen uns, wenn Sie uns Hinweise oder auch kleine Berichte zukommen lassen.
Die drei Kongresse der letzten Zeit hatten unterschiedliche Schwerpunkte. “Meditation und Gesundheit”, vom 18. bis 20. März in Berlin, veranstaltet von Gesundheit aktiv und dem Institut für anthroposophische Meditation, hatte das Anliegen, die Lebensnähe und Konkretheit, die schon prinzipiell in der anthroposophischen Meditation angelegt sind, erfahrbar zu machen. Die mögliche Wirksamkeit solcher Meditation bis hin zur Stärkung des Ichs, zur Erfrischung der Seelenkräfte und zur Gesundung der Lebenskräfte sollte spürbar werden – und wurde es! Das zeigte sich in der weichen, offenen und dankbaren Stimmung, die das Wochenende durchzog, bei allen Vorträgen mit den anschließenden Kleingruppengesprächen, in den Workshops und in der viermal durchgeführten gemeinsamen Meditation im Plenum mit über 200 Menschen – dies ein Novum in der anthroposophischen Szene.
Einen stimmungsvollen Eindruck von diesem Kongress und eine ganze Reihe inhaltlicher Statements vermittelt ein sechsminütiger Filmbericht. Auch sonst mehr hat der Kongress Resonanz gefunden: im “Nachklang einer Forschungsreise” von Clara Steinkellner in der Wochenschrift Das Goetheanum und in der Monatzeitschrift Info 3 in einem Bericht von Angelika Oldenburg mit der sicherlich ironisch gemeinten Überschrift: “Meditiere dich gesund!”. Beide Berichte erlauben wir uns ausnahmsweise, Ihnen in Gänze zur Verfügung zu stellen – mögen sie Sie zum Kauf der ganzen Zeitschriften anregen! Den ausführlichsten Bericht mit vielen Details aus Vorträgen und Workshops hat Edith Willer-Kurtz für die Nachrichtenagentur NNA geschrieben.
Anschließend an den Kongress “Meditation und Gesundheit” hat am 15. April in Alfter eine einjährige, gleichnamige Forschungs- und Fortbildungsreihe begonnen, die sich an Menschen richtet, die mit anderen Menschen meditativ arbeiten wollen. Ein Hinzukommen ist noch bis zum zweiten Wochenende vom 27. bis 29. Mai möglich.
Vor dem Kongress “Meditation und Gesundheit” hat die Monatszeitschrift Die Drei einen vorbereitenden Text von Anna-Katharina Dehmelt veröffentlicht: sie hat sich mit den Wirkungen des Meditierens auf die Wesensglieder des Menschen beschäftigt und so versucht, eine anthroposophische Grundlage für den Zusammenhang von Meditation und Gesundheit zu legen.
Vorbereitend für die die zweite größere Veranstaltung der letzten Wochen “Psychologie, Bewusstseinsforschung und Heilung im Kontext westlicher Spiritualität”, deren Anliegen es war, eine Brücke zwischen Spiritualität und akademischer Wissenschaft zu schlagen, finden sich im selben Heft zwei weitere Artikel von Andreas Meyer und Johannes Wagemann. Andreas Meyer schrieb über Wege zu einer spirituellen Psychologie und sucht die Anschlussstellen zwischen akademischer und spirituell orientierter Psychologie auf. Johannes Wagemann bringt das bewusstseinserforschende Konzept Herbert Witzenmanns ins Gespräch mit entsprechenden Ansätzen von Jean Gebser und Claire Petitmengin. Alle drei Artikel lassen sich gegen eine geringe Gebühr von der Website der “Drei” downloaden.
Nun hat die Monatszeitschrift “Die Drei” auch im Nachhinein über beide Kongresse berichtet. Ariane Eisenhut schreibt über “Meditation und Gesundheit”, Jannis Keuerleber über “Psychologie, Bewusstseinsforschung und Heilung”. Terje Sparby gibt die grundlegenden Gedankenbildungen dieses Kongresses wieder:
“Vom 10. bis 13. März hat der Kongress “Wissenschaft, Spiritualität und Heilung im Kontext westlicher Spiritualität” in Berlin stattgefunden. Insgesamt haben rund 170 Menschen teilgenommen. Die Vortragenden waren: Harald Walach, Ulrich Weger, Johannes Wagemann, Volker Fintelmann, Andreas Meyer, Jochen Kirchhoff, Bernd Senf und Isabelle Val De Flor. Wie der Titel erkennen lässt, wurden auf diesem Kongress Themen behandelt, die sonst eher auseinander gehalten werden. Wenn die konventionelle Wissenschaft sich mit Spiritualität beschäftigt, geschieht das fast ausschließlich aus der Ferne. Zum Beispiel werden die Auswirkungen einer spirituellen Haltung auf die Gesundheit erforscht, aber es wird nie untersucht, wie Spiritualität vom Einzelnen erlebt wird. Noch weniger wird gefragt, ob der Gegenstand der Spiritualität – höhere Wirklichkeit – eine reine Projektion ist oder nicht. Obwohl die Geschichte der westlichen Spiritualität in den letzten Jahren vor allem im Rahmen der Esoterikforschung erkundet wird, ist auch dort die Frage nach Erfahrung und Realität ausgeklammert.
