Lorenzo Ravagli is met iets bijzonders bezig. Hij verlaat zich daarbij volledig op Wouter Hanegraaff. Maar dat is ook zijn bedoeling. Zijn ‘Anthroblog’ dient hiertoe. Voordat ik daar naar overschakel, wil ik eerst even refereren aan onderzoeker Peter Staudenmaier. Hem citeerde ik uitvoerig op maandag 19 maart in ‘Scaligero’. Op 7 februari liet hij op het discussieforum ‘Waldorf Critics’ het volgende weten over een ‘new book on esotericism and the academy’:
‘A few months ago I mentioned a forthcoming book by Wouter Hanegraaff, Esotericism and the Academy: Rejected Knowledge in Western Culture. It has just been published by Cambridge University Press. The table of contents and other materials are available here:
http://www.cambridge.org/aus/catalogue/catalogue.asp?isbn=9780521196215&ss=fro
Several listmates are already familiar with Hanegraaff’s work; it is among the very best current historical scholarship on Western esotericism. For those who haven’t read his books or articles, I highly recommend them, both for non-esotericists interested in learning more about the broader milieu to which anthroposophy belongs, and for esotericists who are not convinced that external scholars are out to destroy their movement. His new book examines the longstanding trend within the academic world of marginalizing and disregarding esoteric worldviews, and argues that scholars and others would do well to take the intellectual history of occult thought seriously. Greetings to all,
Peter S.’
Wouter Hanegraaff hebben we hier vaker ontmoet, weliswaar
meestal indirect, maar toch kwam hij voor in ‘Esoterie anders’ op 27 augustus 2010, ‘Punt’ op 13 januari 2011 en ‘Discussie’ en ‘Onderzoeksdagen’ op respectievelijk 13 en 28 januari van dit
jaar. En dan nu weer Lorenzo Ravagli. Daarvoor zou ik ook naar die ‘Esoterie anders’ kunnen verwijzen, of anders naar ‘Op dreef’ op 29 september 2011, waar ik schreef:
‘Ik ga door met Lorenzo Ravagli, want hij is momenteel weer aardig productief. Hij voegt steeds nieuwe teksten toe aan zijn website “anthroweb” en op zijn “anthroblog”. Ook in aanvulling op wat ik van hem aanhaalde op 27 augustus 2010 in “Esoterie anders”. Zo heb ik hier een serie van vier bijdragen, begonnen op 18 september met “Theosophie I”, getiteld “Arthur Versluis über die verborgenen Dimensionen des Christentums”’.
Dat waren trouwens niet de laatsten, er volgden nog deel V
tot en met XI. Die kunt u bij hem daar ter plekke vinden. Er kwam meer, want Ravagli
maakt een soort uitgebreide uittreksels van de boeken die hij leest en zet die
op zijn weblog, vaak in vervolgdelen. Zo ook een vervolg op wat ik diezelfde 29
september 2011 aanhaalde, namelijk op
‘27 september kwam Ravagli nog met een andere uiterst interessante bespreking, die hij “Die Realität der imaginativen Welt” noemde: “Henry Corbins Beitrag zur Rehabilitierung einer verdrängten Erkenntnisform”’
Die vervolgen lopen nu nog, en kruisen op een gegeven moment
ook de afleveringen over ‘Theosophie’. Uiterst interessant, want die handelen voor een flink deel over esoterie in de islam. Maar vandaag zou
het gaan over Wouter Hanegraaff. Dus daar gaat-ie. Op 8 maart begon Ravagli met
‘Wissenschaft und Esoterik I’:
‘Die Geschichte der Wahrheit. Das alte Wissen wird wieder entdeckt
1. Konkurrierende Metaerzählungen
Das kürzlich erschienene Buch »Esotericism and the Academy« von Wouter J. Hanegraaff ist keine Geschichte der Esoterik, sondern eine Geschichte der Vorstellungen, die sich Gelehrte und Wissenschaftler im Lauf der Geschichte von der Esoterik gebildet haben. Es ist eine Diskursgeschichte, die unser kulturelles Gedächtnis und die Entstehung unseres heutigen wissenschaftlichen Selbstverständnisses untersucht. Hanegraaffs Buch stellt die mit reichem historischem Material unterfütterte Ausarbeitung von Thesen dar, die er 2005 in einem Aufsatz mit dem Titel »Verbotenes Wissen: Anti-Esoterische Polemik und akademische Forschung« vorgetragen hat.
Das weite Feld der »Esoterik« diente laut Hanegraaff immer als Projektionsfläche für Hoffnungen und Ängste, die das »Andere« des wissenschaftlichen Selbstes darstellten, das sich im Verlauf des Diskurses über ebendiese Esoterik herausbildete. Unsere heutige Identität als Wissenschaftler oder Akademiker hängt, so Hanegraaf, auf fundamentale Weise von der impliziten Zurückweisung des artifiziellen Zerrbildes dieser Identität ab. Die imaginären Konstrukte des »Esoterischen« oder »Okkulten« sind Gegenkonstrukte des wissenschaftlichen Bewusstseins – und wenn sich durch eine historische Analyse herausstellen sollte, dass dieses »Andere« anders ist, als wir es uns immer vorgestellt haben, zieht das gravierende Konsequenzen für unser Selbstverständnis nach sich.
In der italienischen Renaissance entstand gleichzeitig mit der Geschichte der Esoterik die »Geistesgeschichte« als wissenschaftliche Disziplin. Die Wiederentdeckung der klassischen Antike veranlasste die Protagonisten dieses großen Projektes, das Verhältnis von menschlichem Denken und göttlicher Offenbarung grundlegend neu zu denken. Da sich in der Geschichtsschreibung noch keine kritische Neutralität etabliert hatte, entfaltete sich diese Unternehmung im Rahmen theologischer und metaphysischer Vorannahmen, als Versuch, die Geschichte der Wahrheit zu schreiben. Gesucht wurden die Quellen wahrer Erkenntnis und Weisheit, erwiesen werden sollte die Übereinstimmung dieser Quellen mit der wahren Religion, dem Christentum.
Im Zuge der Auseinandersetzungen über diese Fragen entstanden drei große Metaerzählungen, die miteinander um die Deutung der neu entdeckten antiken Quellen konkurrierten: 1. die Erzählung von der »prisca theologia«, der ursprünglichen Theologie, nach der die ältesten Quellen die reinste Offenbarung enthielten, 2. die Erzählung von der »philosophia perennis«, der ewigen Wahrheit, die jederzeit erreichbar, aber oft genug verschleiert war, und 3. die Erzählung von der »pia philosophia«, der heidnischen Weisheit als einer Vorschule des Christentums. Jede der drei Erzählungen versuchte auf unterschiedliche Art die Frage nach dem Verhältnis der neu entdeckten heidnischen Weisheit zur Offenbarungsreligion zu beantworten. Gemeinsam war ihnen der Bezug auf die vorchristliche Weisheitsoffenbarung und der apologetische Rahmen, in dem sie sich bewegten. Erst der antiapologetische Diskurs, der von protestantischer Seite in Gang gesetzt wurde, sollte die große Erzählung von der »Urweisheit« im 17. Jahrhundert aus ihrer herrschenden Stellung verdrängen. Seither fristete sie nur noch ein Dasein als offiziell diskreditierte Gegentradition.
Der Begriff der »prisca theologia« wurde erstmals von Marsilio Ficino verwendet, die »philosophia perennis« geht auf seinen Zeitgenossen Agostino Steuco zurück. Obwohl diese Begriffe seit den 1960er Jahren eine bedeutende Rolle in den Diskussionen über die Geschichte der Esoterik spielten, hat sich mit Ausnahme von Ch. B. Schmitt, einem Renaissancehistoriker, noch niemand um eine ernsthafte Definition ihrer Bedeutung bemüht. Nach Schmitt besagt die »prisca theologia«, dass die wahre Weisheit schon vor der griechischen Philosophie bestanden habe und auf Weise wie Zarathustra, Hermes Trismegistos und Orpheus zurückgehe. Diese hätten ihr Wissen von Moses bezogen und daher eine hohe Autorität besessen. Die Weisheit, die die Alten (prisci) empfangen hatten, kam von ihnen über Orpheus, Aglaophamus und Pythagoras zu Plato.
Geht man von dieser Voraussetzung aus, dann stellt die Wiederentdeckung von Schriften, die Zarathustra, Hermes und Orpheus zugeschrieben wurden, eine Sensation mit milleniaristischen Untertönen dar. Das erste Mal in der Geschichte erhielten Christen Zugang zu den ältesten und damit authentischsten Quellen wahrer Religion und Philosophie. Hier musste die Vorsehung im Spiel sein, die der Menschheit einen Weg zur Reform des Christentums zeigen wollte.
