Gisteravond bracht Michael Eggert op zijn Egoisten-weblog
het bericht ‘Zum
Tod von Wilfried Heidt’:
‘Was seit Tagen bei Facebook kursierte, ist jetzt – wie Stiftung Media bestätigt – Gewissheit: Wilfried Heidt, eine der großen Gründerpersönlichkeiten des Kulturzentrums Achberg, ist mit 71 Jahren gestorben, offenbar durch einen Unfall.Mitte der 70er war Achberg ein enormer Anziehungspunkt für eine (auch) anthroposophische, sehr bewegte Jugendbewegung. Während später die Diskussionen der Achberger Denker zunehmend verkopften, ging ein Teil der Diskussionspartner in politische Wirkungsfelder, vor allem in Richtung zur Gründung der Grünen Partei.Auf Wilfried Heidts Homepage finden sich dazu noch Plakate und Flyer. Aber auch viele heute tätige Anthroposophen haben in den heftigen Diskussionen und im lebendigen Umfeld von Achberg – etwa bei Peter Schilinski – einen für ihre Arbeit und ihr Leben wichtigen Impuls bekommen. In der lebendigen Aufbruchsstimmung der damaligen Zeit war die eigentliche Anthroposophische Gesellschaft in ihrer manchmal verklemmten Rechthaberei und gelegentlich obskuren Esoterik kein geeigneter Anlaufpunkt. Eine Identifikationsfigur haben viele in Heidt gefunden. So hat sich eine Fülle von Initiativen aus seinem Achberger Kreis und durch seine diskussionsfreudige Art ergeben. Auch Wilfried Heidt ist mitten aus dem Wirken und aus laufenden Impulsen heraus gerissen worden.Persönlich möchte ich anmerken, dass das Achberger Umfeld auch für mich eine erste, aber wichtige Anlaufstelle in Sachen Anthroposophie gewesen ist, so um 1975 herum. Wir hatten ein paar Tage in der Nähe des Goetheanums wild gecampt und waren nächtens von einem erbosten Schweizer Bauern mit der Mistgabel in der Hand vertrieben worden. Wir fuhren zu Peter Schilinski, der in einer innigen, aber gespannten Beziehung zu Heidt stand. In Schilinksi dörflicher Kneipe hauste eine wilde Truppe in kommunen-ähnlicher Atmosphäre; man konnte einfach kommen und dort wohnen. Abends lud Schilinski zu Diskussionen ein, deren Ende völlig offen war. Es war ein kleinerer Kreis von vielleicht 10 oder 12 jungen Leuten. Es gab Töpferkurse bei einer hellsichtigen Freundin Schilinskis, die nächtens klassische Konzerte für die Erdgeister arrangierte und bei den Bauern als Hexe verschrieen war, aber das Vieh heilen durfte. Im Kulturhaus Achberg war ein stetiger Besucherstrom zu beobachten, der in heftige politische und wirtschaftliche Diskussionen verstrickt war. Mir war das damals etwas zu viel, da ich von “Dreigliederung des sozialen Organismusses” so wenig verstand wie von den Intentionen des Herrn Joseph Beuys. Aber es war herrlich lebendig, verrückt und offen.’
Inderdaad meldt de genoemde website van Stiftung Media (net als bij Michel Eggert krijg ik ook de link niet werkend; maar vanaf de foutmelding kunt u er handmatig zelf ook komen) het volgende:
‘Sehr geehrte Damen und Herren,liebe Freunde,wir möchten Sie darüber informieren, dass unser langjähriger Freund Wilfried Heidt am 2. Februar im 71. Lebensjahr plötzlich und unerwartet verstorben ist.Wilfried gehört zu den Gründern des Republikanischen Clubs in Lörrach, des Internationalen Kulturzentrums in Achberg und ist auch mit der Arbeit unserer Stiftung, die ja aus der Aktion Dritter Weg entstanden ist, seit Jahrzehnten als maßgeblicher Initiator und Gründungsmitglied verbunden.Gemeinsam mit Wilfried haben wir in den 70er-Jahren die Ideen für einen dritten Weg jenseits von Kapitalismus und Staatssozialismus entwickelt, mit ihm haben wir die Aufbauinitiative der Aktion Dritter Weg ins Leben gerufen und 20 Jahre lang geführt und mit ihm haben wir unsere Mitwirkung bei den Grünen konzeptionell vorbereitet und politisch umgesetzt.Insbesondere stand bei Wilfried bis zum letzten Augenblick die direkte Demokratie durch Volksentscheid in Deutschland und Europa im Zentrum seiner Arbeit.Ihm verdanken wir auch unsere rumänischen Projekte in Transsylvanien, eine Arbeit, die er Ende der 80er-Jahre einleiten konnte und die wir bis heute fortsetzen.Mit Wilfried verbindet uns vor allem auch unsere enge Beziehung zu Wilhelm Schmundt und Joseph Beuys, beide ebenfalls langjährige Begleiter unserer Arbeit.Wir werden die Flamme weitertragen, versprochen!Für die Stiftung MediaMichael W. BaderPeter SchataJochen AbelingGöppingen/Krefeld/Hamburg im Februar 2012’
In Nederland is Wilfried Heidt niet zo bekend, of het moet
door de onvermoeibare inzet van Huub Houben zijn. Hier op deze weblog heb ik
hem slechts een keer genoemd, op het einde van ‘Raak’ op 1 november 2011. Maar dat was niet zo flatteus. In
het Nederlands is er bitter weinig van of over hem te vinden. Alleen het
Belgische ‘Brug 74 (december 2011)’ kwam onlangs nog een keer te
spreken op Heidts publicatie uit 1998 over de ‘Statutenkwestie’
van de Algemene Antroposofische Vereniging. Dat is niet ieders ding. Ik vond
verder nog wel bij Jostein Saether een bericht op zijn oude Gamamila-weblog van
8 oktober 2008, ‘Wilfried Heidt zur Reinkarnation’:
‘Nach dem Aufsatz “Sind Waldorfschulen ein Verstoß gegen das Grundgesetz?“ von Alexander Kissler (SZ, 5. Sept. 2008) beteiligte sich Wilfried Heidt – bekannter anthroposophisch orientierter Aktivist und Sozialwissenschaftler und tätig am Achberger Institut für Zeitgeschichte und 1971 Gründungsinitiator der Freien Waldorfschule im Internationalen Kulturzentrum Achberg – in der interessanten öffentlichen Diskussion in der Süddeutschen Zeitung.Heidt schrieb u. a.: “Rudolf Steiner ‘glaubte’ nicht ‘an die Reinkarnation’, sondern er hat zwischen 1886 und 1904 einen Durchbruch in der Erkenntniswissenschaft erreicht (und diesen in mehreren Schriften publiziert), durch den es für jeden Menschen mittels einer entsprechenden Schulung, deren Arbeitsweise er auch dargestellt hat, möglich wird, die Reinkarnation als Wirklichkeit, wie im Prinzip alle Wirklichkeit zu erkennen.”Nach diesem allgemeinen Hinweis zu Steiners Position zur Reinkarnationsidee wurde er von einem anderen Kommentator – giini - zu seiner eigenen Position diesbezüglich gefragt. Heidt antwortete dort für viele Beteiligten unpassend langatmig, aber seine Ideenbeschenkung ist nun auf seiner Website new trinity & unity vielleicht passender nachzulesen. Wilfried Heidt vertritt verständlicherweise die Meinung, dass es problematisch ist, über konkrete Reinkarnationserkenntnisse öffentlich zu kommunizieren:“Nach meinen Erfahrungen ist das wegen des ganz aufs Sensationelle ausgerichteten Charakters der heutigen Bewusstseinsverhältnisse – insbesondere in den elektronischen Massenmedien – und der bisher nur verschwindend wenigen bewusstseinspraktisch im hier besprochenen Sinn arbeitenden und nur dadurch fürs Erkennen des Übersinnlichen entsprechend vorbereiteten Menschen vorläufig verantwortlicherweise ausgeschlossen. Man könnte nur missverstanden werden. Um so wichtiger ist es, Anstöße zu geben, damit auch diese Arbeit von immer mehr Menschen in Angriff genommen wird. Diskurse wie die hier geführten können eine Anregung dafür sein.”Ein ausführliches, sehr geschichtlich aufschlussreiches – was der Entwicklung neuer soziale Ideen und Projekte seit den 1960er Jahren betrifft – und vielleicht ein historisches Interview unter der Fragestellung “Wo war die anthroposophische Bewegung 1968?” mit dem 67-jährigen 68-er Wilfried Heidt ist in der Zeitschrift Lazarus21 zu lesen.’
En dat laatste klopt helemaal. Daarom laat ik dat hier graag
volgen, in zijn volledigheid. Het is te vinden in het inmiddels ter ziele
gegane tijdschrift Lazarus21, Heft 2, 2008,
op
de bladzijden 16-29. Het is dus
wel erg lang, maar ook buitengewoon interessant. En aangezien Steiners sociale driegeleding hier niet zo vaak aan bod komt, nu weer eens extra aandacht voor deze sociale impuls van de antroposofie.