Die Notwendigkeit, eine solche Innenperspektive in die akademische Wissenschaft einzubetten, war der gemeinsame Nenner vieler Beiträge des Kongresses. Ohne Innenperspektive ist nur die Hälfte der Wirklichkeit vorhanden. Und die Innenperspektive spielt auch eine entscheidende Rolle in jedem Erkenntnisvorgang. Wenn wir uns diese Perspektive nicht ins Bewusstsein rufen, sind wir den Einflüssen unserer gedanklichen Voraussetzungen, Vorlieben und vorbewussten Wirklichkeitsgestaltungen unterworfen. Eine Wissenschaft, die die Innenperspektive im Unbewussten lässt, ist also eigentlich noch gar keine Wissenschaft. Darüber hinaus wurde die Frage nach Heilung gestellt, die auch nicht von der Arbeit im eigenen Bewusstsein getrennt werden kann. Wie zahlreiche Studien zeigen, wirkt eine geistige Praxis wie die Meditation gesundend. Warum das der Fall ist, ist noch weitgehend ungeklärt. Vielleicht hängt es eben damit zusammen, was genau im Bewusstsein vorgeht während des Meditierens? Aber ohne Methoden, die den Innenraum zuverlässig untersuchen lassen, können solche Fragen nur ansatzweise beantwortet werden.
Die Untersuchungen der Meditationspraktiken und Bewusstseinsprozesse, die in den akademischen Wissenschaften vorgenommen werden, stammen überwiegend aus östlichen Traditionen. Es bleibt unbekannt, ob es traditionsübergreifende Wirkungen gibt. Um das genau untersuchen zu können, ist es unabdingbar, dass die phänomenologische Seite berücksichtigt wird – was wird vom Einzelnen erlebt und vor allem gemacht in der Meditation? Einerseits hat dieser Kongress gezeigt, wie anfänglich die Lage der Forschung aus der Innenperspektive ist. Anderseits ist aber immer wieder deutlich zum Vorschein gekommen, wie notwendig es ist, diese Forschung zu etablieren und zu vertiefen, um überhaupt Einsicht in Bewusstseins- und Heilungsprozesse zu erhalten. Vielleicht ist es die Aufgabe der westlichen Spiritualität, nicht von ‘Samsara’, von der Erscheinungswelt, wegzufliehen, sondern ihren Aufbau im Bewusstsein zu verstehen, um mit ihr in ein produktives Verhältnis zu kommen. Außerdem sucht diese Spiritualität nicht, sich der Natur zu bemächtigen, sondern versteht sie als Teil und Grundlage des Individuums, das ebenso real ist wie sie. Eine Wissenschaft, die das nicht fasst, will die Erscheinungswelt nur von außen betrachten. Und dies ist eine Geistesart, die selbst möglicherweise ebenso krank ist wie die Krankheiten, die aus dieser Geistesart entstehen.”
Der dritte Kongress “Meditation in Ost und West – Ich und Nicht-Ich und die Rolle des Denkens” fand vom 26. bis 28. Februar in Stuttgart statt. Hier stand die Begegnung von östlicher und westlich-anthroposophischer Meditation im Vordergrund, die nach einem Einführungsvortrag von Andreas Neider und einem ganzen Tag in Workshops mit einem schönen, freundschaftlichen und aneinander interessierten Podiumsgespräch zwischen allen Referenten endete. Corinna Gleide hat über diesen Kongress ebenfalls in Die Drei berichtet. Nächstes Jahr wird die Tagungsreihe “Meditation in Ost und West” mit dem Arbeitstitel “Meditation in Bewegung” fortgesetzt. Vom 17. bis 19. März 2017 wird es um die Rolle des Leibes für die spirituelle Entwicklung gehen, mit Workshops zu Eurythmie, Yoga und vielem mehr.
