Het is alweer tien dagen geleden dat ik voor het laatst met het thema ‘Spinoza’ kwam aanzetten (zie ‘Imaginatie en inspiratie’ op donderdag 2 juni 2011). Dat was op Hemelvaartsdag, terwijl het vandaag Pinksteren is. Toeval of niet? Toen ging het om een voordracht van Steiner op 21 mei 1921, waarin hij Spinoza uitgebreid behandelde, samen met Goethe. Vandaag komt de voordracht op 22 maart 1924 aan bod, te vinden in ‘Karmaonderzoek 1’ als elfde voordracht, die ik hier alleen in een Duitse versie kan presenteren omdat de Nederlandse niet op internet staat. Het boek is momenteel in herdruk en moet zeer binnenkort weer verkrijgbaar zijn. In deze voordracht komt Spinoza maar sporadisch ter sprake, maar wel in een context die hier eerder aan de orde is geweest. Ik wil mijn bericht ‘Romantiek’ van 21 mei aanhalen, waarin naar de protagonist van vandaag, Gotthold Ephraim Lessing, werd verwezen in een bespreking door Arnold Heumakers, getiteld ‘Verheven schreeuwen. De Duitse filosofie en de schijnbare tegenstelling tussen dichters en denkers’. Die schreef namelijk op 23 april 2010:
‘Het interessantst is de paragraaf over Friedrich Heinrich Jacobi, waarin ook Lessing nog even om de hoek komt kijken. Jacobi had in 1785 de zogenaamde Pantheismusstreit ontketend door bekend te maken dat Lessing op het eind van zijn leven “Spinozist” zou zijn geworden, dat wil zeggen: zo ongeveer het ergste wat een filosoof destijds kon overkomen. Volgens Jacobi was dat onvermijdelijk bij elke vorm van rationalisme; het liep altijd uit op atheïsme en fatalisme, ondermijning van de menselijke vrijheid en van de fundamenten onder goed en kwaad. Nadien, toen hij zich tegen Fichte keerde, zou Jacobi voor deze in zijn ogen funeste instelling het begrip “nihilisme” in de filosofie introduceren.’
In ‘Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge, Bd. 1’ (GA 235) heeft Steiner vanaf bladzijde 183 het volgende over Lessing te vertellen:
‘Eine andere Persönlichkeit ist Ihnen ja dem Namen nach sehr gut bekannt; aber gerade diese Persönlichkeit ist in bezug auf die Untersuchung des Karmas von einem außerordentlich großen Interesse: das ist Lessing.
Ich möchte sagen, gerade Lessings Lebenszusammenhänge haben mich immer außerordentlich interessiert. Lessing ist ja eigentlich, möchte man sagen, der Begründer des besseren Journalismus, jenes Journalismus, der Substanz hat, jenes Journalismus, der auch noch etwas will.
Dabei ist Lessing bestrebt, gegenüber jenem überbürgerlichen Elemente, das eigentlich vor ihm innerhalb seines Zivilisationskreises den alleinigen Gegenstand für den Dichter, für den Dramatiker bildete, das bürgerliche Leben in das Drama einzuführen, dasjenige Leben überhaupt, welches zusammenhängt mit den Schicksalen der Menschen als Menschen, nicht mit den Schicksalen der Menschen, insofern diese eine soziale Stellung und dergleichen haben. Die rein menschlichen Konflikte wollte Lessing auf die Bühne bringen.
Dabei hat er sich an manches große Problem herangemacht, wie an das, daß er versuchte, die Grenzen der Malerei und Poesie festzustellen in seinem «Laokoon». Aber das Interessanteste ist, in welcher, ich möchte sagen, stoßkräftigen Art Lessing die Toleranzidee verfochten hat. Sie brauchen ja nur seinen «Nathan der Weise» einmal ins Auge zu fassen, dann werden Sie sehen, wie in diesem Lessing die Toleranzidee in ganz eminentester Weise lebt, wie er im Hineinflechten der Fabel von den drei Ringen in seinem «Nathan» zeigen wollte, wie die verschiedenen Religionen abgeirrt sind, wie die drei Hauptreligionen abgeirrt sind von ihrer ursprünglichen Gestalt, wie sie eigentlich alle drei nicht echt sind, und man die echte, die verloren ist, suchen müsse. So daß also hier die Toleranz mit einer außerordentlich tiefsinnigen Idee verbunden ist.