Die Idee der »philosophia perennis« geht zwar auch davon aus, dass die Weisheit aus Urzeiten stammt und dieselben Genealogien durchlief, betont aber, dass es durch alle Zeiten hindurch gültiges Wissen gegeben habe, das immer zugänglich war, ewige, unveränderliche Wahrheiten, die allein durch die Schuld der Menschen manchmal in Vergessenheit gerieten. »Philosophia perennis« betont die Zeitlosigkeit und Allgemeingültigkeit der Weisheit, während die »prisca theologia«, vom Verfall und Niedergang der Uroffenbarung ausgeht. Nach Hanegraaff ist es kein Zufall, dass Steuco sein Buch »De perenni philosophia« 1540, wenige Jahre vor dem Konzil von Trient verfasste, als Katholiken und Protestanten darum konkurrierten, die Kirche durch eine Rückkehr zu ihren höchst unterschiedlich verstandenen Ursprüngen zu reformieren. Im Gegensatz dazu ging es Steuco nicht um Reformation, also Erneuerung, sondern um Bewahrung, also Tradition. Steuco sah sich in Übereinstimmung mit Augustinus, der bereits der Überzeugung Ausdruck verliehen hatte, die wahre Religion habe bereits bei den Alten bestanden und seit dem Erscheinen Christi im Fleisch den Namen Christentum angenommen.
Zwei Erzählungen standen sich also gegenüber: eine Abstiegserzählung, die eine authentische Uroffenbarung an den Anfang der Zeiten setzte, die im Verlauf der Geschichte verloren gegangen war, jetzt aber wiederhergestellt werden konnte. Und eine geschichtslose Erzählung, die davon ausging, dass die ewige Wahrheit für alle Zeiten bestand und dass geschichtlicher Wandel und Fortschritt bedeutungslos seien.
Schließlich gab es aber noch eine dritte Erzählung, die Aufstiegserzählung der »pia philosophia«. Nach ihr hatten die alten Weisen durch göttliche Gnade gewisse Einblicke in die Wahrheiten des Christentums erhalten und diese prophetisch vorausverkündet. In der Geschichte gab es also Entwicklung und Fortschritt vom Unvollkommenen zum Vollkommenen hin, wenn dieser auch mit dem Erscheinen Christi auf Erden zum Abschluss gekommen war. Darin lag aber zugleich das Problem dieser dritten Erzählung: sie bezog sich auf Geschehnisse, die für die Gegenwart keine wirkliche Relevanz mehr besaßen.
Die drei Metaerzählungen enthielten drei sich gegenseitig ausschließende Paradigmen: Evolution, Degeneration und Kontinuität (oder Stillstand).
Die Aufstiegserzählung der »pia philosophia«, die in der alten Weisheit eine Vorbereitung auf das Evangelium sah, war orthodox, setzte aber die Bedeutung der neu entdeckten Texte herab, denn alles, was sie enthielten, musste im Christentum besser und vollkommener offenbart worden sein. Und was in der christlichen Offenbarung nicht enthalten war, konnte nur heidnischer Irrtum sein.
Die geschichtslose Erzählung der »philosophia perennis« sah im Christentum ebenfalls die ultimative Weisheitsoffenbarung und interessierte sich für die neuen Texte höchstens, weil sie neue Bestätigungen für die bereits erkannte Wahrheit enthielten.
Das größte revolutionäre Potential enthielt die Abstiegserzählung der »prisca theologia«, weil in ihr das Älteste das Vollkommenste war, was die Exklusivität und den Wahrheitsanspruch des Christentum als jüngerer religiöser Offenbarung gefährdete. Entweder war es überflüssig oder eine Niedergangserscheinung. Drohte von den heidnischen Weisheitstexten möglicherweise die Zerstörung des Christentums und die Wiedergeburt einer universellen heidnischen Religion?
Hinzu kam eine gewisse Zweideutigkeit des Weisheitsdiskurses in bezug auf das Verhältnis von Philosophie und Theologie. Die alten Theologen waren in Wahrheit Philosophen, aber die »philosophia perennis« sollte die Grundlage einer universalen Religion sein. Anhänger der alten Weisheit konnten sich zu Philosophen erklären, wenn sie von Theologen angegriffen wurden und sich unter Hinweis auf göttliche Offenbarung philosophischer Kritik entziehen.
Die Frage, die Hanegraaff hier stellt ist: Wo lagen die Ursprünge der großen Erzählung von der alten Weisheit und wie wurde sie zur Gründungserzählung der westlichen Esoterik, die vom 15. Jahrhundert an bis in die Gegenwart Bestand hatte? Um diese Frage zu beantworten, müssen die Ursprünge der abendländischen Philosophie untersucht werden.
Fortsetzung...
Wouter Hanegraaff, Esotericism and the Academy: Rejected Knowledge in Western Culture’
Het volgende deel, op 15 maart, heet eenvoudigweg ‘Wissenschaft und Esoterik II’:
‘2. Vorgeschichte: Orientalisierender Platonismus
Laut Hanegraaff faszinierte die Renaissanceplatoniker nicht der historische Plato, sondern das Bild Platos, das die religiösen Denker der Spätantike geschaffen hatten. Die Philosophen des Mittel- und Neuplatonismus formten die platonische Philosophie in eine »religiöse Weltsicht mit eigener Mythologie und eigenen Riten« um, und konzentrierten sich auf den Erwerb einer erlösenden Erkenntnis (gnosis), durch die die Seele sich aus der Bindung an die Materie befreien und mit dem göttlichen Geist vereinigen konnte. Dieser Grundzug war für alle gnostischen, hermetischen und theurgischen Strömungen der Spätantike charakteristisch und nach diesem Modell verstanden die Renaissanceplatoniker ihren Platonismus.
Die Umformung der Philosophie in Religion, Mythologie und Ritual war laut Hanegraaff für die Philosophiehistoriker stets ein Stein des Anstoßes. John Dillon sprach von der »Unterwelt des Platonismus«, die von »sub-philosophischen Phänomenen« bestimmt gewesen sei. Dass die okkulten Spekulationen des Neuplatonismus nichts mit Philosophie zu tun hatten, galt als selbstverständlich. Auch Festugière, der Herausgeber des »Corpus Hermeticum«, verbarg seine Verachtung für die »abergläubische Pseudophilosophie« des Hellenismus nicht, in der er eine »Verfallsform des Rationalismus« sah. Und die Einführung theurgischer Rituale in die Philosophie durch Iamblichus bezeichneten Historiker des 20. Jahrhunderts als »unlösbares Rätsel«, obwohl Iamblichus weitaus typischer für seine Zeit war, als Plotin, der auf solche Rituale verzichtete.
Solche »normativen Vorurteile«, die befremdliche religiöse Praktiken mit dem Maßstab der rationalistischen Philosophie messen und moderne Stereotypen des Okkulten anachronistisch in die Vergangenheit projizieren, verunmöglichen nach Hanegraaffs Auffassung ein Verständnis der Ursprünge des Narrativs von der alten Weisheit. Vermieden werden muss auch der Fehler, diesen Traditionen einen seriösen philosophischen Gehalt abzusprechen, nur weil sie als religiös oder, »noch schlimmer«, als »okkult« klassifiziert werden. Dass die meisten Neuplatoniker Theurgie praktizierten oder wenigstens guthießen, disqualifiziert sie nicht als Philosophen. Und man wird die gnostische, hermetische und neuplatonische Form von Religiosität nicht verstehen, wenn man ihre philosophischen Begründungen ignoriert.
Hanegraaff schlägt als Typenbegriff für das zu untersuchende Milieu »platonischen Orientalismus« vor. Für diesen ist die Auffassung des Pythagoräers Numenius von Apamea kennzeichnend, der bei seiner Suche nach philosophischer Erkenntnis nicht bei Plato stehenblieb, sondern zu Pythagoras und jenen Völkern zurückging, die mit Plato angeblich übereinstimmten, nämlich zu den »Brahmanen, Juden, Magiern und Ägyptern«. Diese Ansicht ist typisch für seine Zeit: die ältesten barbarischen Völker besaßen eine reine und überlegene Wissenschaft und Weisheit, die nicht menschlicher Vernunft, sondern unmittelbarem mystischem Zugang zum Göttlichen entsprungen war. Alles, was Plato und die anderen griechischen Philosophen wussten, stammte von diesen Vorgängern. Die gesamte griechische Philosophie stammte aus orientalischen Quellen und den Ägyptern wurde die Ehre zugesprochen, sie begründet zu haben. Philosophie aber wurde nicht als Wissen aus reiner Vernunft verstanden, sondern als göttliche Weisheit und Rettung der Seele.
Dass der Platonismus eine »alte göttliche Weisheit war, die aus dem Orient stammte«, darin bestand die gemeinsame Überzeugung der hellenistischen Mysterienphilosophen. Die alten Perser, so die verbreitete Auffassung im Hellenismus, hatten ihre Philosophen als Magier bezeichnet. Zoroaster war ein persischer Weiser, der irgendwann im sechsten Jahrtausend vor Christus gelebt hatte, manche seiner Schriften existierten immer noch und bewiesen seine Kenntnisse in Astrologie. Er hatte etwas mit den Chaldäern zu tun, denn Pythagoras war bei ihm in Babylonien in die Schule gegangen. Andere Werke bewiesen, dass die alten Perser Meister der okkulten Wissenschaften waren. Ähnliche Auffassungen gab es über Hermes Trismegistos und eine Reihe weiterer Weiser anderer Völker. Dass Plato sein Wissen von den Persern erhalten hatte, darauf deutete eine Bemerkung im Alkibiades, in dem Sokrates von der Magie Zoroasters als einer Form des Gottesdienstes spricht. Viele weitere Quellen unterstützten solche Auffassungen, unter anderem Historiker wie Diodorus Siculus oder Plutarch, aber auch Neuplatoniker wie Iamblichos und Proklos. Die Gelehrten der Renaissance, die diese Traditionen wiederentdeckten, betrachteten die »Chaldäischen Orakel« als authentisches Werk Zoroasters und die hermetischen Schriften als Werke des Hermes Trismegistos. Der Typenbegriff »platonischer Orientalismus« scheint demnach gerechtfertigt.