Wo war die anthroposophische Bewegung 1968?Am Pfingstsonntag 2008 fragte Monika Neve für Lazarus21 Wilfried Heidt im Humboldt-Haus des Internationalen Kulturzentrum in Achberg am Bodensee nach seinem Weg in die “68-er Bewegung” hinein.Lazarus21: Stammst du aus einem Arbeiter- oder aus einem bürgerlichen Haushalt?Wilfried Heidt: Weder...noch. Ich stamme aus einem kleinbürgerlichen Haushalt.Lazarus21: Was kann man sich darunter vorstellen? Kannst du etwas darüber erzählen?Wilfried Heidt: Ja. Meine Mutter war von Beruf Schneiderin, Schneidermeisterin. Sie hatte also mit der Herstellung von Klamotten in der verschiedensten Art zu tun. Ich bin Jahrgang 1941. Mein Vater war kaufmännischer Angestellter in einer kleinen Fabrik in der Umgebung. Den Vater habe ich eigentlich gar nicht kennen gelernt, weil er nämlich im Krieg 1944 in Russland als Kriegsopfer gefallen ist. Mütterlicherseits von Seiten der Großeltern arbeiteten alle in landwirtschaftlichen Zusammenhängen. Und väterlicherseits stellten meine Großeltern eine Arbeiterfamilie dar. Mein Großvater war nämlich Maschinenschlosser. Er wurde 1875 geboren. Der Vater meiner Mutter ist im Ersten Weltkrieg gefallen, sodass meine Mutter vaterlos mit ihrer Schwester zusammen aufwuchs. Ich wuchs ja auch vaterlos mit meiner Schwester, die drei Jahre älter war, auf. Wir hatten also keinen Vater und meine Mutter hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr mit einem Mann zusammengetan.Lazarus21: Dann muss sie ja sehr tüchtig gewesen sein.Wilfried Heidt: Ja, das war sie. Sie hat uns allein großgezogen. Wir durchlebten dann – und das war für mich wichtig und davon zehre ich bis auf den heutigen Tag – als Kinder die Sektoren der kleinen Landwirtschaft, des Gartenbaus, der Waldwirtschaft und all dieser Dinge, weil die Familie sich damit beschäftigte. So waren wir da von klein auf involviert. Ich nenne hier ein Beispiel. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen war das Holz spalten. Das war für unser Heizen wichtig und das lernte ich bei meinem Großeltern. Ich habe jedes Jahr in den Sommerferien 10 bis 15 Ster Holz zu spalten gehabt, die da im Hof aufgeschichtet waren. Das waren Dinge, die machten mir Spaß. Zu Hause hat man mir Tätigkeiten ermöglicht, die junge Leute heute gar nicht mehr kennen lernen. Und dann erst der Obstbau! Allein das Ernten der Kirschen jedes Jahr, gigantisch!Lazarus21: Es gab da bei euch also immer den direkten Draht zur Natur und du warst auf jeden Fall kein Stubenhocker?Wilfried Heidt: Durchaus nicht. Was aber auch eine Besonderheit war: Es gab in diesem Haushalt so gut wie keine Bücher. Ich wuchs ohne jede Intellektualität auf.Meine Familie mütterlicherseits gehörte evangelisch-pietistischen Zusammenhängen an. Es herrschte in dieser Gegend von Nordbaden-Schwaben ein starker deutscher Pietismus. Auch das war eminent wichtig für mich gewesen, weil ich dadurch in Aktivitäten hineingeriet, die bei mir auf gewisse Veranlagungen stießen, beispielsweise im musikalischen Bereich. Da wurde man ganz anders in diese Dinge eingebunden als das in der offiziellen landeskirchlichen Tradition der Fall sein konnte. Ich war 12 oder 13 Jahre alt, als ich einen großen Teil des Tages mit der Musik verbracht hatte, erst einmal am Harmonium, dann am Klavier und an der Orgel. Das hat sich aus dieser religiösen Tradition heraus ergeben.Lazarus21: Der Hintergrund meiner Frage ist, dass du ja nachher sehr aktiv in der Außerparlamentarischen Opposition, der APO, warst. Zu dieser Zeit wirkten in diesen Kreisen vorwiegend Studenten aus bestimmten, eher bürgerlichen Familien. Studenten aus Arbeiterfamilien waren damals schon seltener anzutreffen und mussten auch sehr begabt sein...Wilfried Heidt: Das lief alles bei mir in sehr einfachen Verhältnissen ab. Im Rückblick kann ich es mir aber gar nicht idealer vorstellen. Aber ich konnte da natürlich an nichts anschließen, es musste etwas vollkommen Neues stattfinden. Das begann mit der Universität. Ich war in der letzten Schulzeit durch evangelische Mitschüler und Freunde, die in landeskirchlichen Zusammenhängen gewesen sind, mit der Ostermarschbewegung in Verbindung gekommen. So hatte ich auch meine erste politische Veranstaltung erlebt. Dabei war ich auch in Verbindung gekommen mit dem Robert Scholl, das war der Vater der Geschwister Scholl, die in der Widerstandsbewegung der “Weißen Rose” gegen Hitler gekämpft hatten... Den Robert Scholl lernte ich kennen und mit ihm zusammen habe ich meine erste politische
Robert Scholl (13.4.1891 – 25.10.1973) war ein württembergischer Politiker und Vater von Hans und Sophie Scholl. Er gehörte in den 1950er Jahren zusammen mit dem späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann und Pastor Martin Niemöller zu den Gründern der Gesamtdeutschen Volkspartei. Diese war am 29. November 1952 aus der Ablehnung zur Wiederbewaffnung und der Anbindung an die Westmächte entstanden ist. Sie bestand aus früheren Mitgliedern der CDU, der Zentrumspartei und der Bekennenden Kirche und ging aus der von Gustav Heinemann und Helene Wessel gegründeten “Notgemeinschaft für den Frieden Europas” hervor. Die GVP löste sich am 19. Mai 1957 wieder auf. Den Mitgliedern wurde ein Beitritt zur SPD empfohlen.Ostermärsche: Vor 50 Jahren, Ostern 1958, hatte die britische Campaign for Nuclear Disarmament einen Marsch von London zum Atomforschungszentrum Aldermaston organisiert und dabei mit rund 10.000 Menschen gegen die nukleare Aufrüstung demonstriert. Hieraus entwickelte sich eine Tradition solcher Demonstrationsmärsche zu Ostern in verschiedenen westeuropäischen Ländern, 1960 das erste Mal in Deutschland.(nach Wikipedia)
Veranstaltung im Ostermarschzusammenhang gemacht. So wurde von daher mein politisches Engagement angeregt. Der Vater meiner damaligen Freundin, mit der ich eng verbunden war so mit 17 oder 18 Jahren, war ein wirklicher Proletarier. Der war Schlosser, war bei der Eisenbahn und besaß SPD-Kontakte, auch wenn er nicht Mitglied war. Der hat mich dann bekniet, ich müsse Parteimitglied werden. Er wollte was Gutes tun für die Richtung, zu der er gehörte, also der proletarischen Partei. Die letzten zwei Jahre meiner Schulzeit führten schon ins politische Engagement hinein. Und das war links. Im Zusammenhang damit hatte ich das Buch von Karl Jaspers “Die Atombombe und die Zukunft der Menschheit” in die Hand bekommen, ein großartiges Buch, das 1957/58 erschienen war.Lazarus21: Wie wirkten in dieser Hinsicht die Lehrer damals auf dich?Wilfried Heidt: Ich hatte schon 1954 in der Volksschule einen Lehrer, der hatte uns beigebracht, jeden Tag die Zeitung zu lesen und immer darüber zu berichten. Da fand 1954 gerade die Berliner Außenministerkonferenz, bei der es um die deutsche Frage ging, statt. Dadurch bin ich mit den politischen Themen und Fragen der Zeit konfrontiert worden.Lazarus21: Dadurch also wurdest du angeregt, das politische Tagesgeschehen zu verfolgen?Wilfried Heidt: ...ja, zu verfolgen, zu studieren, berichten und das alles einzuüben. Das waren die Anfänge. Es hat mir Spaß gebracht. Dann war meine Schulzeit zu Ende. Es tauchten die Themen der Atomfrage, der ersten Friedensbewegung und des Osternnarsches auf. Ich bin also mit dabei gewesen, hatte die Begegnung mit Robert Scholl und machte mit ihm zusammen eine erste Veranstaltung 1961. Und dann Jaspers. Der hatte mich interessiert. Er war in Basel und war dort Professor für Philosophie.Lazarus21: Du warst damals in Karlsruhe. Hast du dort auch studiert?Wilfried Heidt: Ich habe in Karlsruhe die Schule bis zum Abitur besucht. Da war ich dann 19 oder 20 Jahre alt. Ich bin damals zweimal in der Woche am Geburtszimmer von Kaspar Hauser vorbeimarschiert. Ich wusste aber gar nicht, was da eigentlich gewesen war. Warum? Ich musste zweimal in der Woche zum Sportplatz, wo unser Sportunterricht stattfand. Der war 2 bis 3 Kilometer außerhalb des Stadtzentrums. Und der Weg dorthin führte mich durch den Schlossgarten genau am Turm vorbei, wo ich später den Zusammenhang mit Kaspar Hauser erfahren habe. Also, es schien sehr interessant. Die Schulzeit war zu Ende. Und da habe ich mich entschlossen, nach Basel zu gehen, obwohl ich dort niemand kannte. Ich wollte in Basel studieren, um dort den Karl Jaspers zu hören.Lazarus21: Also hast du dir dort ein Zimmer gesucht...Wilfried Heidt: ...ja. Ich wollte aber nicht in Basel wohnen, sondern auf der deutschen Seite. Ich schrieb deshalb an den Pfarrer des betreffenden Ortes, das war Grenzach, die erste deutsche Ortschaft nach der Grenze. Ich schrieb dem Pfarrer, ob er mir helfen könne. “Ja, kommen Sie mal und dann kann ich Ihnen gerne einen Rat geben.” So antwortete er. Ich ging dorthin und habe innerhalb eines Tages ein wunderbares Zimmer, eine Studentenbude, bekommen. Die Bude war “sturmfrei”, die haben nie etwas gesagt mit Freunden oder Freundin. Eine herrliche Zeit! Übrigens war es zu Hause bei mir auch wunderbar gewesen. Meine Mutter hatte mich da vollkommen in Ruhe gelassen. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass sie mich jemals gezüchtigt hätte. Die hat einfach versucht, es richtig zu machen.Lazarus21: Du warst also in keiner Weise frustriert von deinen Kinderjahren und unzufrieden mit der Elterngeneration, sondern sehr zufrieden mit deiner Kindheit?Wilfried Heidt: Absolut, perfekt! Bescheiden, viel gelernt, nichts Intellektuelles, kein Buch. – Ich kam also nun nach Grenzach und lernte den Kantor des Ortes kennen, einen Griechen, der in dieser Kirchengemeinde tätig war und die Orgel spielte. Die Orgel war mein großer Traum, den ich mir bis dahin nicht erfüllen konnte, weil man in den piëtistischen Zusammenhängen ein solches Instrument nicht zur Verfügung hatte. Ich war vorher schon musikalisch tätig gewesen. Ich hatte mir selbst beigebracht, Trompete zu spielen, hatte in einem Orchester in Stuttgart gespielt und sang auch in einem Chor Bass-Bariton. Also, die Kirchenmusik war damals meine Welt! Zwischen 14 und 18 hatte ich sogar komponiert, stundenlang vor allem die Evangelien. Ich hatte einen Klavierlehrer, der hat mir das beigebracht, das Wichtigste erklärt und der hat gemeint, dass ich Begabung hätte. Er hat mich gefördert und da habe ich viele Dinge komponiert. Leider ist alles aus dieser Zeit verschwunden und verloren.Lazarus21: Wurde davon auch mal etwas aufgeführt?Wilfried Heidt: Doch ich habe auch etwas aufgeführt. In der Schule hatten wir einen wunderbaren Musiklehrer. Das ist auch so ein Schicksalszusammenhang. Der hatte vor allem einen Chor und ein Orchester aufgebaut. Eines Tages kam ich in die Schule und es hieß, dieser Musiklehrer sei gestorben. Ich hatte damals in einer reinen Jungenklasse immer zu Weihnachten die Festlichkeiten eingeübt. Wir führten Männerchöre auf, musizierten mit Blechbläsern, Horn und Trompete Stücke, die ich komponiert hatte. Das wurde in der Schule auch inszeniert. Da stellte sich die Frage beim Tod des Musiklehrers, wer das nun weiter machen solle. Inzwischen hatte der Direktor der Schule schon mitbekommen, dass der Wilfried Heidt so etwas kann. Deshalb fragte er