Bedoeld is: antroposofie in de media. Maar ook: in de persbak van de wijngaard, met voeten getreden. Want antroposofie verwacht uitgewrongen te worden om tot haar werkelijke vrucht door te dringen. Deze weblog proeft de in de media verschijnende antroposofie op haar, veelal heerlijke, smaak, maar laat problemen en controverses niet onbesproken.

maandag 25 juni 2012

Kromgetrokken


We gaan weer verder met het lezen van Wouter Hanegraaff, dat wil zeggen zijn boek ‘Esotericism and the Academy: Rejected Knowledge in Western Culture’, recent uitgegeven door Cambridge University Press. En dan in de samenvattingen die Lorenzo Ravagli ervan geeft op zijn Anthroblog. Dit is de derde keer. We volgen het verdwijnen van de westerse esoterie in de geschiedenis van het Europese denken. Waarbij we zijn aangekomen bij de zeventiende eeuw. Hanegraaff laat zien hoe inconsequent vanaf vooral die tijd door filosofen, theologen en historici wordt omgegaan met het esoterisch erfgoed. Het kan dan ook niet anders, of hun oordelen hierover zijn onjuist. Met alle nare gevolgen van dien, waar wij tot op de huidige dag bijzonder veel last van hebben. Er zijn duidelijke parallellen met de wetenschappers van nu die met hun wetenschap elke spiritualiteit in de hoek willen drukken en vertrappen, omdat deze totaal niet in hun beeld schijnt te passen. Hanegraaff denkt al deze historische processen opnieuw door en trekt recht wat in de loop der tijd is krom- en scheefgetrokken, om niet te zeggen verkeerdom is gedraaid. In ‘Andersom’ op 19 mei kon u het vorige staaltje hiervan zien, terwijl de eerste keer in ‘Hanegraaff’ op 9 april was. We gaan nu dus verder met ‘Wissenschaft und Esoterik XI – Die pietistische Antwort: Gottfried Arnold’, door Lorenzo Ravagli op 21 mei op zijn Anthroblog gepubliceerd:
‘5. Die pietistische Antwort, Geburt des »Religionismus«: Gottfried Arnold

Die Polemiken von Thomasius und Colberg riefen auf protestantisch-pietistischer Seite eine Reihe von Reaktionen hervor, deren bedeutendste die »Unparteische Kirchen- und Ketzer-Historie« von Gottfried Arnold war, die 1699/1700 erschien. Arnold versuchte, die meisten Strömungen, die von den Anti-Apologeten als häretisch denunziert worden waren, als rechtgläubig zu erweisen. Vor allem aber entwickelte er eine grundlegend andersartige Perspektive auf die ganze Kontroverse, die für das Studium der westlichen Esoterik laut Hanegraaff von großer Bedeutung ist.

Während Colberg als Pionier der historischen Untersuchung westlicher Esoterik bezeichnet werden könne, erscheine Arnold als Urheber der »religionistischen«, religionsfreundlichen Alternative. »Religionistisch« (»religionist«) ist ein Begriff, der eine mit Mircea Eliade verbundene religionsphilosophische Schule charakterisiert, die Religion als Phänomen sui generis betrachtet, das nicht auf soziologische oder historische Faktoren reduziert werden kann.

Arnold ist an der Frage der historischen Beziehung zwischen Heidentum, heidnischer Philosophie und Christentum schlicht nicht interessiert. Über das geschichtliche Milieu, in dem das Christentum erschien, sagt er lediglich, die Welt sei in einem erbarmungswürdigen Zustand gewesen, – die jüdische Religion degeneriert und das Heidentum unter dem Joch einer Priesterschaft, die es mit einer »selbsterfundenen« Religion beherrschte. In der Philosophie sah die Lage nicht besser aus. Aber Arnold vermeidet systematisch jedes nähere Eingehen auf historisch-kritische Fragen zum Verhältnis von heidnischer Philosophie und Christentum.

Hanegraaff erklärt diese Haltung damit, dass Arnold mit der Auffassung der Anti-Apologeten übereinstimmte, dass es zwischen der heidnischen Philosophie und dem christlichen Glauben keine Übereinstimmung geben könne. Während andere Pietisten der Kritik mit einer Erneuerung der patristischen Apologetik begegneten, schloss Arnold sich der Haltung eines anderen Kirchenvaters, Tertullians an, nach dessen Auffassung die Akademie nichts mit der Kirche, Athen nichts mit Jerusalem und Ketzer nichts mit Christen zu tun hätten.

Arnolds Geschichte war in einer radikal anti-apologetischen Haltung verankert, aber die Folgerungen, die er daraus zog, waren gänzlich anders als die von Thomasius und Colberg. Diese hatten die schädlichen Einflüsse der Akademie (des Platonismus), auf Jerusalem (die Kirche) kritisiert und wollten erstere ausmerzen. Aber diese Kritik unterminierte die christliche Theologie als solche: je besser die Historiker die heidnische Philosophie kennenlernten, um so mehr stellten sie fest, dass es im Christentum nichts gab, das nicht von ihm beeinflusst worden wäre. Die Anti-Apologetik endete im Fiasko, weil sie die Orthodoxie zerstörte, die sie verteidigen wollte.

Arnold schien dies vorauszusehen und seine Kirchengeschichte zeigt laut Hanegraaff, wie die Pietisten das anti-apologetische Argument zu ihrem Vorteil verwenden konnten. Er verweigerte eine Diskussion über die historischen Beziehungen zwischen Heidentum und Christentum, weil es seiner Auffassung nach eine solche Beziehung gar nicht geben konnte. »Athen« und »Jerusalem« waren schlicht inkommensurabel, sie maßen die Welt mit gänzlich verschiedenartigen Maßsystemen. Da es keine Kriterien gab, die beide umfassten, konnte es auch keine sie gemeinsam umgreifende Diskussion geben. Der christliche Glaube genügt sich selbst und muss sich nicht vor der Akademie rechtfertigen. Die Tragik der orthodoxen Polemiker bestand aus Arnolds Sicht darin, dass sie selbst Träger der Krankheit waren, für die sie angeblich eine Heilung bereit hielten. Sie glaubten, die Schlacht zwischen Orthodoxie und Heterodoxie in der Akademie – durch philosophisch-theologische Diskussion entscheiden zu können – und begriffen nicht, dass diese Diskussion in der wahren Religion nichts zu suchen hatte. Arnold ließ sich auf die Dichotomie zwischen heidnischer Philosophie und biblischem Glauben nicht ein, sondern änderte die Regeln des Spiels, indem er eine neue Dichotomie einführte: die zwischen »christlicher Frömmigkeit« und »dogmatischer Theologie«.

Arnolds Kirchengeschichte stellt laut Hanegraaff einen subtilen, aber bedeutenden Paradigmenwechsel dar. Obwohl sich die Väter mit dem Platonismus eingelassen hatten, verurteilte er sie nicht, weil eine solche Verurteilung nur aufgrund begrifflicher Kriterien möglich gewesen wäre, die eine Entscheidung zwischen Orthodoxie und Häresie auf dem Feld der Lehre zugelassen hätten. Aber das einzige Kriterium, das Arnold akzeptierte, war, ob das Werk eines Autors den demütigen Glauben und die praktische Frömmigkeit bewies, die den wahren Christen auszeichneten. Sie mochten sich in die Philosophie verirrt haben, ihr Herz befand sich dennoch in Jerusalem.

