Vandaag drie berichten uit het Duitse onderwijstijdschrift ‘Erziehungskunst’ over de ontwikkelingen van vrijescholen in respectievelijk China, Turkije en Egypte. Het eerste is uit juli 2011 van Nana Göbel en heet ‘Waldorf boomt in China’ (op 15 februari 2010 had ik al een vrijeschool in China te pakken in ‘Chengdu’):
‘Als die Waldorfpädagogen Ben und Thanh Cherry 1994 auf einer langen Asienreise die chinesische Stadt Chengdu besuchten, begannen sie in einem Teehaus ein Gespräch mit den Eigentümern, das sich bald der Frage einer zukünftigen Pädagogik zuwendete. Die Besucher aus Australien erzählten von ihrer Arbeit. Sie erzählten so eindrücklich, dass in den Teehaus-Besitzern Li und Xiao der Entschluss reifte, diese Pädagogik zunächst in England und dann in den USA zu studieren. Damit beginnt die Geschichte der Waldorfschul-Bewegung in China.
Als Li und Xiao nach dem Studium zurückkamen, gründeten sie zusammen mit Zewu, einem Grundschullehrer, 2004 den ersten Waldorfkindergarten mit fünf Kindern in Chengdu. 2005 eröffnete Bei, die ein Jahr lang am Emerson College in England studiert hatte, einen Kindergarten in Beijing. 2006 begann ein Kindergarten in Guangzhou.
Weitere Vorarbeit hatte ein ehemaliger Waldorfschüler aus Hamburg geleistet: Eckart Löwe lernte schon als Schüler Chinesisch und absolvierte ein Jahr seines Architekturstudiums in China. Ab 1996 ging er immer wieder dorthin zurück; seit 1999 vertritt er die »Freunde der Erziehungskunst« in China. Er begann, sich um pädagogische Fragen zu kümmern, insbesondere in der abgelegenen Bergregion von Nanning. Mit dieser Arbeit und seinem 2002 im Internet veröffentlichten Buch über Waldorfpädagogik wurde er berühmt. Er hat dafür gesorgt, dass die Waldorfpädagogik in China immer bekannter wurde.
Günstiger Augenblick
Diese Gründungsphase fiel in eine Zeit, in der erste zaghafte Versuche für Unterrichtsreformen in China unternommen wurden. Ein Erziehungskatalog ersetzte die alten Festlegungen der zentralen Schulbehörde, das Vermitteln von Wissen trat etwas in den Hintergrund, neue Bereiche wie das Gefühl pflegende Handlungen im Schulalltag sollten eingeführt werden, Lernprozesse statt Abprüfen von Ergebnissen, Schülerzusammenarbeit und Projektarbeit, Vielfalt bei der Wahl des Lehrmaterials. 1979 hatte die Kommunistische Partei die Ein-Kind-Politik eingeführt, um das Bevölkerungswachstum einzudämmen. Die heutigen Eltern haben in ihrer eigenen Jugend die Auswirkungen dieser Politik zu spüren bekommen und wissen, was es bedeutet, als »Goldschatz« von sechs Erwachsenen (zwei Eltern und vier Großeltern) und ohne Gleichaltrige aufzuwachsen. Sie kennen die Grenzen eines Aufwachsens ohne sozialen Bezug zu Geschwistern, die Einsamkeit im Kindesalter und den überfordernden Erwartungs- und Leistungsdruck, der sich daraus ergibt. Schließlich ruhen auf ihnen alle Hoffnungen. Die heutigen Eltern haben die Kulturrevolution nicht mehr am eigenen Leib erlebt, wohl aber die ausschließlich leistungsorientierte und akademisch ausgerichtete chinesische Staatsschule, bei der Drill und Auswendiglernen den Schulalltag bestimmt haben. Diese Erfahrung möchten sie ihren eigenen Kindern nicht zumuten und suchen nach Alternativen.