Es ist daher nicht überraschend, wenn die Platoniker der Renaissance die Vorstellung von der »alten Weisheit« übernahmen. Da all ihre Quellen in der Auffassung übereinstimmten, der Platonismus habe seinen Ursprung im Orient, wäre es geradezu unplatonisch gewesen, nicht von der Existenz einer »prisca theologia« oder einer »philosophia perennis« überzeugt zu sein, oder den rituellen Praktiken und okkulten Künsten der alten Religionen jeglichen Wert abzusprechen. Und da alle alten Weisen ein und derselben zeitlosen und universellen Tradition anzugehören schienen, war es nur logisch, auch die platonischen Dialoge so zu lesen, wie der Mittel- und der Neuplatonismus dies getan hatten. Aus der Sicht Ficinos sprach Plato durch die Abhandlungen Plotins, – ja Plato und Plotin waren beide keine originalen Denker, sondern lediglich Sprachrohre ein und derselben alten Weisheit, deren Urheber letztlich Gott war.
Wie war es möglich, dass die Platoniker der Renaissance ein so uneingeschränktes Bekenntnis zur alten heidnischen Religion mit dem Christentum für kompatibel hielten und sogar als Voraussetzung für ein wirkliches Verständnis des Christentums betrachteten?
3. Vorgeschichte: Christliche Apologetik
Die Gründe dafür sind laut Hanegraaff in der apologetischen Tradition zu suchen. Unter Apologetik versteht man »die polemische Verteidigung der Überlegenheit der eigenen Überzeugungen gegenüber anderen«. Apologetik und Polemik sind nicht voneinander zu trennen. Indem man die eigene Position verteidigt, zieht man die der anderen in Zweifel, indem man die Positionen der anderen als falsch erweist, nimmt man für die eigene in Anspruch, richtig zu sein. Daher ist jede Art von Apologetik implizit polemisch und jede Art von Polemik implizit apologetisch.
Das »symbolische Kapital« um das die Beteiligten stritten, war die »Tradition«. Die antiken Kontrahenten erhoben mit unterschiedlichen Genealogien Ansprüche auf dieses symbolische Kapital. So konnte der eine behaupten, die gesamte griechische Philosophie habe ihren Ursprung in Ägypten (Hekateus von Abdera), während ein anderer diesen Anspruch zurückwies und behauptete, nicht nur die Philosophie, sondern auch die Geschichte der Menschheit habe erst mit den Griechen begonnen (Diogenes Laertios). Andere Autoren beanspruchten die höchste Weisheit für ihr eigenes Volk: Berossus für die Babylonier, Manetho für die Ägypter, Philo von Byblos für die Phönizier. Allen war die Überzeugung gemeinsam, Alter sei mit Überlegenheit gleichzusetzen. Was neu war, war historisch bedeutungslos. Nichts konnte neu und zugleich wahr sein. Das älteste war auch das beste, die Gegenwart eine Phase des Niedergangs, der tiefste Punkt eines Kreislaufs, die Alten standen den Göttern und dem Anfang der Dinge näher und wussten daher auch besser über sie Bescheid.
Für eine neue Religion wie das Christentum war diese in der Antike verbreitete Auffassung natürlich ein Problem. Um den Anspruch der Überlegenheit gegenüber dem Heidentum zu rechtfertigen, mussten die christlichen Apologeten daher das Kunststück vollbringen, die vollkommen neue frohe Botschaft zu verkündigen und gleichzeitig zu leugnen, dass sie neu sei. Ihre Trumpfkarte in diesen Auseinandersetzungen war Moses.
In der heidnischen griechischen Literatur taucht Moses das erste Mal bei Hekateus von Abdera (4. Jh. v. Chr.) auf, der ihn für einen Ägypter hält und als Gründer Jerusalems, Stifter eines religiösen Kultes und Gesetzgeber darstellt. Ihm hielten jüdische Autoren entgegen, Moses sei Jude, mit dem Dichter Musaeus identisch und der Lehrer des Orpheus gewesen (Artapanus). Der jüdische Moses erscheint hier geradezu als Kulturheros der Ägypter, er erfand allerlei technische Innovationen, die Philosophie, organisierte die Religion, gründete Städte und schuf die Hieroglyphen. Weil er diese Hieroglyphen so gut zu deuten wusste (»hermeneuein«), gaben ihm die Priester den Namen »Hermes«. Die Identifikation von Moses und Hermes war ein kluger Schachzug im Streit um Überlegenheit und Priorität: alles, was man Hermes zugeschrieben hatte, ging nun auf Moses zurück, und da dieser auch Lehrer des Orpheus war, hatte die griechische Philosophie einen jüdischen Ursprung. Auf die gleiche Art argumentierte auch Flavius Josephus, der behauptete, Moses sei der älteste Gesetzgeber gewesen, älter als Lykurg, Solon, Zoleukos usw.
Um ihre Zeitgenossen vom großen Alter ihrer Religion zu überzeugen, beriefen sich die christlichen Apologeten ebenfalls auf Moses. Am klarsten zeigt sich diese Argumentation in einem anonymen Traktat aus dem späten dritten Jahrhundert, das fälschlicherweise Justinus Martyr zugeschrieben wurde. Sein Titel: »Ad Graecos de vera religione« (»Von der wahren Religion, an die Griechen«).
Der Autor versucht die Heiden durch Vernunftargumente von der Minderwertigkeit der griechischen Philosophie und Religion zu überzeugen. Die griechischen Dichter hatten abstruse Ideen über die Herkunft der Götter und die Philosophen vor Plato eine noch lächerlichere Theologie. Plato und Aristoteles sind schon ernster zu nehmen, aber sie widersprechen einander. Man muss fragen, wo sie ihr Wissen her hatten, denn selbst haben sie es sich gewiss nicht ausgedacht. Selbst wenn man Plato oder Aristoteles akzeptiert, muss man nach den Ursprüngen ihrer Ideen suchen. Diese Ursprünge liegen bei ihren jüdischen Lehrern. Diese lebten lange vor den Lehrern der Heiden und was sie lehrten, war nicht ihre eigene Erfindung. Sie widersprechen sich auch nicht, sondern überlieferten ihr Wissen, das sie von Gott erhalten hatten, direkt an ihre Nachfolger, die Christen. Mit »einem Mund« und »einer Zunge« haben sie die Menschheit über Gott, den Ursprung der Welt, die Schöpfung des Menschen, die Unsterblichkeit der Seele, das künftige Gericht und vieles mehr belehrt. Unter Berufung auf eine lange Reihe von Historikern wird der Nachweis versucht, Moses sei älter als alle griechischen Philosophen. Alles was Moses und die späteren Propheten lehrten, kam direkt von Gott. Eine solche direkte göttliche Inspiration wurde den Griechen nicht zuteil. Nur weil Männer wie Orpheus, Homer, Solon, Pythagoras und Plato Ägypten besuchten, wo sie die mosaische Weisheit kennenlernten, konnten sie Ideen verbreiten, die sich von ihren früheren vorteilhaft abhoben. Auch Plato las in Ägypten den Pentateuch, und wenn er nicht offener die Lehre vom einen und wahren Gott verbreitete, dann nur, weil er fürchtete, das Schicksal des Sokrates zu erleiden. Aber man finde diese Lehre dennoch im »Timaios« und in der »Republik«. Viele göttliche Wahrheiten seien in Platos Werkens enthalten, wenn auch in einer verschleierten Form und diese verhüllte Lehre stamme von Moses, der sie direkt von Gott erhalten habe.
Aber diese ganze Argumentation löste noch nicht das Dilemma einer neuen Religion, die behauptete, alt zu sein. Wozu das Christentum, wenn all seine Wahrheiten bereits von Moses gelehrt wurden? Die Antwort war: Jesus Christus stellte die alte Religion wieder her, die aufgrund des verderblichen Einflusses der Dämonen, die die Heiden als ihre Götter verehrten, verloren gegangen war. Das Christentum ist keine Neuerfindung, es ist die Wiedergeburt der alten Religion, die der Menschheit durch den Logos zuteil wurde. Dieses Argument findet sich auch in den Schriften des Justinus Martyr: Christus ist der Erstgeborene Gottes, der Logos, an dem alle Menschen Anteil haben. Und die, die gemäß dem Logos lebten, waren Christen, selbst unter den Heiden, solche Menschen wie Sokrates, Heraklit oder Abraham, Elias und viele andere.
Die alte Religion war also, soweit sie wahre Weisheit enthielt, ein »unbewusstes Christentum«. Schon Paulus hatte dieses Argument gegenüber den Griechen in seiner Rede vor dem Altar des unbekannten Gottes in Athen benutzt. Nach demselben Muster konnten die christlichen Platoniker Plato und alle Neuplatoniker als unbewusste Christen identifizieren, die vom Logos inspiriert waren, ohne es zu wissen.