Und die Reihe der Großveranstaltungen mit dem Thema Meditation geht weiter – die Details entnehmen Sie bitte dem Veranstaltungskalender: am 20. und 21. Mai können Sie sich in Alfter unter dem Titel “Inner and Outer Dimensions of Thinking” erneut dem Brückenschlag zwischen Spiritualität und akademischer Wissenschaft widmen. Am 4. Juni wird ebenfalls in Alfter von Jens Heisterkamp und Melaine McDonald das Thema “Meditation zwischen Ruhe und Bewegung” angegangen. Vom 17. bis zum 19. Juni findet in Hamburg die Jahrestagung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland unter der Überschrift “Meditativ bewusst sein – ein Weg zur Selbstbestimmung des Menschen” statt. Diese Tagung wurde seit Januar 2016 in den “Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland” vorbereitet durch Artikel von Reinhold J. Fäth, Angelika Sandtmann und Hartwig Schiller – alle Artikel sind hier online verfügbar. Und im Februar 2017 ist erneut das Thema “Meditation und Gesundheit” dran, diesmal für Ärzte und Medizinstudenten.
Aber auch ohne sich auf die Reise zu machen, gibt es viel zu entdecken. Seit Januar 2016 veröffentlicht “Die Drei” eine Artikelserie zu Steiners Schulungsbuch-Erstling “Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten”. Alle Artikel – sowie zwei weitere in unmittelbarer Nachbarschaft erschienene – lassen sich für einen geringen Beitrag hier downloaden (und lohnen eigentlich ein Abonnement); sie seien Ihnen zur Lektüre empfohlen! Sie zeichnen sich fast durchweg durch einen erfahrungsgetragenen Ansatz aus. Auch dies gehört zu den eingangs beschriebenen Veränderungen der letzten Jahre: es wird zunehmend möglich, von geistigen Erfahrungen konkret und persönlich und doch zugleich allgemein-menschlich zu sprechen. Bisher sind folgende Artikel erschienen:
– Im Januar schreibt Steffen Hartmann über intime Erfahrungen und Wandlungen im jahrzehntelangen Umgang mit dem Buch und im Weiteren dann über die im Kapitel “Die Einweihung” beschriebenen drei Proben.
– Im Februar schreibt Wolfgang Kilthau über den ersten Satz des Buches – “Es schlummern in jedem Menschen Fähigkeiten, durch die er sich Erkenntnisse über höhere Welten erwerben kann” – und entwickelt daraus die prinzipiellen Grundlagen des anthroposophischen Schulungsweges.
– Ebenfalls im Februar unternimmt Hans-Christian Zehnter unter der Überschrift “Realisieren – Vom Verwandeln der Welt ins Herrliche” anhand des Bildes “S. mit Kind” von Gerhard Richter eine innere Reise der Vertiefung des Bewusstseins durch Imagination, Inspiration und Intuition.
– Im März stellt Christoph Hueck die in den beiden ersten Kapiteln von “Wie erlangt man” beschriebenen Grundübungen dar: die Entwicklung von Ehrfurcht und einem reichen Innenleben sowie die Rückschau in innerer Ruhe und der Meditation, die hier als beschauliches Nachdenken benannt wird.
– Im April berichtet Corinna Gleide von ihren Forschungen in der Beobachtung einer Amaryllis. Dabei geht es auch um die Bedeutung der Sinneswahrnehmung für die übersinnliche Erkenntnis.
– Im Mai schildert Dirk Kruse einige Erfahrungen mit den Übungen aus dem Kapitel “Die Stufen der Einweihung”. Bei diesen Übungen handelt es sich um eine Reihe von Übungen mit Naturwahrnehmungen und Naturgegenständen.
– Bereits im April hatte Dirk Kruse diese Naturübungen mit einem Artikel über den “Saturnweg” vorbereitet.
Daneben ist auf zwei neue Bücher hinzuweisen. Steffen Hartmann und Anton Kimpfler beschreiben in “Geistesgegenwart und Schöpferkraft. Vom Menschen-Welt-Begegnen zum Zeitgeist im 21. Jahrhundert”, wie spirituelle Erkenntnis und Meditation gesundend bis in individuelle Organzusammenhänge hinein wirken. Wichtig zur Überwindung aller diesbezüglichen Hindernisse sind tragende innere Arbeit, tragende menschliche Beziehungen und tragende Tätigkeiten. Andreas Meyer hat das Buch, online nachzulesen hier, rezensiert.