mich, ob ich das nicht interimistisch machen könne. Das tat ich dann auch.Lazarus21: Und anschließend wurdest du gebeten, in der Kirche die Orgel zu spielen?Wilfried Heidt: Nicht ganz, ich habe es mir “ergattert”. Der Kantor war ein doller Mann, ein Könner, wirklich professionell und ich dagegen ein Dilettant. Eines Tages aber sagte er mir, es war im zweiten Jahr in Grenzach, dass er einmal Urlaub machen müsse. Er fragte, ob ich nicht eine Vertretung kenne. Ich kannte niemand, aber sagte, dass ich es doch selbst einmal probieren könne. “Kannst du denn Orgel spielen?” fragte er mich daraufhin. Ich sagte: “Noch nicht. Aber ich kann es versuchen. Wie viel Zeit habe ich zum Lernen?” Es waren vier Wochen. Ich habe mir gesagt: “Das kann ich.” Und so habe ich mir in vier Wochen das Orgelspielen beigebracht. Ich kannte ja den Ablauf des Gottesdienstes. Und das, was nötig war, habe ich hingekriegt. Der Kantor ging in Urlaub und ich übernahm in Absprache mit dem Pfarrer, der mir das Zimmer besorgt hatte, die Vertretung.Lazarus21: Hast du auch noch andere Aufgaben in der Kirche übernommen?Wilfried Heidt: Zunächst nur das Orgelspiel. Der Kantor wollte aber wenig später seine Stelle aufgeben und seine Karriere in einem Internat in der Nähe fortsetzen. Zu diesem Zeitpunkt war ich aber schon ins Nachbardorf umgezogen. Dort hatte man überhaupt keinen Organisten. Ich sagte, wenn man mich brauche, dann würde ich das hier machen. Ich habe anschließend fünf Jahre in dieser Gemeinde jeden Sonntag die Orgel gespielt. Damit war am einfachsten Geld zu verdienen. Ich hatte auch Spaß an der Sache.Die andere Zeit war ich tätig in einer Buchhandlung in Basel. So hab ich mir das Studium finanziert, denn in meiner Familie war ja kein Geld vorhanden. Jeden Sonntag habe ich mein Postfach mit den politischen Zeitschriften geleert. Während der Predigt habe ich sie gelesen und genau gehört, wann ich wieder dran war mit meinem Orgelspiel. So kam ich quasi mit dem Orgelspiel in die politische Geschichte mit hinein.Lazarus21: Du bist jetzt im weiten Feld der Vorgeschichte. Das ist auch wichtig, aber wir dürfen das Jahr 1968 nicht aus dem Auge verlieren.Wilfried Heidt: Für mich ist in diesem Zusammenhang 1968 ein Focus, ein Schlüsseljahr der Menschheitsgeschichte überhaupt. Das erste Buch, das bei mir landete, war “Die göttliche Komödie” von Dante. Auf dieses Phänomen Dante stieß ich bei meinem ersten Italienaufenthalt, ohne etwas von Dante zu wissen und was sich damit verbindet. Das wurde aber nachgeholt. Ich war mit meiner Freundin in Italien. Wir waren mit dem Zug unterwegs und landeten an einer bestimmten Ecke an der Adria. Wir setzten uns aufs Fahrrad und fuhren einige Kilometer Richtung Ravenna. Wir kamen dort an und ich stellte mein Rad vor dem Danteschen Grabmal ab. Mir hatte bisher niemand etwas von Dante erzählt gehabt. Ich war also in Italien. Und die ersten 5 Kilometer, die ich außerhalb des Zuges selbst zurücklegte, führte mich zu Dante. Ich habe dann begonnen, mich kundig zu machen, wer dieser Dante überhaupt gewesen war. Bei meinem zweiten Italienaufenthalt, bei dem ich aber auch noch nicht so viel über die Kulturgeschichte wusste, führte mich meine “2 CV-Ente” direkt nach Florenz. Ich war wieder mit einer Freundin unterwegs, wir hatten das Auto irgendwo geparkt und steuerten auf den Dom zu. Da war der Dom mit seiner Riesenkuppel, daneben das Baptisterium. Ich hatte keine Ahnung und machte die Tür auf. Was war da? Dantes Taufstein. Ich werde immer da hingeführt und mir öffnen sich elementare Zusammenhänge, die ich damals überhaupt nicht mit meinem Tun verbinden konnte.Das war alles vor 1968. Und in diese biographische Szenerie hinein bekam ich meine ersten Informationen über Steiner. Das war 1962.Lazarus21: Wie hat sich das angelassen?Wilfried Heidt: Ich war bei einer Diskussion über das Baseler Experimentiertheater. Dort wurden “Die Physiker” von Dürrenmatt dargestellt. Es ging dabei um die Frage der Verantwortung der Naturwissenschaften. Ich gehörte damals zur Schule von Karl Jaspers, den ich inzwischen gehört hatte. Es war übrigens 1961 seine letzte Vorlesung, die er überhaupt gehalten hat. “Chiffren der Transzendenz” war das Thema. Jaspers hatte in Basel eine große Gemeinde mit 500-600 Zuhörern, die sich in der Aula jeden Montag um 16 Uhr um ihn versammelte. Das war sehr interessant, aber es war bevor ich auf Steiner aufmerksam geworden war. Ich war also bei dieser Diskussion und habe in Bezug auf Ethik etwas von mir gegeben. Nach der Veranstaltung ging ich auf dem Nachhauseweg neben einem Menschen, der hochgewachsen und schlank war. Wir kamen ins Gespräch. “Sie waren auch in der Diskussion!”, sagte er. “Was Sie da gesagt haben, es war nicht das Gelbe vom Ei.” Ich fand das arrogant, aber es machte mich neugierig. Das war der Werner Moser, Privatgelehrter, der sich sein Geld in Basel mit einem kleinen Antiquitätenhandel verdiente. Er war ein exzellenter Philosoph, einer der besten anthroposophischen Erkenntnistheoretiker, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe. Dann sagte er: “Damit Sie erst einmal Boden unter den Füßen kriegen in erkenntnistheoretischer Hinsicht, beschäftigen Sie sich doch einmal mit Rudolf Steiner.”Lazarus21: Du kanntest Rudolf Steiner vorher nicht, hast nie etwas von ihm gehört?Wilfried Heidt: Ich hatte den Namen vorher nie gehört. Moser empfahl mir, in die Bibliothek zu gehen und mir die Schrifttitel bei Steiner durchzusehen. Im übrigen mache er Mittwoch abends für einen kleinen Kreis von Studenten ein Kolloquium. Sie würden sich gerade mit Hegel und Steiners “Wahrheit und Wissenschaft” beschäftigen. So kam ich in seinen Studienkreis mit 5 oder 6 Studenten in meinem Alter. Wir wurdenWerner Moser (1924-2003), Philosoph, fand seine eigentliche Lebensaufgabe darin “Menschen im Denken anzuleiten, zur Selbständigkeit zu verhelfen, zum Weiterdenken anzuregen. Anthroposophie mit anderen gedanklich durchzuarbeiten, war sein Anliegen” (Jan Pohl in: Forschungsstelle Kulturimpuls, Biographie Dokumentation, www.kulturimpuls.org/index.php?id=563). “Er hat mit vielen zusammengearbeitet, hat 1977-82 am Humboldt-Kolleg in Achberg rege mitgewirkt. ... In Basel war er eine bekannte Persönlichkeit ... Ein seltener Baumeister des Ideenrealismus hat mit ihm für die Anthroposophie gewirkt” (Jan Pohl, a.a.O.).dort eingeführt in die Grundlagen des Denkens, der Philosophie und der Erkenntnistheorie. So habe ich zum ersten Mal etwas von Rudolf Steiner gehört. Davon habe ich auf der Universität natürlich nichts erfahren. Und anderen Kommilitonen erging es wie mir.Lazarus21: Hast du in diesem Kreis auch spätere Weggefährten kennen gelernt?Wilfried Heidt: Weggefährten gab es da nicht. Die anderen sind ihre eigenen Wege gegangen. Wilfried Jaensch war übrigens auch in diesem Kreis. Von dem habe ich dann erfahren, dass auch er über den Werner Moser Kenntnis von Steiner erhalten hatte. Und Jaensch hat mich in einem Brief auf “Die Philosophie der Freiheit” aufmerksam gemacht. In der Folgezeit hatte ich mich über Rudolf Steiner in der Uni-Bibliothek kundig gemacht.Lazarus21: Noch wusstest du nichts von Reinkarnation und Karma?Wilfried Heidt: Das Thema hatte mich damals auch gar nicht interessiert. Mir ging es um die Frage nach der Wissenschaftstheorie. Ich war quasi von der Schulzeit her in Auseinandersetzung mit Platon, mit Nietzsche und diesen Philosophen, wobei schon eine Art des Existenzialismus auftauchte. Jetzt kam also dieser Steiner dazu. Mein politisches Engagement hatte inzwischen auch schon begonnen, einen bestimmten Kurs einzuschlagen, weil ich auf Menschen und Publikationen gestoßen war, die damals in Deutschland nicht öffentlich diskutiert wurden. In dieser Situation landete ich bei Steiners “Die Kernpunkte der sozialen Frage”. Das fand ich interessant. Dieser Steiner hatte also auch etwas zum Thema der sozialen Frage publiziert. Da wollte ich der Sache richtig nachgehen.Ich hatte gleichzeitig in meinem Germanistikstudium durch Walter Muschg, der diese tragische Literaturgeschichte und auch über den Existenzialismus geschrieben hatte, eine Orientierung bekommen. Ich hatte vor, bei ihm zu promovieren und konnte quasi so in sein Oberseminar “hereinrutschen”. 1965, wo das zu entscheiden gewesen wäre, gab es wieder so eine Weichenstellung. Ich kam eines Tages ins Oberseminar und da kam die Nachricht, dass Walter Muschg gestorben sei. In diesem Seminar war Heinz Zimmermann ein Assistent, nicht bei Muschg, sondern bei einem Altgermanisten, Rupp....Lazarus21: Heinz Zimmermann, meinst du damit das spätere Vorstandsmitglied in Dornach?Wilfried Heidt: Ja. Da habe ich den Zimmermann zum ersten Mal kennen gelernt, als er dort Assistent war. Meine geplante Arbeit handelte von Ernst Barlach, dem Dramatiker, und Theodor Däubler. Walter Muschg war interessiert, dass seine Schüler anfingen, seine erarbeitete Dichtungstypologie, die er in der tragischen Literaturgeschichte dargestellt hatte, zu exemplifizieren. Der mystische Typus Barlach und der mythische Typus Däubler sollten verglichen werden. Diese beiden waren bisher überhaupt noch nicht in Beziehung gebracht worden. Da, meinte Muschg, könnte ich mir Sporen verdienen und verschaffte mir zugleich einen Zugang zum Nachlassverwalter. Ich hatte mich in diese Thematik eingearbeitet. Ich war dabei nun auf Gedeih und Verderb auf Muschg angewiesen.Monika Neve: Es gab keinen anderen Professor...Wilfried Heidt: ...der diese Richtung in irgendeiner Weise verstehen und befördern konnte, nein.Lazarus21: Wie weit warst du denn mit der Arbeit?Wilfried Heidt: Erst am Anfang. Das war die Situation. Zugleich hatte ich einen zweiten Lehrer im Sektor der politischen Philosophie, Arnold Künzli. Dort waren wir auch eine kleine Gruppe von Studenten um diesen Lehrer herum. Und der hat uns wiederum in Verbindung gebracht zu der ganzen Richtung des nonkonformistischen Marxismus. Das war eine ganz wichtige Weichenstellung. Es ging dabei um die jugoslawische Schule, um die Zeitschrift “Praxis” und um Markovic.Lazarus21: Hat Milovan Djilas da eine Rolle gespielt?Wilfried Heidt: Nein, der war damals in Haft. Der war allen trotzdem bekannt als Gegenposition zu Tito. Damals gab es die sog. Paulus-Gesellschaft. Die betrieb ein gewisser Erich Kellner aus München, der hatte vom Vatikan angeregt eine Organisation gebildet, die das Gespräch zwischen Christen und Naturwissenschaften initiierte. Das war die erste Phase.Nach einigen Jahren war das aber zu Ende. Da schwenkte er um und es ging um das Gespräch zwischen Christen und Marxisten. Das waren die Dialog-Gespräche und die wurden spektakulär. Die fanden an unterschiedlichen Orten statt. Unser Lehrer nahm auch daran teil. Und er brachte immer interessante Leute mit zu uns in seine Vorlesungen und seine Seminare. So lernte ich damals Leute kennen, die da im Vorfeld des Prager Frühlings eine ganz herausragende Rolle spielten. Unser Lehrer ließ uns auch die Seminararbeiten in dieser Richtung schreiben.Lazarus21: Du könntest also sagen, dass das, was du in deiner Studienzeit machtest, gewissermaßen