Das Inbild des wahren Christentums war für Arnold die »Urgemeinde«: sie war von reinem Glauben, von Liebe, Einigkeit, Friede und gelebter Frömmigkeit erfüllt. Und diese ethischen und spirituellen Qualitäten flossen aus einer unmittelbaren Erleuchtung und der Erfahrung der geistigen Wiedergeburt in Christus durch den Heiligen Geist. Aber diese Urgemeinde war bald zerfallen, die innere Kirche des Geistes wurde zur äußeren Institution, deren Machtstreben mit Kaiser Konstantin zum Ziel gelangte. Von da an setzte sich die Verfallsgeschichte fort. Luthers Reformation bildete keine Ausnahme, da sie zu jenem unfrommen Gezänk der Theologen geführt hatte, die sich um den rechten Glauben stritten. Ihre Gehässigkeit gegeneinander zeugte davon, wie weit sie sich vom wahren Christentum entfernt hatten. Die Schulgelehrten und Theologen hatten wesentlich Teil an der Zerstörung des wahren Christentums, weil sie das fromme Gemüt mit ihren spitzfindigen Streitigkeiten verwirrten.

Arnold meinte unparteiisch zu sein, weil falsch und richtig aus seiner Sicht nichts mit Fragen der Lehre zu tun hatten. Das erlaubte es ihm, die wahren Christen überall zu finden, auch unter den sogenannten Ketzern. In einem Jahrhundert des Kirchenkampfes schien das tolerant, aber Arnolds Unparteilichkeit bedeutete nicht Neutralität, denn – so Hanegraaff – seine Kirchengeschichte drehte den Spieß einfach um: die Orthodoxen erwiesen sich als die wahren Häretiker und die Häretiker als die wahren Christen. Das war kein Ergebnis seiner persönlichen Vorlieben, sondern der theoretischen Voraussetzung seiner Untersuchung. Denn die Orthodoxie war für Arnold per definitionem häretisch, weil sie institutionell und doktrinär war.

Dem endlosen Streit der theologischen Meinungen setzte Arnold ein überhistorisches Prinzip der unmittelbaren religiösen Erfahrung entgegen, die in sophianischer Weisheit gründete, ein Prinzip, das erfahren werden musste und nicht definiert werden konnte. Wie Gott selbst, ist auch die wahre Weisheit verborgen und geheim. Beide übersteigen die menschliche Vernunft und offenbaren sich nur dem demütigen und frommen Herzen. Daher spricht man nach Arnold auch besser von »Theosophie« statt Theologie.

Arnolds Haltung zur »Logik der historischen Kritik« und zur Geschichte ist in Hanegraaffs Augen die entscheidende Innovation. Sein Zugang zur Geschichte war mit jenem der Anti-Apologeten vollständig inkompatibel, und aus seiner Sicht waren die Argumente der Kritiker irrelevant. Nur ein innerlich erleuchteter Historiker konnte nach Arnolds Auffassung eine Geschichte des Christentums schreiben, da er ansonsten des entscheidenden Kriteriums entbehrte, um die Wahrheit zu erkennen. Zwar war es möglich, historische Dokumente für den Zustand der Erleuchtung zu untersuchen, aber die Erfahrung selbst transzendierte das Feld des Historischen und konnte deshalb nicht mit historischen Mitteln erfasst werden. Was auch immer die historische Forschung über mögliche Quellen mystischer Erfahrungsdokumente sagte, die wahre Quelle lag in Gott und entzog sich der historischen Untersuchung. Die mystische Erfahrung war stets unmittelbar zu Gott und bedurfte keiner historischen Vermittlung. Weil es definitionsgemäß unmöglich ist, die authentische Gotteserfahrung von äußeren Bedingungen abzuleiten, ist jeder historisch-kritische Versuch, die mystische Theologie auf philosophische Quellen zurückzuführen, vergeblich und im Ansatz verkehrt. Daher konnte Arnold auch mögliche heidnische und platonische Quellen bei seiner Behandlung des frühen Christentums ignorieren und musste nicht auf frühere Weisheitstraditionen eingehen. Er kümmerte sich nur um das »wahre Christentum«, nicht um das Christentum als historisches Phänomen, das in enger Wechselwirkung und im Austausch mit seiner kulturellen Umgebung entstanden war. Da das Evangelium das Heidentum hinter sich gelassen hatte, waren heidnische Traditionen für die Geschichte der Kirche und der Ketzerei irrelevant. Die alten Weisen mochten zufällig etwas Wahres gesagt haben, aber sie waren für einen Historiker des Christentums bedeutungslos, einfach weil sie Heiden waren.

Arnolds Standpunkt ist nach Hanegraaffs Auffassung mit der Geschichtsforschung an sich inkompatibel, er beruht auf einem »Essentialismus«, der jeden historischen Vergleich erübrigt. Arnolds »Kirchengeschichte« präsentiert den »wahren« Glauben und seine vielen Entstellungen ohne jeden historischen Kontext, und führt die vielfältigen Verirrungen auf innere Eigenschaften des Menschen zurück: auf Stolz, Egoismus oder Machtstreben.

Arnolds Standpunkt stellt eine Variante der perennialistischen Geschichte der Wahrheit dar. Er unterliegt demselben Paradox, an dem die Platonisten der Renaissance litten – dem Versuch, die Geschichte von etwas zu schreiben, das keine Geschichte haben kann, weil es nicht der Veränderung unterliegt. Aber Arnold ist radikaler als seine Vorgänger in der Betonung der inneren spirituellen Erfahrung als dem einzig möglichen Zugang zur universellen Wahrheit, der jeder historischen und damit zufälligen Entwicklung strikt entgegengesetzt ist.

Eben diese Auffassung macht laut Hanegraaff das Wesen des »Religionismus« aus. Sie unterscheidet sich von früheren Versuchen, die Geschichte der Wahrheit zu schreiben dadurch, dass sie zu einer Zeit, als das moderne historische Bewusstsein erwacht, sich selbst als Geschichte präsentiert, aber gleichzeitig versucht, den reduktionistischen Implikationen der historischen Kritik und der vergleichenden Untersuchung zu entkommen. Indem Arnold die Aufmerksamkeit von den Ideen auf die innere Erfahrung lenkte, konnte er auf die Grenzen der historischen Kritik verweisen, und daran erinnern, dass der »Historismus« blind mache für den eigentlichen Erfahrungskern des Glaubens. Laut Hanegraaff führt diese Denkfigur im 20. Jahrhundert zu anti-historischen Deutungen von Religion, die sich nichtsdestotrotz als historisch ausgeben.
Fortsetzung
‘6. Erleuchtung und Verfinsterung

Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts hatten sich im Diskurs über alte Weisheit zwei gegensätzliche Positionen entwickelt: die eine hielt die Versöhnung zwischen heidnischer Philosophie und christlicher Theologie für möglich, die andere nicht. Der Pietist Gottfried Arnold hatte ein neues Paradigma ins Gespräch gebracht, das diesen Gegensatz hinter sich ließ, indem es das Heidentum für irrelevant erklärte und gleichzeitig eine neue Kategorie (der inneren Erfahrung) einführte, die es ermöglichte, in der »häretischen Tradition« Erscheinungsformen der göttlichen Wahrheit zu erkennen.

Zur gleichen Zeit entwickelte sich aber ein weiteres alternatives Paradigma, in dessen Licht das Heidentum nicht nur als irrelevant erschien, sondern als »kindischer Aberglaube«. Im Namen der Vernunft wurde dieser Aberglaube auf den Kehrichthaufen der Geschichte geworfen. Dieses Paradigma übernahm in der Aufklärung die Herrschaft und sollte die Sichtweise auf die abendländische Esoterik bis in unsere Gegenwart bestimmen.

Die Geschichtserzählung der Aufklärung über die alte Weisheit interpretiert Hanegraaff als letzte Konsequenz der Anti-Apologetik. Jacob Thomasius hatte noch versucht, das wahre Christentum durch Ausscheidung aller heidnischen Ingredienzien zu definieren, sein Sohn Christian nutzte die kritischen Instrumente seines Vaters, um die Geschichte der Philosophie von ihren theologischen Implikationen zu befreien und sie zu einer autonomen Disziplin zu erheben. Die heidnische Philosophie sollte nun als das anerkannt werden, was sie war: als Versuch, die Welt mit rein menschlichen Mitteln zu verstehen, ohne Hilfe der Offenbarung. Mit diesem Gedanken wird der Grund für die moderne Philosophiegeschichte gelegt, aber diese Emanzipation hatte ihren Preis.