Das Argument folgt der Logik der »philosophia perennis«, kann aber auch im Sinne der »pia philosophia« interpretiert werden: das unbewusste Christentum der »guten Heiden«, die mit dem Logos in Übereinstimmung lebten, wurde durch das Christentum offen und unverschleiert ausgesprochen. Mit anderen Worten: die wahre und universelle Religion fand ihren vollkommensten Ausdruck erst im Christentum. Insofern gehört »Ad Graecos« als Text nicht dem Typus der »prisca theologia« an. Es mag zwar zutreffen, dass das Christentum die alte Weisheit des Moses wiederherstellt, aber im Grunde bedarf es seiner Autorität nicht, und das Judentum ist auch nicht die vollkommenste Offenbarung der wahren Religion. Zwar kommt Moses größere Autorität als den Lehrern der Heiden zu, aber »älter« heißt nicht in jedem Fall »besser«, denn dann hätten die Christen Moses gegenüber Christus vorziehen müssen. Auch wenn also radikale Neuheit Minderwertigkeit gleichkommt, folgt daraus nicht, dass größeres Alter mit Überlegenheit gleichzusetzen ist.
Heidnische Autoren konnten sich vorbehaltloser gegen das Neue stellen. Als Beispiel führt Hanegraaff Celsus an, dessen Polemik gegen das Christentum unter dem Titel »Alethes Logos«, »Das wahre Wort«, Ende des zweiten Jahrhunderts als Antwort auf die Verteidigung des Christentums durch Justinus Martyr erschien. Celsus war überzeugt von der Existenz einer alten Weisheit, die schon immer im Besitz der weisesten Völker und Männer gewesen war. Aber unter all den weisen Völkern, von denen er sprach, kamen die Juden nicht vor. Auch Moses taucht in seiner Liste der inspirierten Theologen nicht auf. Der Grund ist, dass Celsus Moses mit seinem exklusiven Monotheismus für die Korruption der alten Weisheit verantwortlich machte: »Die Ziegen- und Schafhirten, die Moses anführte, wurden von ihm dazu verleitet, zu glauben, es gebe nur einen Gott und ohne vernünftigen Grund gaben diese Hirten die Verehrung der vielen Götter auf.« Immerhin blieben die Juden ihrer verkehrten, aber wenigstens alten Tradition treu, während die Christen noch schlimmer waren: Sie lehnten sich nicht nur gegen die jüdische Religion auf, die schon schlimm genug war, sie brachen auch noch mit allen anderen Traditionen, sie waren »wurzellose Gesellen«, die sich selbst von der übrigen Menschheit absonderten.
Wie man sieht, ist Celsus Anhänger der »prisca theologia« und interpretiert das Christentum als Dekadenzerscheinung, während Justinus die »pia philosophia« vertritt und in seiner Religion einen Aufstieg zum Besseren erkennt. Eine weitere Position vertritt Tatian in seinem Werk »Gegen die Griechen« Ende des zweiten Jahrhunderts. Die Griechen waren nicht nur nicht die Quelle der höheren Kultur, sie waren bloße Nachahmer. Das Christentum ist die jüngste Erscheinungsform der Gottesweisheit der Heiden, Moses stellt ihren ersten Träger dar. Eine Generation später, bei Clemens von Alexandria, wurden aus den Nachahmern »Diebe«: die Griechen hatten ihre Weisheit von den barbarischen Nationen gestohlen (den Ägyptern, Chaldäern, Druiden, Kelten, Magiern und Indern), die sie ihrerseits von Moses empfangen hatten. Aber die Barbaren verfügten auch über unabhängige Erkenntnisquellen, wie das Beispiel der persischen Magier zeige, deren Sternenweisheit ihnen erlaubte, die Geburt Jesu vorauszusehen, und ihm in Betlehem ihre Huldigung darzubringen.
Die apologetische Literatur gipfelte im 3. Jahrhundert im Buch des Origenes gegen Celsus. Unter Berufung auf orientalisierende Platoniker wie Numenios kritisiert er Celsus dafür, Moses von seiner Liste der inspirierten Theologen gestrichen zu haben. Vielmehr sei er die älteste barbarische Autorität, von der die Griechen abhingen. Auch Origenes hält die direkte Inspiration der Heiden durch Gott für möglich. »Gott hat allen Menschenseelen die Wahrheiten eingepflanzt, die er durch seine Propheten und den Heiland offenbarte«, schreibt Origenes.
Die Attacke des Platonikers Porphyrius gegen das Christentum leitete eine zweite Phase der apologetischen Auseinandersetzungen ein. In seiner Kindheit christlich erzogen, später Schüler Plotins in Rom, verfasste er gegen Ende des 3. Jahrhunderts ein Werk, in dem er die Vorwürfe der Wurzellosigkeit und Rebellion gegen die Christen erneuerte und die Behauptung, Moses sei älter als alle anderen Lehrer, mit präzisen philologischen und historischen Argumenten in Zweifel zog. Ihm antwortete zu Beginn des 4. Jahrhunderts Eusebius mit seiner »Praeparatio Evangelica«.
Eusebius entwickelt eine ganze Kulturgeschichte, um zu beweisen, dass das Christentum nicht nur alt und wahr ist, sondern dass es wahr ist, weil es alt ist. Aber die historischen Argumente des Porphyrios zwingen ihn zu einem erheblich größeren Aufwand als seine Vorgänger. Nach dem Sündenfall lebte die Menschheit in primitiver, ungezügelter Wildheit. Die heidnischen Phönizier und Ägypter erhoben sich aus diesem Zustand der Unwissenheit, ihnen folgten die Griechen. Unter dem zunehmenden Einfluss der Dämonen verfiel die Religion dem Aberglauben, von dem die griechisch-römische Welt voll war. Daneben aber zeigte sich unter dem Einfluss Gottes auch die wahre Religion. Schon zur Zeit der Wilden nach dem Sündenfall erhoben sich die jüdischen Patriarchen von Enoch bis Moses aus diesem Zustand und wandten sich dem einen Gott, dem Schöpfer aller Dinge und wahren Erlöser zu. An der von ihnen begründeten wahren Religion hielten die Juden bis zum Erscheinen Christi fest, die in einem Meer des abergläubischen Heidentums eine rühmliche Ausnahme darstellten. Das Erscheinen Christi und der Evangelien führte zu etwas Neuem und Einzigartigem: zur Vertreibung der Dämonen und damit dem Ende des Heidentums. Trotz dieser Neuerung ist die wahre Religion selbst nicht neu, sie ist eine Wiederverkörperung der alten hebräischen Religion, die schon bestanden hat, bevor Moses das Judentum begründete. Die Hebräer benötigten keine Gesetze, weil sie frei von Leidenschaften in Übereinstimmung mit der Natur lebten, dank der Weisheit, die ihnen von Gott offenbart worden war. Das Christentum stellt diese uralte wahre Religion der Freiheit wieder her. Es benötigt ebensowenig wie die alten Hebräer das mosaische Gesetz und ist deswegen dem Judentum überlegen, ohne dass dieses dadurch minderwertig würde.
Eusebius schrieb in Caesarea und stützte sich auf die Bibliothek des Origenes, die eine Fülle von Werken orientalisierender Platoniker enthielt. In diesen Werken sehr bewandert, hielt er zwar die heidnische Religion für eine Erfindung von Dämonen, führte aber die platonische Philosophie auf hebräische Quellen zurück und war von ihrer essentiellen Übereinstimmung mit dem Christentum überzeugt. Durch ihn ist das berühmte Numenios-Zitat über Plato erhalten: »Was ist Plato anderes als ein Moses, der attisches Griechisch spricht?«
In den folgenden Jahrhunderten wurden all diese Motive vielfach variiert. Laktanz betonte, die hebräischen Propheten seien älter als die Lehrer der Griechen und Augustinus gesteht zwar Hermes ein höheres Alter als den griechischen Weisen zu, lässt ihn aber zeitlich auf Moses folgen. Im achten Buch des »Gottesstaates« spricht er davon, dass niemand dem Christentum näher gekommen sei, als die Platoniker, schließt aber auch die Weisen anderer Völker von dieser Wahrheit nicht aus. Überall wo die wahre Erkenntnis Gottes zutage trat, gab es auch vor dem Erscheinen Christi auf Erden »Christen«. Er vertritt also eine Variante der »philosophia perennis«: die wahre Religion war auch den Heiden bekannt und nahm den Namen Christentum an, nachdem der Logos im Fleisch erschienen war.
Alles in allem, so Hanegraaff, konnten sich die Renaissanceplatoniker auf die Autorität der Kirchenväter berufen, solange sie Moses als die letzte Quelle der wahren Religion betrachteten. Die »Weisheit der Heiden« konnte vom Logos inspiriert sein, auf Moses zurückgehen oder die wahre Religion vorankündigen. Und der Platonismus in seiner orientalisierten Form konnte eine besondere Rolle bei der Vermittlung zwischen der philosophischen Vernunft und der Offenbarungsreligion spielen. Aber um den Diskurs über alte Weisheit im 15. Jahrhundert zu ermöglichen, mussten noch einige Aspekte hinzukommen. Von entscheidender Bedeutung war die Tatsache, dass sich die Machtverhältnisse grundlegend geändert hatten. Die früheren Apologeten mussten das Christentum in einem feindseligen heidnischen Umfeld verteidigen, während die italienischen Platoniker zu Verteidigern heidnischer Weisheit in einem intoleranten christlichen Umfeld wurden. Außerdem stritten sie nicht über dasselbe »symbolische Kapital«. Die alten Apologeten mussten beweisen, dass ihre Religion die Autorität einer alten ehrwürdigen Tradition beanspruchen konnte, während die Renaissancehumanisten zu zeigen hatten, dass die heidnischen Quellen nicht im Widerspruch zur theologischen Orthodoxie standen. Schließlich mussten sich die christlichen Apologeten mit einer reichen heidnischen Literatur auseinanderzusetzen, während die Renaissancehumanisten eine lange verschollene und eben erst wieder entdeckte Literatur verarbeiten mussten. Diese Wiederentdeckung der alten Weisheit barg ein revolutionäres Potential in sich: die heidnische Weisheit konnte innerhalb des Christentums wiederaufleben, in friedlicher Koexistenz mit ihm oder auch in Konkurrenz. Dies waren die Rahmenbedingungen für die Entstehung der westlichen Esoterik.