eine gradlinige Vorbereitung war für das, was später kam?Wilfried Heidt: So wie meine Mutter das gemacht hat, so haben diese Lehrer, ohne eine Ahnung zu haben, was bei mir ausgebrütet wurde, vorbildliche Arbeit geleistet. Das war aber noch das Alte. Das Neue musste bei mir überhaupt erst aufgebaut werden. Es kam durch Steiner in die ganze Geschichte herein. Und für mich war es dann die Frage, wie das alles zusammengebracht werden könne. Das war die Aufgabe! Wir waren damals 5 oder 6 Kommilitonen, die quasi konspirativ an dieser Aufgabe gearbeitet haben.Lazarus21: Geschah das im Universitätsrahmen oder allein im Zusammenhang mit der Anthroposophie?Wilfried Heidt: Das geschah nicht im Uni-Rahmen, aber wir hatten es in der Uni experimentell versucht. Wir wussten, dass wir den Steiner explizit und offiziell nicht in der Uni thematisieren konnten. Das ging über das Fassungsvermögen der damaligen Professorenschaft hinaus. Und die Anthroposophen waren wissenschaftlich überhaupt nicht präsent auf diesen ganzen geisteswissenschaftlichen Gebieten. Da war nichts vorhanden. Die 5 oder 6 Kommilitonen hatten Steiner gründlich studiert. Und wir machten das eben konspirativ an der Uni. In dieser Hinsicht hatten wir uns gerade trainiert. – Und in diesen Moment traf das hinein... dass mir klar wurde, dass meine damals gedachte Berufsperspektive mit dem Doktoranden so nicht stattfinden konnte, denn ohne diesen Lehrer konnte ich das nicht machen...Lazarus21: Denn Professor Muschg war gestorben...Wilfried Heidt: Ja. Also wechselte ich die Fakultät und ging in die politische Philosophie hinein. Ich habe bei einem anderen Lehrer angefangen, etwas in Angriff zu nehmen. Es war Arnold Künzli. Und da kannte ich Steiner nun schon. Dabei ging es um die Begriffe Individuum und Gesellschaft bei Marx. Künzli hatte eine umfangreiche Marx-Psychografie geschrieben und war von Freud her beeinflusst. Die intellektuell interessantesten Dinge, die es in diesen Jahren gab, im Vorfeld von 1968, denen begegnete ich durch ganz bestimmte Leute, die wieder für mich Transmissionsriemen waren in Szenerien, auf die ich von mir aus gar nicht gekommen wäre. Vermittelt durch diese Lehrer war dann die Richtung schon da. Noch in der Zeit meines Germanistik-Studiums habe ich die Kernpunkte bei Steiner studiert.Lazarus21: Was folgte für dich daraus?Wilfried Heidt: Langsam... Dann bin ich erst einmal auf die Schillersche Kunsttheorie gestoßen, war fasziniert von den ästhetischen Schriften und lernte den Begriff der Revolution im Sinne Schillers kennen. Durch die Kunsttheorie SchillersDie Praxis-Gruppe war eine Gruppe jugoslawischer Philosophen und Sozialwissenschaftler, die einen humanen, undogmatischen Marxismus vertraten. Sie waren Veranstalter der jährlich stattfindenden “Sommerschule” auf der Insel Korcula und Herausgeber der Zeitschrift “Praxis”. Diese wurde 1964 gegründet und 1975 verboten. Die Redaktion bestand aus Zagreber Mitgliedern der Praxis-Gruppe, in einem größeren Gremium, dem “Redaktionsrat”, waren Wissenschaftler aus ganz Jugoslawien sowie aus dem Ausland vertreten (u.a. N. Birnbaum, E. Bloch, E. Fromm, J. Habermas, L. Kolakowski, H. Lefebvre, G. Lukacs und H. Marcuse). Vor 33 Jahren, Januar 1975 wurden acht Mitglieder der Praxis-Gruppe (u.a. auch Mihailo Markovic) aus der Universität Belgrad ausgeschlossen. Kurz darauf wurden auch das Erscheinen der Zeitschrift “Praxis” und die Ausrichtung der Sommerschule verboten.stieß ich auf die Idee des Begriffs der Gesellschaft als Kunstwerk. Politik ist nicht einfach etwas, was sich auf einem anderen Gebiet abspielt als die Kunst, sondern ich lernte bei Schiller die Gesellschaft als Kunstwerk zu verstehen. Erst jetzt war ich versöhnt damit, weil ich durch das Studium von Steiner erkannt hatte, es existiert quasi die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus, die Gesellschaft als Kunstwerk denken zu können. Da war ich in diesem Moment versöhnt mit meinen Disziplinen und war nicht mehr traurig, dass jetzt die Kunst nicht mehr im Zentrum stand. Ich konnte nun diesem Impuls quasi im Rahmen der politischen Philosophie weiterführen.Seit zwei, drei Jahren war ich damals durch die Zeitschriften, die ich gelesen hatte, in die verrücktesten Zirkel, die es überhaupt in Deutschland gab, hineingeraten. Da gab es in Hamburg die Zeitschrift “Neue Politik” und in Würzburg “Welt ohne Krieg”. Das waren Zeitungen, die nach 1945 einen Dritten Weg, nicht als deutsche Westbindung, sondern neutral, ins Visier genommen hatten. SoUlrich Noack (1899-1974), war Professor für mittlere und neuere Geschichte in Würzburg gewesen. Er gab im Selbstverlag die Zeitschrift “Welt ohne Krieg” (“Historisch-politische Zeitschrift aus freier Mitte für innere Erneuerung des Liberalismus und weltpolitische Friedensgestaltung”) heraus. Er gehörte ursprünglich auch der Partei an, in der Gustav Heinemann und Robert Scholl tätig waren, der Gesamtdeutschen Volkspartei. Noack war einer der Ersten, der das Wort “Neutralisierung” in die Debatten der deutschen Nachkriegspolitik gebracht hatte.war ich in den Kreis gescheiter, hochpotenter Leute geraten. Ein Marburger Soziologe hatte das in die Diskussion eingebracht. Der stand wiederum in Verbindung mit einer Bewegung, welche die Gesellschaft in Nachbarschaften zergliedern wollte. Selbst Leute vom Strasser-Flügel aus der Frühzeit des Nationalsozialismus, die von Hitler dann frühzeitig ausgeschaltet wurden, gehörten in diesen Zusammenhang. Theodor Kögler in Hamburg schrieb ein Buch “Das neue Weltbild” und der wiederum kam aus der kommunistischen Bewegung.Lazarus21: Mir fällt auf, dass immer nur männliche Namen fallen. Waren gar keine Frauen dabei?Wilfried Heidt: Nein. Damals hatte man noch nicht in diesen Kategorien gedacht und hatte das nicht als Problem empfunden. Die erwähnten Leute hatten neue Ideen ins Spiel gebracht gegen die ganze etablierte Richtung der Bundesrepublik. Ich nahm mit diesen Leuten Kontakt auf, befreundete mich mit ihnen und nahm an den Veranstaltungen teil.1965 hatte ich meine ersten DDR-Erfahrungen gemacht. Ich besaß keine Verwandten, die mich hätten dorthin einladen können. Und so landete ich damals auf Einladung der SED in der DDR und wurde dort an den Universitäten mit den Gegebenheiten vertraut gemacht. Wir waren zu dritt: Wilfried Jaensch, Werner Graf und ich. Die Leute dort führten uns die DDR auf Weltniveau vor, wie sie das nannten.Lazarus21: Besuchtest du die DDR nun als Delegierter oder als Privatperson?Wilfried Heidt: Dort konnte man sowieso nur in Kategorien der Delegationen denken. Damit du verstehst, was ich unter Karma verstehe, erkläre ich die Vorgeschichte zur DDR-Reise. Ich hatte in der Schule in Karlsruhe einen Religionslehrer, der kam immer nach den Ferien in den Unterricht und erzählte, was er in den Sommerferien gemacht hatte. Das war sein Ernteeinsatz, denn er fuhr immer in die DDR und half dort bei der Ernte. Das fanden wir eine spannende Sache. Rein zufällig kam mir dieser Lehrer eines Tages im Uni-Foyer entgegen. Was machte mein Religionslehrer denn in Basel? Wir standen uns gegenüber und begrüßten uns. Ich fragte, ob er wieder beim Ernteeinsatz gewesen sei. Er bestätigte das.Und da sagte ich ihm, dass ich das auch einmal wahnsinnig gerne machen würde. In diesem Augenblick sagte mir mein Religionslehrer, dass er mir einen DDR-Besuch vermitteln könne. Ich müsse nur meine Daten übermitteln und er würde die dann an den zuständigen Alt-Kommunisten in der Bundesrepublik senden. Man werde Kontakt zu mir aufnehmen, um herauszufinden, ob ich die DDR durcheinanderbringen wolle oder ob ich ein zuverlässiger Linker sei.Eines Tages, ohne dass ich vorher in Augenschein genommen worden war, kam ein Brief von der Kreisleitung der SED in Görlitz, die mir mitteilte, dass ich in die DDR eingeladen werden solle und mitteilen solle, wann es mir genehm sei und ob ich jemand mitbringen wolle. Ich hatte zu der Zeit natürlich schon den Steiner im Gepäck und mit der Sache etwas Bestimmtes vor. Nun antwortete ich, dass ich gerne noch zwei Freunde mitbringen möchte. Wir kamen zu dritt dann 1965 in Görlitz am Weltfrauentag, dem 8. März, an. Wir fuhren durch die DDR, da war von Plauen bis zur Oder-Neiße alles beflaggt. Ich wusste damals gar nichts vom Weltfrauentag und freute mich, dass die so schön für uns geflaggt hatten. Wir landeten schließlich im Hotel Dresden inWilfried Jaensch (*1941), Mitbegründer und Dozent am Seminar für Waldorfpädagogik Berlin e.V. mit den Unterrichtsfächern Anthroposophische Grundlagen, Allgemeine Menschenkunde, Schulungsweg. Auf der Website des Seminars für Waldorfpädagogik Berlin findet sich auch das gegenwärtige Bild, (http://sfwp.valtin.net/ dozent/wilfried-jaensch) – Wilfried Jaensch wird in diesem Sommer an der “VI. Freie Sommeruniversität 2008 Cottbus”, in der ehemaligen Tischlerei in Cottbus-Kahren vom 21. – 27. Juli 2008 teilnehmen. Die freie Sommeruniversität ist eine freie zivilgesellschaftliche Initiative zur Förderung eines staatsunabhängigen und überbetrieblichen Geisteslebens und geht auf die Initiative von Thomas Brunner und Freunden zurück. Näheres auf der Website des Atelier-Theaters “Imagination einer freien Stätte interdisziplinärer Forschung & Kunst” (Thomas Brunner): www.atelier-theater.de/At 02term.htmGörlitz. Da gabs nur Frauen und wir drei Männer. Das war vielleicht eine Geschichte. Donnerwetter!, dachten wir. Am Abend ging es aber gleich mit der Diskussion los. Wir blieben 14 Tage. Wir wurden zur Universität gebracht und lernten die Professoren kennen.Lazarus21: Und wie ging das mit eurem Ernteeinsatz?Wilfried Heidt: Gar nicht, denn es war März und wir galten ja als regelrechter Besuch. Wir haben durch diese vielen Gespräche in Leipzig, in Dresden und an der Technischen Universität usw. Leute kennen gelernt und merkten, dass es in der DDR unter der Decke des offiziellen ideologischen Bla-Blas hochinteressante Leute gab, mit denen wir in den Diskurs eintreten konnten.Ich hatte in der Zwischenzeit den jungen Marx studiert, damit ich das Thema Individuum und Gesellschaft überhaupt behandeln konnte. Ich war also bestens ausgerüstet, was Marx betraf, plus Steiner. Ich wusste, wo in der Marxschen Theorie Ansätze zu finden sind, von denen man nahtlos zur Dreigliederung kommen kann. So konnte ich mit denen diskutieren, als ob ich selber quasi ein Repräsentant des jungen Marx sei. Die Leute dort waren begeistert und hatten so etwas noch nicht gehört. Sie kannten zum Teil diese Texte auch nicht. Wir verbrachten 14 tolle Tage dort!Lazarus21: Was geschah nach deinem DDR-Besuch?Wilfried Heidt: Wir kamen zurück zu unserer Uni nach Basel. Da stieß ich in der Cafeteria auf die Zeitschrift “Die Kommenden”. Die hatte ich schon vorher gelegentlich zur Kenntnis genommen, aber sie hatte mich noch nicht besonders berührt. Darin fand ich die Ankündigung einer Tagung “Das mitteleuropäische Deutschland — Die Teilung Deutschlands als soziale Herausforderung”, veranstaltet von Hans-Georg Schweppenhäuser. Ich hatte einige Zeit vorher in Karlsruhe bei einem zufälligen Besuch