Christian Thomasius gilt als Vater der deutschen Aufklärung. Aber er war auch vom Pietismus und der christlichen Theosophie Böhmes beeinflusst. 1693 erlebte er sogar seine eigene Erleuchtung und entwickelte eine Naturphilosophie entlang platonisch-hermetischer Denkformen, die 1699 erschien (»Wesen des Geistes«).

Das hinderte ihn aber nicht daran, die Philosophie von aller »Metaphysik« zu befreien, damit sie »praktisch und nützlich« werde. Das menschliche Denken sollte alle »unvernünftigen Vorurteile« hinter sich lassen, wobei Vorurteile für Thomasius junior gleichbedeutend mit Aberglauben waren. Dies setzte eine vollständige Revision der gesamten Geschichte des Denkens voraus, denn der Mensch, so Thomasius, werde sich nie von seinen Vorurteilen befreien können, wenn er nicht den geschichtlichen Ursprung dieser Vorurteile verstehe. Die Methode, mit der dieses Ziel erreicht werden sollte, war der »Eklektizismus«, die systematische »Auslese«. Sein eigenes vernünftiges Urteilsvermögen sollte es dem Historiker ermöglichen, die Spreu vom Weizen zu trennen, und Falsches vom Wahren zu scheiden. Der Historiker sollte nicht blind einer philosophischen Sekte folgen, sondern aus allen das Wahre auslesen.

Der Eklektizismus bestimmte die Philosophiegeschichte der Aufklärung. Aber auch Arnolds »Unparteilichkeit« war im Grunde nur eine Form dieses Eklektizismus. Auch er wollte frei von sektiererischen Vorurteilen das Wahre aus allen religiösen Denkströmungen heraus suchen.

Der Eklektizismus leitete nicht nur die Ideologen der Aufklärung, sondern die ganze Populärphilosophie des 18. Jahrhunderts. Es ist nach Hanegraaff eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet dieser Eklektizismus von Leibniz unter dem Titel »philosophia perennis« propagiert wurde. Diese falsche Gleichsetzung des Eklektizismus der Aufklärung mit der »philosophia perennis« sollte bis ins 20. Jahrhundert deren Verständnis erschweren. In Wahrheit ist der »Eklektizismus« der Aufklärung das genaue Gegenteil der »philosophia perennis«. Während es in dieser um eine ewige, unwandelbare, überhistorische Wahrheit gegangen war, die in den unterschiedlichsten Formen unter den Völkern erscheinen konnte, ging es dem Eklektizismus um die vielen Wahrheiten, die überall verstreut waren und gefunden werden konnten, wenn man den Aberglauben (des Perennialismus) hinter sich ließ.

Als Beispiel für den Eklektizismus der Aufklärung nennt Hanegraaff Christoph August Heumann, der als Begründer der Philosophiegeschichte als moderner Disziplin gilt. In seinen »Acta Philosophorum« legte er zwischen 1715 und 1727 einen Katalog von sechs Kriterien vor, die es erlauben sollten, »wahre Philosophie« von »Humbug« zu unterscheiden:

1. Pseudophilosophie bevorzugt nutzlose Spekulation. Darunter fallen alle divinatorischen Künste, die nichts als heidnische Missgeburten sind.

2. Die Pseudophilosophie stützt sich auf eine einzige menschliche Autorität. Da alle Menschen fehlbar sind, kann kein Mensch die ganze Wahrheit erkennen. Sich an einer Autorität allein zu orientieren, ist falsch. Man muss aus allen Denkern die Wahrheiten entnehmen, die sie gefunden haben und ihre Irrtümer verwerfen.

3. Noch schlimmer ist die Berufung auf die Tradition statt auf die Vernunft. Damit zielt Heumann auf die »prisca theologia« und den orientalisierenden Platonismus. Seine Kritik fallen die gesamte Dämonologie Platos und die jüdische Kabbala zum Opfer, weil sie sich auf alte Traditionen berufen.

4. Die Vermischung der Philosophie mit Aberglauben, mit vernunftwidrigem Gottesdienst, ist ein weiteres Kennzeichen der Pseudophilosophie. Das wahre Christentum ist nach Heumann vollkommen mit Vernunft und Philosophie vereinbar. Der Aberglaube, der aus seiner Sicht mit dem Heidentum identisch ist, fürchtet die Philosophie als ihren schlimmsten Feind. Die beiden schließen sich gegenseitig aus. »Aberglaube ist Torheit und kann Weisheit sowenig dulden wie Dunkelheit das Licht.«

In diesem Kontext vertreibt Heumann explizit die »barbarische Philosophie« aus dem Tempel der akademischen Philosophie. Er nennt die Philosophie der Chaldäer, Perser, Ägypter, die Priesterkollegien der Orphiker, Samothraker, Magier, Brahmanen und Druiden, mit ihrem angeblich geheimen, okkulten Wissen, die versuchten, den Aberglauben als Kunstform zu etablieren. All diesen Inhalten der »prisca theologia« und des orientalisierenden Platonismus wünscht Heumann ewiges Vergessen, da sie nichts als »Torheiten« waren.

Heumann schlägt einen noch schärferen Ton an, als die früheren Polemiken gegen das Heidentum und dieser Ton sollte im Verlauf des Jahrhunderts zur Gewohnheit werden. Er unterscheidet scharf zwischen dem Aberglauben der Heiden und dem vernünftigen Denken Griechenlands. Griechenland betrachtet er als Hort und Ursprung der wahren Philosophie. Die griechischen Philosophen will Heumann nicht als »heidnische Weise« verstanden wissen, denn Heiden seien per definitionem vom Aberglauben durchdrungen und beteten Götter aus Gold und Holz an, während die wahren Philosophen keine Götzenanbeter gewesen seien. Vielmehr hätten sie eine vernünftige »theologia naturalis« entwickelt, weshalb sie als »Naturalisten« bezeichnet werden sollten. Nach der Antike sei das »greuliche Papsttum« gekommen und die Menschheit in einem neuen Zeitalter der Barbarei versunken. Erst durch die Reformation sei die wahre Philosophie wieder ans Licht getreten.

5. Ein weiteres Merkmal von Pseudophilosophie ist laut Heumann die Liebe zu dunkler Sprache und rätselhaften Symbolen. Während die Philosophie erleuchten sollte, leitet die symbolische Philosophie in die Finsternis. Als Beispiele nennt er die Kabbala, die Alchemie, den Pythagoräismus und andere.

6. Das letzte Merkmal ist die Immoralität. Allein der Verstand vermag nach Heumanns Ansicht den Willen zum Guten zu leiten. Und zwar dann, wenn er sich an den drei Prinzipien aller wahren Philosophie ausrichtet: dass es nur einen Gott, den Schöpfer aller Dinge gibt, dass die Welt von seiner Vorsehung geleitet wird und dass die Seele des Menschen unsterblich ist. Heumann übernimmt damit die Lehre des Thomasius von den drei Grundirrtümern der heidnischen Philosophie (Ewigkeit der Welt, Materialität der Seele, Fähigkeit der Materie, aus sich heraus zu denken und zu handeln).