Dann aber ist bei Lessing interessant dieses Freimaurergespräch «Ernst und Falk» und anderes, was herausstammt aus der Freimaurerei. Was Lessing als geschichtlicher Erforscher des religiösen Lebens, als Kritiker des religiösen Lebens geleistet hat, das ist ja etwas, was für den, der zu beurteilen vermag, was so etwas bedeutet innerhalb des 18. Jahrhunderts, eben erschütternd ist. Man muß nur diesen ganzen Lessing in seiner Persönlichkeit sich vor die Seele stellen können.
Das kann man allerdings nicht, wenn man auf der einen Seite, sagen wir, etwa lesen wollte das zweibändige, als abschließend geltende Werk über Lessing von Erich Schmidt, denn da ist nicht Lessing geschildert, da ist ein Hampelmann geschildert, der zusammengesetzt ist aus verschiedenen menschlichen Gliedern, und von dem behauptet wird, daß er den «Nathan» geschrieben habe und den «Laokoon» geschrieben habe. Aber das sind bloße Behauptungen, daß der, der hier biographisch behandelt wird, das geschrieben habe. Und in ähnlicher Weise sind die anderen Lessing-Biographien verfaßt.
Man bekommt ungefähr einen Eindruck von Lessing, wenn man die Wurfkraft ins Auge faßt, mit der er seine Sätze hinschleudert, um den Gegner zu treffen. Eine vornehme, aber zu gleicher Zeit überall treffende Polemik entwickelt er eigentlich zunächst an mitteleuropäischer Zivilisation. Dabei muß man eine eigentümliche Nuancierung in seinem Charakter gerade dann ins Auge fassen, wenn man auf seine Lebenszusammenhänge eingehen will. Auf der einen Seite wird derjenige, der einen Sinn hat für die Schärfe, für die oft kaustische Schärfe, die in solchen Schriften wie in der «Hamburgischen Dramaturgie» zum Beispiel zutage tritt, nicht leicht den Weg hinüberfinden – aber man muß ihn finden, um Lessing zu verstehen – zu dem, wie Lessing in einem Briefe schreibt, als ihm sein Sohn geboren wurde, der gleich nach der Geburt starb. So ungefähr: Ja, er hat sich gleich wiederum aus dieser Welt des Jammers empfohlen. Er hat damit das Beste getan, was ein Mensch tun kann. – So ungefähr heißt es, ich kann es nicht wörtlich zitieren. Es heißt dieses, den Schmerz ausdrücken in einer ungeheuer kühnen Weise, die aber doch deshalb den Schmerz nicht weniger tief fühlt als derjenige, der ihn nur zu beweinen vermag. Daß er so den Schmerz ausdrückt, dieses Sich-auf-sich-zurückziehen-Können im Schmerz, das war zu gleicher Zeit dem eigen, der in der intensivsten Weise vorwärtszustoßen verstand, wenn er seine Polemik entwickeln wollte. Daher ist es auch so herzzerreißend, wenn man gerade jenen Brief liest, den Lessing geschrieben hat, als ihm das Kind gleich nach der Geburt gestorben ist und die Mutter schwer krank darniederlag.
Dieser Lessing hat nun dieses merkwürdige Schicksal gehabt – und das ist bloß charakteristisch, wenn man eben den karmischen Zusammenhang bei ihm suchen will –, in Berlin befreundet zu werden mit einem Manne, der ja eigentlich, man möchte sagen, in jedem Zug des Lebens der Gegensatz von Lessing war: Nicolai.