Fortsetzung folgt’
Op 19 maart volgde ‘Wissenschaft und
Esoterik III – Weisheit aus dem Osten’:
‘4. Weisheit aus dem Osten: Georgios Gemistos Plethon
Eine Schlüsselgestalt für das Wiederaufleben des orientalisierenden Platonismus im Westen ist Georgios Gemisthos Plethon, der den byzantinischen Kaiser Johannes VII. und den Patriarchen Josef II. 1438 zum Konzil in Ferrara und Florenz begleitete. Er war bereits achtzig Jahre alt und einige der Mitglieder der Delegation gehörten zu seinen ehemaligen Schülern (Bessarion, Eugenikos, Isidor von Kiew). Um sein Erscheinen in Florenz woben sich Legenden. Unter den versammelten Gelehrten »leuchtete er wie eine Sonne«. Man betrachtete ihn als »Lehrer der Menschheit« und bezeichnete ihn als Plato und Sokrates, denen er in Weisheit nicht nachstehe. Marsilio Ficino sollte 1492 in einer Widmung der plotinischen Enneaden an Cosimo di Medici dieses Bild aufrufen. Er schrieb, der junge Cosimo habe oft zu Füssen des greisen Lehrers gesessen und ihn »wie einen zweiten Plato über die platonischen Mysterien« sprechen hören. Damals sollten die Samen ausgesät worden sein, die zwei Jahrzehnte später in der platonischen Akademie von Florenz aufblühten. Auch wenn die historische Wahrheit dieser Legende heute angezweifelt wird, kommt dem Besuch Plethons in Florenz eine große historische und noch größere symbolische Bedeutung zu. In Plethon begegneten die Humanisten das erste Mal einer lebendigen Verkörperung des orientalisierenden Platonismus, einem Mann, der glaubte, die wahre Weisheit sei von Zoroaster, dem bedeutendsten der persischen Magier, ausgegangen. Der Besuch der Byzantiner konnte symbolisch rückbezogen werden auf den Besuch der Magier in Betlehem. So wie diese einst bezeugten, dass ihre alte Weisheit mit der in Christus verkörperten übereinstimmte und durch ihre Huldigung seine Superiorität anerkannten, so konnte auch der Besuch der byzantinischen Delegation in Rom gedeutet werden. Und in der Tat wurde am Johannitag 1439, bei den Festlichkeiten zur Beendigung des Konzils, ein Umzug inszeniert, in dem als Magier verkleidete Männer einem Stern folgten. Die Byzantiner, so der Subtext, mussten nach Rom pilgern, dem Oberhaupt der Christenheit huldigen und seine Überlegenheit anerkennen. In einem Fresko Benozzo Gozzolis, »Die Reise der Magier«, das Cosimo di Medici 1459 in Auftrag gab, spiegeln sich all diese Motive. Hier verbanden sich Cosimos Bewunderung der biblischen Magier mit seinen Erinnerungen an das Konzil und der Wiedergeburt Platos, die unter seinem Schirm in Florenz stattfand. Für all dies stand Plethon.
Marsilio sollte später im Hinblick auf das Konzil davon sprechen, der Geist Platos, der in seinen Schriften lebe, habe Byzanz verlassen und sich wie ein Vogel zu Cosimo in Florenz begeben. Und kein Zweifel bestand daran, dass die Magier, die das Kind in Betlehem anbeteten, die Schüler Zoroasters gewesen waren.
Gemistos, der sich später den Beinamen Plethon zulegte, war Lehrer der Philosophie in Byzanz. Kaiser Manuel II. entsandte ihn als seinen Beauftragten auf den Peloponnes. Hier, in Mistra, wirkte er in vielerlei auch öffentlichen Funktionen. Zwar verdächtigte ihn die Kirche der Häresie, aber die kaiserliche Familie schätzte ihn, was nicht zuletzt durch seine Mitgliedschaft in der byzantinischen Konzilsdelegation zum Ausdruck kam.
Für Plethon selbst war der Besuch in Florenz ein Wendepunkt seines Lebens. Hier nahm er den Autorennamen Plethon an (eine Anspielung auf Platon und »plethos«, »Fülle«) und nach seinem Besuch verfasste er seine bedeutendsten Werke. Er genoss die Bewunderung der italienischen Humanisten und dürfte von ihrer Unkenntnis der griechischen Philosophie schockiert gewesen sein. Plato wurde gerade erst von ihnen entdeckt und das Wissen über Aristoteles ließ sehr zu wünschen übrig, obwohl die Scholastiker sich unentwegt auf ihn beriefen, den sie meist aber nur aus zweiter und dritter Hand und oft genug verstümmelt kannten. Um Missverständnisse zu beseitigen, verfasste Plethon während seines Aufenthalts in Florenz die Abhandlung: »Worin Aristoteles mit Plato nicht übereinstimmt« (De differentiis). Überall, wo Aristoteles von Plato abwich, irrte er nach Ansicht Plethons und damit eröffnete er eine große Plato-Aristoteles Kontroverse, die bis in die frühen 1470er Jahre andauerte.
Bedeutender ist die Ausgabe der »Chaldäischen Orakel«, die Plethon mit einer Einleitung versah. Sie stellten einen der zentralen Texte des orientalisierenden Platonismus dar. Plethon war im Besitz einer Ausgabe aus dem elften Jahrhundert, ließ bei seiner Edition sechs Orakel weg und gab sie unter dem Titel: »Magische Worte der Magier, der Schüler Zoroasters« heraus. Aus »chaldäischen« Orakeln wurden also »magische« (persische) und als Verfasser wurde erstmals in der Geschichte Zoroaster bezeichnet. Dieser Schritt barg weitreichende ideenpolitische Implikationen.
Im Hintergrund steht die Geschichte einer Überlieferungskette des Wissens, in die das Heidentum und alle drei Schriftreligionen verwickelt sind, die erstmals von Henri Corbin postuliert wurde. Schlüsselfigur darin ist ein jüdischer Lehrer Plethons, der in Briefen des Scholarios erwähnt wird, in denen dieser Plethon der Ketzerei und des Götzendienstes bezichtigt. Dieser Jude namens Elissaeus soll eine bedeutende Figur am Hof der Türken in Adrianopel gewesen sein, der vom mosaischen Glauben zum Polytheismus übergegangen war. In seiner Philosophie hatte er den averroischen Aristoteles in lateinischer Lesart und die Lehren Avicennas in der Interpretation des Suhrawardi kombiniert. Die Philosophie der Illumination (Erleuchtung) des Suhrawardi wurzelte im orientalisierenden Platonismus. Seine Wissenschaft der Lichter (und der Erleuchtung) führte er auf »den inspirierten und erleuchteten Plato« zurück, den Führer und Meister der Philosophie, sowie auf jene, die ihm seit der Zeit des Hermes, des Vaters der Philosophen, vorangegangen seien. Suhrawardi war der Überzeugung, wer sich mit dieser Wissenschaft der Lichter eingehend beschäftige, werde das Licht sehen, »das im Königreich der Macht leuchtet und die himmlischen Wesenheiten und Lichter, die Plato und Hermes zugänglich waren.« Er werde »die geistigen Lichtwesen sehen, die Quelle des königlichen Glanzes und die Weisheit, von der Zoroaster sprach.«
Sollten die Informationen des Scholarios über Elissaeus zutreffen, könnten sie verständlich machen, warum Plethon sich berechtigt glaubte, die chaldäischen Orakel als die älteste Quelle der alten Weisheitstradition zu betrachten. Mit ihrem Symbolismus von Licht und Feuer, die das Göttliche repräsentieren, waren sie nicht nur Beispiele für Suhrawardis vorplatonische Wissenschaft der Lichter, sondern auch des Feuerkultes, der immer mit der Religion Zoroasters in Verbindung gebracht worden war. Suhrawardi unterscheidet zwischen der »wahren Lehre vom Licht«, in deren Besitz sich die persischen Magier befunden hatten und der »falschen Lehre der ungläubigen Magier«, der manichäischen Häresie. Außerdem hatte der Begriff »Magier« in den griechischen Quellen stets eine doppelte Bedeutung: einerseits meinte er einen Weisen, der den alten Kult der wahren Götter praktizierte, andererseits stand er aber für einen Zauberer, der schwarzmagische Künste beherrschte. Plethon scheint der Auffassung gewesen zu sein, dass Zoroaster und die alten persischen Magier für die alte wahre und universelle Religion standen, während die Chaldäer die Wahrheit korrumpiert hatten, was zum Dualismus und zur schwarzmagischen Praxis führte. Daher strich er die drei Orakel, die sich auf die Praxis der Magie bezogen, aus seiner Ausgabe und schrieb den Rest des Textes Zoroaster und den wahren Magiern zu.