Auf diesen Katalog des Aberglaubens lässt Heumann eine Geschichte der wahren Philosophie folgen. Das heidnische Wissen hatte drei Quellen: praktische Notwendigkeit, Neugier und Aberglauben. Praktische Notwendigkeit führte die Ägypter zur Entwicklung der Geometrie (wegen der Bewässerung der Wüste), die Chaldäer zur Astronomie (wegen der Landwirtschaft). Auch die Neugier konnte zu Gutem führen. Nicht aber der Aberglaube, der solche zweifelhaften Künste wie Eingeweideschau oder Astrologie hervorbrachte. Aber auch wenn die Ägypter oder Chaldäer gewisse praktische Kenntnisse besaßen, die wahre Philosophie nahm ihren Ursprung erst bei den Griechen, in Gestalt von Logik, Moral und Physik. Alle ihre Erkenntnisse entwickelten die Griechen durch die Anwendung ihres Verstandes aus sich selbst und entlehnten sie nicht etwa von ihren orientalischen Vorgängern.

Die gesamte Abhandlung Heumanns durchziehen Metaphern des Wachstums und der Entwicklung, die den allmählichen Fortschritt der Philosophie durch die drei Stadien von Kindheit, Jugend und Mannesalter beschreiben. Die Ägypter und Chaldäer erfanden manche praktischen Kenntnisse und repräsentieren die Anfänge des gelehrten Studiums. Die Griechen waren die ersten, welche die Schwingen ihres Verstandes nach oben richteten und zu philosophieren begannen. Von diesen kam die Philosophie zu den Christen, die über die göttliche Offenbarung verfügten und deswegen selbst die gelehrtesten Griechen an Weisheit übertrafen.

Mit dem Aufklärungsparadigma, das Heumann verkörpert, begann laut Hanegraaff die Verdunkelung oder Verfinsterung der westlichen Esoterik im intellektuellen Selbstverständnis der Moderne. Bis dahin waren die heidnischen Philosophen ernst zu nehmende Mitspieler, weil nicht einmal ihre ärgsten Feinde leugnen konnten, dass sie zu einem altehrwürdigen Kanon gehörten. Der Eklektizismus änderte die Spielregeln. Er verweigerte der Tradition das Recht, darüber zu entscheiden, was Philosophie ist und legte diese Entscheidung in die Hände des menschlichen Verstandes allein. Zwei Jahrhunderte protestantischer Opposition gegen den Anspruch der Kirche, die universale Weisheitstradition zu repräsentieren, hatten die Aufklärung aufgerüstet, um ihre ganze Feuerkraft gegen die Erzählung von der alten Weisheit zu richten. Alles, was mit ihr in Verbindung stand, wurde nun verabschiedet: die alten orientalischen Initiationstraditionen, divinatorische Techniken, Dämonologien, die Kabbala, die Geheimnisse der symbolischen Theologie, die enthusiastische Philosophie der Theosophen. Colberg hatte all dies noch als gefährliche häretische Bewegung ernst genommen, Heumann machte sich nur mehr lustig darüber.

Damit war der Grund gelegt für das Verschwinden der abendländischen Esoterik aus den Lehrbüchern der Philosophiegeschichte und für eine neue Literaturgattung der Aufklärung, die der »Belehrung und Unterhaltung« dienen sollte: den »Geschichten der Dummheit (Torheit)«.

Das berühmteste Beispiel ist Johann Christoph Adelungs siebenbändige »Geschichte der menschlichen Narrheit«, die 1785-1789 erschien. In diesem Katalog der Narrheiten erscheinen alle bekannten Autoren der abendländischen Esoterik: der Alchemist Nicholas Flamel, der »Blasphemiker« Giordano Bruno, der Enthusiast Sebastian Franck, der philosophische Enthusiast Tommaso Campanella, der Chiliast Guillaume Postel, der »Scharlatan« Paracelsus, der Seher Nostradamus, der Kabbalist Jacques Gaffarel, der Kristallseher John Dee und viele andere.

Aber selbst Adelung ist noch der Anti-Apologetik verpflichtet, denn Narretei ist für ihn nicht nur ein Mangel an Verstand, sondern die Anhänglichkeit an eine häretische Tradition, an das System des Emanatismus und das Prinzip der inneren Erleuchtung.
Fortsetzung folgt’
Op de datum van 8 juni vinden we deel 13, ‘Wissenschaft und Esoterik XIII – Die wahre Philosophie und ihr Schatten’:
‘7. Die wahre Philosophie und ihr Schatten: Der Historiker Jacob Brucker

In Johann Jacob Bruckers »Kritischer Geschichte der Philosophie« (1742-44), dem Standardwerk der Philosophiegeschichte im 18. Jahrhundert, kam Heumanns Programm zur vollen Blüte. Die Bedeutung dieser Publikation schätzt Hanegraaff als außerordentlich hoch ein, wurde sie doch zum Referenzwerk in ganz Europa bis weit ins 19. Jahrhundert. Von besonderer Tragweite ist die Beziehung dieser Philosophiegeschichte zu zwei anderen, extrem einflussreichen Publikationen: dem »großen Zedler« und der »Enzyklopädie« Diderots.

»Zedlers Universallexikon« erschien in 44 Bänden zwischen 1732 und 1754 und stellt das lexikographische Monument des deutschen Barock dar. Die meisten seiner philosophiegeschichtlichen Beiträge sind Paraphrasen aus Bruckers Werk. Brucker war die »allgegenwärtige Autorität« in diesem einflussreichsten aller deutschen Lexika. Auch für die »Enzyklopädie« Diderots, die zeitlich nach dem »großen Zedler« erschien, war Brucker die maßgebliche Quelle: Diderot plünderte dessen »Kritische Geschichte« skrupellos. Angesichts der zentralen Bedeutung der »Enzyklopädie« für die französische Aufklärung – und der paradigmatischen Rolle der französischen Philosophen für die Definition von Aufklärung – ist es gerechtfertigt, zu sagen, Brucker habe den antiesoterischen Diskurs des 18. Jahrhunderts beherrscht.

Brucker untersuchte die Geschichte der Philosophie systematisch gemäß dem eklektischen Prinzip, um die »pseudophilosophische« Spreu vom philosophischen Weizen zu trennen. An allen Formen der heidnischen Philosophie und des christlich-heidnischen Synkretismus zeigte er, was seiner Ansicht nach auf »gesundem Menschenverstand« beruhte und was Aberglaube war. Sein gesamtes Werk ist von zwei Strängen durchzogen: einer Geschichte der »eklektischen Philosophie«, die seiner Auffassung nach die wahre Weisheit enthält und einer Geschichte der »sektiererischen Philosophie«, dem polemisch gezeichneten Gegenbild der ersteren. Diese Art der Darstellung wurde vorbildlich bis weit ins 19. Jahrhundert und sollte das Fundament liefern, auf dem die Aufklärung ihr Selbstverständnis errichtete.

Wie beschreibt Brucker die Geschichte des »Schattens« der wahren Philosophie? Auch für Brucker sind, wie für Heumann, der protestantische Biblizismus und der rationale Kritizismus grundlegend. Die Offenbarung der Bibel steht für den Glauben jenseits aller Vernunftbeweise fest. Aber in der Auseinandersetzung mit dem historischen Material verfährt Brucker wie ein kritischer Geist der Aufklärung. Die Geschichte des Denkens ist für ihn eine Geschichte menschlicher Meinungen, die richtig oder falsch sein können. Brucker argumentiert bei der Auseinandersetzung mit diesen Meinungen wie ein moderner Philosophiehistoriker, indem er sie referiert, ihre Beweisgründe erörtert und entscheidet, ob sie vernunftgemäß sind oder nicht. Aber er hält sich streng an normative Leitlinien.

Die Geschichte des Denkens unterteilt er in verschiedene Phasen und untersucht die Entwicklung der sektiererischen Philosophie in diesen. In der ersten Phase erscheine das chaldäisch-zoroastrische und das ägyptische System des Denkens, gleichzeitig mit der »wahren« Philosophie in Griechenland. Die zweite Phase dominierten der Neuplatonismus und die Kabbala. In der dritten Phase, der Renaissance, erführen diese beiden Systeme eine Wiederbelebung und gleichzeitig entstehe ein neues sektiererisches System: die »Theosophie«. Auch wenn er diese Systeme gesondert behandelt, sieht er doch in allen Äste, die aus dem Baum des heidnischen Aberglaubens hervorgewachsen sind.