Inzwischen kann jeder Chinese im Internet nach Alternativen suchen und findet dort Erziehungsratgeber der verschiedensten Couleur. Meistens entdecken junge Eltern die Montessori-Pädagogik und machen damit einige Erfahrungen. Wenn sie dann weitersuchen, stoßen sie auf Ratgeberseiten zur Waldorfpädagogik, auf Berichte aus den Kindergärten oder auf Mitschnitte von Konferenzen. Schnell entsteht der Wunsch, in der eigenen Stadt einen Waldorfkindergarten zu haben. Sie suchen nach Ausbildungsmöglichkeiten, entdecken die Ausbildungskurse in Chengdu und gründen selbst einen Waldorfkindergarten.
Hundert Kindergärten in sieben Jahren
Heute gibt es rund 100 Kindergartengruppen, die nach der Waldorfpädagogik arbeiten wollen, dabei ist erst 2004 der erste gegründet worden. Alle Kindergärtnerinnen, die ich in China kennen gelernt habe, möchten ihre Arbeit sehr gut machen und haben einen riesigen Lernhunger. Nirgends sonst habe ich so bewegliche und lernwillige, veränderungsbereite Menschen kennen gelernt wie dort. Um diesem Bedarf einigermaßen gerecht zu werden, gibt es inzwischen drei Ausbildungszentren, in Chengdu, in Beijing und in Guangzhou, an denen man Blockkurse besuchen kann. Thanh Cherry wurde von uns freigestellt, um diese Arbeit zu koordinieren und dafür zu sorgen, dass die Kindergärten mit Mentoren versorgt werden.
2006 entstand die erste Waldorfschule in Chengdu und Zewu wurde der erste Klassenlehrer. Natürlich gab es bereits einiges Material auf Chinesisch, weil die Waldorfschulbewegung in Taiwan bereits Wurzeln geschlagen hatte, vieles musste aber selbst erobert werden. Die Schule entstand durch eine Gruppe hoch motivierter Freunde, die unter einfachsten Bedingungen in einem fast leerstehenden alten Haus anfingen. Heute ist die Millionenstadt um diesen Ort herumgewachsen, umringt von 20-stöckigen Hochhäusern. Aus dem kleinen Schülchen ist eine Schule von der 1. bis zur 8. Klasse geworden, mit einem eigenen – durch viele Spender aus Deutschland ermöglichten – Schulhaus, das die Voraussetzung für die Genehmigung ist. Während es als schick gilt, sein Kind in einen Waldorfkindergarten zu schicken, braucht die Entscheidung für die Waldorfschule noch Mut, den aber immer mehr Eltern aufbringen.
Nun könnte man denken, dass die Schulbewegung nicht so schnell wachsen würde, da sie noch keine legale Grundlage hat. Dem ist aber nicht so. Insbesondere in der Provinz Guangdong haben bereits mehrere Schulen mit der Arbeit begonnen, intensiv begleitet von Evelyn Lang. Sie hat die Lehrer der 2007 gegründeten Schule in Guangzhou so geschult, dass dort ein Waldorf-Kompetenz-Zentrum für China entstanden ist.
Gemeinsam mit Ben Cherry und drei chinesischen Kollegen begleitet und koordiniert sie die Lehrerausbildung. Dieses Team haben wir im September 2010 während der ersten chinesischen Waldorflehrertagung gebildet, da die schnell wachsende Bewegung bewusstseinsmäßig begleitet werden muss. Das Leben ist in China alles andere als spannungsfrei und so hat sich die Bildung dieser Gruppe bereits heute schon als hilfreich erwiesen.’