Ganz neu erschienen sind von Jostein Saether “20 Essays über die Wand zwischen sinnlicher und übersinnlicher Welt – Hauchdünn”. Ausgehend von der derzeitigen Lage der Anthroposophischen Gesellschaft und einem von ihm als unbefriedigend erlebten Meditationsseminar nähert sich Jostein Saether dem Schreiben über und aus übersinnliche/n Erfahrungen an. Wenn man nicht einzelne Essays herausgreift, sondern die 150 Seiten am Stück liest, ist bemerkbar, wie der Autor seine eigenen Erfahrungen gründet und im Beschreiben verdichtet und reflektiert. Sein Anliegen ist eine individuell geschöpfte Anthroposophie im Gespräch mit anderen individuellen Anthroposophie-Forschern. “Rudolf Steiner benötigt keine dogmatisch und anmaßend auftretenden Verteidiger. Sein Werk braucht Zeugen authentischen Geist-Erlebens. Ich verstehe mich als solchen Zeugen. Ich brauche dabei kein ‘Zeugenschutzprogramm’, um für meine Erkenntnisse öffentlich aufzutreten. Jedoch braucht es nach meinem Empfingen einen freien Raum des offenen Gesprächs, damit die Zeugenschaft anwachsen kann”. Einen solchen Raum möchte er mit seinem Buch bilden.
Zu Beginn vergewissert sich der Nicht-Philosoph Saether der philosophischen Grundlagen seines Vorhabens und baut sich damit die Grundlage für das Eintreten in einen “meditativen Modus”. Sorgfältig werden meditative Beobachtungen angebahnt und beschrieben, alleine und miteinander, schließlich ausgebaut zu inneren Beobachtungen über das Böse und Fragen nach Reinkarnation und Karma. Auch wenn Jostein Saether sich ab und an von manchen Tendenzen im anthroposophischen Leben absetzt, so ist sein Buch doch durchweg in freundlichem und undogmatischem Stil gehalten, dem man gerne folgt, weil er glaubwürdig und authentisch ist. Man wird so Zeuge eines inneren Weges, auf dem man beim Lesen unmittelbar ins Gespräch kommt.
Hier noch etwas, wo Sie nicht lesen, nur zuhören brauchen: Die pensionierte Waldorflehrerin Beate von Ribbeck – sie unterrichtete Englisch an der Freien Waldorfschule Engelberg – hat eine Anleitung für die von Steiner vorgeschlagenen sogenannten “Nebenübungen”, die das Meditieren unterstützen können, in die Kamera gesprochen. Sicherlich trifft sie nicht den Geschmack eines jeden, aber ihre Anleitungen und Anregungen sind kenntnisreich und erfahren. Wie in jedem Kurs auch bleiben, den Klickzahlen nach zu urteilen, die mehreren tausend Teilnehmer der ersten Nebenübung nicht alle dabei. Immerhin gibt es derzeit doch beinahe eintausend Menschen, die den Gang durch die sechs Übungen zumindest zuhörend mitmachen.
Etwas distanzierter und auf englisch stellt Brian Gray, Leiter der anthroposophischen Grundausbildung am Rudolf Steiner College in Kalifornien, die Nebenübungen vor. Während Beate von Ribbeck mit unmittelbarer Ansprache der Zuhörer in’s Üben einzuführen versucht, steht Brian Gray im Stile eines Dozenten an der Tafel. Es steht zu erwarten, dass auch solche Videos mehr werden werden.
Zum Schluss: für die gemeinsame Meditation auf dem Kongress “Meditation und Gesundheit” hatten wir diese Spruchform von Rudolf Steiner aus dem Jahre 1919 (enthalten in GA 40) zugrunde gelegt:
Ecce Homo
In dem Herzen webet Fühlen,
In dem Haupte leuchtet Denken,
In den Gliedern kraftet Wollen.
Webendes Leuchten,
Kraftendes Weben,
Leuchtendes Kraften:
Das ist – der Mensch.’