1. Die chaldäischen, zoroastrischen und ägyptischen Systeme gehören laut Brucker zur »barbarischen« Philosophie. Die Chaldäer sind die ältesten »Pseudophilosophen« und hingen vollständig dem Aberglauben an. Ihr Denken beruhe auf blinder Überlieferung und priesterlicher Verführung, ausgedrückt in dunklen Bildern und Worten. Sie verbänden die Grundirrtümer aller falschen Philosophie: Atheismus, Dualismus, Leugnung der Vorsehung und Glauben an die Emanation. Auch Brucker fußt, wie man sieht, auf den dichotomischen Kategorien, die Thomasius einführte. Die Schriften Zoroasters und die chaldäischen Orakel schreibt Brucker einer späteren Zeit zu, auch sie enthalten nichts als heidnischen Aberglauben. Die geheimen Lehren der Ägypter, die auf Hermes zurück gehen sollen, bieten in seinen Augen nichts als Götzenverehrung und Aberglauben.

Nichts in diesen Systemen verdient nach Bruckers Auffassung den Namen Philosophie. Die Anfänge des griechischen Denkens sind auch nicht viel besser. Diese beginnt mit Thales und Pythagoras, gefolgt von Sokrates, aber die weitere Entwicklung des Pythagoräismus und des Platonismus pervertiert die platonischen Lehren durch den Einfluss heidnischen Aberglaubens aus Chaldäa und Ägypten.

2. Dies führt Brucker zum ersten sektiererischen System: dem Neuplatonismus. Diese Gedankenströmung war seiner Auffassung nach die erfolgreichste und einflussreichste aller Sekten. Sie war Teil einer heidnischen Strategie, den Aufstieg des Christentums zu verhindern. Durch sie versuchten die Heiden, indem sie das Vorbild der vernunftgemäßen, wahren christlichen Religion nachahmten, ihrem Aberglauben ein vernünftiges Aussehen zu geben, um durch philosophische Scheinargumente die Christen von der Wahrheit abspenstig zu machen. Aber der ganze Neuplatonismus war für Brucker nichts als das Produkt einer »überhitzten Einbildungskraft«. Die Heiden versuchten, das Christentum zu infiltrieren und von innen zu zersetzen, indem sie die Wunder Jesu als Beweise für die Wirksamkeit ihrer theurgischen Praktiken ausgaben oder gefälschte Texte – wie die hermetischen – einführten, die christlich klangen. Die Neuplatoniker fälschten reihenweise solche Texte, in denen sie die »Missgeburten ihrer Gehirne« niederschrieben und schoben sie den alten Autoren unter, so dass es heute kaum mehr möglich sei, die wahre Geschichte zu rekonstruieren. Sie streuten viele solche »Eier« aus, denen »das Gewürm« entkrochen sei, das wie eine ansteckende Plage ganz Europa und Asien befallen habe.

Worin besteht nach Brucker die Essenz des Neuplatonismus? Er lehre, dass die Menschenseele eine natürliche Verbindung mit Gott habe, zu dem sie zurückzukehren versuche. Es gebe Hierarchien von Geistwesen, die überall gegenwärtig seien. Durch das Gebet komme man mit ihnen in Kontakt oder kommuniziere durch ekstatische Trance mit ihnen. Schicksalsdeutung sei wesentlicher Teil dieser Rituale und alles laufe darauf hinaus, den »ganzen Horror des heidnischen Aberglaubens« zu propagieren. Bedauerlicherweise, so Brucker, hatte dieses Panoptikum der Unvernunft Erfolg. Nicht zuletzt dank der Naivität der Christen, die sich der platonischen Terminologie bedienten, um die Heiden zu bekehren, aber auf diesem Weg vom Virus angesteckt wurden, der die christliche Theologie befiel.

Das zweite sektiererische System ist nach Brucker die Kabbala, die esoterische Philosophie des Judentums, das auf dieselbe Weise Verbreitung fand wie der Neuplatonismus: indem das heidnische Denken den biblischen Glauben infizierte. Jüdische Lehrer wandten laut Brucker die platonischen und pythagoräischen Erfindungen auf die Bücher Mose an, und schufen eine besonders dunkle und geheime Theologie. Sie schrieben den kabbalistischen Lehren ein großes Alter zu, gaben Abraham und die Patriarchen als deren Erfinder aus und behaupteten, sie hätten Schriften verfasst, die in Wahrheit von heidnischen Philosophen geschrieben worden waren. Die Kabbala gehöre zum Alten Testament wie der Neuplatonismus zu den Evangelien. In beiden Fällen sei die biblische Offenbarung durch die »Pest des heidnischen Synkretismus« verfälscht worden. Das Ergebnis sei dasselbe: eine undurchdringliche Masse irrationaler Spekulationen, vorgetragen in einer obskuren Sprache und verworrenen Bildern.

3. Die Wiedergeburt des Neuplatonismus und der Kabbala wird von Brucker penibel analysiert. Die Autoren der Renaissance gruben die alten neuplatonischen Texte und die erfundenen Schriften des Hermes, des Zoroaster usw. aus, und schufen aus ihnen ein neues philosophisches System. Brucker behandelt die Renaissancephilosophen etwas respektvoller, als die Urheber der vorherigen Systeme und bringt ihnen als »guten Christen«, die sich lediglich irrten, sogar Anerkennung entgegen. Ihre Ideen weist er nicht polemisch, sondern aufgrund philologischer Irrtümer, Fehldatierungen und unkorrekter historischer Interpretationen zurück. Schlussendlich können aber all diese Irrtümer auf die verschmutzte Quelle des Neuplatonismus und auf die Idee einer »philosophia perennis« oder einer »translatio sapientiae« (einer Übertragung der Weisheit durch eine Kette von Weisen von einer Epoche zur nächsten) zurückgeführt werden. Da die Anhänger der »philosophia perennis« laut Brucker annahmen, dass die alten Hebräer, Chaldäer, Ägypter, Orphiker, Pythagoräer und Platoniker ein und dasselbe lehrten, und dass ihre Weisheit aus einer einzigen, uralten Quelle entsprang, schlossen sie, alles müsse mit dem Christentum übereinstimmen. Und so versuchten sie diese Lehren mit der wahren Religion auszusöhnen.

Das dritte große sektiererische System, die »Theosophie«, ist dagegen jüngeren Datums. Sie wurde von Autoren geschaffen, die zwar die heidnische und sektiererische Philosophie verabscheuten, aber nichtsdestotrotz eine Variante dieser Philosophie ins Leben riefen. Sie beriefen sich nicht auf die Vernunft, sondern auf die göttliche Erleuchtung in ihrem Inneren, sie glaubten durch diese einen privilegierten Zugang zu den Geheimnissen der Natur zu besitzen, und kannten die Mysterien der Magie, der Astrologie, der Alchemie und ähnlicher Künste. Ihre Theosophie betrachten sie als eine Art von Kabbala. Eigentlich gehören sie laut Brucker eher der Theologie als der Philosophie an. Zu den behandelten Autoren gehören Paracelsus, Robert Fludd, Jakob Böhme, die van Helmonts und die Rosenkreuzer. An der Theosophie kritisiert Brucker die Ablehnung der Vernunftreflexion zugunsten der Erleuchtung und den zugrundeliegenden Emanatismus, der lehre, alles komme von Gott und kehre zu ihm zurück. In der Theosophie führe alles letztlich zur Selbstvergottung, die auf der verborgenen Überheblichkeit des menschlichen Herzens beruhe, die die gesunde Vernunft zerstöre.