Nurtac Perazzo en Peter Lang berichtten in juni 2010 over ‘Waldorfpädagogik fasst Fuß in der Türkei. Das Erzieherseminar in Istanbul’:
‘Im Herbst 2008 gründete ein kleiner Kreis von Menschen in Istanbul den Verein »Egitim sanati Doslari Dernegi« (»Freunde der Erziehungskunst«). Mit dabei waren Pädagogen aus Hamburg und Stuttgart. Das Ziel wurde von einer türkischen Lehrerin etwa so formuliert: »Wenn wir unsere Kinder auf die Aufgaben der Zukunft vorbereiten wollen, dann darf Erziehung nicht nur den Intellekt fördern, dann müssen Denken, Fühlen und Wollen in ein gesundes Verhältnis kommen.«
Der Vereinsgründung vorausgegangen war ein über einige Jahre dauernder Schüleraustausch zwischen dem Istanbuler Gymnasium »Istanbul Erkek Lisesi« und der Hambuger Waldorfschule in Bergstedt. Schon bei der Vereinsgründung im Herbst 2008 tauchte der Gedanke auf, einen öffentlichen Kongress in Istanbul zu veranstalten, um zu sehen, wie groß das Interesse an Waldorfpädagogik in dieser 15 Millionen Einwohner zählenden Stadt ist. Die Resonanz kam aus dem ganzen Land. Im März 2009 reisten rund 200 Menschen zu dieser ersten türkischen Großveranstaltung über Waldorfpädagogik an: Mütter, die für ihre bald schulpflichtigen Kinder nach einer pädagogischen Alternative zum rigiden öffentlichen Pauksystem suchten, Erzieherinnen und Lehrer auf der Suche nach Anregungen für ihre pädagogische Arbeit, Studentinnen der Pädagogik, die an ihren Universitäten nichts über diese Form der Pädagogik hörten. (Die Erziehungskunst berichtete darüber in Heft 5/2009 – den Artikel können Sie hier herunterladen.)
Das Waldorferzieher-Seminar entsteht
Beim Kongress konnten sich Teilnehmer, deren Interesse an Waldorfpädagogik über die Veranstaltung hinausreichte oder die sich vorstellen konnten, an einer berufsbegleitenden Waldorf-Erzieherausbildung teilzunehmen, in eine Liste eintragen – am Ende standen 80 Namen darauf. Im September 2009 begann das Erzieher-Seminar in Istanbul mit 28 Teilnehmerinnen und einem Teilnehmer. In monatlichen Wochenendseminaren, ergänzt durch vier einwöchige Kurse, arbeiten wir seit zwei Jahren zusammen. Die Dozenten kommen aus verschiedenen deutschen Städten, wobei wir das Glück haben, in unserem Kreis mit Nurtac Perazzo auch eine türkische Pädagogin zu haben. Sie ist Waldorferzieherin und Diplompädagogin. Nurtac, die in Berlin lebt, unterrichtet nicht nur regelmäßig am Istanbuler Seminar, sie hat aufgrund der starken Nachfrage auch damit begonnen, in verschiedenen Städten der Türkei waldorfpädagogische Arbeitsgruppen für Eltern und Erzieher aufzubauen. Bemerkenswert ist, dass in diesen Elterngruppen auch viele Väter dabei sind, die auf möglichst rasche Veränderungen drängen. So wollte ein Vater nach einem Elternabend zu Hause das gesamte Plastikspielzeug seiner Kinder wegwerfen und durch Waldorfpuppen und Stofftiere ersetzen wenn es diese denn schon gäbe! Ein Kreis von türkischen und in Istanbul lebenden deutschen Seminar-Teilnehmerinnen arbeitet daran, in Istanbul eine Waldorf-Spielgruppe einzurichten, mit dem Ziel, bald einen Waldorfkindergarten zu gründen.
Brücke zwischen Asien und Europa
Im vergangenen Jahr hat Tarhan Onur die »Erziehung des Kindes vom Gesichtpunkte der Geisteswissenschaft« von Rudolf Steiner ins Türkische übersetzt und herausgegeben. Weiterhin gibt es bereits einige Übersetzungen aus der Broschürenreihe: »Recht auf Kindheit – Ein Menschenrecht«, die nun auch in Deutschland bezogen werden können. In Deutschland leben etwa 3,5 Millionen Menschen mit türkischem Lebens- und Kulturhintergrund. In unseren Waldorfkindergärten spielen türkische Kinder, an den Seminaren und in den deutschen Waldorfkindergärten studieren und arbeiten Menschen, die als Kinder mit ihren Eltern aus der Türkei eingewandert oder in Deutschland in türkische Familien hineingeboren wurden – und es gibt mehr und mehr deutsch-türkische Familien, die sich für Waldorfpädagogik interessieren. Waldorfpädagogik ist ein Erziehungs- und Bildungsangebot für alle Kinder in der Welt. Die Arbeit am Seminar in Istanbul, die Elternarbeit in türkischen Städten wie Mudanya, Izmir und Bodrum, die Begegnungen der deutschen Dozenten mit türkischen Pädagogen und ein sich aufbauender Grundstock von ins Türkische übersetzter waldorfpädagogischer Literatur – all das sind kleine, aber wichtige Bausteine, damit Menschen unterschiedlicher Kulturen sich begegnen und gemeinsam von einander und miteinander lernen können. Istanbul ist in diesem Jahr europäische Kulturhauptstadt und diese Stadt ist wie keine andere als eine Brücke zwischen Europa und Asien zu verstehen.’