‘Viele Aspekte der Mistel weisen auf ihre Heilkräfte hin: aktive dauerhafte oder zeitweise Rückkehr zur Langsamkeit, die sich hinter dem Schlagwort Entschleunigung verbirgt und die Tugend der Selbstakzeptanz, die vor Selbstoptimierungswahn bewahrt. In der Anthroposophischen Medizin wurde daraus die Mistel-Therapie zur Behandlung von Krebs entwickelt.Tot slot weer eens een bijdrage van Michael Eggert, van zijn weblog Egoisten. Vandaag plaatste hij ‘Einfach oder gar nicht – der Nobelpreisträger Saul Bellow als Anthroposoph’:
Wie die meisten Hausärzte verbringe ich zu viel Zeit in meiner Praxis und viel zu wenig in meinem Garten. Kürzlich jedoch war wieder einmal Zeit für einen kleinen Gartenrundgang, und ich staunte nicht schlecht, als ich im meinem Apfelbaum einen kleinen Gast entdeckte (siehe Foto). Längst in Vergessenheit geraten waren die Mistelbeeren, die ich vor über zwei Jahren auf einem kräftigen Ast des Baumes ausgesät hatte, indem ich sie zerquetscht und den grünen Kern mit dem beim Zerdrücken frei werdenden Mistelleim angeklebt hatte. Inzwischen hatten die Mistel-Embryonen zunächst eine kleine Haftscheibe und von dieser ausgehend einen Senker gebildet, der sich mit den flüssigkeitsführenden Strukturen in der Wachstumsschicht des Baumes verbunden hatte. Genährt vom Baumsaft war dann von mir unbemerkt ein kleiner Mistelstrauch herangewachsen – der in wenigen Jahren seine charakteristische Kugelgestalt annehmen wird.
Ein Outlaw der Pflanzenwelt
Die Mistel wächst langsam – so langsam, dass man sie schon mal vergessen kann. Jahr für Jahr bildet sie völlig gleichartige, Keimblättern ähnelnde Blattpaare aus, so als sei ihr der Entwicklungsgedanke fremd, und es dauert mindestens drei Jahre, bis sich die ersten, ebenso minimalistischen Blüten zeigen. Langsamkeit und Entwicklungsverzicht sind nur zwei von vielen Besonderheiten dieser außergewöhnlichen Pflanze. Aber schon diese beiden Eigentümlichkeiten deuten auf das Heilsame der Mistel hin. Denn Beschleunigung in allen Lebensbereichen und der Druck zur permanenten (Selbst-) Perfektionierung macht heute viele Menschen krank. Die Mistel weist uns auf die Heilmittel: die aktive dauerhafte oder zeitweise Rückkehr zur Langsamkeit, die sich hinter dem Schlagwort Entschleunigung verbirgt und die Tugend der Selbstakzeptanz, die vor Selbstoptimierungswahn bewahrt. Rudolf Steiner, der die Mistel für die Krebsbehandlung entdeckte, wies 1920 in seinem ersten Vortragskurs für Ärzte auf die “Antitendenz” der Mistel hin, die sich auch darin zeigt, dass sie einen eigenwilligen Jahresrhythmus mit Blütezeit im Winter hat: “...sie will vermöge ihrer Kräfte alles dasjenige nicht, was die geraden Organisationskräfte, die geradlinig sich entwickelnden Organisationskräfte wollen, und sie will dasjenige, was die geradlinig sich entwickelten Organisationskräfte nicht wollen.” Mit ihrer “Antitendenz” (Steiner) entpuppt sich die Mistel als eine Art Outlaw unter den Pflanzen – und lässt bei näherer Betrachtung ihre Heilwirkung bei Krebserkrankungen erkennen. Wer sich heute vor Krebs schützen will, tut gut daran, sich nicht nur die Mistel zu spritzen, sondern sich auch ihre Antitendenz selbst zum Vorbild zu nehmen, von ihr zu lernen sich zu entschleunigen, sich abzugrenzen, Achtsamkeit zu entwickeln und sich selbstbewusst gegen Trends zu stellen, wenn diese nicht den eigenen Bedürfnissen entsprechen. Neben den guten Erfahrungen, die ich seit 22 Jahren mit Mistelpräparaten sammele, ist dieses Outlaw-Dasein dasjenige, was mich an dieser Pflanze am meisten fasziniert.