Bruckers Philosophiegeschichte enthält, wie deutlich wird, die gesamte Geschichte des »Anderen« der »wahren« Philosophie, all jene Strömungen und Ideen, die heute unter dem Titel »westliche Esoterik« untersucht werden.

Die innere Logik der protestantischen Anti-Apologetik mündete bei Brucker in die Unterscheidung dreier Gebiete:

1. Geschichte der Philosophie. Diese musste mit der Methode des Eklektizismus eruiert werden – der Historiker musste aus der gesamten Geschichte des Denkens jene Traditionen heraussuchen, die mit dem gesunden Menschenverstand vereinbar waren. Diese Auslese bildete die Grundlage für die moderne Philosophiegeschichte als akademische Disziplin.

2. Biblische Offenbarung. Trotz ihrer rationalistischen Neigungen waren alle Autoren der deutschen Aufklärung überzeugte Lutheraner, die keinen Augenblick an der Überlegenheit des Christentums zweifelten. Sie waren keine Kritiker der Religion wie Voltaire, sondern unterschieden zwischen dem Glauben der Bibel, als dem absoluten und einzigen Fundament der Religion, und dem Verstand, als dem ebenso exklusiven Fundament der Philosophie. Verstand und Offenbarung konnten (durften) sich nicht widersprechen, sie waren autonom und inkommensurabel, sie sollten sich strikt auf ihr Gebiet beschränken, jede apologetische Verwirrung und das verschleierte Heidentum vermeiden, das nach ihrer Auffassung die römisch-katholische Theologie zugrunde gerichtet hatte.

3. Krypto-Heidentum. Aufgrund der radikalen, anti-apologetischen Trennung zwischen Offenbarung und Verstand (oder Vernunft) blieb am Ende des 17. Jahrhunderts ein großes Feld von Ideen und Gedankenströmungen übrig, das die Geschichtsschreibung keiner der beiden Kategorien zuordnen konnte, da diese Ideen und Gedankenströmungen »synkretistische Mischungen« aus beiden waren. In diesem dritten Gebiet existierte nach antiapologetischer Auffassung das Heidentum in christlicher Verkleidung fort. Es teilte mit der Philosophie die heidnischen Quellen, unterschied sich aber von dieser dadurch, dass es nicht auf der Anwendung des Verstandes beruhte. Mit dem Christentum hatte es die religiöse Form gemein, aber es war die »falsche« Religion, die nicht auf »wirklicher« (wahrer) Offenbarung beruhte. Mit einem Wort: dieses Gebiet stellte die »nicht-rationale« (vernunftlose, unvernünftige) »Natur-Religion« der Menschheit dar. Genau dieses protestantische, anti-apologetische Konzept einer heidnischen Religion, die sich als Christentum verkleidet hatte, ist laut Hanegraaff der historische Ursprung und der theoretische Kern des heutigen Konzepts der westlichen Esoterik als wissenschaftliches Forschungsfeld.

Brucker steht nach Hanegraaff an einer Epochenschwelle, weil er zeigt, dass die Intellektuellen noch eine deutliche Erinnerung an die Ideen und Strömungen des »Krypto-Heidentums« hatten und weil er den Grund für die spätere »damnatio memoriae« legte, der all diese Ideen und Strömungen anheimfielen. Brucker und seine anti-apologetischen Vorgänger widmeten all diesen Ideen und Strömungen noch ihre Aufmerksamkeit, und noch wichtiger, sie taten dies auf der Grundlage eines »konsistenten theoretischen Konzepts«, das ihnen erlaubte, dieses Gebiet als in sich zusammenhängende Tradition zu begreifen. Aber natürlich implizierte dieses Konzept, dass die Vertreter dieser Strömungen das negative Gegenbild sowohl der Vernunft als auch des Glaubens waren und deshalb nicht beanspruchen konnten, Teil ihrer Geschichte zu sein. Nachdem einmal ihr nicht-philosophischer und nicht-christlicher Charakter erkannt war, bestand keine Notwendigkeit mehr, ihnen in der Geschichte der Philosophie oder jener des Christentums größere Aufmerksamkeit zu schenken. Von nun an begann dieser bedeutende Teil der Geschichte des Denkens und der Religion aus den Lehrbüchern der Philosophie- und Religionsgeschichte zu verschwinden. Damit war ein Zustand eingetreten, der sich bis heute kaum geändert hat – wenn man von der Esoterikforschung absieht.
Fortsetzung folgt’
Een kleine week later, namelijk op 14 juni, kwam Ravagli met ‘Wissenschaft und Esoterik XIV – Jenseits von Religionismus und Aufklärung’:
‘8. Jenseits von Religionismus und Aufklärung

In der Aufklärung begann sich das kritische Potential einer Rationalität zu entfalten, die von ihrer Bindung an die Theologie befreit war und sich als Kritik der Metaphysik gegen diese Theologie wandte. Diese kritische Rationalität interpretierte die alte Idee einer »Philosophie der Eingeweihten« fortan als »Esoterik« und drängte sie an den Rand der Gesellschaft ab.

Die »uralte Weisheit« wurde von den Intellektuellen nicht weiter ernst genommen, aber die meisten esoterischen Strömungen der Moderne blieben ihr dennoch verbunden. Der orientalisierte Platonismus blieb für das Geschichtsverständnis dieser Strömungen zentral. Die antiheidnische und antiplatonische Tradition der Renaissance verkehrte – beeinflusst durch die Auseinandersetzungen über das Hexenwesen – die Erzählung von der alten Weisheit in eine dunkle Gegenerzählung. Die Esoterik wurde zum düsteren Feind der Aufklärung. Manche Autoren konstruierten eine dämonische Genealogie der Finsternis mit paranoiden und verschwörungstheoretischen Zügen, die bis zur alten Schlange der Genesis zurückreichte. Diese paranoide Verschwörungstheorie der Esoterik als Gegenbild der Aufklärung überlebte in den antiokkultistischen und antisatanistischen Publikationen evangelikaler und fundamentalistischer Autoren, manchmal taucht sie auch in linksgerichteten Publikationen auf, die einem trivialen Verständnis der Aufklärung verpflichtet sind.

Aufgrund ihrer Inkompatibilität mit den Ergebnissen der kritischen Geschichtsforschung haben jedoch beide Interpretationen der Esoterikgeschichte – die verklärende und die dämonisierende Erzählung von der alten Weisheit – in der modernen akademischen Auseinandersetzung laut Hanegraaff allen Kredit verloren. Die heutige Ägyptologie oder Iranologie beginnt, »wo diese Geschichten enden«, und sie weiterhin zu vertreten, gilt als Zeichen von Unwissenschaftlichkeit. Aber um 1700 entstanden aus diesen zwei Erzählungen zwei neue Paradigmen die für das Verständnis der Esoterik nach der Aufklärungsepoche den Grund gelegt haben.

Das erste Paradigma ist der »Religionismus«, der auf Gottfried Arnold zurückgeht. Dieser behauptet von sich, historisch zu sein, weist aber alle Fragen nach möglichen historischen Einflüssen zurück, weil Religion nach seiner Auffassung auf einer unmittelbaren, persönlichen Erfahrung des Göttlichen beruht und nicht aus gesellschaftlichen oder historischen Bedingungen abgeleitet werden kann. Religionistische Akademiker halten soziologische oder historische Verfahren, die die Integrität der Religion in Frage stellen, für inkompatibel mit dem Gegenstand, den sie kritisieren. Aus der Sicht des Religionismus liegt jeder Form von Religion oder esoterischer Weisheit eine Erfahrung des »Heiligen« zugrunde, die nicht auf Faktoren reduziert werden kann, die dieser Erfahrung äußerlich sind.