von der Ankündigung eines Vortrages von Hans Erhard Lauer zu einem geschichtsphilosophischen Thema in der Universität gehört. Und da hörte ich zum ersten Mal einen Anthroposophen einen Vortrag halten. Im Unterschied zu meinen Professoren, die alle mit ihren ausgearbeiteten Manuskripten am Katheder standen, sprach Hans Erhard Lauer frei und zauberte ein Kunstwerk, das mich begeisterte.Jetzt kommt der Urpunkt, von dem 1968 ins Visier genommen werden kann. Das brauchte eine bestimmte Voraussetzung. Ich lese also diese Ankündigung in den “Kommenden”. Das war mein Thema, weshalb ich meine Hände in diesen verschiedenen Zirkeln im Spiel hatte. Es ging um eine vollkommen andere Vorstellung von der Deutschlandpolitik im Sinne des Begriffs des Dritten Weges. Aber es betraf die Strömung, in der das stand. Ich kannte das. Da hatte es früher die Zeitschrift “Der Ruf” und die ersten CDU-Vorschläge im Ahlener Programm gegeben. So um 1950 herrschte schon die entscheidende Mittelpunktdiskussion, die sich um den Dritten Weg drehte. Dann verschwand diese Frage wieder von der Bildfläche. Jetzt kommt also diese Einladung zu dieser Veranstaltung in Freiburg “Das mitteleuropäische Deutschland”. So hörte ich auch zum ersten Mal diesen Anschlussbegriff im Sinne einer Initiative von Steiner her. Ich fuhr dorthin und nahm an dieser Veranstaltung teil.Lazarus21: Wer war denn dort unter den Zuhörern?Wilfried Heidt: Da waren fast nur alte Leute. Ich war der einzige junge Mensch. Dort waren 30 bis 40 Menschen im Vortragsraum des Verlages von Hillringhaus. Ich hörte mir das an, das war alles sehr interessant. Schweppenhäuser entwikkelte seine Position in scharfem Gegensatz zu der Position der DDR als einem autoritären Sozialismus. Weil ich die Verhältnisse in der DDR kannte, empfand ich das allerdings in grobschlächtiger Schwarz-Weiß-Malerei dargestellt. In der Diskussion meldete ich mich deshalb zu Wort und widersprach Schweppenhäuser recht deutlich.In der Pause des Seminars schlenderte ich durch Freiburg und traf auf einen Mann, der auch an dem Seminar teilnahm. Das war ein Regierungsbeamter, Dr. Klaus Wendorff. Er war auf der Suche nach einem Parteiprogramm. Denn er wollte eine neue Partei gründen. Sie nannte sich die Deutsche Volkspartei und für sie suchte er ein Programm. Er war dabei auf die Anthroposophen gestoßen, weil er glaubte, dass die programmatisch etwas in petto hatten. So landete er bei den Anthroposophen, bei Schweppenhäuser und in diesem Seminar. Dabei erzählte er mir von Sylt. Da gebe es eine Arbeit, die würde in Witthüs, einem bekannten Cafe und einer Teestube, auf Sylt gemacht. Dort arbeite ein gewisser Schilinski zusammen mit einer Frau Weber. Die machten dort eine Arbeit in derselben Angelegenheit wie im Seminar bei Schweppenhäuser, aber doch völlig anders. Er hatte das Gefühl, dass ich als junger Mensch bei diesem Seminar in Freiburg nicht am rechten Platz sei. Er sagte: “Aber wenn Sie die Sylter Arbeit kennen würden, würden Sie sich wie ein Fisch im Wasser fühlen.” Ich war baff, was man alles so machen kann: eine freie Arbeit mit einem kleinen Wirtschaftsbetrieb und dazu diese Dreigliederung am sozialen Organismus. Das mache dieser Schilinski, dieser Pädagoge, und so wurde mir die ganze Sache entwickelt.Lazarus21: So erfuhrst du also zum ersten Mal etwas von Peter Schilinski?Wilfried Heidt: Ja. Und dann gesellte sich noch ein Dritter zu uns. Er stellte sich vor. Es war Josef Busch. Er war auch Teilnehmer dieses Seminars bei Schweppenhäuser. Auch er kannte Sylt und Witthüs noch nicht. Im Gegensatz zu mir hat er sich immer alles genau notiert. So landeten durch diese Sylt-Informationen die Adressen von Schilinski, von Wendorff und mir in seinem Notizbuch, nach einander.Dieser Josef Busch hatte die Eigenschaft, dass er solchen Dingen gleich nachging. Ich fand das nicht so spektakulär, weil ich vieles ja schon aus den Zusammenhängen kannte. Aber für Josef Busch war das anders, er hatte dringenden Bedarf. Er war ein Schwerkriegsverletzter, kam mit zerschossener Lunge nach Hause und war seitdem nicht mehr arbeitsfähig. Er war auf die Anthroposophie gestoßen und hatte beim Sozialimpuls und der Frage der sozialen Dreigliederung Feuer gefangen. In diesen Bereichen verfügte er über Kenntnisse und war deshalb auch zu Schweppenhäuser gekommen.Nach zwei oder drei Wochen bekam ich Post aus Sylt und von Peter Schilinski zusammen mit einer Zeitschrift “Das mitteleuropäische Deutschland”. Es handelte sich da um eine Zeitschrift, die Peter Schilinski machte. Gleichzeitig bekam ich Einblick in die Korrespondenz, die Josef Busch mit Peter Schilinski aufgenommen hatte.Lazarus21: Welchen Eindruck hattest du dabei?Wilfried Heidt: Es war alles hochinteressant. Aber ich fand vor allem, dass Peter Schilinski das ganz anders machte als wissenschaftlich gewohnt. Der machte es irgendwie volkspädagogisch. Ein oder zwei Monate später kam von Busch ein Brief mit dem Hinweis, dass Peter Schilinski ihn im Schwarzwald besuchen werde und dass er mich zu diesem Meeting einlade.Ich folgte der Einladung, fuhr also in den Schwarzwald und lernte so Peter Schilinski kennen. Wir stellten sofort fest, dass wir auf derselben Wellenlänge waren. Die Dreigliederung brauchte er mir nicht mehr beizubringen. Wir sind uns begegnet als Vertreter zweier Generationen, denn er war 1916 geboren und ich war als Jahrgang 1941 genau 25 Jahre jünger. Aber wir sahen die damaligen Verhältnisse eigentlich deckungsgleich. Er beschäftigte sich mit der Frage, was man in dieser gegenwärtigen Situation machen könne. Ich erfuhr von ihm, dass er schon seit 20 Jahren unterwegs war in Deutschland, um irgendwelche Anthroposophen zu finden, die in Sachen Dreigliederung vielleicht etwas unternehmen wollten.Lazarus21: Wann war das?Wilfried Heidt: Wir sind jetzt im Jahre 1966 angekommen. Der ersten Begegnung im Schwarzwald folgte eine zweite und eine dritte. Wir meinten, es müsse etwas geschehen. Wir müssten etwas “anzetteln”. Aber was? Eine Revolution. Denn dass die Dreigliederung des sozialen Organismus nach beiden Seiten hin eine revolutionäre Herausforderung darstellt, das ist uns damals klar gewesen. Aber macht man das, wo alles still und ruhig war in diesem Land? Der Peter war immerhin in Norddeutschland mit der Ostermarschbewegung in Kontakt gewesen.Lazarus21: Aber zu der Zeit existierte doch schon die DFU und auch Renate Riemeck war schon tätig.Wilfried Heidt: Ja, aber es war nicht so, dass ich mich damit hätte auseinandersetzen wollen. Für mich war da eine Alternative überhaupt nicht sichtbar. Das war ein politisches Konzept, in dem nach meiner Ansicht die altkommunistischen Zusammenhänge aktiv waren. Renate Riemeck war mir in diesem Moment als Autorin anthroposophischer Couleur noch nicht bekannt. Ich lernte sie erst im kommenden Jahr durch das Buch “Bilanz eines Jahrhunderts – Mitteleuropa” kennen. Ich kannte sie damals auch nicht persönlich. Ich habe sie erst ein Jahr später kennen gelernt, sie besucht und mit ihr gesprochen. Ich wusste nur, dass sie mit Hillringhaus in Verbindung gewesen war in diesem mitteleuropäischen Studienwerk. Sie spielte dabei eine wichtige Rolle, sodass es überhaupt zustande kam. In dieser Richtung war für mich zunächst einmal Schweppenhäuser wichtig. Dann kam der Zusammenhang mit Peter Schilinski, bei dem ich den Eindruck hatte, dass ich mit dem zusammenarbeiten könne. In kurzer Zeit gründete sich zwischen uns eine Freundschaft und eine Zusammenarbeit. Wir machten uns mit Josef Busch und zwei, drei Leuten aus seinem Umfeld auf den Weg. Peter erzählte mir, mit wem er noch in Kontakt war. Das war der Professor Folkert Wilcken in Freiburg, der damals schon hoch betagt war.Lazarus21: Die Zeit der Republikanischen Clubs war das noch nicht?Wilfried Heidt: Das kommt erst 1968. In dem Sinne bewegte sich noch nichts. Das dauerte noch ein paar Monate. Es ergab sich aber sehr schnell mit dem 2. Juli 1967 und den Berliner Ereignissen beim Schah-Besuch und dem Tod von Benno Ohnesorg. Meine ersten Informationen in Richtung Tschechoslowakei kamen aus meinem Studium heraus durch das Buch von Karel Kosic “Dialektik des Konkreten”. Da war uns klar, dass da etwas in Gang gekommen war, von dem wir aber noch nicht genau wussten, was dahinter steckte. Denn politisch war der Prager Frühling noch nicht ans Tageslicht gekommen. Es gab die Schriftstellerzusammenhänge, davon hatten wir ein bisschen Kenntnis. Aber was da eigentlich wirklich dahinter steckte, war für uns damals noch nicht greifbar.Wichtig war aber, dass mich Peter darüber informierte, dass sich eine Gruppierung älterer Anthroposophen im Studienhaus Rüspe gebildet hatte. Zum Teil waren diese auch in Funktionen der Anthroposophischen Gesellschaft tätig. Peter und Ulle Weber waren zu einem Treffen eingeladen worden. Man beabsichtigte, sich regelmäßig im Abstand von einem Vierteljahr in Rüspe zu einer internen Konferenz zu treffen. Peter hatte dem Kreis von mir erzählt und so konnte ich auch mitkommen. Das war der Anfang des sogenannten Rüspe-Kreises. Da gehörten Manfred Schmidt-Brabant, Helmut Pelzer, Markus Kühn, Hartwig Wilcken, Frau Thon vom Studienhaus u.a. dazu. Es war so ein Kreis von 12 bis 14 Leuten. Auch Holländer waren dabei. Die kamen allerdings immer erst am zweiten Tag, nachdem die interne Gruppe schon getagt hatte. Vom NPI (dem Niederländischen Institut für Organisationsentwicklung) waren auch Leute dabei wie Lex Bos.Lazarus21: War Bernard Lievegoed dabei?Wilfried Heidt: Nein, wohl aber Schüler von ihm.Lazarus21: Und war Dieter Brüll dabei?Wilfried Heidt: Der Dieter gehörte nicht zum NPI. Er war später dabei, gehörte aber nicht zum eigentlichen Rüspe-Kreis. So kamen wir nach dem zweiten Jahr 1967, als die Dinge sich schon auf der Straße abspielten, im Studienhaus Rüspe zusammen. Diese Anthroposophen hatten zwar kein Projekt in der Tasche, aber es war doch klar, dass sich da etwas bewegte. An dieser Stelle waren zum ersten Mal der Peter und ich nicht allein, sondern in der Bewegung der anthroposophischen Szenerie drin. Das wurde initiiert durch Leute, die mit dem Dreigliederungsimpuls verbunden waren als Funktionäre in der Gesellschaft. Das war etwas Neues.Bis zum Frühjahr 1968 hatten wir noch nicht als direkt Beteiligte an diesen deutschen Szenerien mitgewirkt oder mit Eigeninitiativen agiert, sondern waren mehr an der Peripherie der Dinge wahrnehmend tätig gewesen. Der Punkt war noch nicht gekommen, an dem wir aufgerufen waren, als Teil der Bewegung tätig zu werden.Es war für uns natürlich interessant und wichtig, dass in der anthroposophischen Bewegung einige waren, die ihr Augenmerk überhaupt auf das Zeitgeschehen richteten. Der Peter und ich, wir waren gewissermaßen an der Front. Die anderen waren als Repräsentanten der Anthroposophischen Gesellschaft nur wahrnehmend und beobachtend von außen tätig. Sie ließen sich immer “Frontberichte” von uns geben, damit sie urteilen konnten, wie sie zu dem stehen sollten, was da geschah.Aber es war gut für uns, dass wir mit anthroposophischen Menschen, die sich herausgefordert