Bedoeld is: antroposofie in de media. Maar ook: in de persbak van de wijngaard, met voeten getreden. Want antroposofie verwacht uitgewrongen te worden om tot haar werkelijke vrucht door te dringen. Deze weblog proeft de in de media verschijnende antroposofie op haar, veelal heerlijke, smaak, maar laat problemen en controverses niet onbesproken.

zaterdag 28 juli 2012

Spiritus Mundi


We pikken vandaag de draad op, die we op 25 juni na afloop van ‘Kromgetrokken’ hadden losgelaten. Als laatste behandelden we ‘Wissenschaft und Esoterik XV – Der Irrtum der Geschichte – »Aberglaube«’, waarin Lorenzo Ravagli het recente boek ‘Esotericism and the Academy: Rejected Knowledge in Western Culture’ van Wouter Hanegraaff begrijpelijk navertelt en samenvat. Esoterie zogezegd ‘in academia’ – wetenschappelijk verantwoord. In veel delen weliswaar. Zodat we nu om te beginnen toe zijn aan ‘Wissenschaft und Esoterik XVI – Der Irrtum der Geschichte – »Magie«’ van 3 juli:
‘2. Verdorbene Begriffe: Magie

Von der Magie gibt es laut einer Feststellung von Marco Pasi fast so viele Definitionen, wie Autoren, die über sie geschrieben haben. Aber die meisten dieser Definitionen gehen auf drei einflussreiche Versuche zurück.

1. Intellektualistische Definitionen orientieren sich an Tylor, der Magie als einen Irrtum verstand, der ideelle Analogien mit realen gleichsetze (der Primitive glaube, was in seinem Denken verknüpft sei, müsse auch in der Tatsachenwelt verknüpft sein). Frazer vereinfachte diese Erklärung in einer evolutionistischen Triade: die Menschheit hat sich von der Magie über die Religion zur Wissenschaft hin bewegt. Frazer verstand unter Magie »sympathetische« Magie: Dinge wirken aufeinander aufgrund einer geheimen Verwandtschaft. Beide Definitionen gingen von der Wissenschaft aus, nicht von der Religion. Die Magie setze, so die Annahme, imaginäre Analogien, Korrespondenzen und unsichtbare Kräfte voraus, im Gegensatz zu den Kausalmechanismen des Positivismus.

2. Funktionalistische Definitionen gehen auf Mauss und Durkheim zurück und konzentrieren sich auf Rituale. Für Mauss waren alle Riten magisch, die nicht Bestandteil eines organisierten Kultes sind und für Durkheim war Religion immer Gruppenüberzeugung, während es keine »Kirche der Magie« geben könne. Diese Definitionen gehen von der Religion aus, denn die Handlungen eines Magiers sind für Durkkeim inhärent antireligiös, während Mauss sie als das »Andere« der organisierten Religion definiert.

3. Eine bewusstseinstheoretische Definition geht auf Lévy-Bruhl zurück. Ihr liegt die Unterscheidung zwischen einem Weltbild zugrunde, das Kausalität akzeptiert und einem anderen, das auf der Vorstellung der Partizipation beruht. Anfangs glaubte Lévy-Bruhl, Partizipation sei typisch für primitive Gesellschaften, erkannte aber später, dass sie für alle Gesellschaften konstitutiv ist, auch für moderne. Die (undifferenzierte) Vorstellung hat sich durchgesetzt, Lévy-Bruhl habe Magie und Partizipation als Synonyme betrachtet, was dazu führte, dass viele Autoren behaupteten, die Magie beruhe »auf einer anderen Art von Rationalität«. Auch diese Definition geht von der Wissenschaft aus, als deren Gegenteil sie die Magie beschreibt.

Diese drei Definitionen wurden auf alle möglichen Arten kombiniert, aber in der Regel wurde die zugrunde liegende Trias Magie – Religion – Wissenschaft immer akzeptiert. Doch diese Dreiteilung ist nach Hanegraaff höchst fragwürdig. Die Magie ist als externer Begriff für die wissenschaftliche Beschreibung eines komplexen Bündels höchst unterschiedlicher Erscheinungen unbrauchbar und verschwindet daher auch zunehmend aus der Diskussion. Das neue Misstrauen gegenüber dem Begriff der Magie hat mit dem gewachsenen Misstrauen gegen die großen Fortschrittserzählungen der Moderne zu tun. Man benötigt nicht den Poststrukturalismus, um zu erkennen, dass die meisten Begriffe der Religionsgeschichte durch »normative modernistische Ideologien und implizite Herrschaftsansprüche des Westens« geprägt sind, die in missionarischen und kolonialistischen Mentalitäten wurzeln. Schulbeispiel dafür ist das Nachdenken der Wissenschaftler über die Magie, weil es traditionellen Stereotypen über die Greuel des Heidentums zu akademischen Weihen verholfen hat und als Legitimation dafür diente, nicht-europäische Völker vom Aberglauben zum Christentum, zur Aufklärung und zur Wissenschaft zu bekehren.

Randall Styers hat ebendies in einer bahnbrechenden Untersuchung, gestützt auf eine Fülle von Beweismaterial, gezeigt (»Making Magic«, Oxford 2004). Die Erhebung der Magie zu einer universellen Kategorie, die im Gegensatz zu Religion und Wissenschaft steht, diente dazu, das Projekt der Moderne auszubauen und ihre Weltsicht dem westlichen und nicht-westlichen Publikum zu verkaufen. Hanegraaff bringt sein Erstaunen darüber zum Ausdruck, dass trotz der überwältigenden Beweise für das Gegenteil immer noch jemand an die Existenz eines essentialistisch verstandenen Phänomens der Magie im Unterschied zu Religion und Wissenschaft glaubt. Wenn man einmal einsehe, dass die Magie, von der man glaubt, sie existiere »draußen in der Welt«, nur vorhanden sei, weil man sich entschieden habe, die betreffenden Erscheinungen so zu nennen, dann werde der magische Zirkel durchbrochen. (Ironischerweise wirft Hanegraaff den Gelehrten, die den Begriff der Magie geprägt haben, genau das vor, von dem sie behaupteten, es sei für die Primitiven charakteristisch: den irrigen Glauben, etwas, was im Denken zusammenhänge, hänge auch in der wirklichen Welt zusammen).

Der Begriff der Magie kann demnach schwerlich als Werkzeug für die Erforschung der Phänomene dienen, die er zusammenfassen soll, vielmehr ist er selbst der Untersuchung bedürftig. Er sollte als allgemeine Kategorie nicht mehr verwendet werden. Wir sollten heute nicht mehr versuchen, eine die Geschichte der Magie zu schreiben, sondern eine Geschichte des Selbstverständnisses der Magier und ihrer unterschiedlichen Praktiken im Lauf der Epochen.

Hanegraaff geht auch hier zunächst auf die Wortgeschichte ein. Das griechische Wortfeld (magos, mageia, magikos) stammt aus dem persischen »magu-« , dessen genaue Bedeutung unklar ist. Es scheint einen Träger bestimmter religiöser Aufgaben bezeichnet zu haben. Die Griechen übernahmen es im sechsten Jahrhundert v.Chr. Bei diesen scheint es bald jene negativen Konnotationen angenommen zu haben, die bis dahin mit dem Wort »goes« verbunden waren. Die persische Herkunft des Wortes gewann in der Renaissance an Bedeutung, als manche Autoren versuchten, von Zoroaster eine positiv verstandene Form der Magie herzuleiten, die sich von ihrem dämonischen Gegenstück, der »goetia« unterscheiden sollte. In Griechenland und Rom war das Verständnis von Magie jedenfalls von negativen Konnotationen beherrscht: von den düsteren, bedrohlichen, dämonengetriebenen Praktiken, die man den jeweiligen »Anderen« zuschrieb. Die Magie bildete nicht den Gegensatz zu Religion überhaupt, sondern nur zur normativen religiösen Praxis, so dass sie bald von »superstitio« und »deisidaimonia«, dem Götzendienst und der Unterwerfung unter böse Dämonen nicht mehr unterscheidbar war, besonders im christlichen Mittelalter.

Im 13. Jahrhundert jedoch begann sich die »magia naturalis« von der »dämonischen« Magie abzuheben. Grund war die beginnende Auseinandersetzung mit der reichhaltigen griechischen und arabischen Literatur, die im Orient überlebt hatte, ins maurische Spanien gewandert war und nunmehr in lateinischen Übersetzungen zugänglich wurde. Zu dieser Literatur gehörten viele naturwissenschaftliche Texte, die astrologische und alchemistische Themen behandelten.

Schon 1955 machte der große Historiker Lynn Thorndike darauf aufmerksam, dass moderne Autoren – fehlgeleitet durch ein falsches Bild von Astrologie als Pseudowissenschaft –, blind waren für die Tatsache, dass die Astrologie auf dem Konzept universell gültiger, unveränderlicher Naturgesetze beruhte. Die Antike hatte den Versuch unternommen, gewisse Aspekte der babylonischen Himmelsschau mit der aristotelischen Physik und der hellenistischen Astronomie zu synthetisieren, was zum Modell eines durch Kausalität bestimmten Kosmos führte, in dem die Gestirne alle Veränderungen in der sublunaren Welt verursachten. Die alte griechische Astrologie war nach dem führenden Kenner dieses Gebiets, David Pingree, die »umfassendste wissenschaftliche Theorie der Antike«, die mit Hilfe von mathematischen Modellen Voraussagen über alle Veränderungen in der sublunaren Welt erlaubte.

Als Kunst der Weissagung wurde die Astrologie mit ihrem beseelten und belebten Kosmos in der römischen Antike der »superstitio« und »magia« zugeordnet. Patristische Autoren polemisierten gegen sie, weil sie den Fatalismus lehre und den freien Willen außer Kraft setze. Aber schon von Tertullian wurde sie als eine Form der Magie dem Götzendienst zugeordnet, der von den gefallenen Engeln erfunden worden sei. Mit dem Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion begann die Astrologie allgemein als Aberglaube und götzendienerische Magie betrachtet zu werden. Das war der Stand der Dinge, als die mittelalterlichen Gelehrten sich mit diesem verdächtigen Gegenstand zu beschäftigen begannen. Irgendwie mussten sie ihr Interesse rechtfertigen. Glücklicherweise hatte Isidor von Sevilla in Ausführungen über Astronomie zwischen einer »abergläubischen« und einer »natürlichen« Form der Astrologie unterschieden. Von hier war es nicht mehr weit bis zur Einführung einer analogen Unterscheidung in der Magie. Die »magia naturalis« war geboren, nicht als ein Versuch, diese als wissenschaftlich zu deklarieren, sondern um sich vor der theologischen Zensur zu schützen. Wilhelm von Auvergne gehörte im 13. Jahrhundert zu den ersten, die diesen Begriff benutzten. Er verteidigte einen Teil der Magie als legitime Form von Naturstudien, während er gleichzeitig betonte, die heidnische Götzenverehrung, der andere Teil, müsse mit Feuer und Schwert ausgerottet werden. Wilhelm holte auch eine Sentenz des Augustinus aus der Vergessenheit, in der dieser die alten Ägypter verurteilte, weil sie Statuen geschaffen und Seelen himmlischer Wesen in sie hineinbeschworen hatten. Diese Geschichte wird im »Asklepios«, einem Traktat der Hermetischen Schriften erzählt. Bis in die Renaissance spielte diese Schilderung des »Asklepios« in Diskussionen über Astralmagie und die Verwendung astrologischer Symbole oder Talismane eine zentrale Rolle. Wenn Talismane dafür benutzt wurden, Astralmächte und ihre Kräfte auf die Erde herabzuziehen, konnte dies als Götzendienst interpretiert werden. Bezog der Talisman seine Macht aber lediglich aus den natürlichen Kräften der Gestirne, dann war dies eine akzeptable Form der »natürlichen« Magie. Die erlaubte Magie hing von einer naturalistischen Kausalkette ab, die unerlaubte von Zeichen, die mit kosmischen Geistwesen verbunden waren. Die Praktiker der »natürlichen« Magie mussten sicherstellen, dass das, was sie taten, nicht als Anbetung oder Beschwörung dämonischer Astralmächte verstanden wurde.

Allerdings gab es auch alternative, neuplatonische Erklärungsmodelle, nach denen der gesamte Kosmos ein Gewebe aus harmonischen Wirkungen und Gegenwirkungen war, die durch Strahlen des Lichtes vermittelt wurden, so dass Effekte auf der Erde stets natürlich waren, auch wenn ein Magier fälschlicherweise glaubte, mit Astraldämonen im Bunde zu stehen. Der arabische Astronom al-Kindi, der diese Theorie entwickelte, hatte durch sein Werk »De radiis« großen Einfluss auf Marsilio Ficino, der eine eigenständige Auffassung von natürlicher Magie entwickelte. Nach dieser war der gesamte Kosmos von einem universellen Agens durchdrungen, das zwischen Seele und Leib stand, und Wirkungen hervorrief, die man der natürlichen Magie zuschreiben konnte. Natürlich fußte Ficinos einflussreiches Hauptwerk zur Astralmagie auf neuplatonischen Ansichten.

Schon in Ficino tritt die ideelle Komplexität und Vieldeutigkeit der Renaissancemagie zutage: aus vielerlei heidnischen Quellen geschöpft, musste sie das Gemisch aus platonischen und aristotelischen Ansichten, aus dem sie bestand, als kompatibel mit dem Christentum ausweisen und die Theologen davon überzeugen, dass Magie ganz natürlich war und gleichzeitig unternahm sie den Versuch, diese natürliche Magie als höchste religiöse Offenbarung Zoroasters darzustellen.

Die scholastische Differenzierung zwischen natürlicher und ritueller Magie (in die Engel oder Dämonen involviert waren) führte zu einer Reihe von paradoxen Versuchen, ihre Unterschiede systematisch abzuhandeln. Dies begann schon mit Ficino, der sein Verständnis von Astralmagie ausgerechnet am Beispiel der Geschichte aus dem »Asklepios« entwickelte, das Wilhelm von Auvergne als Paradigma der götzendienerischen Magie verurteilt hatte. Verstärkt wurden die Probleme noch durch die Verbindung der Magie mit der Kabbala durch Pico della Mirandola, die zu einer tendenziellen Identifikation beider führte. Agrippa von Nettesheim schließlich setzte die Magie schlichtweg mit der alten Weisheit gleich, die natürlich mit Zauberei, Aberglauben und Dämonenverehrung nichts zu tun habe.