Das zweite Paradigma ist jenes der »Aufklärung«. Für dieses Paradigma, das im Eklektizismus von Heumann und Brucker deutlich sichtbar wird, sind der »mündige Verstand« und das »gesunde Urteil« grundlegend. Der Verstand oder die Vernunft ist der einzige Maßstab, um die Wahrheit einer Weltsicht zu beurteilen, sei sie nun philosophisch oder religiös. (Kant spricht vom »Richterstuhl«, vom »Gerichtshof der Vernunft«.) Alles, was dieser Form von Rationalität nicht genügt, wird nicht ernst genommen, sondern dem Vorurteil, dem Aberglauben, der Narretei zugeordnet. Alle religiösen und philosophischen Strömungen oder Weltsichten, die dem so definierten Anspruch der Rationalität nicht genügten, wurden stillschweigend aus dem Gebiet der Geschichte ausgeschieden und in unhistorische Universalien umgewandelt, die Ausdruck der (unaufgeklärten) menschlichen Natur sein sollten. Man musste nicht weiter über sie diskutieren, sondern konnte sie fortan schlicht als »irrational« verwerfen.

Diese beiden Paradigmen, das »religionistische« und das »aufklärerische«, haben laut Hanegraaff mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Beide sind »ideologisch«, nicht »empirisch«. Sie gehen nicht von historischen Beweisen aus, sondern setzen a priori absolute Kriterien der Wahrheit fest, und was diesen Kriterien nicht genügt, ist nicht weiter von Interesse. Beide Paradigmen sind als Methoden der Geschichtsforschung gleich ungeeignet. Der »Religionismus« neigt dazu, die westliche Esoterik als eine einzigartige spirituelle Tradition zu mystifizieren, während der »aufklärerische Rationalismus« deren Existenz entweder schlicht ignoriert oder sie als Paria des abendländischen Denkens behandelt.

Aus der Sicht Hanegraaffs hat der antiapologetische Diskurs dennoch die Grundlage für eine »historische, empirische« und damit »nicht ideologische« Erforschung der Esoterik geschaffen. Hanegraaff ist überzeugt, dass die empirische und historische Methode, die sich eines »methodischen Agnostizismus« befleißigt, die Esoterikforschung vor den gleich schlechten Alternativen des Religionismus und Reduktionismus bewahrt. Das scheint auf den ersten Blick befremdlich, waren doch die beinharten protestantischen Anti-Apologeten erklärte Feinde alles Esoterischen und an seiner Anerkennung als eigenständiges Forschungsfeld nichts weniger als interessiert. Es ist ebenfalls richtig, dass die unhistorische Perspektive der Aufklärung auf das Esoterische, die den Untergang des orientalisierten Platonismus und seine Ausgrenzung aus dem akademischen Diskurs vorbereitete, aus dieser Anti-Apologetik hervorging. Aber man sollte, so Hanegraaff, das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, denn die Anti-Apologetik führte zu einer bleibenden Errungenschaft: einer Methode der historischen Kritik, die sich auf die Hellenisierung des Christentums, als den historischen Ursprung all dessen, was heute als Esoterik bezeichnet wird, konzentrierte.

Dass diese Strömungen vom intellektuellen, akademischen Establishment unterdrückt und verachtet wurden, ist laut Hanegraaff keine unmittelbare Folge der theoretischen und methodischen Grundsätze des anti-apologetischen Diskurses. Im Gegenteil, dieser verlangte eine genaue historische Untersuchung der Begegnung des antiken Heidentums und des Christentums und der geschichtlichen Folgen dieser Begegnung. Dass die esoterischen Strömungen marginalisiert wurden, ist vielmehr eine Folge der »normativen und ideologischen Vorurteile« der Hauptvertreter der Anti-Apologetik und ihres Publikums: sie ist eine Folge der protestantischen Stereotypisierung alles Heidnischen und der nicht weniger dogmatischen Behauptung der Aufklärung, Historiker dürften nur rationale Überzeugungen ernst nehmen. Das Aufklärungsparadigma stach die historische Kritik aus, was Generationen von Historikern zur Folge hatte, die bedauerten, dass die Gegenstände ihrer Untersuchung nicht den modernen Anforderungen von Rationalität entsprachen. Aber dieses »Befremden der Historiker« beruht auf anachronistischen Projektionen und trägt gar nichts zum Verständnis der historischen Realität bei. Wenn eine der bedeutendsten Forderungen der Aufklärung die Überwindung von Vorurteilen ist, dann muss dieser Grundsatz konsequenterweise auch auf die antiheidnischen, antimystischen und antireligiösen Vorurteile der Aufklärung angewendet werden.

Nach diesen Überlegungen kann Hanegraaff ein neues Methodenideal für die Esoterikforschung formulieren: die antieklektische Geschichtsforschung. Diese stellt die »selektiven Prozeduren« in Frage, durch die die Historiker seit der Aufklärung die Erforschung der Philosophie, des Christentums, der Wissenschaft und sogar der Religion und Kunst auf das eingegrenzt haben, was ihnen als real und rational erschien. Antieklektik will die »ideologisch bestimmten Bilder« der Geschichte korrigieren, die durch den Eklektizismus entstanden sind, indem sie die Aufmerksamkeit auf eben jene Ideen und Gedankenströmungen lenkt, die seit der Aufklärung im Sammelbecken des zurückgewiesenen Wissens (»rejected knowledge«) landeten. Sie stellt den »Kanon der modernen intellektuellen und akademischen Kultur« in Frage und betont, dass das gemeinsame Erbe des Abendlandes weitaus komplexer ist, als die Lehrbücher vermuten lassen. In der »antieklektischen« Geschichtsforschung geht es weder um eine »Apologie« des Heidentums oder der westlichen Esoterik, noch darum, Heidentum oder Esoterik anzugreifen, vielmehr will sie sicherstellen, dass der bedeutende Anteil dieser Strömungen an der Geschichte des Abendlandes aus der Verdrängung befreit und anerkannt wird.
Fortsetzung folgt’
De meest recente bijdrage van Ravagli is die van 21 juni, ‘Wissenschaft und Esoterik XV – Der Irrtum der Geschichte – »Aberglaube«’:
‘Der Irrtum der Geschichte. Das Okkulte wird imaginiert

Bisher bewegte sich die Untersuchung Hanegraaffs im Rahmen der Philosophiegeschichte. Der Diskurs der Renaissance über die alte Weisheit war ein Diskurs von Philosophen mit tiefen religiösen Überzeugungen, die versuchten, Heidentum und Christentum miteinander zu versöhnen. Sie befassten sich auf der Grundlage einer umfassenden klassischen und humanistischen Bildung mit den Ursprüngen und der Geschichte der Esoterik. Dieser Diskurs war eine gelehrte Debatte über eine »philosophische Religion von Intellektuellen«. Unter dem doppeldeutigen Titel »Irrtum der Geschichte« wendet sich Hanegraaff nun im dritten Teil seines Werkes dem aufklärerischen Diskurs über Esoterik zu: doppeldeutig ist er deshalb, weil er sowohl auf die Esoterik, die von der Aufklärung zum geschichtlichen Irrtum erklärt wird, als auch auf die aufklärerische »Konstruktion« dieser Esoterik selbst bezogen werden kann.

Mit der Aufklärung ändert sich der Rahmen der kulturellen Auseinandersetzungen im Abendland, da das Christentum seine dominierende Rolle verliert und die Philosophiehistoriker wie gesagt alles Esoterische links liegen lassen. Während des 18. Jahrhunderts wandte sich das Abendland ganz anderen Gebieten zu, die nunmehr die Debatten zu dominieren begannen: Wissenschaft und Naturphilosophie. In der Geschichte der Esoterik, die zwar marginalisiert wurde, aber sich trotzdem weiter entwickelte, ging es spiegelbildlich zu diesem säkularen Diskurs vermehrt um die »Geheimnisse der Natur«. Da aber die akademische Welt das Interesse an esoterischen Auseinandersetzungen verlor, wurden diese zunehmend von Privatgelehrten und Liebhabern betrieben.