Sehen Sie, Lessing, von dem – wenn es auch nicht ganz wahr ist, charakteristisch ist es doch für ihn – gesagt werden kann, daß er nie geträumt hat, weil sein Verstand so scharf war, er ist deshalb, wie wir morgen sehen werden, doch gerade für den Geistesforscher durch seine geistigen Zusammenhänge eine außerordentlich bedeutsame Persönlichkeit. Aber es war etwas bei Lessing, was einen jeden Satz eigentlich entzückend macht in der Konturierung der Sätze, in dem Treff-sicheren, mit dem der Gegner in den Sand gelegt wird. Das war das Gegenteil bei Nicolai. Nicolai ist der Typus eines Philisters, ein richtiger Philister. Er war eben doch mit Lessing befreundet, aber er war ein eigentümlicher Philister, ein Philister, der Visionen hatte, die merkwürdigsten Visionen hatte.
Lessing, der Geniale, hatte gar keine Visionen, nicht einmal Träume. Aber der Philister Nicolai litt eben an Visionen. Sie kamen, und sie gingen nur fort, wenn ihm Blutegel angesetzt wurden. Wenn es gar nicht mehr ging, so wurden ihm eben Blutegel gesetzt, dem Philister Nicolai, damit er nur ja nicht immer fort und fort aus der geistigen Welt heraus bestürmt würde.
Fichte hat eine ganz interessante Schrift gegen Nicolai geschrieben. Er hat eigentlich das deutsche Philistertum in der Persönlichkeit des Nicolai symptomatisch schildern wollen. Aber jener Nicolai war eben doch der Freund Lessings.
Nun, ein anderer Zug noch bei Lessing ist sehr merkwürdig. Lessing hat sich in bezug auf seine Weltanschauung viel mit zwei Philosophen beschäftigt, mit Spinoza und Leibniz. Nun muß ich sagen, ich hatte ja solche Nebenbeschäftigungen manchmal gewählt, die Schriften zu lesen, in denen bewiesen wird von der einen Seite, daß Lessing Leibnizianer gewesen ist, und die anderen, die immer wieder beweisen mit noch gediegeneren Gründen, daß er Spinozist gewesen ist. Die stehen sich in der Welt gegenüber. Und man kann schon sagen, eigentlich kann man nicht recht unterscheiden, ob Lessing, der scharfsinnige Mann, Leibnizianer oder Spinozist gewesen ist – was das Gegenteil voneinander ist. Spinoza: pantheistisch, monistisch; Leibniz: monadistisch, also lauter Einzelwesen, ganz individualistisch. Aber man kann das nicht unterscheiden, ob Lessing Leibnizianer oder Spinozist gewesen ist. So daß man, wenn man nach dieser Richtung hin Lessing prüft, eigentlich zu keinem abschließenden Urteil kommt. Man kann nicht zu einem abschließenden Urteil kommen.
Dieser Lessing hat am Abschluß seines Lebens die merkwürdige Schrift «Die Erziehung des Menschengeschlechts» geschrieben, wo am Ende, man möchte sagen, wie ganz vereinsamt die Idee der wiederholten Erdenleben auftritt. Die Schrift handelt so über die Erziehung des Menschengeschlechts, daß nacheinander die Menschheit Epochen der Entwickelung, der Zivilisationsentwickelung durchmacht: Wie die Götter dem Menschen das erste Elementarbuch, das Alte Testament, in die Hand geben, wie dann das zweite Elementarbuch, das Neue Testament, kommt, wie in der Zukunft ein drittes Buch kommen wird zur Erziehung des Menschengeschlechtes.
Dann aber klingt die Schrift aus in eine kurze Darstellung, daß der Mensch in wiederholten Erdenleben lebt. Und dann wiederum, in einer Weise, die ganz aus dem Charakter Lessings herauskommt, sagt er: Sollte diese Idee der wiederholten Erdenleben – er gebraucht diesen Ausdruck nicht, aber es ist das ja da – deshalb so absurd sein, weil sie in der ersten Zeit, als die Menschen noch nicht durch die Schulweisheit verdorben waren, bei den Menschen auftrat? – Es klingt dann die Schrift in einen wahren Panegyrikus auf die wiederholten Erdenleben aus und hat zuletzt die schönen Worte, hinweisend, wie der Mensch von Erdenleben zu Erdenleben geht, die dann ausklingen in: «Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?»