In seiner »Occulta Philosophia« unterschied er drei Formen von Magie: die »natürliche«, die sich auf die sublunare Welt und die Elemente bezieht, die »himmlische«, die die Region zwischen Mond und Fixsternen einbezieht und mit Zahlen und Astrologie zu tun hat und die »zeremonielle«, die mit Engeln und Dämonen jenseits der Fixsternsphäre arbeitet, in der die Kabbala von zentraler Bedeutung ist. Diese Systematisierung fasste alle überlieferten Materialien in einem großen Schema zusammen: Von den auf die Natur bezogenen Künsten aus arabischen Quellen über die religiösen Spekulationen der alten Griechen bis zu den höchsten Offenbarungen des Moses, die unter dem Namen Kabbala firmierten. Agrippa war sich der Tatsache bewusst, dass die Unterscheidung zwischen guter und schlechter Magie immer noch zentral, der Begriff der natürlichen Magie aber nicht mehr ausreichend war, um erstere von letzterer abzugrenzen. Die von Zoroaster abgeleitete Magie hatte unübersehbar mit metaphysischen Dingen zu tun, daher erklärte er die Kabbala, die Moses von Gott offenbart worden sei, zu ihrer eigentlichen Quelle. Der Begriff der »magia naturalis« hatte seine ursprüngliche Bedeutung verloren bzw. war mit dem der »prisca theologia« identisch geworden.

Die Wandlungen der Magie im Lauf der Jahrtausende sind bemerkenswert. Anfangs wurden darunter gewisse verächtliche dämonische Praktiken verstanden, später setzte sie sich als »magia naturalis« erfolgreich von ihren Ursprüngen ab, um am Ende zur höchsten aller Künste und Wissenschaften, zur höchsten Offenbarung Gottes aufzusteigen. Nachdem sie unter Gebildeten des 16. Jahrhunderts diesen Rang erstiegen hatte, wurde sie zum bevorzugten Ziel der Kritiker. Die einen erinnerten an ihre verächtlichen Ursprünge, die anderen meinten, sie solle sich bescheiden mit der Erforschung der Natur zufrieden geben. Und auch wenn sie im 17. und 18. Jahrhundert von ihrem Thron wieder herabsteigen musste und zur Beschäftigung von »Narren« und »Schwindlern« wurde, gibt es bis in die Gegenwart Menschen, die an ihre hohe geistige Mission glauben.

Die vielschichtige Karriere der Magie erklärt, warum ihre Bedeutung so umstritten war, und warum die unterschiedlichsten Parteien das denkbar unterschiedlichste darunter verstanden. Aber gegen Ende des 17. Jahrhunderts begann die Magie als »magia naturalis« in den Diskussionen über Naturerkenntnis eine zentrale Rolle zu spielen und zwar gerade wegen ihrer Vieldeutigkeit. Sie konnte benutzt werden, um die Welt zu entzaubern, weil sie zeigte, dass alles nur ein natürlicher Vorgang war, sie konnte aber auch für die gegenteilige Auffassung herangezogen werden, weil sie zeigte, dass die Natur immer noch von Zauber erfüllt war.

Fortsetzung folgt’
Dat vervolg kwam een week later, op 10 juli, met ‘Wissenschaft und Esoterik XVII – Der Irrtum der Geschichte – »Okkultismus«’:
‘3. Verdorbene Begriffe: das Okkulte

Schon der Fall der Astrologie hat gezeigt, dass etwas, was einst als rational und wissenschaftlich galt, nicht aus wissenschaftlichen, sondern aus theologischen Gründen dem Aberglauben zugeordnet werden konnte. Am Begriff des »Okkulten« lässt sich zeigen, dass dieselbe Zensur, die einst von der Kirche oder Theologie ausgeübt wurde, im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts von der Wissenschaft auszugehen begann.

Am Anfang der Geschichte des Okkulten stand die Überzeugung, es gebe verborgene Kräfte in der Natur, die nicht erklärbar und deshalb mysteriös seien. Für uns haben der Magnet, die Schwerkraft oder die Fähigkeit des Willens, den Körper zu bewegen, scheinbar ihren mysteriösen Charakter verloren, aber noch David Hume vertrat die Ansicht, die Begriffe der »Kraft«, der »Energie« oder des »notwendigen Zusammenhangs« seien mysteriöser als alle anderen. Aus den griechischen Begriffen von »dynamis« (verborgene Kraft) und »energeia« (offenbar werdende, wirkende Kraft), »sympatheia« und »antipatheia« und den »idiotetes arretoi« entwickelte sich in der Scholastik der lateinische Begriff der »okkulten Qualitäten« (verborgenen Eigenschaften) von Naturgegenständen, der eng mit den substantiellen Formen zusammenhing, jenen ideellen Formen, die dem Stoff der sinnlichen Wahrnehmungswelt seine Eigenschaften geben.

Der Begriff der okkulten Eigenschaften besitzt, wie die neuere Forschung gezeigt hat, für die Geschichte der Wissenschaften eine zentrale Bedeutung. Die an Aristoteles anschließende Naturphilosophie des Mittelalters unterschied zwischen den wahrnehmbaren und unwahrnehmbaren Eigenschaften der Dinge. Viele Naturphänomene, wie magnetische oder elektrostatische Anziehung, die Heilkraft der Pflanzen oder Mineralien, die Einflüsse von Sonne und Mond, konnten mit Hilfe der Lehre von den vier Elementen nicht hinreichend erklärt werden. Ihre unmittelbaren Ursachen waren deswegen verborgen, »okkult«, nicht nur, weil sie nicht wahrnehmbar waren, sondern weil sie sich einer rationalen Erklärung entzogen. Der Grund lag darin, dass sie nur aus ihren Wirkungen erschlossen und nicht direkt beobachtet werden konnten. Dadurch wurden sie für die Scholastik zu einer »black box«, einem notwendigen Bestandteil der theoretischen Begrifflichkeit, der zugleich daran erinnerte, dass Gott der Neugier des Menschen Grenzen gesetzt hatte.

Die »okkulten Qualitäten« spielten eine Hauptrolle bei der Herauslösung der alten Wissenschaften aus dem Gebiet des Aberglaubens und ihrer Legitimierung als natürliche Magie. Sie schienen überzeugend zu erklären, dass viele Naturerscheinungen, die die Ungebildeten für Wirkungen übersinnlicher Kräfte hielten, rein natürlich erklärbar waren. Entgegen dem heutigen Verständnis von »okkult«, waren die okkulten Qualitäten ursprünglich ein Instrument zur Entzauberung der Welt, das der Theologie den Bereich des Wunderbaren entzog und ihn der wissenschaftlichen Forschung zugänglich machte. Theologische Kritiker witterten darin ein trojanisches Pferd, konnte man doch auch Einflüsse der Sterne als okkulte Qualitäten definieren oder solche wundersamen Phänomene wie den bösen Blick, Missgeburten, die angeblich auf Eindrücke der Einbildungskraft zurückgingen oder Fernheilung. Dank der okkulten Qualitäten wurden all diese Phänomene zu legitimen Gegenständen wissenschaftlicher Forschung, mit denen sich die Wissenschaft in der Frühmoderne extensiv und intensiv beschäftigte.

Aus diesen Entwicklungen erklärt sich die Entstehung des Begriffs der »okkulten Philosophie« oder der »okkulten Wissenschaften« nahezu von selbst. In der Renaissance wurde die Idee der »magia naturalis« zu einer religiös aufgeladenen »prisca magia«, einer Art Uroffenbarung der Magie erweitert. Christliche Kabbalisten führten das Geheimnis und die Geheimhaltung in den Diskurs über die alte Weisheit ein. Es ist kein Zufall, dass Agrippa von Nettesheim eine »okkulte Philosophie« verfasste, die das geheime Wissen der Alten der christlichen Welt zugänglich machen wollte. Pico della Mirandola verhalf auch dem Denken in Korrespondenzen zu neuem Ansehen, das alle Gebiete der Welt in geheimen, nicht-kausalen Beziehungen sieht. Es war laut Hanegraaff nahezu unausweichlich, dass die Idee verborgener Kräfte, die geheim in der Natur wirken, mit der Idee der »magia naturalis« zusammenfloss und so erweitert wurde, dass die einstige »black box« der Scholastik zum »bevorzugten Schrein des göttlichen Geheimnisses in der Welt« wurde.

Diese Transformation der Begriffe führte zu einer »Wiederverzauberung« der »magia naturalis«. Der von der Scholastik technisch verstandene Begriff des »Okkulten« näherte sich allmählich seiner heutigen Bedeutung an. Deutlich zeigt sich dies an einem weitgehend unbekannten, aber repräsentativen Autor des 16. Jahrhunderts, der unter anderem Werke über Kryptographie verfasste (Blaise de Vigenère). Solange er über dieses Thema schrieb, verwendete er »okkult« im lexikalischen Sinn von »verborgen«. Aber er sprach auch von den okkulten Qualitäten, von den »am meisten okkulten und intimsten Geheimnissen der Natur«. Er war vermutlich der erste Autor, der im Hinblick auf diese Geheimnisse der Natur auch von »okkulten Wissenschaften« sprach. Er tat dies im Kontext einer Erzählung über die alte Weisheit und beeinflusst von Agrippa. In diesem Zusammenhang bedeutete »okkult« religiöse Geheimnisse, die vor den Uneingeweihten verborgen, aber den Weisen als höheres Wissen offenbart werden. Kabbala, Magie und Alchemie werden von ihm als drei »okkulte und geheime Wissenschaften« bezeichnet, die zu den drei Welten Agrippas in Beziehung standen: die Alchemie zur sublunaren Welt der Elemente, die Magie zur Planetenwelt und die Kabbala zur Fixsternwelt.

Der Begriff der »okkulten Wissenschaften« entstand im Renaissance-Diskurs über die alte Weisheit. Er war nicht nur ein Notbehelf, um eine Vielzahl unterschiedlicher Wissenstraditionen unter einen Begriff zu bringen, sondern zielte von Anfang an auf eine geheime Einheit, die nach damaliger Auffassung auf die alte Weisheit des Hermes Trismegistos zurückging. Magie, Astrologie, Kabbala und Alchemie sollten auf einer tieferen Ebene zusammenhängen, weil sie Ausdruck eines verborgenen allgemeingültigen Wissens über die wahre Beschaffenheit der Welt waren. Manche meinten sogar, die Disziplinen des okkulten Wissens gingen auf Adam zurück. Er habe sie in Hieroglyphenschrift auf steinerne Tafeln geschrieben, die bei der Sintflut verloren gingen. Eine dieser Tafeln mit dem astronomischen Wissen habe Noah nach der Flut wiedergefunden, andere fanden später andere Tafeln. Im Lauf der Zeit spaltete sich also das ursprüngliche Wissen auf und einzelne Menschen eigneten sich Teilkenntnisse davon an: manche wurden Alchemisten, andere Astronomen, andere Magier, andere wiederum Kabbalisten. Aber ursprünglich stammte alles Wissen aus einer Quelle.

So wurden die okkulten Disziplinen zunehmend als Alternative zum gewöhnlichen Wissen betrachtet: während dieses sich an der Oberfläche der Dinge entlang bewegte, drangen sie in das eigentliche Wesen der Natur und des Kosmos ein. Den Gegnern der okkulten Wissenschaften kam dieser Gedanke der Einheit entgegen, weil sie auf diese Weise die verfemten Wissensformen in Bausch und Bogen verwerfen konnten. Auch die heutige Verwendung des Begriffs »okkulte Wissenschaften« verweist als Sammelbegriff für die einzelnen Disziplinen noch auf das Renaissance-Projekt der okkulten Philosophie. Aber wenn die heutige Forschung von »okkult« spricht, erhebt sich die Frage, was damit gemeint ist. Erstaunlicherweise haben sich, so Hanegraaff, nur wenige Historiker mit dieser Frage auseinandergesetzt. In der Regel wird der Begriff unreflektiert verwendet und die Annahme, sie bildeten eine Einheit, impliziert, dass sie das irrationale und abergläubische Gegenbild von Vernunft und Wissenschaft sind. Am deutlichsten brachte dies Brian Vickers 1988 zum Ausdruck. Für ihn beruhen alle Disziplinen des okkulten Wissens auf der Unterscheidung zwischen sichtbaren und unsichtbaren Welten und benutzen Symbole, Analogien und Korrespondenzen, um offenkundig Unzusammenhängendes in Zusammenhang zu bringen. Sie seien von den Griechen als System aus dem Orient importiert und in der Zeit des Hellenismus »kodifiziert« worden. Danach hätten sie unverändert bis in die Gegenwart existiert. Vickers hält diese Resistenz gegen Veränderung für das Hauptmerkmal der okkulten Tradition – und sie ist für ihn ein Zeichen ihrer Unwissenschaftlichkeit. Vickers entgeht jedoch laut Hanegraaff, dass der Gedanke dieser Einheit erst in der Renaissance entstanden ist. Aber entscheidend ist, dass er das Okkulte ohnehin nicht als historisches Phänomen gelten lässt, sondern als Ausdruck einer anthropologischen Konstante betrachtet. Die Homogenität und Widerstandsfähigkeit gegen den Wandel sei Ausdruck einer Mentalität, die sich auch bei nicht-schriftlichen Kulturen finde. Die okkulten Wissenschaften gründen laut Vickers nicht in Experimenten, ja nicht einmal in Ideen, sondern in gewissen vorrationalen Mentalitäten, die auch den »Primitiven« eigen seien. Deswegen veränderten sie sich im Gegensatz zu den Wissenschaften auch nicht. Vickers Theorie ist eine Variation des Erklärungstypus, der auf Lévy-Bruhl zurückgeht, der die Magie aus dem Gegensatz von Partizipation und Kausalität ableitete. Im Unterschied zur Kausalität der rationalen Wissenschaften sollen die okkulten Disziplinen allesamt in einer »Verdinglichung von Symbolen und Analogien« wurzeln, in der Neigung des Menschen also, seine Vorstellungen in die reale Welt zu projizieren und Zeichen mit dem Bezeichneten zu verwechseln. Die Folge ist, dass Vickers jeden Einfluss der okkulten Wissenschaften auf die realen Wissenschaften für denkunmöglich erklärt, im Gegenteil, wirkliche Wissenschaft beruhe gerade auf der Überwindung des okkulten Symbolismus.