fühlten, Gesprächszusammenhänge hatten. Das war jetzt eine Sache, wo man nicht beiseite stehen konnte. Aber man wusste noch nicht, was man da wirklich machen konnte. Die Tatsache, dass es das gab, war eine sehr wichtige Entwicklung. Es bedeutet den Einstieg in diese Angelegenheit, dass wir uns in diese Bewegung mit einem neuen Ideenzusammenhang eingemischt hatten.Lazarus21: Aber diese Bewegung scheiterte letztlich.Wilfried Heidt: Dass diese Bewegung scheitern musste, ist eigentlich schon in einem Satz von Marcuse in dem Buch “Der eindimensionale Mensch” ausgesprochen. Er sagte: “Die kritische Theorie hat keine Ideen, die in der Lage wären, die Brücke zwischen dem Gegenwärtigen und seiner Zukunft zu schlagen.” Das war natürlich auch unsere Wahrnehmung. Die Bewegung war in dieser Hinsicht perspektivlos, ideenlos, weil sie von ihren theoretischen Grundlagen her auf der Grundlage des Marxismus stand. Das heißt, sie hatte sogar abgelehnt, sich Gedanken über die Zukunft zu machen, geschweige denn aus einem erkenntnistheoretischen Ansatz heraus arbeiten zu können, wie er sich aus der Geisteswissenschaft ergibt. Das Gewahrwerden der Idee in der Wirklichkeit ist die wahre Kommunion des Menschen, um die es eigentlich geht. Wenn eine Bewegung keine Idee hat, die für diese Zeitsituation die gemäße ist, um sich mit dieser Idee zu vermitteln, und zwar allgemeinmenschlich, wenn das fehlt, dann kann die Sache nicht funktionieren. Denn nur eine kleine Minderheit wird bewegt durch das, was durch die Zeit geht. Die große Mehrheit der Menschen muss über das Bewusstsein angesprochen und gewonnen werden für den Schritt der Alternative, um die es letztlich geht. Das fehlte in dieser Bewegung. Es kam überhaupt zum ersten Mal ins Spiel, als wir begannen einzugreifen. Vorher gab es keine Perspektive. Rudi Dutschke und die anderen sprachen immer nur von Strategien, nicht von Ideen.Die einzige Idee, die auftauchte, war eben der Ideenzusammenhang des Prager Frühlings. Das Neue dieser Idee des Prager Frühlings war die Trias “Freiheit, Demokratie, Sozialismus”. Das war die Idee. Das war das historisch Spektakuläre, das weiß heute noch niemand. Deswegen werden wir es in diesem Jahr publik machen. Historisch zum ersten Mal trat diese Triasformel “Freiheit, Demokratie, Sozialismus” bei Rudolf Steiner am 9. August 1919 in seinem Vortrag in Dornach in einer entsprechenden Passage auf, die diesen Ideenzusammenhang als den konstitutiven für die Dreigliederungsidee darstellt. Da taucht die Formel zum ersten Mal historisch auf und ist in der Zwischenzeit nicht wieder aufgetreten. Sie war vorher nicht da und nachher auch nicht. Sie erscheint aber explizit wortidentisch im Zusammenhang mit dem Prager Frühling wieder, bei den Philosophen, bei den Nationalökonomen u.s.w. Das ist die Ideengrundlage des Prager Frühlings. Natürlich hat von denen keiner gewusst, dass es da einen Vorlauf gegeben hatte. Die Idee fehlte in dieser Situation. Die Sache musste scheitern, aber das wusste man vorher nicht. Deshalb haben wir unsere Versuche gemacht.Lazarus21: Rudolf Steiner wies ja 1919 auf die Notwendigkeit hin, dass im Geistesleben Freiheit, im Rechtsleben Demokratie und im Wirtschaftsleben Sozialismus zum Zuge kommen müssten. Weil die Gesamtzusammenhänge auch von Anthroposophen und Agitatoren für die Dreigliederungsidee 1919 nicht zu ändern waren, versuchte er ja wenigstens, wo möglich für die Freiheit im Geistesleben einzutreten mit entsprechenden Gründungen. In der Tschechoslowakei kam dieser Ruf also nach 49 Jahren quasi von außen zurück... Als die Sache 1968 durch Prag virulent wurde, welche Rolle spielten die Anthroposophen dabei?Wilfried Heidt: Wir brachten die Dinge ins Spiel, das ist Fakt, auch wenn die Massenmedien heute nicht darüber sprechen. Allerdings hatten der “Spiegel”, die Süddeutsche Zeitung und “Pardon” 1970/71 damals darüber berichtet. Gut.Also, das ist der Nervus rerum in der ganzen Geschichte. Erstens: Es war die Idee nicht da. Zweitens: Es gab keine Bewegung. Wo war die anthroposophische Bewegung 1968? Sie war nicht vorhanden. Es gab zwei Menschen in der Bewegung, die als Anthroposophen damals arbeiteten. Das waren Peter Schilinski und ich. Wir beide waren die einzigen Anthroposophen, die in der Situation mit den anthroposophischen, mit den geisteswissenschaftlichen Grundlagen und dem Dreigliederungsimpuls und der entsprechenden Idee gewirkt haben.Wir haben konkret mit Projekten und Initiativen gearbeitet. Der konkrete Einstieg in die Sache in diesem Moment war folgender. Wir waren schon beteiligt an der Debatte über eine Hochschulreform. Wir hatten ein neues Universitätsgesetz ausgearbeitet. Peter hat über die Idee der freien Schule und der freien Universität sich seine Gedanken gemacht. Ich hatte in einer Arbeitsgruppe für die Schweiz und für Deutschland die neuen Universitätsgesetze zu entwikkeln. Wir hatten im Schweizer Jura eine Klausurtagung unter Beteiligung von Peter Schilinski arrangiert, weil wir unser Konzept für das Universitätsgesetz, das wir in die Debatte bringen wollten, noch einmal durchgehen wollten. Das ist auch publiziert worden. Wir kamen am Abend nach Basel zurück und uns schlenderten zwei deutsche Chemieingenieure entgegen. Sie fragten, was wir hier machen und wir erzählten, was wir gerade initiierten. Sie fanden das interessant und sagten, dass sie mit einer Initiative in Lörrach in Verbindung seien.Lazarus21: Damit meinten sie den Republikanischen Club?Wilfried Heidt: Ja. Sie sagten nämlich, dass es in Lörrach eine Gruppe gebe, die sich dort am Abend treffen wolle, um die Gründung eines Republikanischen Clubs vorzubereiten. Wir hatten von der Sache etwas Ahnung von Berlin her, wo Peter häufiger war und wo die Bewegung der Republikanischen Clubs als Organisationsform entstanden war.Ich hatte noch vor diesem Zeitpunkt Kontakt zum Prager Frühling bekommen. Ich war nämlich mit Peter, Ulle Weber und einem Freund nach Prag gefahren, um mich an Ort und Stelle kundig zu machen.Das wiederum hatte eine Vorgeschichte. Mein Chef, der Buchhändler in Basel, war ein Kommunist. Er war ständig mit der DDR in Kontakt schon wegen der Bücher. Er war eines Tages zu mir gekommen und sagte: “Da ist am Abend in Zürich eine Veranstaltung. Da kommt der Professor Kosik.” Das war der Kosi’k, den ich bei Professor Künzli kennen gelernt hatte. Karel Kosik hielt also auf Einladung der Kommunisten einen Vortrag mit dem Titel “Die integrale Demokratie des Prager Frühlings”. Das fand ich interessant. Mein Chef meinte, es sei das Beste, wenn ich einmal hinfahre und mir das anhöre. Ich habe mich also ins Auto gesetzt, um an dieser Veranstaltung mit Karel Kosik, Philosophie-Professor an der Universität Prag, teilzunehmen.Lazarus21: Das war 1968?Wilfried Heidt: Ja. Peter und ich hatten vorher im Februar am Vietnamkongress in Berlin teilgenommen. Das war mit einigen Tausend Teilnehmern meine erste Großveranstaltung. Da waren wir aber noch gar nicht in der Sache präsent. Zwischen Februar und Mai war dann diese Veranstaltung in Zürich. Ich war also da. Kosik hatte den Vortrag beendet und lud zur Diskussion ein. Ich meldete mich und sagte, dass es da noch Anschlussgedanken geben müsste. Das waren Gedanken, die ich aus der Dreigliederung kannte mit den Ideen institutionalisiert gedacht bezogen auf das freie Hochschulwesen, den kulturellen Sektor und das Gebiet der direkten Demokratie. Peter Schilinski hatte schon in den 50-er Jahren gewissermaßen als Urvater den Gedanken der direkten Demokratie auf die Tagesordnung gesetzt.Er war der erste, der in Bezug auf den Demokratiebegriff der Kernpunkte dies als die Idee der direkten Demokratie in der Rudimentärform des Volksentscheides auffasste. Das war noch nicht die dreistufige Volksgesetzgebung, wie wir das später entwickelten. Aber er hatte erkannt, dass die Sache nur so gedacht werden kann, wenn man es vom Grundsätzlichen her denkt, wie das Rudolf Steiner offenbar vor Augen hatte. Da war Peter der erste.Lazarus21: Peter propagierte den Volksentscheid ja öffentlich bei vielen politischen Anlässen.Wilfried Heidt: Das stimmt. Diese Gedanken griff ich in der Diskussion mit Karel Kosic auf.Er hörte sich das alles an, blinzelte mit den Augen, sodass man merkte, dass er daran interessiert war und sagte mir am Ende der Veranstaltung: “Was Sie da gesagt haben, ist hochinteressant. Es istKarel Kosik (1926 – 2003), tschechischer marxistischer Philosoph und Literaturtheoretiker. Als er mit achtzehn Jahren als Mitglied der Widerstandsgruppe «Pedvoj» in dem Gestapo-Gefängnis Kleine Festung Theresienstadt vis-à-vis dem Ghetto inhaftiert war, gehörte es zu seinen täglichen Pflichten, am Morgen die Leichen der in der Nacht Verstorbenen aus der Zelle zu schaffen. Die Hinrichtung der Freunde am 2. Mai 1945 wurde für ihn zur Verpflichtung, in ihrem Geiste für eine bessere Welt, das hiess: die sozialistische, zu kämpfen.– 1968 berief man ihn zum Professor an der philosophischen Fakultät in Prag. 1968 bis 1969 war er Mitglied des Zentralkomitees der KSC, 1970 aus der Partei ausgeschlossen. Bis 1989 durfte er nur als Privatdozent tätig sein, seine Veröffentlichungen durften nur im Ausland publiziert werden. 1990 kehrte er an die Universität zurück und hielt bis 1992 Vorlesungen. –Nach Wikipediatatsächlich so. Wir waren auf diese weiterführenden Aspekte unseres Ideenkontextes des Prager Frühling noch nicht gestoßen. Aber das, was Sie sagten, passt.” Und er lud mich nach Prag in die Akademie der Wissenschaften ein, damit ich mit seinen Freunden und ihm über diese Dinge sprechen könne. Daraus wurde unser Besuch im Mai 1968. Der Peter, die Ulle Weber, ein spanischer Freund aus meinen Buchhandelsbekanntschaften und ich fuhren über die DDR nach Prag. Die mir bekannten Genossen in der DDR waren natürlich nicht so erfreut, dass ich gewissermaßen zum “Prager Frühling” fahren wollte. Ich versprach, ihnen später über die Prager Erfahrungen zu berichten.Wir waren dann 14 Tage in Prag und haben da hochinteressante Gespräche mit wichtigen Leuten geführt. Wir verschafften uns da Einblick in die Dinge und knüpften Kontakte, die wir später nutzen konnten bei den Jahreskongressen Dritter Weg.Das alles hatte stattgefunden, bevor wir diese jungen Männer in Basel trafen, die von diesem Treffen der Initiativgruppe für den Republikanischen Club in Lörrach berichteten. Peter und ich fuhren dorthin. Da trafen sich 30 oder 40 Leute in dem Nebenzimmer einer Gaststätte. Wir erzählten, womit wir uns beschäftigten. Die Menschen dort waren hocherfreut, dass da Leute kamen, die in der Bewegung schon Fuß gefasst hatten und wussten, worum es eigentlich geht. So wurden wir eingeladen, da mitzumachen.Lazarus21: Aber Peter Schilinski lebte doch auf Sylt!Wilfried Heidt: Richtig, der Peter musste ja wieder nach Hamburg, ich aber blieb vor Ort und konnte den ganzen Prozess mitmachen. Innerhalb von 3 oder 4 Wochen waren wir mit dieser dortigen Gruppe unterschiedlichster Couleur am Arbeiten. Es waren verschiedenste Organisationen, vor allem Linke, dabei. Nach kurzer Zeit wurde klar, dass dem Republikanischen