Eine Jahrhundertleistung
Seit fast 100 Jahren werden Mistelampullen bei Krebs eingesetzt – erstmals im Juli 1917 durch Ita Wegman in Zürich, die entsprechende Anstöße von Rudolf Steiner umgesetzt und ein Mistelpräparat auf eigene Faust in einer Apotheke herstellen ließ. Rechtzeitig zu diesem herannahenden Jubiläum hat Peter Selg Band 1 eines voraussichtlich dreibändigen Projektes vorgelegt. Selg ist Arzt und Schriftsteller und hat sich unter anderem als Chronist der Anthroposophischen Medizin einen Namen gemacht. So ist auch sein Buch Mensch und Mistel anders, als der Titel zunächst vermuten lässt, ein medizinhistorisches Werk. Der Untertitel “Die Begründung der onkologischen Viscum-Behandlung durch Rudolf Steiner und Ita Wegman” bringt einen auf die richtige Fährte. Selg nimmt den Faden der gemeinsamen Geschichte von Mistel und Mensch bei Rudolf Steiner auf. Auch ältere, durch Geschichtsschreibung und Mythos überlieferte Anschauungen über die Mistel fließen mit ein, soweit diese für Steiner relevant waren. In der Einleitung hebt Selg den großen Stellenwert und die weite Verbreitung der Misteltherapie hervor und referiert im Wesentlichen die Sachlage von vor 13 Jahren, als die Misteltherapie vielleicht auf einem Höhepunkt ihrer Verbreitung war (und in Deutschland auch noch von den Krankenkassen bei allen Krebserkrankungen bezahlt wurde), während die Situation heute sehr viel schwieriger ist, denn die Kassen zahlen nur noch in Ausnahmefällen. Aber das wäre wohl ein Thema für Band 3 der Dokumentation, der die Entwicklungen bis zur Gegenwart zum Inhalt haben soll.
Vorerst beschäftigt sich Selg mit den Anfängen der Misteltherapie und den wichtigen Fortschritten bei Herstellung und Einsatz der Mistelpräparate, die bis zu Rudolf Steiners Tod (1925) erzielt wurden. Selgs Buch ist eine echte kleine Jahrhundertleistung, denn auch wenn vieles von dem, was sich in dem Band findet, schon bekannt war, ist es doch nie in dieser Fülle und Dichtheit zusammengetragen worden. Das gilt sowohl für die werk- und ideengeschichtlichen Ausführungen zu Krebs und Mistel bei Rudolf Steiner als auch für die “äußere” Geschichte der Misteltherapie. Noch niemals hat ein Buch über die Misteltherapie einen derart großen und gleichzeitig detaillierten Überblick ermöglicht. Dazu gehören auch die Rivalitäten zwischen den Rudolf Steiner nahestehenden Dornacher/Arlesheimer Ärztinnen (Ita Wegman und Mitarbeiterinnen) einerseits und den Stuttgarter anthroposophischen Medizinern und Pharmazeuten andererseits, die bis in peinliche Details dargestellt werden, von denen ich mich frage, ob diese tatsächlich der Nachwelt überliefert werden sollten. Mich als Praktiker interessieren ganz andere Aspekte: Beispielsweise die Aufgabe, die Rudolf Steiner den anthroposophischen Ärzte stellte, sie sollten “das Ca. erkennen, ehe es da ist”, wie Selg den Arzt Felix Peipers zitiert, um durch eine Früherkennung eines Karzinoms die Mistel rechtzeitig einsetzen zu können.
Dr. med. Frank Meyer ist integrativer Hausarzt und Gesundheitsautor. Er lebt und arbeitet in Nürnberg.
Peter Selg: Mensch und Mistel. Die Begründung der onkologischen Viscum-Behandlung durch Rudolf Steiner und Ita Wegman. Salumed Verlag 2016, 467 Seiten gebunden, € 68,00.’
‘“Einfach oder gar nicht” sei seine Maxime, schrieb Saul Bellow (1915-2005) als junger Mann in seinen kürzlich erschienenen Briefen* – aber er hielt sich nie daran, da er glücklicherweise Maximen im richtigen Augenblick zu vergessen pflegte. Gut so. Denn dieser Literatur-Nobelpreisträger hat denkbar komplexe Roman-Figuren kreiert, wobei sein persönliches Leben an chaotischen Verwicklungen, Jetset-Dasein, immer neuen Ehen, aber auch Unterhaltszahlungen und juristischen Auseinandersetzungen ebenfalls reich gesegnet war. Seit dem überwältigenden Erfolg von Die Abenteuer des Augie March war Bellow ein literarischer Star, ein Pop-Star, der Erfolg in jeder Hinsicht genoß.