Aber neuere Historiker haben diese Erzählung vom Gegensatz zwischen Magie und Wissenschaft inzwischen einer fundamentalen Kritik unterzogen. Sie halten sie für anachronistisch und unhistorisch. Sie weisen darauf hin, dass das Renaissance-Konzept von der Einheit der okkulten Philosophie die Forschung blind gemacht hat für die relative Selbstständigkeit der einzelnen Disziplinen und dass diese Disziplinen keineswegs unveränderlich waren, sondern sich im Lauf der Geschichte in erheblichem Ausmaß gewandelt haben. Im Gegensatz zum verbreiteten Vorurteil, die okkulten Wissenschaften beruhten auf primitivem Denken, auf Begriffsverwirrung und Projektionen und seien insgesamt »vorwissenschaftlich« oder »pseudowissenschaftlich«, weisen diese Historiker darauf hin, dass jede einzelne dieser Disziplinen rationale Modelle der Kausalität entwickelte, auf einem empirischen Studium der Natur beruhte und zur Geschichte der heutigen Wissenschaften wesentliche Beiträge lieferte.

Schließlich ist die Theorie, »die« Magie oder »der« Okkultismus beruhten auf einer Verdinglichung von Ideen, ironischerweise selbst eine Verdinglichung von Ideen. Aus denselben Gründen wie der Begriff der Magie muss daher auch der Begriff der »okkulten Wissenschaften« als Forschungsinstrument verworfen werden. Er wirft eine Fülle unterschiedlicher historischer Phänomene in einen Topf und hindert die Forschung daran, diese Phänomene in ihrer komplexen historischen Entwicklung zu untersuchen. Er unterstellt, die betreffenden Disziplinen hätten sich nicht für empirische Beobachtung und Experimente interessiert und das Kausalprinzip abgelehnt, weil sie in einem vor-rationalen, primitiven Denken befangen gewesen seien, das sie für das genuine Anliegen der Wissenschaft unempfänglich machte. Indem man von »okkulten Wissenschaften« spricht, schließt man diese, trotz aller gegenteiligen historischen Befunde, aus der Geschichte der Wissenschaften aus.

Wenn Vickers »Verdinglichung von Analogien« als Erklärung der okkulten Wissenschaften verworfen werden muss, was haben sie dann gemeinsam und wie lassen sie sich verstehen? Trotz aller Kritik zweifelt niemand daran, dass sie in der hellenistischen Kultur verwurzelt sind, die durchdrungen war vom Glauben an verborgene Korrespondenzen und analogischem Denken. Und eben diese Qualitäten erlebten in der Renaissance einen bedeutenden Aufschwung. Auch die neueren Historiker leugnen dies nicht. Die Aufgabe der Historiker besteht aber laut Hanegraaf darin, diese Qualitäten zu analysieren, die man sowohl im vormodernen Denken als auch in jenem der Renaissance findet, und gleichzeitig nicht in die Gewohnheit zu verfallen, sie gegen die Wissenschaft oder die Wissenschaft gegen sie auszuspielen. Diese Aufgabe ist nicht leicht, da das analogische Denken in der Tat Formen annehmen kann, die allen Gesetzen der Logik und des gesunden Menschenverstandes widersprechen. Eine solche Form liegt laut Hanegraaff vor, wenn Namen und Symbole in bestimmten Zweigen der Magie nicht nur als Zeichen für Wesen verstanden werden, sondern als Verkörperungen dieser Wesen. Die elaborierten Tabellen in Agrippas »okkulter Philosophie«, die Zahlen, Talismanbilder und Engelshierarchien miteinander durch Korrespondenzen verknüpfen, hält Hanegraaff für ein Beispiel eines solch überschießenden analogischen Denkens. Auch die Paradoxa in der kabbalistischen Spekulation, die coincidentia oppositorum des Nicolaus von Kues, oder die Neigung des Paracelsus, Mikroskosmos und Makrokosmos vielfach ineinander zu verspiegeln, führt er als Beispiele an. (Über den Realitätsgehalt solcher Analogien kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein).

Aber die genannten »überschießenden« Ideen wurden laut Hanegraaff nicht von »irgendwelchen unbedeutenden Leuten« entwickelt, sondern von außerordentlich gebildeten Denkern. Sie einfach als Beispiele für Irrationalität, primitives Denken und Narrheit zu verwerfen, mache daher keinen Sinn. Die betreffenden Denker können auch nicht als Angehörige einer okkulten Subkultur marginalisiert werden, denn das waren sie nicht. Vielmehr sind sie Repräsentanten von Denktraditionen, die uns heute fremd geworden sind, von Formen des Denkens, die andere Prioritäten setzten, als die heutige Wissenschaft und Philosophie. Es gibt laut Hanegraaff keinen Grund, die frühmodernen Denkformen als »okkult« zu verunglimpfen, außer unsere Ignoranz. Wenn wir diese Denkformen nicht mehr verstehen, dann nur, weil wir die Fähigkeit verloren haben, ihre Sprache zu verstehen.

Fortsetzung folgt’
Weer een week later, op 18 juli, kwam Ravagli met ‘Wissenschaft und Esoterik XVIII – Alchemie: die Söhne des Hermes’:
‘4. Alchemie zwischen Wissenschaft und Religion

Die Alchemie war in ihrer Geschichte stets mit Hermes verbunden. Mit dem Aufschwung der Naturwissenschaften im 16. und 17. Jahrhundert gewann diese alte Wissenschaft, die auf einem Studium der Wandlungsprozesse der Natur beruhte, zunehmende Bedeutung. Dass die Alchemie eine eigenständige esoterische Strömung darstellte, kommt auch in Colbergs Doppelnamen zum Ausdruck, der vom »platonisch-hermetischen Christentum« sprach. Der Begriff »Platonismus« deutete auf die Erzählung von der alten Weisheit und »Hermetik« auf die chymische Naturphilosophie, die mit Paracelsus, Weigel, Böhme und den Rosenkreuzern verbunden war. Der Sammelbegriff »okkulte Philosophie« leistete der Vermischung dieser beiden Strömungen Vorschub, so dass sie am Ende kaum mehr zu unterscheiden waren. Eine genauere Untersuchung zeigt jedoch laut Hanegraaff, dass die beiden Strömungen höchst unterschiedliche, möglicherweise sogar inkompatible Denkstile repräsentierten.

Während das platonische Paradigma mit der alten Weisheit und Marsilio Ficino verbunden war, konzentrierte sich das alchymische, das durch Paracelsus an Popularität gewann, auf die Umwandlung der Stoffe. Das platonische ging natürlich auf Plato zurück, das alchymische verband aristotelische Naturphilosophie und paracelsische Gedanken. Das erstere beruhte auf einem hierarchischen Denken, das die empirische Realität aus der Sicht metaphysischer Ideen betrachtete, das letztere ging von der empirischen Naturbeobachtung aus und erweiterte diese zu einer Philosophie über die (Welt)-Seele. Für das platonische Denken war die Idee einer universellen Harmonie leitend, eine eher statische Vision des Ganzen, die jedem Teil seinen Platz in der »Kette der Wesen« zuwies, für das alchymische war die Welt ein dynamischer, dramatischer Prozess, der von der ersten Materie ausging und sich durch Wachstum, Entwicklung und Widersprüche zum Ganzen emporarbeitete. Das platonische Paradigma schloss den Gedanken eines Abstiegs oder Falls ein, der erklären sollte, wie sich die ursprüngliche Welt des Lichtes und der Harmonie in eine Welt voll dunkler Stofflichkeit und Ignoranz gewandelt hatte. Das hermetische Paradigma bevorzugte dagegen Bilder des Aufstiegs, der Geburt und des Wachstums, um zu beschreiben, wie eine ursprünglich dunkle Materie sich zum Licht und zum Göttlichen erhoben hatte. Das erstere war konservativ und rückwärts gewandt, da es sich hauptsächlich auf Autoritäten berief, das letztere war offen für Neues, weil es sich vor allem auf unmittelbare persönliche Erfahrung stützte.

Das platonische Paradigma war in der katholischen Kultur der italienischen Renaissance mit ihrer Weisheitserzählung verwurzelt, das hermetische in der deutschsprachigen Tradition der Naturphilosophie und Pansophie des sechzehnten, siebzehnten Jahrhunderts. Im Lauf seiner Entwicklung erweiterte sich das hermetische Paradigma und schloss auch theosophische Spekulationen mit ein.

Oft wurde im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert versucht, diese beiden höchst unterschiedlichen Paradigmen miteinander zu verschmelzen – letzten Endes vergeblich. Die beiden Paradigmen waren auch mit den beiden verfeindeten Religionen verbunden. Das platonische versuchte, die heidnische Weisheit in die Theologie der einen katholischen Kirche zu integrieren, was den Protestanten als Häresie erschien. Das alchemistische dagegen fand bei letzteren freundliche Aufnahme. Die Verbindung von Luthertum und alchemistischem Denkstil brachte die bedeutendsten Innovationen der abendländischen Esoterik nach dem siebzehnten Jahrhundert hervor: das Rosenkreuzertum und die christliche Theosophie Jakob Böhmes. Die Frage, warum gerade die Alchemie für Lutheraner so attraktiv war, ist noch weitgehend unerforscht. Hanegraaff formuliert dennoch eine Hypothese. Der katholischen Erfahrung standen Bilder zerbrochener Harmonie und verlorener Einheit nahe, während die Protestanten sich als dynamische, verändernde Kraft erlebten. Wie in den Wandlungsprozessen der Alchemie, die von Schmerz und Kampf, Geburt und Tod der Elemente bestimmt waren, hatten auch die Protestanten in ihrer jüngsten Geschichte Kampf und Schmerz erlebt, und der einzelne Protestant konnte sich nicht mehr an Autoritäten anlehnen, sondern musste in sich selbst die Antworten auf seine Gewissensnöte finden. Er musste den Weg zu seiner Wiedergeburt in Christus ganz individuell gehen und dieser Weg war von Schmerzen und Konflikten bestimmt. Daher stellten sich die Lutheraner die Rettung der Seele auch nicht platonisch als Befreiung vom Körper vor, sondern stellten die Wiederauferstehung des Körpers in Form eines Geistleibes in den Vordergrund.

Alchemistische Modelle wurden seit dem sechzehnten Jahrhundert vielfach mit religiösen Themen verknüpft. Die Frage ist jedoch, ob die Alchemie selbst immanent religiös oder spirituell ist. Die Diskussionen über diese Frage waren seit dem II. Weltkrieg durch die Interpretation C.G. Jungs bestimmt, der eben dies behauptete. Aber Hanegraaff hält diese Interpretation für falsch. Die Jungsche Spiritualisierung der Alchemie trage wenig zum Verständnis ihrer historischen Verbindung mit der Religion bei, diese müsse anhand der Quellen untersucht werden. An Jung sei zu Recht kritisiert worden, er habe einem alten Denkmodell, das auf völlig anderen Voraussetzungen beruhte, anachronistisch ein modernes psychologisches Schema übergestülpt.

Aber nicht nur vor Jung, sondern auch vor der sogenannten »Konfliktthese« hat sich der Esoterikforscher laut Hanegraaff in Acht zu nehmen. Diese These, die im 19. Jahrhundert entstanden ist und einen fundamentalen Gegensatz zwischen Wissenschaft und Religion postuliert, beruht auf der Reifizierung begrifflicher Kategorien. Seit den 1980er Jahren gilt sie unter Wissenschaftshistorikern als überwunden. Dennoch findet sie sich noch bei neueren Historikern. Der Grund ist, dass diese Historiker einen Kampf nach zwei Fronten führen: sie verteidigen die Wissenschaftlichkeit der Alchemie gegen die Jungsche Spiritualisierung und gegen die alte Form der Wissenschaftsgeschichte, die diese Alchemie als Pseudowissenschaft betrachtete. Zwar hält Hanegraaff die Charakterisierung der Alchemie als frühmoderne Form der Wissenschaft für berechtigt, warnt jedoch davor, sie deswegen der wirklichen Wissenschaft von heute (im Unterschied zur Religion) gleichzusetzen. Das hätte nämlich zur Folge, dass wesentliche religiöse Ingredienzien der Alchemie von ihr abgesondert würden. In letzter Konsequenz wäre man wieder bei einer (krypto-)essentialistischen Auffassung angelangt, nach der die Alchemie zwar manchmal wie Religion aussehe, aber in Wahrheit Wissenschaft sei.

Die neuere Geschichtsforschung betont gegenüber der früheren, die einer modernistischen Agenda verpflichtet war, die Notwendigkeit, die Alchemie aus ihren Quellen zu erforschen und ist sich der Tatsache bewusst, dass die Naturphilosophie des 17. Jahrhunderts religiöse Ideen enthielt. Aber Hanegraaff hält es für möglich, der Zwickmühle zu entkommen, die vor die Wahl zwischen Essentialismus oder Konfliktthese stellt. Man muss nicht okkultistischen oder Jungschen Ideen zustimmen, wenn man die religiösen Elemente in der Alchemie als solche anerkennt. Und wenn man ihren wissenschaftlichen Charakter betont, muss man deswegen nicht ihre religiösen Anteile marginalisieren. Stattdessen kann man, so Hanegraaff, die Alchemie als kulturelles Phänomen betrachten, das aus gewissen Verfahren besteht, die im Laboratorium betrieben und gleichzeitig Gegenstand von Erzählungen philosophischer oder religiöser Art sein können. Dadurch werden Fragen, wie die, ob die Visionen des Zosimos wesentlich für die Alchemie sind oder nicht, gegenstandslos. Die Tatsache, dass sie zusammen mit Beschreibungen technischer Vorgänge im selben Textkorpus auftreten, ist die wirkliche Herausforderung. Zu dieser radikal historischen und anti-eklektischen Behandlung der Quellen gehört die Einsicht, dass die Alchemie eine Tradition »sich vermehrender Texte« ist, die ständig neue Inhalte in sich aufgenommen und sich im Verlauf ihrer langen Geschichte verändert hat und zwar bis in die Gegenwart. Von diesem Gesichtspunkt aus kann auch die Jungsche Interpretation als ein Kapitel der Geschichte der Alchemie verstanden werden.