Zurück in Mistra verfasste Plethon sein Hauptwerk, das er nach dem Vorbild Platons die »Gesetze« nannte. Scholarios, inzwischen Patriarch von Konstantinopel, sorgte in den 1460er Jahren dafür, dass dieses Werk verbrannt wurde, nicht ohne jene Passagen aufzubewahren, die ihm bei seinem Kampf gegen Plethon nützlich schienen. Aus diesen Passagen ist eine Genealogie von Gesetzgebern und Weisheitslehrern zu entnehmen, die laut Plethon auf Zoroaster folgten: Eumolpos, der Begründer der eleusinischen Mysterien, Minos, der Gesetzgeber Kretas, Lykurg, Gesetzgeber Spartas, Iphitos, Gründer der Olympischen Spiele und Numa, Begründer der römischen Religion. Unter den Heiden ragen die Brahmanen und die Magier hervor, unter den Griechen die Kureten, danach folgt eine weitere Liste inspirierter Männer, darunter die Priester von Dodona, Männer wie Polyides, Teiresias, Chiron und die Sieben Weisen, schließlich Pythagoras, Plato und andere Philosophen, insbesondere Parmenides, Timaios, Plutarch, Plotin, Porphyrios und Iamblichos.
An dieser Liste hält Hanegraaff drei Dinge für bemerkenswert: 1. Plethon stellt seine Gesetzgeber und Philosophen als Positivliste einer negativen Kategorie von »Dichtern und Sophisten« gegenüber, die sich als Code für die Gründer von Offenbarungsreligionen, insbesondere des Christentums, herausstellt. 2. Wie der Titel »Gesetze« betont, ging es Plethon nicht nur um eine religiöse, sondern auch um eine politische Reform, die er durch die Rückkehr zur alten Weisheit erreichen wollte. 3. Schließlich fehlen bestimmte Figuren auf seiner Liste: Orpheus bei den griechischen Weisen und Proklos unter den Neuplatonikern. Was aber am schwersten wiegt: Hermes und Moses kommen in ihr nicht vor. Diese Lücke führt ins Zentrum der Erzählung Plethons von der alten Weisheit, die das Verhältnis von Heidentum und Christentum betrifft.
Plethon stellt sich der gesamten apologetischen Tradition entgegen, die seit Justinus Martyr die Griechen von Moses abhängig sah. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Plethon implizit gegen Justinus schrieb. Sein Anliegen war nach dem Besuch des Konzils, den Vorrang der griechischen Tradition zu bekräftigen, aber die wahre Philosophie sollte nicht auf Moses, sondern auf Zoroaster zurückgeführt werden. Plethon versuchte in deutlicher Opposition gegen die gesamte apologetische Tradition die Religion, die im Gesetz des Moses verankert war, durch eine andere zu ersetzen, die auf die alte Philosophie des Feuers und des Lichtes zurückging, die Zoroaster begründet haben sollte. Mithin übernahm er die Strategie des Celsus, der Moses ebenfalls aus der Genealogie der Weisheit ausgeschlossen hatte. Hermes dürfte er entfernt haben, weil die Auffassung verbreitet war, er habe seine Weisheit vom (jüdischen) Ägypter Moses erhalten, was die Position Zoroasters wieder geschwächt hätte.
Dieser offene Bruch mit der patristischen Tradition lässt laut Hanegraaff nur einen Schluss zu: Plethon beabsichtigte tatsächlich eine Wiederbelebung des Heidentums in offener Opposition zum Christentum. In Form eines orientalisierenden Platonismus sollte es den exklusiven Monotheismus der mosaischen Religion durch einen toleranten, inklusiven Monotheismus im Stile des Celsus und Proklos ersetzen.
Nahezu alle Kenner dieses Sachgebiets stimmen darin überein, dass Plethon tatsächlich ein »neuheidnischer« Gegner des Christentums war. Entgegen einem weitverbreiteten Klischee über die Renaissance als »Wiedergeburt des Heidentums«, ist er aber auch der einzige, dem eine solche Intention nachgewiesen werden kann. Alle anderen führenden Exponenten des Renaissance-Platonismus waren überzeugte Christen.
Aber Plethon zeigt, dass die platonischen Texte in einer Zeit, die das dringende Bedürfnis nach religiöser Reform empfand, als Ausgangspunkt für eine Widergeburt des Heidentums dienen konnten. Seine wahre Bedeutung liegt jedoch nicht in seinem unmittelbaren Einfluss, der begrenzt war, sondern im Bereich der »kulturellen Mnemonik«, der Gedächtnisgeschichte, in seiner symbolischen Bedeutung als zweiter Plato aus dem Orient, dessen Erinnerungsgestalt je nach Perspektive dämonisiert oder romantisiert werden konnte. Plethon konnte als repräsentativer Platoniker wahlweise als Ausgangspunkt für eine Erneuerung der Kultur und des religiösen Lebens oder als Zentrum einer neuplatonischen Verschwörung zur Zerstörung des Christentums interpretiert werden. Unmittelbar neben dem Bild des weisen Philosophen und Boten der alten Weisheit steht also das Bild eines subversiven Heiden, eines Agenten dämonischer Mächte, die sich hinter einer Maske des Wohlwollens verbergen. Diese beiden Bilder sollten die weiteren Auseinandersetzungen über die Esoterik bis in die Gegenwart bestimmen.
Fortsetzung folgt’
Dat vervolg verscheen 5 april, onder de titel ‘Wissenschaft
und Esoterik IV – Platonische Theologie: Marsilio Ficino’:
‘5. Platonische Theologie: Marsilio Ficino
Bis 1990 zweifelte niemand an der offiziellen Legende, Cosimo habe einst zu Füßen Plethons gesessen, und hier die Idee aufgenommen, Platos Akademie in Florenz wieder aufleben zu lassen. 20 Jahre später, so die Legende, soll er den begabten Marsilio Ficino getroffen, ihm die platonischen Dialoge mit dem Auftrag ausgehändigt haben, sie zu übersetzen, und ihm eine Villa in Careggi, das künftige Zentrum der platonischen Akademie überlassen haben. James Hankins hat diesen Mythos 1990 zerpflückt. Im einzelnen auf diese Diskussion einzugehen, würde hier zu weit führen.
Eine weitere Legende betrifft die Ankunft des »Corpus Hermeticum« im Jahr 1462 in Florenz. Cosimo wies Ficino an, die Platoübersetzung liegen zu lassen, um die Übersetzung dieses Corpus vorzuziehen, war doch Hermes weit älter als Plato und dessen Quelle. Ficino vollendete die Übersetzung 1463 und ließ sie 1471 im Druck erscheinen. Nach der einflussreichen Deutung von Frances Yates begann damit die »hermetische Tradition« der Renaissance. Zweifellos ging von dieser Übersetzung die Rezeptionsgeschichte der Hermetik in der Renaissance aus, aber entgegen der Auffassung von Yates sieht Hanegraaff diese nicht als eine autonome Tradition hermetischer Magie, sondern als einen wenn auch wichtigen Bestandteil der umfassenderen Geschichte des orientalisierenden Platonismus der Renaissance.
Auch wenn die platonische Akademie von Florenz in der Villa von Careggi als feste Institution eine historische Fiktion sein mag, wird dadurch die Bedeutung der Wiedergeburt des Platonismus oder die zentrale Rolle Ficinos für diese nicht geschmälert. Auch für die Faszination, die seither von Hermes ausging, war Ficino zentral. Dennoch muss festgehalten werden, dass aus der Sicht des orientalisierenden Platonismus beide keine eigenständigen Philosophen, sondern Sprachrohre einer alten, zeitlosen und universellen Weisheit waren, die letztlich von Gott stammte. Aber das machte sie in den Augen Ficinos nur noch bedeutsamer. Ähnlich verhält es sich mit Ficinos Vorstellungen über die Reise der alten Weisheit von Byzanz nach Florenz. Er dachte dabei nicht an Manuskripte und wandernde Mönche, sondern an die göttliche Vorsehung, die sich in spirituellen Einflüssen und bedeutungsvollen Synchronizitäten manifestierte.
Ficinos Interesse an der alten Weisheit durchlief verschiedene Phasen. In seiner Jugend, als er noch kein Griechisch verstand, blickte er durch die Augen lateinischer Neuplatoniker auf den göttlichen Plato, den religiösen Denker. Plato lernte er in anfänglichen Übersetzungen von Bruni und Decembrio kennen. Schon damals war er voller Enthusiasmus für die »alten Weisen.« Manche seiner Lehrer scheinen seine Begeisterung für die Heiden als beängstigend empfunden zu haben. Lorenzo Pisanos Dialoge schildern Konflikte zwischen älteren konservativen Klerikern und rebellischen jugendlichen Schwärmern, die von Dichtkunst und Heidentum trunken sind, unter denen Ficino eine prominente Rolle spielt. Sie verteidigen die Schönheiten Platos und der heidnischen Dichtung, und werden wiederholt ermahnt, besser dem wahren Glauben der Kirche zu folgen.