Nicht nur das. Bellow war auch der festen Ansicht, er wäre, hätte er diese pochenden, witzigen, geistig sprühenden Romane nicht schreiben können, zum Verbrecher geworden: “I’m glad you observed, as no one else has, Augie’s bent for the illicit. I have often felt that the effort to lead a normal, respectable American life would make an outlaw of me.” Das normale, amerikanisch-bürgerliche Leben, seine jähen, unkalkulierbaren Wendungen und geradezu sarkastischen Verstrickungen erscheinen wie ein Grundmotiv der Probleme von Bellows Roman-Figuren. Bellow hat sich formal von Anfang an dazu entschlossen, der künstlerischen Gestaltung eine treibende, pulsierende Kraft entgegen zu setzen – eine Freude an der Erzählung, an der Entfaltung von Geschichten: “A novel, like a letter, should be loose, cover much ground, run swiftly, take risk of mortality and decay. I backed away from Flaubert, in the direction of Walter Scott, Balzac and Dickens.”
1959 traf Bellow auch Marilyn Monroe – wie er eine Rudolf-Steiner-Leserin –, von der er schrieb, dass sie sich nicht wie ein TV-Star, sondern wie eine “Philosophin” gegeben habe: “Last night I had dinner with Marilyn [Monroe] and her friends at the Pump Room. Today the news sleuths are pumping me. Marilyn seemed genuinely glad to see a familiar face. I have yet to see anything in Marilyn that isn’t genuine. Surrounded by thousands she conducts herself like a philosopher.”
Wieder einmal scheitert eine von Bellows Ehen – in denkbar schlechten, unversöhnlichen Umständen, wovon auch bis heute “Enthüllungsbücher” z.B. von einem seiner Söhne leben. Das Skandalöse an Bellow war eine Konsequenz seiner Tätigkeit: Das Schreiben stand stets an erster Stelle. Freunde und Familie fanden sich in Büchern (unvorteilhaft) wieder, aber Bellow lebte auch das Schreiben aus, indem er sich monatelang nach Europa zurück zog – oder intensiv Liebesbeziehungen und den Zügen des damaligen 60er Jahre-Jet-Set nachpilgerte: “March 4, 1960 Tel Aviv (..) I’ve had too much of sights and flights, and girls.” In seine Reisepläne musste Bellow ab und zu einen Zwischenstop für eine Scheidung einplanen: “I’m away again tomorrow. Paris, London and on the 22nd NYC. Two days to see Greg and I go to Washington and Chicago and Mpls. There I expect to stay a month (six weeks!), get divorced, kiss Adam, and towards the end of May join you in Tivoli.” Man möchte sagen, das eigentliche Motto von Bellows Eskapaden war doch stets: “All my ladies seem furious.”
Tatsächlich darf man an diesen Dramen (“love you, I always will. You are one of the best—probably the best woman I will ever know. I respect you, I wish you every good, but I am trying to save my own sanity just now—probably my very life. I feel it threatened. We must stop.”) quer durch diese Briefe eines Lebens immer wieder teilhaben. Auch an der Möglichkeit, die sich Bellow bot, als er den anthroposophischen Autor Owen Barfield anschrieb. Bellow freute sich, mit jemandem über die Dinge sprechen zu können, die “wirklich bedeutsam” sind – darunter interessierte er sich für das Konzept des Bösen in der Anthroposophie, aber auch für “Gabriel and Michael and their antagonists. I’m afraid I don’t understand the account you give of the powers of darkness.”
Owen Barfields – “Owen Barfield (1898-1997), barrister, man of letters, disciple of Rudolf Steiner and expounder of Anthroposophy, Steiner’s teaching, published many books” – Lehrmethoden waren von der typisch anthroposophischen Art – Barfield (dessen Briefe hier nicht wiedergegeben sind) besprach die “Fortschritte” Bellows in dessen Übungen. Umgekehrt war Barfield nicht dazu in der Lage, Bellows eigene Leistungen zu würdigen. Im Laufe der jahrelangen Briefwechsel beklagt sich Bellow bitter darüber, dass Barfield Bellows weltberühmte Romane nicht im geringsten schätzte, sondern sogar moralisch verurteilte.
Für Bellow selbst war die Tatsache, selbst an sich zu arbeiten, ein biografischer Einschnitt; er arbeitete an den eigentlichen Chakren-Übungen Steiners (Ich bin-Es denkt) – also konkret an der Ausbildung “geistiger Organe”. Tatsächlich aber wurde das Ausmaß seines eigenen inneren und äußeren Chaos durch die Übungen für Bellow selbst sichtbar und daher besser erkennbar: “It’s not a case of out of sight, out of mind. I think often of you and compose quite a few mental letters. But I have no progress to report; much confusion, rather. I mustn’t be altogether negative; there are trace-elements of clarity. I continue to read Steiner and to perform certain exercises. I am particularly faithful to the I Am, It Thinks meditation in the Guidance book you so kindly gave me. From this I get a certain daily stability. I don’t know what causes so much confusion in me. Perhaps I have too many things going on at once.”