Wozu führt dieser nicht-eklektizistische Ansatz? Hanegraaff demonstriert dies anhand der »okkulten Qualitäten«. Die Tatsache, dass sie für das menschliche Denken als unzugänglich galten, führte bereits im 13. Jahrhundert zur Vorstellung von höheren Erkenntniskräften, für die sie erreichbar sein sollten: als solche fasste man die »Inspiration« oder die »göttliche Offenbarung« auf. Alchemisten, denen die Umwandlung der Stoffe nicht gelang, reagierten auf ihre Misserfolge mit Theorien über die kryptische Sprache der alten Autoren, die ihre wahren Ansichten absichtlich verschleiert hätten. Wollte man in der Alchemie zu einer sicheren Erkenntnis gelangen, musste man sich der göttlichen Wahrheit beugen, das heißt, der eucharistischen Theologie der Inkarnation und Auferstehung Christi. Deutlich zeigt sich dies in einem Traktat aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in dem der Autor (Petrus Bonus) von der Alchemie als einer teils natürlichen, teils übernatürlichen Kunst spricht, sowie von einem verborgenen göttlichen Stein, den finden müsse, wer das große Werk vollenden wolle. Dieser Stein, dem laut Petrus Bonus die alten Weisen die Fähigkeit der Prophetie verdankten, ist dem menschlichen Verstand nicht zugänglich, er kann nur durch Inspiration oder Offenbarung gefunden werden.

Solche Vorstellungen waren für hermetische Enthusiasten der Renaissance mit ihrer Kenntnis des »Corpus Hermeticum« höchst attraktiv. Ludovico Lazzarelli und sein Prophet Giovanni da Correggio sahen in Petrus Bonus den Vermittler eines heiligen Geheimnisses und begannen sich Ende des 15. Jahrhunderts aus religiösen und eschatologischen Motiven im Laboratorium mit Alchemie zu beschäftigen. Im Anschluss an den sogenannten Pseudo-Lullus sahen sie das wahre Ziel der philosophischen Alchemisten, der Söhne des Hermes, darin, den Menschen wieder in seinen Zustand vor dem Sündenfall zurückzuversetzen. Lazzarelli hatte bereits in einem Werk über das »Corpus Hermeticum« (»Crater Hermetis«) genau dies als Ziel der Hermetik formuliert: er wollte die Folgen des Falls durch eine äußere Transformation oder eine innere Wiedergeburt rückgängig machen. Solange die historische Existenz des Hermes Trismegistos noch nicht bezweifelt wurde, lag es nahe, ihm zugeschriebene alchemistische Texte religiös oder eschatologisch zu deuten. Lazzarelli versteht daher Alchemie auch als »magia naturalis« (natürliche Magie), die sich mit der Verschmelzung von Körpern beschäftige, während die »magia celestis« (himmlische Magie)auf die Verschmelzung von Körpern und Seelen abziele und die »magia sacerdotalis et divina« (priesterliche und göttliche Magie) auf die Verschmelzung von Seelen. Für Lazzarelli wird die Alchemie zur ersten Stufe einer kosmischen Umwandlung, die wie eine Himmelstreppe zuletzt zum Göttlichen hinaufführt. Über sein eigenes Buch mit alchymischen Rezepturen sagt er, es führe in das Allerheiligste Gottes, indem es zeige, dass der Himmel auf Erden und Gott in allen Dingen gegenwärtig sei.

Lazzarelli und Correggio sind zwar Randfiguren in der Geschichte der Alchemie, sie zeigen aber, wie früh diese in den religiösen Kontext des alten Weisheitsdiskurses aufgenommen wurde. Auch wenn die Alchemie im Werk Ficinos nur eine untergeordnete Rolle spielte, trugen die wenigen Anspielungen, die in seine Lehre vom belebenden Weltgeist (oder auch der Weltseele – das lateinische »spiritus mundi« ist doppeldeutig) eingebettet waren, nach der selbst Steine und Mineralien eine Seele besaßen, bedeutende Früchte bei späteren Alchemisten. Nachdem die Lehre vom Weltgeist mit dem paracelsischen Begriff des »luftigen Nitrit« verbunden war, spielte sie in der alchemistischen und iatrochemischen Literatur des 17. Jahrhunderts eine zentrale Rolle.

Paracelsus und seine Nachfolger waren die Hauptverantwortlichen für die Weiterentwicklung alchemistischer Vorstellungen zur Naturphilosophie oder Pansophie, die religiös und wissenschaftlich gemeint war. Der Beitrag des Paracelsismus zur Geschichte der Medizin, Chemie und Religion ist unbestritten. Die »chemische Philosophie« spielte in den wissenschaftlichen und religiösen Debatten des 17. und 18. Jahrhunderts eine zentrale Rolle. Paracelsus wurde sogar von manchen Anhängern zum Stifter einer alternativen Religion erhoben, mit der die etablierten Kirchen auf Kriegsfuß standen. Als »Theophrastia Sancta« bezeichnet, wurde sie von ihren protestantischen Gegnern unter dem Etikett »Weigelianismus« bekämpft und als solcher wird sie auch in Colbergs »Platonisch-Hermetischem Christentum« abgefertigt.

Aber die Alchemie war für Protestanten auch attraktiv, wie die Werke von Heinrich Khunrath, die »Fama Fraternitatis« der Rosenkreuzer oder die »Chymische Hochzeit« bezeugen. Zwar kritisierte die »Fama« die »verfluchte Kunst« der Goldmacherei, stellte Christian Rosenkreutz aber zugleich als Meister in der Kunst der Umwandlung der Metalle vor und für die »Chymische Hochzeit« sind alchemistische Vorstellungen über Transmutation und die entsprechende Symbolik natürlich zentral. Dasselbe gilt für die theosophischen und kosmologischen Schriften späterer selbsternannter Rosenkreuzer wie Michael Maier und Robert Fludd.

Auch für Jakob Böhmes Theosophie der Reintegration lieferten die Alchemie und Paracelsus grundlegende Sichtweisen. Zwar spielte die Alchemie des Laboratoriums eine sehr unterschiedliche Rolle, aber selbst Böhme, bei dem sie gar nicht vorkommt, versteht die chymische Transmutation nicht rein metaphorisch als Bild für geistige Vorgänge. Zur platonischen Überbetonung des Ideellen stellte die Inkarnation und das organische Leben mit seinen Wachstumsprozessen bei Böhme ein bedeutendes Gegengewicht dar. Gott selbst wurde aus dem Ungrund als leibliches Wesen geboren, das aus Zorn und Liebe bestand. Böhmes Gott trat als vollkommener Körper aus Licht ins Dasein, als ewige Natur, in der die Liebe die zerstörerische Kraft des Zornes bändigte. Aber durch Luzifer, der als Wesen des Lichtes in die Finsternis gefallen war, fiel auch die ewige Natur in Raum und Zeit auseinander, in unsere Welt des Streits und des Leidens, in der die diabolisch gewordene Finsternis des Zorns sich in einem Kampf auf Leben und Tod mit der göttlichen Liebe befindet. In diese aus Licht und Finsternis gemischte Welt wird der Mensch als sterbliches Wesen geboren. Aber in ihm kann wiederum Christus als Körper des Lichtes geboren werden. Die Reintegration führt zur Erlösung des einzelnen Menschen und der gesamten Natur, der gefallene Leib Gottes wird wieder in eine ewige Welt des Lichtes umgewandelt. Die Theosophie Böhmes ist deutlich anti-idealistisch und auf die Inkarnation hin orientiert, ihr leibfeindlichen Dualismus vorzuwerfen, ist falsch. Böhmes Theosophie lehrt laut Pierre Deghaye, dass »der Teufel ein Idealist ist«, dass er es ist, der den Leib verneint. Natürlich, dies sei hier seitens des Rezensenten ergänzt, spricht Deghaye nur von Luzifer, nicht von Ahriman.

Die Auffassung von der Natur als einem spirituellen Leib, der in göttliches Licht umgewandelt werden kann, war für Denker des 18. Jahrhunderts, die den Rationalismus der Aufklärung als dualistische Häresie ablehnten, die leere Abstraktionen des Verstandes in einer ebenso leeren Welt bewegter Materie herumirren ließ, äußerst anziehend.

Ein nicht-eklektizistisches Verständnis der Alchemie als kulturelles und historisches Phänomen, wird sowohl ihrer wissenschaftlichen als auch ihrer religiösen Dimension gerecht, ohne beide gegeneinander auszuspielen. Aber auch dieser Erklärungsansatz hat seinen Preis. Aus heutiger Sicht scheint klar, dass die Böhmesche Theosophie in alchymischen Ideen wurzelte, aber zu Böhmes Zeiten war dies keineswegs ersichtlich, ebensowenig, wie Böhmes Theosophie nach seinem Selbstverständnis mit Wissenschaft verbunden war. Sie firmierten als religiöse Ideen unter anderen Namen und als sie aus dem Diskurs der Intellektuellen ausgesondert wurden, geschah dies auf dem Feld der Philosophiegeschichte.

Im Gegensatz dazu fand die Ausschließung der Alchemie im Lauf des 18. Jahrhunderts auf dem Feld der Wissenschaft statt. Um dieser Geschichte nachzugehen, reicht es, das Schicksal der alchemistischen Ideen im 17. Jahrhundert zu verfolgen. Damals wurden Chemie und Alchemie noch als Synonyme verwendet, so dass es zu dieser Zeit unmöglich war, die heutigen Grenzlinien zu ziehen. Die Frage ist, wie es zu dieser polemischen Grenzziehung kam und warum sie so erfolgreich war. Erstaunlicherweise haben nur wenige Historiker versucht, diese Frage zu beantworten.

Historiker der Alchemie stehen meist auf Seiten der Alchemie, wenn sie ihre Aussonderung aus der »Wissenschaft« schildern. In der Regel sehen sie die Ursache für diese Ausgrenzung in der Heraufkunft der Experimentalwissenschaften. Aber das ganze Argument ist falsch. Denn, so Hanegraaff scharfsinnig, wenn die Chemie nicht getrennt von der Alchemie existierte, nicht einmal terminologisch, dann gab es auch nichts, was hätte ausgesondert werden können. Da der Dualismus Chemie/Alchemie nach dem Modell des Dualismus Magie/Wissenschaft geformt ist, kann man jenen Gegensatz auch nicht durch diesen erklären, da letzterer selbst eine Fiktion ist.

Einen Hinweis zur Lösung der Frage findet Hanegraaff bei Allen G. Debus, der 1985 einen Streit zwischen einem Paracelsisten und seinem Gegner kommentierte. Während die französischen Lehrbücher der Chemie im 17. Jahrhundert kaum Wert auf die Geschichte ihrer Disziplin legten, kennzeichnete die Paracelsisten das Interesse, sich selbst als Erben einer Tradition darzustellen, die bis auf Hermes Trismegistos oder sogar auf Adam zurückging. Terminologisch gab es im 17. und 18. Jahrhundert keinen erkennbaren Unterschied zwischen »Chemikern« und »Alchemisten«, aber es zeichnete sich ein unterschiedlicher Blick auf das Forschungsgebiet ab. Auf der einen Seite standen »Chemiker«, die sich als Angehörige einer alten Tradition verstanden, die versuchten, durch Studium von Texten und durch Experimente im Laboratorium vergessene Geheimnisse wieder zu entdecken, und auf der anderen solche, die sich in erster Linie als experimentierende Wissenschaftler verstanden und auf die Auseinandersetzung mit der Geschichte ihrer Disziplin verzichteten. Beide betrieben Wissenschaft, aber sie blickten anders auf ihre Tätigkeit und wurden anders wahrgenommen. Die Differenz erinnert an die »zwei Kulturen« von C.P. Snow: die Geisteswissenschaften sind vornehmlich mit Geschichte und Interpretation von Texten befasst, die Naturwissenschaften mit experimentellen Studien an der Natur.

Die erste Gruppe wurde durch den Niedergang der Erzählung von der alten Weisheit diskreditiert und allmählich mit dem Attribut »Alchemisten« ins Abseits gedrängt, während sich aus der anderen allmählich die heutigen »Chemiker« entwickelten. Die letztere Gruppe nahm die Grundannahmen der ersteren zunehmend als Hindernis für den Erkenntnisfortschritt wahr, vor allem ihre Auffassung vom Experiment, das den Zweck hatte, zu prüfen, ob sie die heilige Kunst verstanden hatten. Wenn das Experiment schief ging, musste man von vorne anfangen. Während der erfolgreiche Ausgang die Theorie bestätigte, konnte ein Misserfolg sie nicht wiederlegen. Da das Experiment die Theorie lediglich illustrierte, konnte es die Richtigkeit der Theorie nie in Frage stellen. Die Alten hatten immer recht, was auch immer im Laboratorium geschah.

Ein Licht auf diese allmähliche Differenzierung wirft auch der Diskurs über das Geheimnis und die Geheimhaltung. Dessen Bedeutung hatte seit Pico della Mirandola in den Auseinandersetzungen über die alte Weisheit zugenommen und wirkte sich auch auf die Alchemie aus, die ein Teil dieser Auseinandersetzungen war. Seit dem fünfzehnten Jahrhundert hatten die Alchemisten begonnen, auch alte Monumente, Mythologien und biblische Geschichten als alchymische Allegorien zu interpretieren. Die Alten hatten, so die Annahme, ihre Geheimnisse auf vielerlei Arten verschleiert. Zum Gebrauch von Symbolen und mythologischen Decknamen für chemische Rezepturen kam eine umfangreiche alchemistische Hermeneutik von Architektur und Mythologie hinzu. Des weiteren entwickelten die alchemistischen Techniken der Verschleierung in der Barockzeit eine völlig neue Dynamik, und nahmen, zum Teil unter dem Einfluss der Kabbala, die Gestalt eines eigenständigen Diskurses über Geheimnisse an, der sich vom ursprünglichen Zweck der Codierung chemischer Rezepturen völlig loslöste. Indem die Alchemisten den »obskuren Stil der Philosophen« übernahmen, identifizierten sie sich mit der altehrwürdigen Weisheitstradition. Manche Autoren der Barockzeit entwickelten die Verschleierung und Mystifizierung, mit der sie ihre Leser in ein Labyrinth von Rätseln und Sackgassen führten, zu einer hohen Kunst und ließen sie am Ende ohne Antworten auf ihre Fragen zurück. Die alchemistische Emblematik und der Diskurs der Geheimnisse wurden zum Selbstzweck.