Etwas reifer geworden, scheint Ficino seine jugendlichen Eskapaden bereut zu haben. Nach seinen eigenen Worten wurde er durch die »Summe gegen die Heiden« von Thomas von Aquin von seiner »gefährlichen Häresie« geheilt. Für diesen Sinneswandel finden sich auch Zeugnisse in seinem Briefwechsel. Neben Philosophen schätzte Ficino auch die Dichtung als Quelle genuiner Offenbarungen. Hierin folgte er Petrarca und Boccacio, die davon überzeugt waren, dass die »prisci theologi« oft »prisci poetae« waren, inspirierte Dichter, die über die göttlichen Geheimnisse in mythologischen Bildern sprachen. Petrarca hielt die Dichter für die ersten Theologen und Bocaccio hatte diese Idee einer »poetischen Theologie« mit Orpheus und Moses als Hauptfiguren in einer einflussreichen Schrift verteidigt.
Den jungen Ficino scheint weder die Frage der Priorität oder Superiorität im Verhältnis zwischen alter Weisheit und Christentum interessiert zu haben, noch die Frage, ob Moses der historische Vorrang vor Hermes gebühre. Sie scheinen ihn auch später nicht ernsthaft beschäftigt zu haben. 1464 jedoch entschied er sich in der Frage Moses oder Hermes gegen beide und gab Zoroaster als ältestem Offenbarungsträger den Vorzug. Diese Entscheidung war sicherlich von Plethons Ausgabe der »chaldäischen Orakel« und der biblischen Geschichte über die Magier beeinflusst, die Christus als dem »Vollender des Zoroastrismus« gehuldigt hatten. Nach seiner Auffassung hatte bereits Abraham, als er von Ur in Chaldäa auszog, die zoroastrische Weisheit im Gepäck.
Ficinos Aufwertung Zorasters war von Bedeutung für die Vorstellung der »prisca theologia«, denn sie schloss magische Praktiken und die okkulte Philosophie ein. Da die neuplatonische Theurgie der chaldäischen Orakel Zoroaster zugeschrieben wurde, dem ältesten aller Weisen und Präzeptor der Magie, verschmolz die alte Weisheit mit der Magie. »Prisca theologia« wurde zur »prisca magia«. Ficino hielt sich in dieser Hinsicht zurück, aber Pico della Mirandola nicht. Ein zeitgenössischer Autor gibt dessen Auffassungen wie folgt wieder: »Die göttliche Philosophie des Pythagoras, die sie als Magie bezeichneten, gehörte größtenteils zur mosaischen Tradition, da Pythagoras bei den Hebräern in Ägypten in die Lehre gegangen war, wo er viele ihrer heiligen Mysterien kennenlernte. Sogar die Weisheit Platos kommt, wie man weiß, der hebräischen Wahrheit sehr nahe, daher haben ihn viele als ›Moses‹ bezeichnet, ›der griechisch spricht‹. Zoroaster, der Sohn des Oromasius, betrachtete die Magie als eine Form der Gottesverehrung und als Theologie, in Persien untersuchte er jede Kraft der Natur, um die heiligen und erhabenen Geheimnisse der göttlichen Intelligenz zu erforschen, was viele als Theurgie bezeichneten, andere als Kabbala oder Magie.«
Manche seiner Zeitgenossen irritierte die Bedeutung, die Ficino den heidnischen Quellen gab. Jemandem, der daran zweifelte, die Wiederbelebung der heidnischen Theologie sei im Sinne der Vorsehung, antwortete Ficino 1485 mit drei Argumenten: der Idee eines religiösen Fortschritts durch göttliche Pädagogik, der Idee der Verschleierung und Reinigung und einer Unterscheidung zwischen Philosophie und Religion. Das erste war eine Variante der »pia philosophia«: da die alten Weisen vor Christus gelebt hatten, konnte man nicht erwarten, dass sie sich zur reinen christlichen Wahrheit zu erheben vermochten, aber sie waren auf dem Weg zu dieser Wahrheit, die zuletzt im Christentum offenbart wurde. Über das Wirken der göttlichen Inspiration in allen Zeiten und Völkern sagt Ficino: »So geschah es, dass in jenen Zeiten bei den Persern unter Zoroaster und den Ägyptern unter Hermes eine fromme Philosophie geboren wurde, und dass beide miteinander übereinstimmten. Diese fromme Philosophie wurde dann von den Thrakern unter Orpheus und Aglaophamus großgezogen. Sie erreichte ihr frühes Mannesalter bei den Griechen und Italienern in der Zeit des Pythagoras. Und in Athen erlangte sie im göttlichen Plato ihre volle Reife.«
Aber die alten Theologen pflegten die göttlichen Geheimnisse mit Zahlensymbolik und poetischen Fabeln zu verhüllen. Erst viel später wurde diese verschleierte Theologie unter göttlichem Einfluss durch Plotin freigelegt, aber Plotin ist selbst komplex und schwer zu verstehen. Daher hat Gott Ficino auserwählt, ihn zu übersetzen und zu kommentieren. Wenn sein Werk abgeschlossen ist, wird die wahre alte Philosophie in gereinigter Form frei zugänglich sein. Die Dichter erzählten die Mysterien der Frömmigkeit auf unfromme Weise, indem sie sie in Fabeln über heidnische Götter verbargen, die Aristoteliker waren für die Verbreitung von Meinungen verantwortlich, die jede Art von Religion zerstören, Plotin hingegen bringt diese Philosophie klar und unzweideutig zum Ausdruck. Durch die Arbeit Ficinos wird also die alte Philosophie von den unfrommen Fabeln der heidnischen Dichter gereinigt, und sich gegen die »Ammenmärchen der Scholastiker« als überlegen erweisen. Auf diese Weise wird die Wiederentdeckung der alten Weisheit zu einer Reform des Christentums führen. Das bloße Predigen des Glaubens wird nicht genügen. Sofern es Gott nicht gefällt, durch Wunder einzugreifen und die wahre Religion wiederherzustellen, müssen die Intellektuellen, die einen so großen Einfluss auf die Kirche gewonnen haben, durch Autorität und philosophische Argumente überzeugt werden.
Die Aufeinanderfolge der Weisen verstand Ficino nicht im strengen Sinn historisch. Er sah in ihnen Träger der göttlichen Offenbarung, die diese Offenbarung bestimmten Völkern und Zeiten mitteilten. Er unterschied zwischen einer »Periode der Inspiration«, die unter den Heiden mit Plato endete und unter den Juden mit den letzten Propheten, von einer »Periode der Interpretation«, die mit der Geburt Christi begann. Aber die erste Periode war für Ficino laut Hanegraaff nicht historisch im heutigen Sinn, daher interessierte ihn die historische Abfolge der Weisen auch nicht. Wenn Moses, die Propheten und die heidnischen Weisen alle direkt von Gott inspiriert waren, erübrigte sich die Frage nach den historischen Prioritäten. Für Ficino ging es nicht mehr um das symbolische Kapital der »Tradition«, sondern um das der »Orthodoxie«. Daher antwortete er auf den Einwand seines Zeitgenossen auch nicht, die heidnischen Philosophen seien »älter«. Überzeugender klang schon das Argument, die Alten hätten die Wahrheit des Christentums vorausgeahnt, wenn auch nur unvollständig. An die Stelle der historischen Tradition und der Übermittlung der Weisheit von einem Träger zum nächsten trat bei Ficino die zeitlose Wahrheit. Wenn die göttliche Wahrheit den unterschiedlichen Völkern offenbart worden war, und alle darin übereinstimmten, wurde die Suche nach den Ursprüngen überflüssig. Selbst wenn Zoroaster der erste war, machte das die späteren nicht von ihm abhängig, denn alle waren gleichermaßen von der göttlichen Inspiration erfüllt. Dies alles galt für die Epoche der Inspiration bis Plato. Für die Epoche der Interpretation sah es anders aus. Hier setzte für Ficino die geschichtliche Zeitfolge ein. Hanegraaff hält dies für konsistent. Denn die göttliche Offenbarung war eins, unteilbar und vollkommen verlässlich, die menschlichen Interpretationen hingegen fehlbar und widersprüchlich. Daher wich die vorhistorische Einheit der Metaphysik einer Vielheit sich widersprechender Interpretationen und die Überlieferungswege dieser Interpretationen konnten historisch untersucht werden. In der »Zeit der Interpretation« folgten Epochen der Verschleierung und Entschleierung aufeinander. Nach der Epoche der Inspiration versanken sowohl die Griechen als auch die Juden in Ignoranz und Aberglauben. Nur wenige innerhalb der Schulphilosophie wie Xenokrates und Ammonius Saccas blieben der Wahrheit treu und außerhalb der Schulen überlebte sie dank Sibyllen, Priestern und Dichtern, die von Gott inspiriert waren.
Nach dem katastrophischen Niedergang der wahren Weisheit, der auf Plato folgte, wurde sie durch Christus in ihrer ursprünglichen Form wiederhergestellt und durch die Evangelisten und Dionysios Areopagita kodifiziert. Aber durch gewisse unglückliche Umstände in der Kirche fielen die Bücher des Dionysios in Vergessenheit, die Weisheit verhüllte sich und wurde erst von den Neuplatonikern unter dem Einfluss christlicher Autoren wieder entdeckt: »Denn die Platoniker«, so Ficino, »nutzten das göttliche Licht der Christen, um Plato zu verstehen. Basilius der Große und Augustinus sagen deshalb, die Platoniker hätten die Mysterien des Heiligen Johannes des Evangelisten in sich aufgenommen. … Was immer die Platoniker über den göttlichen Geist, über die Engel und andere theologische Fragen wissen und das uns bewundernswert erscheint, stammt von jenen christlichen Autoren.« (»De Christiane religione«).