Tot slot het verhaal van Bijan Kafi uit juli 2010, ‘Eine Waldorfschule mit staatlichem Lehrplan in Ägypten’:
‘Die SEKEM-Initiative versucht, in Ägypten eine ganzheitliche und persönlichkeitsorientierte Allgemeinbildung zu verwirklichen und dabei die Balance aus kultureller Sensibilität und Wertpluralismus zu halten.
Die ägyptische Initiative SEKEM fördert die soziale und materielle Entwicklung in Ägypten. Sie unterstützt Arme und Benachteiligte durch vielfältige Bildungsangebote, die zum großen Teil auf der Waldorfpädagogik beruhen. Die »SEKEM-Schule« wagt dabei den Spagat zwischen engen staatlichen Vorgaben und einer liberalen Pädagogik.
192 Länder haben die UN-Konvention für die Kinderrechte seit 1966 ratifiziert. Sie verankert die Bildung des Kindes in den Menschenrechten. Doch bis heute ist umstritten, wie eine verbindliche Balance aus kultureller Flexibilität und universellen Rechten international gewährleistet werden kann. Die SEKEM-Schule bietet darauf eine mögliche Antwort. Mit ihrer Gründung hat Ibrahim Abouleish 1989 den Grundstein für eine ganzheitliche, persönlichkeitsorientierte und kulturell liberale Allgemeinbildung in Ägypten gelegt. Damit ist die SEKEM-Schule bis heute etwas Besonderes in Ägypten geblieben. Die Schule, die von einem Kindergarten ergänzt wird und rund 300 Schülern primäre und sekundäre Allgemeinbildung bietet, ist als reguläre Bildungseinrichtung anerkannt. Sie arbeitet jedoch in wesentlichen Aspekten nach der Waldorfmethodik und möchte ihren Einfluss langfristig ausbauen. Ob das ägyptische Privatschulrecht diese Pädagogik auch offiziell anerkennen wird, ist jedoch unsicher.
Die ägyptische Regierung überprüft die SEKEM-Schule und ihre Lehrpläne wie jede andere staatliche Einrichtung. »Wir können keinen Epochenunterricht durchführen; Stunden- und Zeitplan sind genau vorgegeben«, sagt Rafik Costandi, Oberstufenlehrer in SEKEM. »Fächer wie Kunst oder Handwerk werden hingegen wohlwollend aufgenommen.« Die Umsetzung des staatlichen Lehrplans und der Prüfungszeiten garantiert allen Schulabgängern anerkannte Zeugnisse. Der Besuch der Moschee gehört ebenfalls zum Ausbildungsprogramm. Zusatzangebote wie Musik-, Kunst-, oder handwerkliche Erziehung unterliegen keiner Prüfung. Sie bieten Raum für neue pädagogische Ansätze, wie gemeinschaftliche künstlerische Darstellung sowie Musik- und Werkunterricht in Häkeln, Stricken, Gartenbau oder Handwerk. Der einzelne Schüler soll als Mensch im Einklang mit seinem in Ägypten besonders gepflegten sozialen Gefüge gefördert werden. Außerdem betont die SEKEM-Schulpädagogik das praktische Lernen – ein Novum im theorielastigen ägyptischen Schulsystem.
Den vollständigen Artikel finden Sie in der Druckausgabe der Erziehungskunst 07/08 2010.’
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