Der Umgang mit Geheimnissen führte zu zwei unterschiedlichen Textsorten, schon bevor es die Unterscheidung zwischen Alchemie und Chemie gab. Die einen behandelten die Chemie als Versuch, die Geheimnisse der Alten unter den Schleiern von Symbolen und Emblemen auszugraben und sie zugleich durch neue Rätsel wieder zu verschleiern, die anderen benutzten eine klare und einfache Sprache, um von ihnen durchgeführte Experimente zu beschreiben. Die ersteren wurden allmählich der Gattung Alchemie zugeordnet, die letzteren der Gattung Chemie. Mit anderen Worten: auch auf dem Gebiet der Naturwissenschaft war es der alte Weisheitsdiskurs, der sich um die Entdeckung der vergessenen Geheimnisse der Vergangenheit bemühte, und nicht, wie of behauptet, die angebliche Irrationalität, Unwissenschaftlichkeit, empirische Fehlerhaftigkeit oder der Aberglaube, der dazu führte, dass bestimmte Forschungsrichtungen dem »Anderen« zugewiesen wurden, über das keine akzeptablen Diskurse geführt werden konnten.

Was von der Akademie als »falsche Wissenschaft« zurückgewiesen wurde, übte dennoch weiterhin auf ein Publikum eine große Faszination aus, dem es nicht um Wissenschaft zu tun war. Diese Faszination führt zu einem weiteren Hauptaspekt der abendländischen Esoterik: der Organisation des Geheimnisses.

Fortsetzung folgt’
En verder ging het weer op 23 juli, in ‘Wissenschaft und Esoterik IXX – Die Organisation des Geheimnisses’:
‘5. Die Organisation des Geheimnisses

Wie die Anhänger der alten Weisheit in der Renaissance waren auch die Alchemisten überzeugt, sie müssten die erhabene Weisheit wieder finden, die unter einem Schleier von Bildern und Symbolen verborgen und nahezu vergessen war. Beide betrachteten Hermes Trismegistos als Urheber des verlorenen Wissens und beide glaubten, dieses sei von inspirierten Weisen oder alchymischen Adepten in geheimer Form von einer Generation zur anderen weiter gegeben worden.

Aber vor dem 17. Jahrhundert scheint – laut Hanegraaff – niemand auf die Idee gekommen zu sein, dass die Übermittlung des geheimes Wissens einer gewissen äußeren Organisation bedürfe. Erst in der »Fama Fraternitatis« der Rosenkreuzer taucht 1614 die Idee einer »geheimen Bruderschaft« auf, der genau diese Funktion zugeschrieben wird. Die »Fama« schrieb den »okkulten Wissenschaften« die Aufgabe zu, die Geheimnisse der Natur zu erforschen. Während die Legende der Rosenkreuzer sich auf den Flügeln des Paracelsismus entfaltete, verband sie sich mit den Traditionen der Alchemie. Diese enthielt bereits wunderbare Wandlungserzählungen über geistige Wiedergeburt und Regeneration, die sowohl auf den einzelnen Menschen als auch auf die Gesellschaft angewandt werden konnten. Die Idee der hermetischen Adepten, die ihre Geheimnisse durch eine symbolische Sprache mitteilten, passte wie angegossen auf eine geheime Bruderschaft, die ebendies mit ihrigen eigenen Überlieferungen tat. Von hier war es nicht mehr weit bis zu der Vorstellung, die Mitglieder dieser unsichtbaren Bruderschaft besäßen aufgrund ihrer Meisterschaft in den »okkulten Wissenschaften« außerordentliche magische Kräfte.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Spannung zwischen Protestanten und Katholiken, die sich schließlich im 30jährigen Krieg entluden, nahmen die Rosenkreuzer in den Augen mancher Autoren die Gestalt einer protestantischen Verschwörergruppe an, die im Geheimen gegen den Jesuitenorden arbeitete. Noch immer ist die Frage unbeantwortet, wann und wie genau die Legende der Rosenkreuzer zur Begründung von rosenkreuzerischen Organisationen führte, die nach dem Modell dieser Legende aufgebaut waren und ob die Bruderschaft nicht schon zuvor in irgendeiner Form bestanden hatte. Mit der Gründung der Freimaurerei wurde die Idee einer geheimen Bruderschaft jedenfalls historisch nachweisbare Realität.

Die Frage ist jedoch, wann entstand die Freimaurerei? Die traditionelle Erzählung über den Ursprung der Freimaurerei, die Ende der 1980er Jahre gründlich dekonstruiert wurde, wird immer noch gerne erzählt. Danach soll sie als rationalistische und humanitäre Organisation 1717 in Gestalt der Großloge von England begründet worden sein. In Frankreich soll sie ab 1740 durch die Einführung von Hochgraden mit esoterischen Inhalten, die der ursprünglichen Freimaurerei fremd waren, eine Wende zum »Irrationalen« genommen haben. David Stevenson hat 1988 in einer bahnbrechenden Studie nachgewiesen, dass das Jahr 1717 für die Geschichte der Freimaurerei, die bis 1600 zurückverfolgt werden kann, nahezu irrelevant ist (David Stevenson, »The Origins of Freemasonry: Scotland’s Century, 1590-1710«.)

Die Vorgeschichte der Freimaurerei reicht bis ins Mittelalter zurück. Die Gilden der Maurer, deren vornehmste Aufgabe im Bau von Kathedralen bestand, waren damals lokal organisiert und die Maurer reisten von Ort zu Ort ihrer Arbeit nach. Sie gründeten Treffpunkte, sogenannte Logen, in denen sie essen und schlafen konnten. Um festzustellen, ob Fremde ausgebildete Mitglieder der Gilde waren, wurden Erkennungsrituale entwickelt. Bevor sie zur Loge zugelassen werden konnten, wurden die Neuankömmlinge durch praktische Aufgabenstellungen, Fragen zur Legende der Gilde oder mit Hilfe von Passworten geprüft. Nach der Zulassung mussten sie schwören, den Regeln des Handwerks zu folgen und seine Geheimnisse zu wahren.

Die Legende des Maurertums ist für die Geschichte der Freimaurerei von Bedeutung. Sie ist in verschiedenen Fassungen in der sogenannten »Alten Konstitution« enthalten. Hier wird die Maurerei mit der Geometrie, einer der sieben mittelalterlichen freien Künste gleichgesetzt. Diese wurde angeblich von Jabal, einem der Söhne Lamechs erfunden. Dieser hatte die Geheimnisse der Kunst auf einer Säule aufgetragen, welche die Sintflut überstand. Hermarius, ein Enkel des Moses, der in Wahrheit Hermes Trismegistos war, hatte sie wiederentdeckt. Durch ihn verbreitete sich die Kunst auf der ganzen Welt. Abraham und sein Partner Euklid brachten sie den Ägyptern bei, von hier kam sie ins Heilige Land, wo David und Salomo den Tempel von Jerusalem erbauten. Von hier aus verbreitete sie sich weiter und gelangte dank St. Alban auch nach England. Auch andere Gilden besaßen solche Ursprungslegenden, aber die der Maurer drückt besonders den berechtigten Stolz auf eine Kunst aus, der das Mittelalter seine großen Kathedralen verdankte.

Ende des 17. Jahrhunderts verfasste ein schottischer Meister namens William Shaw neue Statuten, die alle Elemente enthielten, die sich auch noch heute in der Freimaurerei finden. Die Symbolik der Freimaurerei entlehnte ihre Sprache aus der hermetischen Philosophie der Renaissance, wie schon Frances Yates 1964 in ihrem Buch über Giordano Bruno feststellte. Dadurch lag ihre Verknüpfung mit den Rosenkreuzern und der Alchemie nahe, besonders als während des 17. Jahrhunderts die Aufnahme von nicht-operativen, also nicht als Maurer tätigen Brüdern, begann. Berühmt ist der Fall von Elias Ashmole, der 1646 initiiert wurde. Ashmole war Antiquar, Autor alchemistischer Bücher und Anhänger einer großen Synthese der okkulten Wissenschaften. Es war nur logisch, dass Ashmole als Alchemist um Aufnahme in die Bruderschaft begehrte, denn wenn die Alchemisten ihre Geheimnisse in der Architektur der Kathedralen verborgen hatten, wie die Legende von Nicolas Flamel behauptete, dann kannten die Maurer möglicherweise diese Geheimnisse.

Die Freimaurerei war bei weitem nicht jene rationalistische und humanistische Vereinigung, als die sie die traditionelle Erzählung ausgibt. Noch Anfang des 18. Jahrhunderts gehörten ihr Rosenkreuzer und Adepten an, die den Orden auf »Hermes Trismegistos, den manche auch Moses nennen«, zurückführten. Viele hielten die Freimaurer daher für Alchemisten. Das ist nicht verwunderlich. Wie auch die Bruderschaft der Rosenkreuzer war der Freimaurerorden streng christlich (Juden, Muslime und Heiden waren ausgeschlossen, Eide wurden auf die Bibel geschworen, Toleranz galt nur für die diversen christlichen Sekten). Freimaurerei und Alchemie wurzelten in mittelalterlichen Künsten und verfügten über ähnliche Ursprungslegenden, die Hermes und Ägypten eine zentrale Rolle zusprachen. Da man die Rosenkreuzer als Hüter des alten geheimen Wissens, besonders der Alchemie, betrachtete, lag es nahe, solche Kenntnisse auch den Freimaurern zuzuschreiben. Und wie die Alchemisten suchten die Freimaurer nach einem verlorengegangenen Wissen, dem »verlorenen Meisterwort« oder dem Geheimnis in dessen Besitz sich Hiram Abiff, der Erbauer des salomonischen Tempels befunden haben sollte. Für viele Uneingeweihte lag daher der Schluss nahe, dass die Freimaurer dasselbe Geheimnis bewahrten, wie die Rosenkreuzer.

Aus diesem Grund ist die Explosion der Hochgrade mit ihren Anspielungen auf okkulte Wissenschaften seit 1740 oder die Alchemie der Gold- und Rosenkreuzer auch keine Verirrung innerhalb der Freimaurerei, sondern eine logische Weiterentwicklung der alten maurerischen Traditionen. Wenn es eine Abweichung von diesen alten Traditionen gab, dann so Hanegraaff, war das die rationalistische, humanistische und deistische Richtung, die die englische Maurerei zu beherrschen begann. Ebenso wie die moderne Chemie sich konstituierte, indem sie Teile ihrer eigenen Geschichte von sich abtrennte, entstand auch die moderne Freimaurerei, indem sie einen Teil ihrer Tradition von sich abspaltete. Bei der ersteren war es die Alchemie, bei der letzteren die Idee der »okkulten Bruderschaft«. Dieser Abspaltungsprozess lässt sich bis auf die Konstitution von Anderson aus dem Jahr 1723 zurückverfolgen, aus der alle Erwähnungen von Hermes Trismegistos gestrichen sind und nur die Bibel als Referenz übrigblieb. Moses trat nun an die Stelle der Ägypter. Die englische Maurerei benötigte zwar weiterhin eine altehrwürdige Legende, hielt aber die hermetische Tradition für überflüssig.

Nachdem erst einmal aus der Legende des Rosenkreuzertums reale initiatorische Organisationen wie die Freimaurerei entstanden waren, konnte deren Existenz in die Vergangenheit zurückprojiziert werden – vorausgesetzt, man geht nicht davon aus, dass die Ursprungslegenden nicht doch irgendeinen historischen Kern enthalten. Hanegraaff jedenfalls geht davon aus, dass die Geschichten der alten Weisheit nun im Sinne der Idee der geheimen Bruderschaften umgeschrieben wurden. Und er hält diesen Vorgang für äußerst bedeutsam. Denn nicht einmal die extremen Gegner des Heidentums, die an eine häretische, vom Teufel inspirierte Gegentradition glaubten, hatten sich vorgestellt, die alte Weisheit sei durch geheime Untergrundorganisationen tradiert worden. Die politischen Implikationen dieser Idee waren enorm: auf einmal waren »okkulte«, geheime Verschwörungen von Menschen vorstellbar, die auf die Umwälzung der bestehenden Ordnung abzielten. Diese Idee sollte für die Art, wie man im 19. und 20. Jahrhundert das »Okkulte« imaginierte von herausragender Bedeutung sein: aus ihr entstanden politisch verhängnisvolle Verschwörungstheorien über Juden, Freimaurer oder Satanisten bis hin zu Dan Browns »Da Vinci Code«.

Im 18. Jahrhundert wurde der Diskurs über geheime Gesellschaften von Initiierten, die hinter den Kulissen der Geschichte ihre eigenen wohlwollenden oder düsteren Absichten verfolgten, zunehmend komplexer. Einige Motive sind für die Geschichte der Esoterik besonders bedeutsam. Zu diesen gehört die Auseinandersetzung über die jüdische Sekte der Essäer. Die ägyptischen Therapeuten wurden fälschlicherweise als ihr Gegenstück identifiziert. Schon Eusebius hatte die Essäer als frühe christliche Mönche gedeutet. Nach der Reformation verteidigten viele katholische Autoren das Mönchstum unter Verweis auf die »christlichen« Essäer, während die Protestanten darauf beharrten, diese seien Juden gewesen. Katholiken erklärten Jesus, Maria, Johannes den Täufer und die Apostel zu Essäern, – eine Identifikation, die bis heute überlebt hat.

Die moderne Phase der Essäerlegende begann mit einem Text von Johann Georg Wachter, der 1707 in einem einflussreichen Text die historisch abenteuerliche Behauptung aufstellte, die Essäer seien Anhänger einer dezidiert natürlichen Theologie auf deistischer Grundlage gewesen, die bis auf das alte Ägypten und die Kabbala zurückgehe. Jesus war nach Wachter ein Essäer und keineswegs von Gott inspiriert, sondern rein menschlicher Erfinder einer neuen Religion. Diese These wurde von Aufklärern wie Voltaire und Friedrich dem Großen aufgegriffen. Der »Essäer Jesus« sollte eine rein deistische Religion begründet haben. So verstanden konnte dieses »ursprüngliche essäische Christentum« von Protestanten und Aufklärern als Waffe gegen dessen Hellenisierung durch die katholische Kirche benutzt werden. 1792 formulierte ein Autor, das Christentum sei reiner Essäismus gewesen, bis zu dem Zeitpunkt, als Paulus mit der Heidenmission begann. Die Vorstellung der Essäer als einer Bruderschaft mit einer vernünftigen, deistischen Religion machte sie für die englischen Freimaurer attraktiv. Schon 1730 wurden sie als Freimaurer »avant la lettre« beschrieben, bald auch als die »wahren« Freimaurer. Aber auch Aufklärer, die keine Freimaurer waren, begannen die Essäer als geheime Bruderschaft zu betrachten, welche die Ideale der Aufklärung vertreten und überall auf der Welt ihre Spuren hinterlassen hatte. Manche Theologen modellierten Ende des 18. Jahrhunderts das Bild der Essäer exakt nach dem Vorbild der zeitgenössischen Freimaurerei, als geheime Bruderschaft mit Passworten, Prüfungsritualen, Einweihungsgraden und weltweiter Verbreitung.