Man traf, vielleicht trifft man es auch heute noch, wenn man mit den Leuten zusammenlebt, immer wieder die Menschen, die eigentlich Lessing sehr schätzten, aber abrückten von der Schrift: «Die Erziehung des Menschengeschlechts.» Man kann eigentlich nicht verstehen, was solche Menschen für eine Seelenbeschaffenheit haben. Sie schätzen solch einen genialen Menschen aufs höchste, lehnen aber dasjenige ab, was er gerade in seinem reifsten Alter der Menschheit gibt. Er ist halt alt geworden, senil – so sagen sie –, da kann man nicht mehr mitgehen – so sagen sie. Ja, nicht wahr, auf diese Art läßt sich alles wegschaffen!
Aber es hat eigentlich niemand ein Recht, Lessing anzuerkennen, der nicht diese Schrift, die von ihm als reifster Geist verfaßt worden ist, mit anerkennt. Und bei Lessing gibt es keine rechte Möglichkeit, wenn ein solch Lapidares hingestellt wird wie diese Idee der wiederholten Erdenleben, das nicht anzuerkennen.
Sie werden begreiflich finden, meine lieben Freunde, daß gerade diese Persönlichkeit mit Bezug auf Karma, mit Bezug auf ihren eigenen Durchgang durch die verschiedenen Erdenleben im höchsten Grade interessant ist. Denn etwa eine allgemein geltende Idee war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Idee der wiederholten Erdenleben nicht. Sie ist schon bei Lessing fast wie aus der Pistole herausgeschossen, wie eine aufblitzende, geniale Idee. Und man kann nicht sagen, daß es irgendwie gelingen könnte, sie durch Erziehung oder durch irgend etwas zu erklären, was Einfluß haben könnte auf dieses besondere Lessing-Leben und wiederum auf dieses Lessing-Leben im hohen Alter. Das legt einem schon die Aufgabe nahe, zu fragen: Wie mag es mit dem vorangegangenen Erdenleben bei einem Menschen sein, bei dem in einem bestimmten Alter die Idee der wiederholten Erdenleben, die sonst seiner ihn umgebenden Zivilisation fremd ist, plötzlich auftaucht, und zwar auftaucht so, daß der Mensch selber hinweist darauf, wie sie einmal in der Urzeit vorhanden war; also eigentlich innere Gefühlsgründe anführt, die mit dem Hinweis auf die eigenen Erdenleben bis weit zurück zusammenhängen, trotzdem Lessing in seinem gewöhnlichen Oberbewußtsein gewiß von solchen Zusammenhängen keine Ahnung hatte? Aber die Dinge, die man nicht weiß, sind ja deshalb doch da. Wenn nur diejenigen Dinge da wären, die manche Menschen wissen, dann wäre die Welt sehr arm an Ereignissen und an Wesenheiten. Das ist die zweite Frage, die uns beschäftigen soll in karmischer Beziehung.’
1 opmerking:
Die voordracht uit Esoterische Betrachtungen - deel 1, waaruit u hier citeert, is lange tijd de enige van die zesdelige serie over karma, die in Nederlandse vertaling verkrijgbaar was. Ik heb deze in een uitgave uit 1976. Omdat die andere 5 er niet in het Nederlands waren, heb ik die toen ergens in de jaren 80 in Duitstalige uitgave gekocht. Die 5 zijn in de loop der jaren eigenlijk de enige werken van Steiner die ik in het Duits heb gelezen of beter gezegd: heb proberen te lezen. Pas nu, nu alles op internet staat, lees ik meer Steiner in het Duits. Het gaat steeds beter, met het woordenboek bij de hand.
Het stuk over Lessing, dat u hier schrijft, is interessant. U zult het ongetwijfeld wel weten, want Gastkemper kent de hele wereld plus nog drie dorpen, maar in de voordracht van 23 maart 1924 komt Steiner erop terug. Hij onthult daarin dat Lessing een ingewijde was in de Griekse oudheid en in de dertiende eeuw een lid van de orde der Dominicanen.
Op mijn blog staat ook nog een interessant citaat over Lessing.
http://ridzerdvandijk.wordpress.com/2011/04/01/rudolf-steiner-lessing-geloofde-in-reincarnatie-dus-werd-hij-zwakzinnig-verklaard/
Een reactie posten