Club vor allem die Ideen des Prager Frühlings, die ich gerade vorher kennen gelernt hatte, eine ideelle Grundlage geben konnten. Die Trias in der 68-er Bewegung “Freiheit, Demokratie, Sozialismus”, aus der sich Konsequenzen ergaben, kam zum ersten Mal im Statut des Republikanischen Clubs in Lörrach zum Tragen. Die Versammlung wählte mich gleich zum Vorsitzenden. Jetzt brauchten wir auch eine eigene Lokalität. Bei mir begannen jetzt erste Überlegungen, eine Institution zu konzipieren, die geeignet wäre für das, was wir vorhatten.Ich hatte den Pragern gesagt: “Ihr spielt ein hochriskantes Spiel, weil ihr euch international in den Ländern rundum nicht versichert habt. Wo sind eure Bündnispartner? Was ihr hier macht, das ist die Revolution, nicht nur in Richtung Sowjetunion, sondern auch in Richtung Westen. Denn ihr habt die Alternative zu beiden. Das ist ein Dritter Weg. Ihr müsst euch klar sein: Ihr packt den Stier bei beiden Hörnern!”Lazarus21: Der Widerstand kam aber vor allem aus dem linken Lager.Wilfried Heidt: Die Tatsache, dass eine ganze Weltmacht, der Warschauer Pakt, in Erscheinung treten musste, um der Sache den Garaus zu machen, zeigt doch, dass gegen diese Idee nur das noch eine Chance hatte.Lazarus21: Das ist aber nur die eine Seite.Wilfried Heidt: Der Westen hatte überhaupt keine Chance, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Wenn die in Prag mit ihrem Projekt durchgekommen wären, dann hätte das natürlich die Perspektive für die ganzen Entwicklungen dieser Bewegungen bedeutet. Für die wäre dann die Ideenperspektive real da gewesen. Es ging dabei nicht um Sozialdemokratie, sondern um Freiheit, Demokratie und Sozialismus. Das war die Idee. Rudolf Steiner hat seine Triasformel in Auseinandersetzung mit dem Begriff Sozialdemokratie historisch zum ersten Mal auf die Tagesordnung gesetzt. Es war von vornherein klar, dass die Sache nicht gelingen konnte, wenn nicht Bündnispartner da waren, die im Fall des Falles den Widerstand hätten verhindern oder aufheben können. Dazu hätten sie in Polen, in Bulgarien, in Ungarn allesPrager Frühling“Sozialismus ja – Okkupation nein” – so heißt es auf einem bekannten Plakat aus den Tagen der Intervention in Prag.“Mit dem Begriff des Prager Frühlings verbinden sich zwei gegensätzliche Vorgänge: einerseits der Versuch, einen ‘Sozialismus mit menschlichem Antlitz’ zu schaffen, andererseits aber auch die gewaltsame Niederschlagung dieses Versuchs durch am 21. August 1968 einmarschierender Truppen des Warschauer Pakts. Die Bezeichnung ‘Prager Frühling’ leitet sich vom gleichnamigen Musikfestival ab.” So beschreibt die Freie Enzyklopädie Wikipedia jenes Ereignis.Zu Jahresbeginn 1968 entluden sich die jahrelangen Spannungen zwischen dem konservativen und dem reformerischen Flügel der KPC. Auf dem so genannten Januartreffen des ZK der KPC am 4. Januar 1968 wurde Novotny als 1. Sekretär der KPC von dem 1. Sekretär der Kommunistischen Partei der Slowakei Alexander Dubcek (1921-1992) abgelöst und behielt lediglich das machtpolitisch wenig bedeutende Amt des Präsidenten der Republik für einige Zeit. Der Führungswechsel markierte – nach einigen Wochen Unklarheit über die neue Richtung – den Auftakt zu dem Reformkurs der tschechoslowakischen Regierungspartei, der in Verbindung mit dem Druck der kritisch gewordenen Öffentlichkeit zum Phänomen “Prager Frühling” führte.Noch im Februar 1968 hatte Dubcek die Pressezensur aufgehoben. In den Medien des Landes fand daraufhin eine “wahre Informationsexplosion” statt. Dementsprechend wurde das Aktionsprogramm in der Öffentlichkeit wenig begeistert, sondern vielmehr als selbstverständlich aufgenommen, die Meinungsführerschaft hatte inzwischen von der Partei zum Volk gewechselt. – Ein Zeugnis dieser Emanzipation der Öffentlichkeit bildete das von Intellektuellen verschiedener Couleur unterzeichnete Manifest der 2000 Worte des Schriftstellers Ludvik Vaculik vom Juni 1968. Am 21.August 1968 marschierten Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes.Aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings verbrannte der Student Jan Palach am 19. Januar 1969 sich selbst auf dem Wenzelsplatz. A.a.O.wahrnehmen müssen, wo Bündnisse in Frage gekommen wären. Sie haben uns in Prag dann gesagt, dass eine solche Niederwerfung des Prager Frühlings nicht drohe, weil sie ja nur für sich die Transformation erreichen wollten.Lazarus21: Das war zu naiv.Wilfried Heidt: Sie wollten ja niemand den Rat geben, das nachzuahmen. Sie wollten das nur für sich. Völlig naiv. Das war doch gerade die Entscheidung nach 1945 gewesen. So entstand damals die These, dass keine Alternative vorhanden sei. Vor allem vom Westen wurde doch gesagt, dass es keine Alternative zur Sozialen Marktwirtschaft gebe. Aber nun war die Alternative aufgetreten und hatte den Schleier heruntergezogen.Lazarus21: Es waren im Grunde keine Politiker in Prag, sondern Philosophen.Wilfried Heidt: Sie haben die Kraft und die Bedeutung einer Idee, auf die sie gestoßen waren, die Synthese anzustreben von Freiheit und Sozialismus durch Demokratie vermittelt, nicht in ihrer welthistorischen Bedeutung durchschaut. Ohne Anthroposoph zu sein, ohne die Geisteswissenschaft zu kennen, kann man auch nicht wissen, welche Bedeutung eine Idee, wenn sie richtig ist, hat, um eine entsprechende Transformation zustande zu bringen. Da die ganze Geschichte in der Tschechoslowakei von oben, von der Regierung ausging, war der Erfolg der Sache garantiert, wenn man sie nicht von außen militärisch niederwalzen würde.– Jetzt bin ich wieder bei uns in Lörrach. Als wir dann mit unserem Republikanischen Club unterwegs waren auf unserer Suche nach einem Lokal, kamen im Hochsommer 1968 die Nachrichten aus der Tschechoslowakei. Es kam zum Einmarsch in Prag und zur Besetzung des Landes. Es gab viele Proteste und Demonstrationen in Deutschland gegen dieses Vorgehen. Wir reagierten in Lörrach auch. Dass Lörrach die Stadt war, in der zum ersten Mal in der Geschichte eine deutsche demokratische Republik auf dem Rathausplatz ausgerufen wurde, wusste ich in diesem Moment noch nicht.Als der Einmarsch der Truppen in Prag am 21. August 1968 erfolgte, trafen wir uns sofort im Republikanischen Club. Wir wollten unsere Position, die ja von der genannten geistigen Grundlage ausging, gegenüber der Öffentlichkeit deutlich machen. Wir kündigten deshalb eine Demonstration auf dem Marktplatz von Lörrach an. Es kamen 2.000 Menschen – mitten in der Provinz!Lazarus21: Die aktuellen Ereignisse hatten die Menschen auf die Beine gebracht.Wilfried Heidt: Die Menschen hatten das alles über Prag gehört, sie waren aufgewühlt und empört. Wir organisierten diese Demonstration und bauten eine Tribüne auf. Es oblag mir, die Dinge um den Regierungschef Dubcek zu erklären. Gleichzeitig musste ich darüber informieren, woran wir mit unserem Republikanischen Club arbeiteten. Von Stund an lief alles im D-Zug-Tempo. Wir bekamen 2 oder 3 Tage später unser Tagungslokal, ein wunderbares Objekt in einem Vorort von Lörrach. Es handelte sich um das Hinterhaus einer Gaststätte, die direkt an der Straße neben der Eisenbahnlinie lag. Innerhalb von wenigen Wochen richteten wir nach Renovierung und Ausbau alles für uns ein. Es war ein idealer Raum für Vorträge und Veranstaltungen. Leider gibt es darüber keine Dokumente und keine Photos mehr. Denn das ganze Objekt ist jetzt abgerissen worden. Schade!Aus dieser Entwicklung heraus mit der Gründung des Republikanischen Clubs und den Vortragsreihen, in denen es schon explizit um den Dritten Weg ging, wobei ich an meine DDR-Kontakte anknüpfen konnte, haben wir da unsere Arbeit aufgebaut. Die umfasste auch ein Hochschulprojekt, das wir auch jetzt wieder ins Spiel bringen können. In der zweiten Hälfte 1968 haben wir in Hamburg und auf Sylt zwei weitere Republikanische Clubs gegründet. Das war dann die Zeit nach dem Attentat an Rudi Dutschke. Als Dutschke ausfiel, gab es keinen, der diese Szene so integrieren konnte wie er. Damit diese Bewegung nicht in einzelne Bestandteile zerfällt, musste ein Versuch gemacht werden, aus dem antiautoritären Gestaltungsimpuls heraus die Sache zusammenzuhalten.Lazarus21: Und an dieser Stelle hast du auch einen Gestaltungsversuch unternommen?Wilfried Heidt: Richtig, das war dann unser Projekt. Es war ja nicht von vornherein klar, dass das auch scheitern würde. Es ging bei uns um das Projekt der Demokratischen Union (DU), worüber auch der “Spiegel” [14/1969 vom 31.03.1969: “DU wie Dubcek”] berichtete. Daswar zugleich ein Alternativkonzept zu dem, was aus der KPD, die dann zur DKP wurde, mit der Aktion “Demokratischer Fortschritt” hervorging. Peter und ich haben damals in Düsseldorf versucht, mit denen zusammen eine gemeinsame Initiative zu erstellen. Wir unterschieden uns schließlich an einem Punkt, dem der direkten Demokratie, der bei uns konstitutiv war, und an dem Gesichtspunkt eines freien Informationswesens. Das wollte sie nicht, denn die bekamen ihre Order ja von der anderen Seite im Osten. Sie konnten nur etwas mitmachen, was zugleich auch von der DDR abgesegnet worden war. Wir hatten immer gesagt, dass alles auch gesamtdeutsch gedacht werden müsse. Alles beziehe sich also nicht nur auf die Bundesrepublik, sondern auch auf die DDR. Deshalb spielten sie da nicht mit.Wir haben dann eine eigene Initiative lancieren müssen. Die hieß erst “Republikanische Union” und im Januar 69 schon “Demokratische Union” mit der Einladung zu einer Konferenz in Frankfurt, die dann am 27.1.69 stattfand und was ganzseitig in der “Frankfurter Rundschau” angekündigt wurde.Wir brachten damals 28 Gruppen zusammen, die gemeinsam diesen Kurs unterstützten. Die Aufmerksamkeit der großen Medien war aber so, dass wir mehr oder weniger am Rande blieben. Die Großdemos, spektakulären Ereignisse und großen Wortführer erhielten damals größere Aufmerksamkeit. Wir konnten also die Sache nicht zum großen Durchbruch bringen. Aber wir konnten doch wichtige Entscheidungen in Gang setzen.Lazarus21: War diese “Demokratische Union” eine richtige Partei?Wilfried Heidt: Das war eine Initiative, die von Peter und mir ausging. Der hatten sich dann diese 28 Gruppen angeschlossen. Aber wir wollten die “Demokratische Union” nicht als Partei, der Peter und ich. Wir wollten diese Initiative nicht “verschleißen”. Es haben aber dann doch, nicht die Demokratische Union selbst, aber doch Teile davon aus der Initiative heraus eine Partei gegründet. Es handelte sich hier um die “Demokraten 69”, wobei sich auch August Hausleiter mit der “Aktionsgemeinschaft unabhängiger Deutscher” (AUD) beteiligte. Aber das funktionierte dann nicht. Also, wir selbst verstanden die Initiative nicht als Partei, sondern als Bewegung.Lazarus21: Welche Rückwirkungen hatte das alles auf die Anthroposophen?Wifried Heidt: Aus dieser ganzen Anfangsentwicklung heraus entstand die neue Dreigliederungsbewegung. Das hatte es vorher nicht gegeben. Es entstanden damals 30 bis 35 Aktionsgruppen für Dreigliederung an allen möglichen Orten der Bundesrepublik.Man brauchte deshalb einen Ort, wo man ein Zentrum