Die Essäer wurden zu Erben der alten Traditionen des orientalisierten Platonismus und mit den Mysterienreligionen der Antike in Verbindung gebracht. Für Freimaurer war der Pythagoräismus wegen der Geometrie von besonderem Interesse. Aber um die Freimaurerei auf antike initiatische Orden zurückführen zu können, musste noch rund ein Jahrtausend überbrückt werden. Hier kamen die Tempelritter ins Spiel.

Da der salomonische Tempel in der maurerischen Symbolik eine zentrale Rolle spielte, lag eine Verknüpfung der Maurerei mit den Tempelrittern nahe. 1736 stellte Andrew Michael Ramsay die Kreuzritter als Vorfahren der Freimaurer dar. Schon vor 1750 führte diese Verknüpfung zur Gründung eines Templerhochgrades, des »Ordens der sublimen auserwählten Ritter«, auf den ein ganzes System von Templermaurerei, die »Strikte Observanz«, folgte, die in Deutschland zwischen 1750 und 1770 den Ton angab. Wer zum inneren Zirkel zugelassen wurde, erfuhr, dass die Tempelritter in der Freimaurerei überlebt hatten und von »unbekannten Oberen« gelenkt wurden. Aus dieser maurerischen Tradition entstanden nichtmaurerische Neutemplervereinigungen, die bis heute existieren.

Die Templer, so die Legende, kamen im Heiligen Land mit geheimen essäischen und pythagoräischen Traditionen in Kontakt. Als Philipp IV. den Templerorden aufrieb, rettete der letzte Großmeister Jacques de Molay dessen Geheimnisse vor dem Untergang. Sie gelangten schließlich nach Schottland, ins Ursprungsland der Maurerei. Seither hatte immer eine ununterbrochene Folge von Großmeistern existiert, auch wenn ihre Namen und Aufenthaltsorte den Uneingeweihten verborgen geblieben waren. Die Zeit war noch nicht gekommen, um die Geheimnisse des Ordens zu enthüllen. Diese Legende, die 1760 das erste Mal auftauchte, enthält alle Elemente einer Erzählung, die in »okkultistischen« Kreisen bis zum heutigen Tag aufrecht erhalten wird. Es handelt sich um eine Variante der Erzählung von der alten Weisheit, die aus dem alten Orient kam. Die Essäer hatten sie aus pythagoräischen Quellen im Heiligen Land entgegengenommen, von hier hatten die Templer sie nach Schottland gebracht. Von dieser Legende einer Verbindung der Pythagoräer über die Essäer und die Templer zu den Freimaurern ging eine sich uferlos vermehrende Zahl von historischen Fantasien und Verschwörungstheorien über geheime Netzwerke und Gesellschaften aus, die das letzte Geheimnis suchen oder in dessen Besitz sind.

Bedauerlicherweise, so Hanegraaff, ist dieses Geheimnis bis heute geheim geblieben. Aber schon sehr früh glaubte man, es habe mit der Alchemie zu tun. Daher auch der legendäre Reichtum der Templer: sie hatten den Stein der Weisen und die Kunst des Goldmachens entdeckt. Daher das starke Interesse an Alchemie bei den Gold- und Rosenkreuzern im 18. Jahrhundert.

Aber das Geheimnis der Alchemie wurde auch religiös interpretiert. Dann bedeutete es eine spirituelle Transformation, die zu einer höheren Erkenntnis führte. Diese christlich-theosophische Deutung führte zur Gründung einer Vielzahl neuer esoterischer und okkulter Organisationen, die das Ziel einer spirituellen Entwicklung verfolgten. Als im 19. Jahrhundert Staat und Kirche getrennt wurden, bildeten diese Organisationen neue religiöse Bewegungen, die in Konkurrenz zu den Kirchen traten. Esoteriker und Okkultisten, die diesem kultischen Milieu angehörten, entwickelten ihre eigenen Ursprungserzählungen.

Gleichzeitig entstand aus der Mythologie der geheimen Gesellschaften ein neues Genre von Verschwörungsliteratur mit politischer Ausrichtung. Für manche stellte die Ankündigung, das geheime Wissen der klandestinen Orden werde zu einer großen gesellschaftlichen und kulturellen Reform führen, eine Bedrohung dar. Abbé Barruel behauptete in seiner »Bibel der geheimen Gesellschaften«, den »Mémoires pour servir à l’histoire du Jacobinisme« am Ende des 18. Jahrhunderts, diese Bedrohung sei mit der französischen Revolution zur historischen Tatsache geworden. Seither haben immer wieder Konservative nach dem Vorbild Barruels die Moderne und die Demokratie als Ergebnis einer dämonischen Verschwörung von Untergrundorganisationen interpretiert. Auch dies ist ein wesentlicher Aspekt der Art, wie »das Okkulte« in der Moderne imaginiert wurde.

Das Konzept der geheimen Organisationen fasst Hanegraaff als drittes Paradigma auf, das um 1700 entstanden ist, um die Existenz des Religiösen und Esoterischen in der abendländischen Welt nach der Aufklärung theoretisch zu bewältigen. Das erste Paradigma war das religionistische, das von einer nicht weiter reduzierbaren, unmittelbaren persönlichen Erfahrung des Heiligen ausging. Das zweite war das Aufklärungsparadigma, das dieses Heilige aufgrund des gesunden Menschenverstandes verwarf. Obwohl beide weder historisch noch empirisch sind, waren sie doch in der akademischen Welt erfolgreich: das aufklärerische seit dem 19. Jahrhundert und das religionistische in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Das dritte nun existiert in zwei Varianten: einer positiven, nach der eine verborgene Kette von Adepten die wahre Weisheit durch die Jahrtausende bewahrt hat, und einer negativen, nach der dunkle, dämonische Bruderschaften durch die Jahrtausende hindurch gegen die bestehende gesellschaftliche und religiöse Ordnung konspiriert haben.

Nimmt man das durch die historische Forschung diskreditierte Gegensatzpaar der apologetischen Erzählung von der alten Weisheit und der anti-apologetischen Erzählung des Protestantismus hinzu, hat man es mit sechs Alternativen zu tun, sich mit dem heidnischen Erbe des Altertums, seiner Beziehung zum Christentum und überhaupt mit der Existenz des »Esoterischen« im Abendland auseinanderzusetzen. Alle spielten in der Geschichte der abendländischen Esoterik seit dem 18. Jahrhundert eine Rolle. Sie wirkten sich in unterschiedlichen Kombinationen auf die Art aus, wie »das Okkulte« bis heute im Westen »imaginiert« wurde. In den folgenden fünf Unterkapiteln geht Hanegraaff dem Einfluss dieser unterschiedlichen Erzählungen auf Populärliteratur und wissenschaftliche Forschung nach.

Fortsetzung folgt’
De dag erop, 24 juli, kwam al het vervolg ‘Wissenschaft und Esoterik XX – Der okkulte Marktplatz’:
‘6. Der okkulte Marktplatz

Aufgrund des Niedergangs der Universitäten Mitte des 17. Jahrhunderts gingen die öffentlichen Bildungsaufgaben zunehmend auf private Organisationen über, die sich an den Bedürfnissen des Marktes orientierten. Am Ende des 17. Jahrhunderts erlebte Europa eine Explosion von Druckerzeugnissen, die im Dienste der Bildung und Aufklärung standen. Zu dieser gehörte auch eine »Manie« der Lexika und Enzyklopädien, die das Publikum bilden und belehren wollten und auf ihre Weise zur Umsetzung der Aufklärungsagenda beitrugen. Dazu kam eine Fülle von gelehrten Zeitschriften, die eine noch bedeutendere Funktion bei der Verbreitung der Aufklärungsideen übernahmen.

Aber die Medienrevolution wirkte sich nicht nur zugunsten der Aufklärungsagenda aus, denn zu den Bedürfnissen des Marktes gehörte auch ein fortbestehendes, ja wachsendes Interesse an esoterischen Themen. Entgegen dem verbreiteten Bild vom Jahrhundert der Aufklärung war Esoterik in allen erdenklichen Formen im 18. Jahrhundert außerordentlich populär. Diese Popularität gipfelte in einer gewaltigen Welle des Illuminismus und Mesmerismus am Ende des 18. Jahrhunderts. Die Nachfrage nach okkulter Literatur setzte sich im 19. Jahrhundert fort. Aber die Autoren, die dieser Nachfrage entsprachen, waren keine Akademiker oder professionellen Intellektuellen mehr, sondern überwiegend Amateurgelehrte und Autodidakten. Zur Selbstverständnis der Gelehrten und Akademiker gehörte es zunehmend, all diese Traditionen aufs schärfste zu verurteilen, als ein Gebiet, das jenseits jeder ernsthaften Diskussion lag. So wie die frühe Kirche die Häretiker benötigte, um ihre orthodoxe Identität zu definieren, und die Protestanten den heidnischen (bzw. katholischen) Gegner, von dem sie sich abgrenzen konnten, so schuf die entstehende akademische Orthodoxie ein reifiziertes »Anderes«, das ihren eigenen Bedürfnissen nach Selbstdefinition entsprach. Die Aufklärer schufen als ihr dunkles Gegenbild den »irrationalen Aberglauben«, der auf Unwissenheit, Leichtgläubigkeit, Vorurteil und schlichter Dummheit beruhte, die Chemiker die Alchemie, die Astronomen die Astrologie, und die Wissenschaftler im allgemeinen die Magie und okkulte Philosophie. So entstand die Kategorie des »Okkulten« als »intellektueller Kehrichthaufen« für verworfenes, zurückgewiesenes Wissen und diese Kategorie hat die Funktion, der Akademie als das radikale »Andere« zu dienen, bis zum heutigen Tag beibehalten.

Die Vorherrschaft von Amateuren im 18. und 19. Jahrhundert wirkte sich nachteilig auf die Qualität der Forschung aus und ließ das Gebiet in den Augen der Akademiker noch unattraktiver erscheinen. Daraus ergab sich ein abwärts führender Teufelskreis: je geringer die Qualität der Druckerzeugnisse, um so geringer das Interesse der Akademiker und je weniger diese über das Gebiet wussten, um so mehr tummelten sich darin die Amateure. Ende des 19. Jahrhunderts war es kaum mehr möglich, irgendwelche verlässlichen Informationen über die Beschaffenheit, die historische Entwicklung oder die kulturelle Bedeutung der hermetischen, magischen oder okkulten Ideen und Traditionen zu erhalten, was die Akademiker nur noch mehr dazu veranlasste, stolz auf ihre Ignoranz zu sein.

7. Literarische Fiktionen

Eine nicht unerhebliche Rolle spielte bei dieser Entwicklung laut Hanegraaff auch die fiktive Literatur. Als zwei herausragende, äußerst einflussreiche Beispiele behandelt er den »Grafen Gabalis«, den der Salongeistliche und Libertin de Villard verfasste und Bulwer-Lyttons Roman »Zanoni«. Das Buch de Villards erschien 1670. Sein Titel spielt auf die »kabbalistische Kunst« des Paracelsus an und handelt von geheimen Gesellschaften, in denen sich Menschen aus allen Gesellschaftsschichten mit Interesse für das Okkulte zusammenfinden. Laut de Villard verfolgt die okkulte Philosophie weitreichende Ziele. Man soll durch sie zum Herrn der Natur werden, die Elemente beherrschen, mit höheren Intelligenzen kommunizieren, Dämonen lenken, Riesen erzeugen, neue Welten erschaffen, mit Gott reden und die Cherubim zu seinen Dienern machen können. Die Hauptfigur, Graf Gabalis, ist ein Adept von hohen Gnaden. Er verspricht dem alter ego des Autors, Einweihung in die hohen Mysterien, vorausgesetzt, dieser führe ein enthaltsames Leben. Dieses Ansinnen erscheint dem Libertin, der nach Einweihung sucht, nicht sonderlich attraktiv. Aber es gibt einen Ausweg: denn die Elementarwesen, die er durch die Einweihung kennenlernen wird, tragen ein großes Verlangen in sich, mit Menschen sexuell zu verkehren. Auf diesem Wege erlangen sie, was ihnen fehlt: eine unsterbliche Seele.

De Villars greift bei seiner Erzählung über die Elementarwesen laut Hanegraaff auf alte Traditionen zurück, die über Knorr von Rosenroth, Trithemius und Psellus bis zu Proklos reichen, besonders aber auf einen pseudo-paracelsischen Text über die »Nymphen, Sylphen, Pygmäen, Salamander und andere Geister«. Die Weisen müssen also auf den Verkehr mit menschlichen Frauen verzichten, dafür stehen ihnen die weiblichen Elementargeister, die viel schöner als die menschlichen Frauen sind, bereitwillig zur Verfügung. Sie haben einen weiteren Vorteil: sie sind nicht eifersüchtig, so dass Männer mit so vielen verkehren können, als ihnen beliebt. Ein wahres Paradies für einen Libertin! De Villars greift auf eine Vorstellung des Agrippa von Nettesheim zurück, nach welcher der Fall des Menschen im Geschlechtsverkehr bestand. Aber er gibt dieser Vorstellung eine neue Wendung. Adam sündigte, weil er mit einem anderen Menschenwesen statt mit Elementargeistern sexuell verkehrte. Hätte er letzteres getan, wäre er nicht gefallen, sondern hätte Heroen und Riesen voller Macht und Weisheit gezeugt. Große Weise wie Zoroaster gingen laut de Villars aus solchen Ehen zwischen Menschen und Elementargeistern hervor.

Der Libertin hält den Ausführungen des Grafen entgegen, diese Elementargeister seien Dämonen und heidnische Gottheiten, aber der Graf entgegnet, dieses Argument sei eine Lüge der Theologen. Die sogenannten gefallenen Engel waren in Wahrheit Elementargeister und die Giganten, die aus ihrer Ehe mit den Menschen hervorgingen, waren die Heroen und Weisen der Vorzeit. Auch die Geschichten über Hexen, Incubi und Succubi seien nichts als tragische Verzerrungen der Wahrheit. Auch hinter den alten Orakeln seien die Elementarwesen gestanden und diese Orakel gebe es noch heute in Paris. Damit spielt der Autor auf die damals weit verbreiteten Praktiken der Divination an.