So haben die Kirchenväter, besonders Augustinus, die alte Religion in ihrer höheren christlichen Form wieder hergestellt. Danach aber verhüllte sie sich wieder, um schließlich von Ficino Dank der Vorsehung erneut enthüllt zu werden. Die universelle Weisheit durchläuft demnach nacheinander drei Phasen des Niedergangs, auf die drei Phasen der Wiederherstellung folgen.
All dies zeigt, dass Ficino sich grundlegend von Plethon unterscheidet, der das hellenistische Heidentum wiederherstellen und an die Stelle des Christentums setzen wollte. Für Ficino ist die Wiederherstellung der alten Weisheit mit der Wiederherstellung der wahren Form des Christentums identisch, es geht ihm nicht um einen Ersatz des Christentums durch das Heidentum. Ficino denkt wie die frühen christlichen Apologeten, tut dies aber in einem völlig anderen historischen Kontext. Denn nun ging es um eine Wiederherstellung heidnischer Quellen um der Reform des Christentums willen. Er glaubte, ein neues goldenes Zeitalter stehe unmittelbar bevor, er selbst sei das von Gott auserwählte Werkzeug, um dieses Zeitalter herbeizuführen.
Zwar kam die Reform, aber sie sah anders aus, als Ficino sie sich dachte. Die Kirche vermochte er nicht zu beeinflussen, dafür schuf er, wie Hanegraaff sagt, die Grundlage für eine andere religiöse Bewegung, eine nicht-institutionelle Bewegung religiöser Spekulation, die sich in den folgenden Jahrhunderten in Europa ausbreitete, deren Inhalt der orientalisierende Platonismus war. Durch sein Werk schuf er den »Referenzkorpus« (Faivre) der westlichen Esoterik. In diesen wurden im weiteren Verlauf weitere Strömungen aufgenommen. Eine der wichtigsten war die Kabbala. Dies führt zu Giovanni Pico della Mirandola.
Fortsetzung folgt’
Het is spannend, en we zijn benieuwd naar het vervolg!
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12 opmerkingen:
misschien eens een idee om aandacht te schenken aan de initiatieven van Ben Aharon?
http://www.ybasite.org/
er is en nieuw boek van hem uit (wordt momenteel in nederlands vertaald) en hij richt ook de aandacht op een man Ray Kurzweill die als een visionair gezien wordt en voorspeld dat 2045 het mensenras geheel gewijzigd zal zijn door de mogelijkheden van samensmelten met computers
Dat is zeker een idee! Ik was hem kwijtgeraakt, nadat zijn weblog http://eventandinitiation.blogspot.com/ op slot ging. Ik zal eens zien waar hij nu mee bezig is. Maar als jij meer ingevoerd bent, kun jij natuurlijk ook eerst een inleidend artikel schrijven. Voor De Aardespiegel of zo.
inleiding over dat thema in de aardespiegel is denk ik niet zo'n goed idee :)
http://www.aardespiegel.nl/algemeen/the-foolish-philosopher/
als je de reacties van de redactie daar op mij tenminste leest,
bovendien schreef ik al eens een artikel om de uiterste consequentie van het Darwinisme te laten zien, maar deze wilde men niet plaatsen.
maar in het tijdschrift -apokalyps nu- zie ik daarvoor wel gelegenheid,
in de karma banden spreekt Steiner over de mogelijkheid van het ontstaan van 2 rassen in de toekomst en mensen als Kurzweill en Warwick spreken daar ook over vanuit hun optiek,
alleen spreekt Steiner over de spirituele kenmerken die zich dan uiterlijk vertonen nav scholing en de anderen over de fysieke kenmerken na technische manipulatie
Jetzt ist Intelligenz
auf der Erde. Jetzt wird das tiefgreifend, jetzt greift es auch ein
in das Irdische des Menschen. Das Geistige bereitet sich vor, zum
ersten Male rassenbildend zu werden. Und die Zeit wird kommen,
wo man nicht mehr wird sagen können: Der Mensch schaut so aus,
also gehört er dorthin, er ist ein Türke oder Araber oder ein Engländer
oder ein Russe oder ein Deutscher; sondern man wird sagen müssen:
Der Mensch war in einem früheren Erdenleben dazu gedrängt, sich
nach dem Geistigen im Michaelischen Sinne zu wenden. So daß also
unmittelbar physisch-schöpferisch, physisch-gestaltend dasjenige auftritt,
was von Michael beeinflußt ist.
GA 237 3-8-1924.
In de hele racisme discussie ben ik dit aspect nog niet (of nauwelijks) tegengekomen, onlangs van Stephan Geuljans in aardespiegel en van Floris Schreve in zijn blog.
Dit (bovenstaande) thema zal nog heel wat stof doen opwaaien.
http://www.aardespiegel.nl/artikelen/rudolf-steiner-individu-versus-ras/
http://fhs1973.wordpress.com/2008/09/22/antroposofie-ii-een-repliek/#comment-1319
De wereldberoemde transhumanist, futurist en uitvinder Raymond Kurtzweil, oprichter van Kurzweil Technologies, noemt 2029 als de datum waarop er een definitief omslagpunt zal zijn en de computer het menselijk brein zal evenaren, aanvullen, verbeteren en vervolgens voorbijstreven. Vanaf 2030 zal het onderscheid tussen virtuele en fysieke werkelijkheid weggevallen zijn omdat de hersenen kunstmatig tot een realiteitsbeleving zullen worden gestimuleerd, zegt Kurzweil in een interview voor VBS-televisie. Elk lichaam zal ‘geoptimaliseerd’ zijn met neurologische chips. In 2045 zal er een nieuw ‘verbetert’ mensenras opstaan, de kroon op de eugenetica, als mens en machine zullen samensmelten tot een hybride. Kurzweil noemt deze fusie ‘De Singulariteit.’32 Voor een uitstekende BBC-documentaire over deze materie verwijs ik verder naar Human Version 2.0. (Klik hier voor deze documentaire. Voor het interview met Kurzweil voor VBC-tv, klik hier. Voor zijn lezing over De Singulariteit te Stanford University in 2006, klik hier).
Groet Kees
was nog linkje vergeten:
Warwick:
http://www.youtube.com/watch?v=RB_l7SY_ngI&feature=youtube_gdata_player
Steiner
"The point is not what is going to happen, for it certainly will happen, but how it happens - how these things are handled. The welding together of men with machines will be a great and important problem for the rest of earth-evolution." (Rudolf Steiner, 1917)
Beste Kees,
Ik heb het nagezocht, maar het staat ook niet vermeld in het van Baarda-rapport (had ik wel verwacht, hoewel het niet direct over 'rassen' gaat, wel over volkeren, bij Steiner toch duidelijk twee verschillende begrippen). Geen idee wat Steiner daarmee bedoelde. Ik weet niet of ik dat ook weer helemaal ga uitdiepen (misschien een keertje later). Maar ben wel benieuwd
Floris, ik heb wel een idee wat Steiner daarmee bedoelde. Ik heb dan ook de intentie eea te gaan uitdiepen omdat ik van mening ben dat deze zaken een grote impact gaan krijgen op de toekomstige evolutie van de mensheid. Deze kan namelijk zowel op de voortzetting van de darwinistische evolutieleer gebaseerd worden (zie voorbeelden Kurzweill en Warwick) als ook juist op de verwerkelijking van de ideeen van Steiner zoals in de geesteswetenschap verwoord. Alleen lijkt deze website van Gastkemper daarvoor niet het juiste medium denk ik.
Aardespiegel als medium weet ik niet, omdat ik niet weet of de moderatoren daar meewerken. En jouw eigen website heeft ook een titel, die mensen kan afschrikken die zich serieus met dergelijke onderwerpen willen uiteenzetten. Maar een oplossing daarvoor zal er vast en zeker gevonden gaan worden.
Beste Kees,
Apocalypse Nu! heeft geen eigen website voor zover ik weet. Maar er let je toch niets om zelf een webstek of -log te beginnen? Kost niks en je kunt die precies zo mooi en interessant maken als je zelf wilt.
Michel, ik zie inderdaad op het dashboard van dit blog de mogelijkheid om een eigen blog te beginnen.Nu heb ik daar nog totaal geen ervaring in , dus ik zal me eerst moeten verdiepen in de (on)mogelijkheden.Verder wacht ik nog even af wat aardespiegel gaat doen, ik wil tenslotte hun thema niet onder hun neus kapen. Naar ik begrepen heb, hebben ze 12 maart een belangrijke interne redactievergadering.Daarna zal wel duidelijk worden wat hun moderatie beleid wordt tav ingezonden stukken ivm ras versus individu en vice versa.
http://fhs1973.wordpress.com/2008/09/22/antroposofie-ii-een-repliek/#comment-1367
ik heb hier toch maar eea geplaatst, we zullen zien of het een echte discussie kan worden
nieuwtje:
http://www.apokalyps.nl/
nog een tip
http://www.alertgroepen.nl/
Michel, ik stuur je nu mails en dat komt allemaal onder Hanegraaff terecht en dat hoort daar natuurlijk niet, maar ik zag niet een andere wijze om jou iets te sturen, je mailadres ben ik ergens kwijtgeraakt.
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