Leider hat sich über Jahre dieses Muster – Entschuldigungen und Suche nach Gründen dafür, dass Bellow die Übungen nicht brav gemacht hat – als Grundmotiv in die Briefe zwischen Lehrer und Schüler eingeschlichen. “No progress to report” ist eine Wasserstandsmeldung, die allen übenden Anthroposophen nur zu bekannt sein dürfte. Was ihnen meist fehlen dürfte, ist Bellows Selbstironie, die ständige Brechung des Bedeutsamen, die natürlich auch vor “spirituellen Angelegenheiten” nicht Halt machte: “The ultimate absurdity is that it is the spiritual matters, which alone deserve our seriousness, that are held to be absurd. Perhaps it was wrong of me to put this longing for spiritual fruit in a comic setting.” Diese Art von Humor war dem Lehrer Barfield vollständig fremd.
Auf der anderen Seite machte Bellow gegenüber Steiner eine Entdeckung, die auch typisch sein mag: Steiners elaboriert bis exzentrisch wirkenden Einzelaussagen werden im intensivierten Studium immer vertrauter – bis hin zu der spezifischen Erfahrung, man finde in Steiner das wieder, womit man immer schon gelebt, für das man aber noch keine Worte gefunden hatte: “It is all too bewildering. Steiner makes matters sometimes easier, sometimes much harder. This is not because of the new perspective he gives me; in some ways I am drawn to him because he confirms that a perspective, the rudiments of which I always had, contained the truth.” Man kann vielleicht behaupten, dass diese Erfahrung eine Verbindung zwischen Schüler und Steiner erst herstellt – etwas, was der durch Steiner ausgelöste Perspektivwechsel allein nicht bewirken kann. Die “Rudimente” von Wahrheit, die zu dem gehören, was einen selbst im Innersten trägt und zusammen hält, bei Steiner in aller Fülle ausgebreitet zu finden, eröffnet eine andere Perspektive, die nicht nur intellektueller Natur sein kann; hier weiß man, dass eine Beziehung entsteht, ein Weg, eine Fragehaltung.
Natürlich war Bellow kein Esel. Natürlich sind seine “Entschuldigungen” gegenüber Barfield – etwa, wenn er schreibt, er habe ein halbes Jahr nicht geübt, da er in Israel gelebt, sich politisch engagiert und ein Buch über den Palästinenser-Konflikt geschrieben habe, stets mit einer Spur Ironie unterlegt.
Bis 1979 hat Saul Bellow gegenüber Barfield dann geschwiegen – gegenüber einem Mann, der weder die Bücher noch den Humor, geschweige denn die spezifische spirituelle Entwicklung seines Freundes wahrnahm noch schätzte, ja nicht einmal die ganze seelische Welt dieser Romane mitzuempfinden in der Lage war: “I continue to read your books and to think about you, and to go on reading Steiner and working at Anthroposophy. I wouldn’t like you to think that I am fickle and that I’ve dropped away. No, it’s not at all like that. I am however bound to tell you that I am troubled by your judgment of the books I’ve written. I don’t ask you to like what you obviously can’t help disliking, but I can’t easily accept your dismissal of so much investment of soul.” Die innere Entwicklung des “Anthroposophen” Bellow kann Barfield, wie Bellow erwähnt, nicht beurteilen: “..our or five years of reading Steiner have altered me considerably. Some kind of metamorphosis is going on, I think, and I am at a loss for words when I sit down to write to you.” Vermutlich hat Barfield nicht einmal verstanden, warum Bellow erwähnt, dass Barfield ihn nicht beurteilen könnte: “You will think it absurd that I should make a judge of you.”
Aber Barfield war trotz aller Enttäuschung über ihn dennoch Bellows Einstieg in das Thema Anthroposophie. Er hat sich in seinen Briefen 1979 selbst als “Lehrling” bezeichnet, während Barfield für ihn doch ein “respected veteran” in Sachen Anthroposophie war. Die Beziehung charakterisiert Bellow nochmals klarsichtig in ihrer Einseitigkeit: “I was aware from our first meeting that I was far more alien to you than you were to me.” Und in der Tat: Für Barfield ist Bellow ein vollkommener Fremder geblieben.
*Saul Bellow, Letters’
1 opmerking:
Interessant stukken van Eggert over Bellow.
Een reactie posten