Nach Hanegraaffs Auffassung ist das Buch de Villars rein fiktional und satirisch. Aber es enthielt alle wesentlichen Elemente, die das populäre Bild des Okkulten im 18. und 19. Jahrhundert bestimmen sollten: Geheime Bruderschaften, die sich mit Magie, Astrologie und Alchemie beschäftigten und Kontakt zu unsichtbaren Geistwesen unterhielten. Im Kern ging es um das Versprechen einer tiefgehenden spirituellen Erneuerung, durch welche die Folgen des Falles aufgehoben und der ursprüngliche Zustand des Menschen wiederhergestellt werden konnte, mit all den überragenden Fähigkeiten, die den paradiesischen Menschen auszeichneten. Aber was de Villars zu den traditionellen Motiven des Platonismus und Paracelsismus hinzufügte, war eine »elektrisierende erotische Vision« mit weitreichenden historischen Fernwirkungen bis ins 20. Jahrhundert. Er sprach von einer oberflächlich christlichen, in Wahrheit heidnischen Religion, die auf einem im wahren Sinne des Wortes intimen Verkehr mit der Natur beruhte. Indem er die Idee des Verkehrs mit den Wesen der Geistwelt erotisierte, schuf er eine perfekte Gegenerzählung zu den zeitgenössischen Berichten über Hexerei. Die Kirche hatte nach de Villars die Wahrheit verdreht, sie hatte die wohlwollenden Geister der Natur zu bösen Dämonen erklärt und jeden Kontakt mit ihnen als Götzendienerei verboten. Den geschlechtlichen Verkehr zwischen Menschen und Geistwesen (succubi und incubi) hatte sie als schlimmste Form moralischer Verworfenheit verurteilt. Aber der Graf behauptete das genaue Gegenteil: für ihn war der normale Geschlechtsverkehr nur eine fleischliche Aktivität, die den Menschen im Zustand des Falles und der Sünde erhielt, während die Ehe mit den Geistern der Natur der Königsweg zur spirituellen Erneuerung war. Hanegraaf erinnert hier nicht an die kluge Bemerkung von Deghaye, dass der Teufel »Idealist« sei, der den Körper verdamme, aber der Leser mag sich daran erinnern.

Die genaue Intention de Villars ist heute nicht mehr zu ermitteln. Bekannt ist auch nicht, in welchen Beziehungen er zu möglicherweise existierenden Bruderschaften stand. Aber schon die erste englische Übersetzung, die 1680 erschien, stellte einen Zusammenhang zwischen dem Grafen Gabalis und den Rosenkreuzern her, die der Übersetzer von sich aus in den Text einfügte. Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts wurde das Motiv der Liebe zwischen Menschen und Elementarwesen von vielen weiteren Autoren aufgegriffen und so blieben Leser nicht aus, die die Erzählungen de Villars und dieser anderen Autoren beim Wort nahmen. Im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts waren viele Okkultisten davon überzeugt, de Villars sei ein Initiierter gewesen, der große Geheimnisse im Mantel der Fiktion verbarg. Ende des 19. Jahrhunderts begannen Okkultisten in der Nachfolge H.P. Blavatskys davon zu berichten, sie hätten ihrerseits Elementarwesen gesehen und einzelne experimentierten mit rituellen Techniken, um solche Wesen zu beschwören oder gar mit ihnen in sexuellen Verkehr zu treten.

Hanegraaff sieht den großen Erfolg der Erzählung de Villars in einer Angst vieler Menschen begründet, die Fortschritte der Wissenschaft trieben das Göttliche aus der Welt aus und ließen den Menschen in einem entzauberten Kosmos zurück. Diese Ängste vermochte de Villars mit seiner Botschaft von der Beseeltheit der Natur, wenn auch auf ironisch gebrochene Weise, zu beschwichtigen. Dasselbe gilt laut Hanegraaff für die wichtigste okkulte Erzählung des 19. Jahrhunderts, für Bulwer-Lyttons »Zanoni.« Bulwer-Lytton propagierte eine »panvitalistische Kosmologie mit direktem Bezug auf Elementarwesen als radikale Alternative zum Gespenst« eines geistentleerten Universums. Bulwer-Lytton knüpfte an die von de Villars begründete literarische Tradition an, aber nun, zweihundert Jahre später, war durch eine »Ironie der Geschichte«, die ursprünglich als »humorvolle Satire« gemeinte Erzählung über die Kabbala zum Paradigma einer »okkulten Philosophie« der Natur geworden, die sich gegen die Entzauberung der Welt richtete.

Hier sei eine kritische Bemerkung erlaubt. Bedauerlicherweise behandelt Hanegraaff das Thema »Elementarwesen« nur im Rahmen einer Exegese »fiktionaler« Literatur. Dass es auch außerhalb fiktionaler Literatur – sofern sie tatsächlich rein fiktional gemeint war, was, wie er selbst zugesteht, nicht mit Sicherheit zu sagen ist, weder im Fall de Villars noch im Fall Bulwer-Lyttons – literarische Traditionen über Elementargeister gab, deutet er nur im Vorbeigehen an. Diese Traditionen hängen mit den von ihm erwähnten Autoren Knorr von Rosenroth, Trithemius von Sponheim, Michael Psellus und Proklos zusammen, sind aber nicht an diese allein gebunden, denn mit den Elementarwesen ist ein ganzer Komplex geistiger Wesenskunde verbunden, von der Dämonologie über die Hierarchienlehre bis zu den alten, heidnischen Göttern, ja dem Göttlichen überhaupt. Wenn sich Hanegraaff im Sinne seines nicht-eklektizistischen Methodenideals nicht nur auf fiktive Literatur beschränkt hätte, wäre ihm der Kurzschluss, das einst Fiktionale sei am Ende des 19. Jahrhunderts als »real« missverstanden worden, nicht so leicht gefallen. Die Frage ist doch, sind die Geister, nur weil sie in fiktionaler Literatur vorkommen, deswegen selbst fiktional? Und sind sie immer fiktional, auch wenn sie in »ernstzunehmender« Literatur, etwa im Rahmen des Diskurses über alte Weisheit auftreten? Und ist damit auch die gesamte Esoterik letztlich fiktional, die doch zu einem großen Teil aus solchem Reden über Geister besteht? Ob diese weitreichenden Schlüsse aus Hanegraaffs Äußerungen gezogen werden können, muss hier offen bleiben. Aber wenigstens sei darauf hingewiesen, dass die Methode der Diskursanalyse, die Hanegraaff praktiziert, offenbar an ihre Grenzen stößt, wo die Frage auftaucht, worüber eigentlich diejenigen reden, die am Diskurs beteiligt sind. Reden sie nur über die Diskurse der anderen und zerfällt am Ende die Wirklichkeit im endlosen Gerede über das Gerede der anderen? Mit anderen Worten: Beginnt die Esoterikforschung nicht erst dort wirklich interessant zu werden, wo sie die Esoterik nicht nur als Diskurs ernst nimmt, sondern auch in ihrem Erkenntnisanspruch, von etwas zu reden, das wirklich ist?

8. Kompendien des zurückgewiesenen Wissens

Noch auf einem anderen Gebiet äußerte sich laut Hanegraaff der Niveauverlust des marginalisierten Diskurses über Esoterik: seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts erschienen reihenweise populäre Kompendien, Sammelsurien des Monströsen und Absonderlichen, die das Publikum zu belehren und zu erheitern versprachen. Sie brauchen hier nicht behandelt zu werden, zeugen sie doch lediglich davon, dass der »Kehrichthaufen« des zurückgewiesenen Wissens fest installiert war und immer mehr Inhalte in sich aufnahm. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts benutzten solche Kompendien bevorzugt den Titel »okkulte Wissenschaften«. Die meisten dieser Kompendien standen dem Okkultismus skeptisch oder ablehnend gegenüber, manche der Herausgeber verteidigten ihn aber auch. So zum Beispiel der englische Autor Ebenezer Sibly, ein englischer Astrologe, der als Arzt tätig war und versuchte, seine Kenntnis der neueren wissenschaftlichen Forschung mit den okkulten Traditionen in Einklang zu bringen.

Hanegraaff bemerkt zum ganzen Genre, wenn es überhaupt etwas zeige, dann dies, dass das »Okkulte« inzwischen jegliche akademische Vertrauenswürdigkeit verloren hatte und zu einem von Trivialliteratur beherrschten Brachland geworden war, das einzig auf die Unterhaltung der Massen abzielte.

Fortsetzung folgt’
De meest recente is van weer een dag later, 25 juli, afgelopen woensdag dus, en komt ook in ander opzicht steeds dichter bij. Lees ‘Wissenschaft und Esoterik XXI – Geheime Traditionen und das wüste Land’:
‘9. Geheime Traditionen und Geschichten hinter der Geschichte

Dieses Unterkapitel behandelt einige Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich mit der Geschichte der Alchemie, der Freimaurerei, der Magie und des Okkultismus beschäftigten. Von Interesse sind hier nur zwei dieser Autoren: Alphonse-Louis Constant, bekannt als Eliphas Lévi und Arthur Edward Waite.

Eliphas Lévi war ein gescheiterter Priesterkandidat und pflegte sein ganzes Leben hindurch eine komplexe Beziehung zur Kirche. Seine sozialrevolutionären und sozialistischen Interessen brachten ihn mehrfach ins Gefängnis, aber 1848 wandte er sich mit ganzer Energie dem Okkultismus zu. Das Ergebnis dieser Beschäftigung war eine Reihe von Büchern, unter anderem die »Geschichte der Magie« die 1860 erschien. In ihm stellt Lévi die Kabbala als Schlüssel zu den Geheimnissen aller Religionen und Philosophien dar. Wie Adolph Franck, der führende akademische Kenner der Kabbala zu seiner Zeit, betrachtete Lévi die Kabbala nicht als genuin jüdischen Besitz. Vielmehr war sie für ihn eine direkte Offenbarung des Logos, der die Welt erschaffen hatte. Originell an seiner Deutung ist, dass er Magie und Kabbala nicht als Gegentradition zum Christentum interpretiert, sondern als die geheime Wahrheit des Katholizismus, die sich selbst in einer Art coincidentia oppositorum von Licht und Finsternis zugleich offenbart und verhüllt. Gemäß dem von Lévi postulierten Gesetz des Gleichgewichts kann es keine Wahrheit ohne Irrtum, keinen Begriff Gottes ohne den des Satans geben. Die verborgene Einheit des Göttlichen jedoch offenbart sich in Form der Dreiheit – der Trinität –, welche die Gegensätze – ohne einen von ihnen zu opfern – auf unergründliche Weise miteinander versöhnt. Allein in der absoluten Einheit sind alle Dualitäten aufgelöst. Die Gefahr für den Menschen besteht darin, das Gesetz des Gleichgewichts misszuverstehen, und in einen »manichäischen Dualismus« zu verfallen, in dem der Gegensatz von Gut und Böse verabsolutiert wird. Diese dualistische Lehre zerstört laut Lévi das Gesetz des Gleichgewichts und damit die Einheit des Göttlichen und der Wahrheit. Gegen diese »Häresie aller Häresien« habe die Kirche zu Recht ihre Trinitätslehre verteidigt.

Aus diesem Grundgedanken leitet sich auch die Logik von Lévis »Geschichte der Magie« ab. Diese stamme ebenso wie die Kabbala von Zoroaster. Aber in Wahrheit hätten zwei Personen dieses Namens existiert: der eine war der Offenbarer der Urweisheit, die auch Lévi vertritt, der andere schuf einen materiellen Feuerkult und das Dogma des Dualismus. Der falsche Zoroaster war der Schöpfer des Materialismus und Dualismus, der wahre das Gegenteil. Der wahre Zoroaster lehrte eine »transzendentale Pyrotechnik«, die mit dem unsichtbaren Fluidum des Astrallichtes arbeitete, der falsche begründete den Kult des materiellen Feuers. Lévi schließt sich der These von Gemistos Plethon an, die Chaldäischen Orakel seien von Zoroaster verfasst worden. Abraham empfing die Kabbala von Zoroaster und nahm sie mit, als er Ur verließ. So kam sie zu den Juden. Bevor sie dem Niedergang anheimfiel, rettete sie Moses, indem er sie als inneren Schriftsinn in die Bibel hineinlegte. Aber mit der Geburt des Christus änderte sich laut Lévi alles. Mit ihm wurde die Magie der alten Welt überflüssig, auch die Weisheitsüberlieferung des Judentums. Seither sei das Christentum der wahre Träger der Kabbala, und was von ihr außerhalb des Christentums übrigblieb, habe seine Legitimität verloren. Folglich ist die Geschichte der Magie seit der Begründung des Christentums für Lévi eine Geschichte der Häresien. Die Lehren des falschen Zoroaster lebten im Gnostizismus, im Templerorden, in der Hexerei und schwarzen Magie und schließlich im modernen Spiritismus weiter.

Genauer betrachtet hat Lévi, der oft als Begründer des Okkultismus bezeichnet wird, keine jener Traditionen verteidigt, die von der Kirche mit ihrem universellen Wahrheitsanspruch unterdrückt wurden. Im Gegenteil, er war der Auffassung, allein die katholische Kirche sei die wahre Erbin der Kabbala und wahren Magie. Alle Wettbewerber waren aus seiner Sicht Sektierer. Aber die wahre Natur des Katholizismus blieb ironischerweise selbst seinen Anhängern verborgen: niemand weiß, dass sie der vollkommene, lebendige Ausdruck der Kabbala ist. Daher blieb auch die kabbalistische Apokalypse des Johannes bis zu Lévi unverstanden. Es gibt also laut Lévi keine legitimen geheimen Traditionen oder initiatischen Organisationen, dafür aber eine verborgene, geheime, esoterische Dimension in der exoterischen Kirche, und indem er das Dogma der Magie und Kabbala lehrte, versuchte Lévi seine Leser zu dieser einen (verborgenen) Wahrheit des römischen Katholizismus hinzuführen. Daher enthält seine »Geschichte der Magie« förmliche Unterwerfungserklärungen gegenüber der Kirche und sein späteres Werk »Der Schlüssel zu den großen Mysterien« quillt von Ehrbezeugungen gegen die absolute Wahrheit der hierarchischen Autorität geradezu über.