für diese Bewegung haben konnte. In Verständigung mit diesem Rüspe-Kreis konnte das nach einigen Zwischenschritten gefunden werden. Da hat man uns schließlich dies Angebot einer befreundeten Familie gemacht. Sie hatte zwar kein Geld und kein Objekt, aber sie besaß ein Gelände hier, das uns angeboten wurde. Wir hatten in unserer Gruppe in Lörrach einen begabten Architekten. Mit dem haben wir dann angefangen, unsere Pläne für ein Kulturzentrum hier zu entwickeln.Lazarus21: Hat dieser Architekt noch andere Sachen entworfen?Wilfried Heidt: Oh ja, zum Beispiel die Drogenheilstätte “Sieben Zwerge” hier in der Nähe. Vor Ort sahen wir, dass die Bebauung des vorgesehenen Geländes mit einer urwüchsigen Waldwiese außerhalb der Reichweite des Finanzierbaren lag. Wir haben dann vom Rüspe-Kreis mit den Bochumern bei der GLS-Bank verhandelt. Unsere Idee war eigentlich, eine freie Universität zu machen. Aber das wollten die nicht. Sie wollten was Anthroposophisches. Wir wollten was Nicht-Anthroposophisches, etwas Freies, gesellschaftlich Offenes. Als wir uns gerade von der Bebauung des geplanten Geländes verabschieden wollten, stellten wir fest, dass in Steinwurfnähe zu dieser urwüchsigen Wiese entfernt dies Objekt hier existierte und leer stand. Das gehörte quasi der Volksbank Wangen. Wir wollten es pachten. Das ging nicht, aber es stand zum Verkauf. Der Bankdirektor hörte sich unser Konzept, zu dem auch eine Waldorfschule gehörte, an. Er war plötzlich begeistert, weil eine Tante von ihm Waldorflehrerin war. Er machte uns Konditionen, die im Rahmen unserer Möglichkeiten mit dem kleinen Vermögen der Sylter Teestube lagen. So rechneten wir mit dem Erlös aus der Verpachtung des Sylter Unternehmens und mussten den Rest hier erwirtschaften.Lazarus21: Eure Sicherheiten waren die Einnahmen aus den Teestuben in Witthüs?Wilfried Heidt: Das war das einzig Sichere, sodass wir immerhin die Zinsen bezahlen konnten für den Bankkredit. Und so haben wir hier alles angepackt und dies Kulturzentrum in Achberg geschaffen.Lazarus21: Wart ihr später bei der Gründung der “Grünen” mit beteiligt?Wilfried Heidt: Nicht nur beteiligt. Zu den “Grünen” kam es aus den verschiedenen Konstellationen und Bewegungen der damaligen Zeit, beispielsweise aus der ökologischen Bewegung, der Frauenbewegung und der gesamtalternativen Bewegung als Zerfallsprodukt der APO (Außerparlamentarischer Opposition), heraus. Nachdem aus der ökologischen Richtung heraus die Leute angefangen hatten, Parteien zu gründen, die gegen einander konkurrierend, sich gegenseitig die Stimmen abjagten, stellte sich folgende Frage. Wie kommen wir jetzt in Bezug auf eine parteipolitische Initiative aus der ökologischen Bewegung zur Einheit? Die Vielfalt bestand, denn da gab es ein Dutzend Parteien 1976. Also haben wir hier einen Achberger Appell zur Wiederherstellung der Einheit der ökologischen Bewegung gemacht in Hinblick auf eine parteipolitische Fragestellung. Wir haben das Konzept von der Einheit in der Vielfalt entwickelt.Lazarus21: Wann war das?Wilfried Heidt: Das war 1976. Der Appell wurde gemacht, zirkulierte und kam in die Szene rein. Das gefiel nicht allen, weil es manchen, die ihre parteipolitischen Brötchen backen wollten, in die Quere kam. Da gab es dann bis 1977 hin einen internen Prozess, der öffentlich wenig bekannt wurde. Johannes Strasser war da für die SPD federführend. Aber insgesamt war die SPD nicht an einer Konkurrenz interessiert. Also fragten wir uns, was zu tun sei, damit die Einheit hergestellt und nicht als Konkurrenz gesehen werde. Eine komplizierte Geschichte! Wir haben das mit einander bearbeitet und mit einer ganz kleinen Gruppe das Management gemacht. Da waren nicht einmal ein Dutzend Leute an diesen Erörterungen beteiligt.Nachdem klar war, dass wir eine Perspektive mit unserem Konzept “Einheit in der Vielfalt” hatten, stellte sich die Frage, wie das umzusetzen wäre. Und da gab es eine Indiskretion. Irgendeiner, der diese Zirkulare in die Hand bekommen hatte, steckte das einem Journalisten der “Kölner Rundschau”. Der tauchte hier auf bei einer Konferenz, zu der wir eingeladen hatten. Er saß hier draußen in der Teestube des Humboldt-Hauses in Erwartung dessen, was passieren würde. Aber er hatte schon vorher einen Artikel veröffentlicht, in dem es völlig unzutreffend hieß, im Allgäustädtchen Achberg würden Rudi Dutschke und Co. eine neue Partei links von der SPD gründen. Das behauptete er, worauf die, welche zu dieser Szene gehörten, sofort mit mir in Verbindung traten und mich zur Rede stellten. Ich hatte ja aber nichts preisgegeben. Aber diejenigen sind dann aus dem Projekt ausgestiegen, die nicht innerhalb der SPD in Misskredit gebracht werden wollten als wären sie Gründer einer neuen Partei links von der SPD mit Dutschke und Co. Es konnte aber nicht mehr korrigiert werden und der Ursprungsansatz war damit kaputt. Wir mussten dann weiterkommen ohne diese linke Fraktion.Wir haben dann in Pforzheim, wo eigentlich nur Vertreter von ökologischen Organisationen und der August Hausleiter mit seiner AUD dabei waren, den Entschluss gefasst, die Sache mit einem sogenannten Deutschen Umwelttag weiter voranzubringen. Der Umwelttag war Hausleiters Idee. Wir haben die Einleitung zu diesem Umwelttag aber dann gemeinsam getextet.Auf diesem Umwelttag mit 500-600 Leuten waren also von Petra Kelly angefangen eigentlich alle Persönlichkeiten, die zu der Umweltszene gehörten, vertreten. Bei dieser Versammlung zog ohne vorherige Absprache August Hausleiter eine Sache aus der Tasche, welche die Bildung eines Kuratoriums beinhaltete. Dabei schlug er bestimmte Personen vor, die so etwas wie ein Kuratorium bilden sollten. Und ich war nicht mehr im Spiel, weil ich mit Hausleiter schon vorher manche Kontroverse ausgefochten hatte.Das wurde später korrigiert und mein “Rausschmiss” rückgängig gemacht. Ich war dann 1979 quasi zuständig für Baden-Württemberg und konnte die Dinge von hier aus ankurbeln. Aus einer Konferenz von gerade sechs Leuten heraus bildete sich der Impuls und führte praktisch zur Gründung der “Grünen”. “Sonstige politische Vereinigung” (SPV, die “Grünen”) hieß das am Anfang. Das war noch keine Partei, aber ein Vorspiel zu einer Partei. Das musste so gemacht werden, um dann schon an der Europawahl 1979 teilnehmen zu können. Es wurden dann Landesverbände in der folgenden Zeit gegründet. Ich habe den Baden-Württembergischen Landesverband mit begründet und eine ganze Zeit da auch mitgespielt.Lazarus21: Hans-Dietrich Erichsen, den Gründer des Albertus-Magnus-Hauses, kanntest du auch aus diesem Zusammenhang?Wilfried Heidt: Ja, Erichsen ist zu uns gekommen. Er hat sich dann in die Entwicklung der “Grünen” mit eingeschaltet und ist später auch im Landtag gelandet. Ich habe mich von den “Grünen” verabschiedet in dem Moment, als es um die Frage ging, wo man die Idee der direkten Demokratie positionieren sollte. Das ging aus von einer Kreisverbandskonferenz der “Grünen” hier in Wangen am 2. Januar 1983, wo es um die Frage ging, wo der dreistufige Volksgesetzgebung in der Programmatik der “Grünen” angesiedelt werden sollte.Wir meinten, das muss an der Spitze angesiedelt werden. Eine Partei neuen Typs muss sich quasi der Volkssouveränität unterordnen. Aber der entscheidende Parteitag brachte nicht die Mehrheit, dass man Volksgesetzgebung so positionieren konnte, wie es nötig gewesen wäre. Ich war damals in Verbindung mit der Friedensbewegung und Jo Leinen. Die Friedensbewegung hatte sich auf Anraten des Verfassungsrichters Simon auf die Volksbefragung festgelegt. Ich fand das falsch. Ich ging von1 Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.2 Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.Artikel 20,2 des Grundgesetzes und dem Abstimmungsrecht des Volkes aus, weil das Grundgesetz überhaupt keine Volksbefragung vorsieht. Wir waren schließlich der Meinung, dass es besser wäre, die Sache jetzt parteiunabhängig weiterzuführen. Wir haben die Zusammenarbeit mit den “Grünen” also beendet. Gegen die Jahreswende 1983/84 haben wir dann unsere eigene Kampagne für die dreistufige Volksgesetzgebung gestartet. Wir haben dann Petitionen verfasst und 2 Millionen Unterschriften gesammelt.Lazarus21: Und das waren dann ja auch wieder Konsequenzen, die sich aus der 68-er Bewegung ergeben hatten... Wilfried, ich danke dir recht herzlich für dies ausführliche Gespräch.Wofür steht das “Medianum”?Neben den bekannten Webseiten http://www.kulturzentrum-achberg.de, http://www.medianum.org u.w. gibt es seit kurzem “new trinity & unity – Die Website von Wilfried Heidt”: http://www.wilfried-heidt.deAuf dieser sehr schön gestalteten Seite erfährt man auch, was es mit dem durchlichteten Baukörper auf sich hat, dessen Modell man im Humboldt-Haus anschauen kann (s. nebenstehendes Foto):“Ein Baukörper, wie es ihn bisher in der Menschheit noch nicht gegeben hat: Auf einem horizontalen Zentralbau mit seinen drei Flügeln erhebt sich, von Säulen getragen, nach oben ein Ensemble, aus vier sich durchdringenden Kuppeln gebildet.Die aus dem Licht hervortretende Flamme will jene geistige Kraft aufrufen, mit deren hymnischer Feier Alighieri Dante den einhundertsten und letzten Gesang seiner »Divina Commedia«, in welcher er den Leser in grandiosen Bildern von der Hölle, durch das Fegefeuer zum Paradies führt, beendet: l’amore ehe muove il sole e l’altre stelle.Von Liebe getragenes Wollen als Frucht aus dem Licht klaren Erkennens des Notwendigen: Diese Imagination ist der Gedanke, der das Gewölbe meiner über vierzigjährigen geisteswissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiet der sozialen Frage zusammenschließt. Er bringt, in baukünstlerische Formen transponiert, jene systemischen Gesetze zur Sprache, welche aufgrund des erreichten Standes der gesellschaftlichen Entwicklung in der Epoche der Globalisierung den Konstitutionen unserer Staaten zugrunde gelegt werden müssten, wenn wir dynamische und zugleich harmonische, friedliche Verhältnisse auf der Erde erreichen und nachhaltig sichern wollen; Verhältnisse, wie sie am Beginn der Neuzeit in der Französischen Revolution mit dem Ideal von liberté, egalité und fraternité als Perspektive einer menschenwürdigen Zukunftsvision vorgestellt worden sind. Dieses trinitarische Ideal ist – recht verstanden – nicht veraltet, sondern modern und zukunftsweisend wie eh und je.Trinity & unity sind die Chiffren für diese Perspektive. Der Bau will als Medianum die weltweit erscheinende Metapher einer Bewegung werden, die sich als die eines Dritten Weges, einer Alternative zu Kapitalismus und Kommunismus mit all den Menschen bilden möge, die sich für die Verwirklichung dieses Zieles engagieren wollen.”
3 opmerkingen:
Hier der richtige Link:
http://www.stiftung-media.de/zum-tod-von-wilfried-heidt_de.html
Viele Grüße,
Jochen Abeling
das war spannend michel, dass du das lazarus interview ausgegraen hast, da kommt der mensch doch richtig lebhaft rüber
Liebe Barbara,
Ja, das gibt einen ganz andere Heidt. Mit einer eindrucksvolle Geschichte.
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