Die englischsprachige Welt lernte die Werke Lévis durch die Übersetzungen Arthur Edward Waites kennen, der sie allerdings laut Hanegraaff grundlegend missverstand und sie deshalb auch falsch übersetzte. Er konnte das dialektische Verhältnis Lévis zur Kirche nicht erfassen und kam nicht über den Widerspruch zwischen dem Magus, der sich im Besitz des großen Arcanums wähnte und dessen späterer Unterwerfung unter die Autorität der Kirche hinweg. Aber Waites Auffassung war von aufklärerischen Interpretationen abhängig, für welche die große apologetische Tradition, auf die Lévi sich bezog, ein Buch mit sieben Siegeln war.

Waites Missverständnis ist insofern bemerkenswert, als er mit seiner eigenen Auffassung einer »geheimen Tradition« Lévi viel näher stand, als er glaubte. Waite war, mehr als jeder andere Autor in der englischsprachigen Welt, verantwortlich für die Popularisierung der Idee einer »esoterischen Tradition«, die er in einer Fülle von Werken über die verschiedensten Gebiete der Esoterik ausbreitete. Seine enorme Produktivität machte ihn, bei Abwesenheit ernsthafter Konkurrenz, zur alleinigen Autorität für geschichtliche Strömungen, die in irgendeiner Form mit dem Okkulten assoziiert werden konnten und das bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Er hatte nie eine Universität besucht und hatte für seine Erforschung der »Geheimen Tradition« des Westens praktisch keine Vorbilder. In seinen Übersetzungen alchemistischer Quellentexte unterliefen ihm unzählige Fehler, aber sie waren die einzigen, die überhaupt erhältlich waren. Dasselbe gilt für seine Editionen kabbalistischer Quellen.

Doch trotz aller Bücher, die er den äußeren Erscheinungsformen der geheimen Tradition widmete, ist bis heute fraglich, was er sich genau darunter vorstellte. Dies liegt in seinem schwer verständlichen Sprachstil begründet, in seinen permanenten Revisionen früherer Schriften und auch darin, dass er sich nie um eine Synthese der geheimen Tradition bemühte. Eine der wenigen Äußerungen findet sich in seiner Autobiografie: »Ich glaube bis zum heutigen Tag … dass es hinter der Kirche noch eine Kirche gibt, eine Kirche die auf einer höheren Ebene existiert. Diese Kirche besteht aus jenen, die die schimmernde Oberfläche der Doktrin durchbrochen und gefunden haben, was sich dahinter verbirgt. Es ist dies eine Kirche mehrerer Welten, denn manche, die ihr angehören, leben unter uns, andere jenseits der Schwelle der physischen Welt.«

Waite scheint also die geheime Tradition nicht als eine »Bruderschaft« in der physischen Welt betrachtet zu haben, sondern als Gemeinschaft all jener Geister, die sich um eine spirituelle Wiedergeburt bemühten oder diese bereits erreicht hatten, mochten sie nun leben oder bereits tot sein. Von den letzteren, die die Vollendung erreicht hatten, sprach er als einer »Heiligen Versammlung« und glaubte von ihr, sie wirke aus einer geistigen Ebene in die Geschichte hinein, vor allem in die Geschichte all der esoterischen Strömungen, die in seinen Augen der geheimen Tradition angehörten. Und er war überzeugt, dass es in diese heilige Versammlung keine äußerliche Aufnahme gab, denn letztlich konnten sich die Kandidaten nur selbst Eintritt verschaffen.

Waites Verbindung mystischer Überzeugungen mit einem historischen Zugang zu überlieferten esoterischen Materialien übte im 20. Jahrhundert großen Einfluss aus. Selbst heute spielt dieser Ansatz laut Hanegraaff eine große Rolle in der Publizistik, die sich zwischen »esoterischer Religiosität« und »akademischer Forschung« bewegt. Die Grundannahme ist, dass Esoterik nicht auf äußere Organisationen verweist, sondern auf »innere geistige Dimensionen«, die hinter der exoterischen Oberfläche von Traditionen verborgen sind. Diese Vorstellung paralleler Welten war grundlegend für die Weltsicht des viktorianischen Okkultismus und ist es für viele Okkultisten bis heute. Sie erlaubte es dem Okkultisten, nach einer These Tanya Luhrmanns, der Hanegraaff hier folgt, die »Begrenzungen einer entzauberten Welt, die von physikalischen Gesetzen beherrscht wird«, zu akzeptieren, da er sich »mit Hilfe von Ritualen und Symbolen jederzeit vorübergehend in eine magische Welt flüchten konnte, die von den Gesetzen der Imagination beherrscht wird«. Das Verschwinden des Geheimnisses in dieser Welt wird kompensiert durch die Existenz einer magischen Welt voll von »reifizierten Imaginationen«, in der die Gesetze der Wissenschaft und Rationalität keine Geltung haben. Auf diese Weise erhalten die Okkultisten in einer entzauberten Welt Orte der Verzauberung aufrecht.

Diese Argumentation erinnert, dies sei hier angemerkt, doch sehr an die marxistische Auffassung, Religion sei Opium für das Volk und wäre sie das letzte Wort Hanegraafs zu diesem Thema, müsste man fast den ungeheuren Aufwand bedauern, der von ihm in die Erforschung eines Gebietes gesteckt wird, das dieser reduktionistischen Weltsicht nicht entgegengesetzter sein könnte. Denn könnte man dieselben Effekte, die Luhrmann und mit ihr offenbar Hanegraaff der »Imagination« des Okkultisten zuschreibt, nicht auch mit halluzinogenen Drogen oder anderen psychoaktiven Substanzen erreichen? Und ist der letzte Sinn des Okkultismus bzw. der Esoterik lediglich die Tröstung der Seelen, die ihr trauriges Dasein in einer durch die moderne Wissenschaft entzauberten Welt nicht ertragen und sich zeitweise aus ihr in eine illusionäre Welt »reifizierter Imaginationen« flüchten müssen? Und wie erklärt sich dann die Existenz des »Okkultismus« in einer nicht »entzauberten« Welt, also in der Zeit bis zum Beginn ihrer Entzauberung durch die Aufklärung? Durch mangelnde Aufklärung? Ist die westliche Esoterik also letztlich doch nichts anderes, als der Irrtum der Primitiven, die die Produkte ihrer Vorstellungskraft mit Inhalten der realen Welt verwechseln?

10. Das wüste Land

Wissenschaft und Naturphilosophie, welche die Erzählung von der alten Weisheit ablösten, brachten laut Hanegraaff auch das Zeitalter der Entzauberung mit sich, das Verschwinden alles Geheimnisvollen und Unberechenbaren aus der natürlichen Welt. Dieser historische Prozess ist von absolut zentraler Bedeutung für das Verständnis der Moderne und der Esoterik. Hanegraaff erinnert an die ursprüngliche Bedeutung dieses von Max Weber in die Diskussion eingeführten Begriffs. Nach Weber bedeutet die zunehmende »Intellektualisierung« und »Rationalisierung« der modernen Welt nicht, dass das Wissen über die Lebensbedingungen generell zunimmt. Sie bedeutet vielmehr die Überzeugung, dass, wenn man es wollte, man grundsätzlich alles begreifen könnte, dass es grundsätzlich keine mysteriösen, unberechenbaren Mächte mehr gibt, sondern dass man die Macht über alle Dinge besitzt, weil man sie berechnen kann. Das ist mit »Entzauberung der Welt« gemeint. Man muss nicht mehr wie der »Wilde«, für den jene geheimnisvollen Mächte existieren, auf magische Mittel zurückgreifen, um Macht über die Geister zu erlangen oder zu diesen beten. Technische Instrumente und Berechnungen tun es auch.

Die moderne Naturwissenschaft beruht in der Tat auf der Überzeugung, dass es in der Natur grundsätzlich und per definitionem nichts gibt, was unerklärlich und unberechenbar wäre, was also für immer außerhalb des menschlichen Erkennens und menschlicher Kontrolle läge. Die begriffliche Gestaltwerdung der Esoterik im Verlauf der Aufklärung kann man laut Hanegraaff als Folge des Entzauberungsvorganges sehen, von dem Weber spricht. Als »Abfallhaufen der Ausgrenzung« enthielt sie alles, was als inkompatibel mit einer entzauberten Weltsicht betrachtet wurde, die in der Wissenschaft und Rationalität verwurzelt ist. Aber zur gleichen Zeit wurde dieser Begriff der Esoterik als Gegentradition der Wiederverzauberung reifiziert, von Menschen, die erlebten, dass die Vertreibung des Geheimnisses die Welt jedes tieferen Sinns beraubte. Es ist bedeutsam, dass die berühmte Definition der Esoterik durch Antoine Faivre aus dem Jahr 1991 sich wie eine Definition der Verzauberung liest: in ihr stehen die Korrespondenzen der Kausalität gegenüber, die lebendige Natur einer mechanistischen Weltsicht, Imagination und Meditation mit ihrer vielschichtigen neuplatonischen Kosmologie einem Kosmos, der aus nichts als bewegter Materie besteht und die Transmutation, die spirituelle Wiedergeburt und Reintegration einer Vorstellung des Menschen als rein diesseitsorientierten, intelligenten Tieres.

Der Modernisierungsprozess ist demnach der Schlüssel für das Verständnis der Entstehung der Esoterik als eines Bestandteils der abendländischen Kultur. Die Kernidentität der modernen, nachaufklärerischen Gesellschaft und ihrer Repräsentanten, zu denen die Wissenschaftler gehören, verlangt nach einer negativen Gegenerzählung über die Bewegungen, Verhaltensweisen und Ideen, die dem Verschwinden des Unberechenbaren und Geheimnisvollen aus der Welt widerstreben, ja sie verlangt nicht nur nach einer solchen Gegenerzählung, sie setzt diese geradezu voraus. Die moderne Wissenschaft und Gesellschaft definieren sich als »modern«, indem sie sich von jeder Verbindung mit der Autorität der alten Weisheit abgrenzen. Aus diesem Grund ist die westliche Esoterik weit mehr, als nur ein Sammelsurium von Ideen, Verhaltensweisen und Bewegungen, die vernachlässigt oder übersehen wurden: gerade weil sie als »das Andere der Wissenschaft und Rationalität« gedacht wurde, hat sie die Funktion eines dunklen Gegenbildes angeblicher Rückwärtsgewandtheit, Unwissenheit oder Irrationalität, das die Modere benötigt, um sich selbst in um so strahlenderem Licht als Träger der Wahrheit erscheinen zu lassen. Kurz: Moderne Identitäten implizieren das Okkulte.

Einflussreiche Akademiker des 20. Jahrhunderts revoltierten gegen die Folgen der Entzauberung, indem sie eine neue Art von Wissenschaft vertraten, die auf die Romantik, den Idealismus und den Traditionalismus zurückgriff. Für sie war offensichtlich, dass die Entzauberung die Welt in ein wüstes Land verwandelt hatte, das von den Göttern verlassen war. In ihren Augen las sich die berühmte Prophetie des Asklepios über den Niedergang Ägyptens wie eine Beschreibung des modernen Europa: »Eine Zeit wird kommen … wenn die Götter sich von der Erde in den Himmel zurückziehen werden und Ägypten verwüstet sein wird. Das Land wird von den Göttern verlassen sein ... Dann wird dem Menschen, der seines Lebens überdrüssig ist, der Kosmos nicht mehr bewunderungswürdig oder anbetungswürdig erscheinen ... Die Finsternis wird dem Licht vorgezogen werden und der Tod dem Leben. Niemand wird mehr zum Himmel aufsehen. Religiöse Menschen gelten dann als verrückt und irreligiöse als weise. Die Wahnsinnigen werden als tapfer gelten, die Schurken als ehrsam ... Wie qualvoll wird dieser Rückzug der Götter von der Menschheit sein. Nur die Engel des Bösen werden unter uns bleiben. Sie werden sich mit den Menschen vermischen und sie zu allen Arten des Bösen und der Gewalt drängen: zu Krieg, Raub, Betrug und allem, was dem Wesen der Seele zuwider ist. In jenen Tagen wird die Erde nicht sicher sein und das Meer nicht befahrbar ... Jede göttliche Stimme wird verstummt sein. In der Luft wird eine schwere Lethargie liegen. So wird die Welt aussehen, wenn sie alt geworden ist: Abfall von der Religion, Chaos und Verirrung in Bezug auf alles, was gut ist.«

Das »wüste Land«, diese Metapher T.S. Eliots, kann aber nicht nur auf die entzauberte säkulare Welt angewendet werden, sondern auch auf den Zustand der Esoterik im »Zeitalter der Amateure«, als die Esoterik, von allen Gelehrten und Gebildeten verlassen, in jenen desolaten Zustand herabsank, in dem sie nur noch den Bedürfnissen der Masse nach Zerstreuung und seichter Unterhaltung diente. Es ist jenes Zeitalter zwischen der Aufklärung und dem 20. Jahrhundert, als die Esoterik durch eben jene Wissenschaftler wieder entdeckt wurde, die sich nun der Esoterikforschung widmen. Mit diesem Wiederaufstieg der Esoterik als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung im 20. Jahrhundert befasst sich das letzte Kapitel des vorliegenden Buches.

Fortsetzung folgt’

1 opmerking:

Anoniem zei

Wat een verhaal. De ene dag na de andere gaat voorbij.

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(Hilversum, 1960) – – Vanaf 2016 hoofdredacteur van ‘Motief, antroposofie in Nederland’, uitgave van de Antroposofische Vereniging in Nederland (redacteur 1999-2005 en 2014-2015) – – Vanaf 2016 redacteur van Antroposofie Magazine – – Vanaf 2007 redacteur van de Stichting Rudolf Steiner Vertalingen, die de Werken en voordrachten van Rudolf Steiner in het Nederlands uitgeeft – – 2012-2014 bestuurslid van de Antroposofische Vereniging in Nederland – – 2009-2013 redacteur van ‘De Digitale Verbreding’, het door de Nederlandse Vereniging van Antroposofische Zorgaanbieders (NVAZ) uitgegeven online tijdschrift – – 2010-2012 lid hoofdredactie van ‘Stroom’, het kwartaaltijdschrift van Antroposana, de landelijke patiëntenvereniging voor antroposofische gezondheidszorg – – 1995-2006 redacteur van het ‘Tijdschrift voor Antroposofische Geneeskunst’ – – 1989-2001 redacteur van ‘de Sampo’, het tijdschrift voor heilpedagogie en sociaaltherapie, uitgegeven door het Heilpedagogisch Verbond

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