Die Einstellungen bewegten sich von Feindseligkeit gegen das »Okkulte« über antiquarische Neugier bis zu Begeisterung für höhere religiöse Wahrheiten. Aber allen Beteiligten war ein Interesse an der Natur gemeinsam, was sich in ihrer starken Beschäftigung mit den »okkulten Wissenschaften« – der »natürlichen« Magie, Astrologie und Alchemie – zeigte. Die Teilnehmer dieser Debatten konnten dabei an die Renaissance, insbesondere an Ficino anschließen, der schon die Astralmagie verteidigt hatte. Aber als ebenso gewichtig erwies sich die Alchemie.

Die Anti-Apologeten hatten sich mit dieser aus der Antike stammenden Naturweisheit kaum beschäftigt. Im Zeitalter der Naturwissenschaften änderte sich das. Nun trat die Frage nach dem Verhältnis von Natur und Geist oder göttlicher Welt in den Vordergrund. Die Auseinandersetzungen über die Wahrheit der Religion wurden jetzt auf dem Feld der Naturtheorie ausgetragen: ließ die Natur überhaupt Raum für nicht-natürliche Entitäten oder konnte man aus ihr alles erklären? Der Calvinist und Cartesianer Balthasar Bekker sprach lange vor Max Weber im Hinblick auf die Naturwissenschaften 1691 von einer »entzauberten Welt« und rief mit seiner These ein gewaltiges Echo hervor.

Mit Entzauberung meinte er das Verschwinden geheimnisvoller Kräfte und Mächte aus dem Naturgeschehen. Von Entzauberung kann man auch in einer anderen Hinsicht sprechen: in den letzten drei Jahrzehnten hat die Wissenschaftsgeschichte die Standarderzählung vom »Sieg der Naturwissenschaften« über den mittelalterlichen Aberglauben dekonstruiert. Genauere Untersuchungen haben gezeigt, dass sogar auf dem Gebiet der Mechanik die führenden Köpfe den Atheismus zu vermeiden suchten, indem sie an immateriellen Kräften (Hexen, Dämonen und Geistern) festhielten. Die gelehrte Meinung bewegte sich nicht im simplen Dualismus von Wissenschaft und Aberglauben, sondern im weiten Gebiet dazwischen. So konnte die mechanische Auffassung von der Natur als bewegter Materie aus religiösen Gründen verteidigt werden, da sie die Existenz eines transzendenten Schöpfers sicherstellte, indem sie die Welt von Dämonen befreite. Sie konnte aber auch aus religiösen Gründen kritisiert werden, da sie Gott aus seiner Schöpfung vertrieb und diese jedes Geheimnisses beraubte. Die Auffassung von der belebten und beseelten Natur fand aus religiösen Gründen sowohl Verteidiger, da sie Gottes Allgegenwart zu bestätigen schien, als auch Kritiker, da sie aus deren Sicht jede Unterscheidung zwischen Schöpfer und Schöpfung aufhob und in den Pantheismus führte. Die These von der »Schöpfung aus dem Nichts« beherrschte die protestantische Welt und auch das Denken der meisten Aufklärer, sogar das der Atheisten. Sie ermöglichte die Entstehung einer mechanischen Philosophie und ließ alle Konzepte einer belebten Natur als Pantheismus erscheinen. Der »Sieg der Wissenschaft« wurde dadurch erheblich begünstigt, dass die neue Wissenschaft den theologischen Kampf gegen den »heidnischen Aberglauben« unterstützte.

Die Frage ist, wie die alten Künste der Astrologie, Naturmagie und Alchemie im Verlauf dieser neuartigen Diskurse seit dem 18. Jahrhundert zu »okkulten Wissenschaften« umdefiniert wurden. In drei langen Kapitel erörtert Hanegraaff dies am Beispiel des »Aberglaubens«, der »Magie« und des »Okkulten«.

1. Verdorbene Begriffe: Aberglaube
Seit dem 18. Jahrhundert pflegte man »Aberglaube«, »Magie« und das »Okkulte« weitgehend als Synonyme zu verstehen. Historisch betrachtet ist dies ein grundlegendes Missverständnis. Mangelnde Differenzierung ist laut Hanegraaff nicht nur Zeichen schlechter Wissenschaft, sondern führt auch zu anachronistischen Fehldeutungen. Die drei Begriffe haben eine lange und komplexe Geschichte und niemand sollte naiv ein Wissen von ihrer genauen Bedeutung voraussetzen.

In Wahrheit weiß niemand so richtig, was sie implizieren. Im Gegensatz zu »Astrologie«, »Alchemie« und »Weissagung« (Divination) sind sie relativ spät entstanden und äußerst vorurteilsbehaftet. Zwar haben auch die Begriffe »Aberglaube«, »Magie« und das »Okkulte« eine lange Geschichte, aber sie wurden während der Aufklärung vollständig mit neuem Inhalt angefüllt und dienten seither der Abgrenzung zwischen Wissenschaft, Rationalität und ihrem dunklen Gegenbild. Das hat zwei Konsequenzen: die Anwendung dieser Konzepte auf Epochen vor der Aufklärung führt zu anachronistischen Fehlinterpretationen, da die Vorurteile der Aufklärung in sie hineingedeutet werden, und generell sind sie untaugliche Werkzeuge für die neutrale Beschreibung religiöser Phänomene, da es sich um Werturteile und Kampfbegriffe handelt.

Aberglaube ist der pejorativste der drei Begriffe. Das war aber nicht immer so. Die griechische und lateinische Entsprechung hatten positive oder neutrale Bedeutungen. Im griechischen »deisidaimonia« bedeutete »deisi« Furcht oder Ehrfucht, und die »daimones« konnten Götter, Halbgötter oder sonstige übernatürliche Wesen sein. Die Bedeutung änderte sich, als Philosophen im Anschluss an Plato und Aristoteles anfingen, den ontologischen Rang von Wesen mit ihrem ethischen Rang gleichzusetzen. Danach galten Götter grundsätzlich als gut und es gab keinen Grund, sie zu fürchten. Wer es trotzdem tat, galt als ignorant. Seitdem bezeichnete der Ausdruck in der Sprache der philosophischen Elite einen irrationalen Volksglauben an schädliche Geistwesen, und die rituellen Praktiken, die auf der Furcht vor diesen Wesen beruhten. In der Zeit des Hellenismus und insbesondere im Christentum änderte sich die Bedeutung erneut: während heidnische Philosophen daran zu zweifeln begannen, ob wirklich alle »daimones« gut waren, behaupteten die Christen, die von den Heiden verehrten Götter seien allesamt böse. Für die Christen nahm das griechische Wort die Bedeutung »Dämonenfurcht« an.

Das lateinische »superstitio« bezeichnete ursprünglich Praktiken des Wahrsagens und der Prophetie (Eingeweideschau, Deutung des Vogelflugs usw.) , die im alten Rom gesellschaftlich akzeptiert waren. Seit dem ersten Jahrhundert – im Kaiserreich – wandelte sich die Bedeutung dieses Begriffs: als »superstitio« wurden nunmehr religiöse Praktiken bezeichnet, die von fremden Völkern stammten und als etwas Fremdartiges und Unehrenhaftes wahrgenommen wurden. Gleichzeitig betrachteten die konservativen Eliten diese Praktiken zunehmend als politische Gefahr. »Superstitio« war die potentiell gefährliche »Religion der Anderen«. Die Kulte erschienen um so gefährlicher und subversiver, als sie nicht in der Öffentlichkeit durchgeführt wurden, wie die der Staatsreligion, sondern im Privaten, Verborgenen. Die Christen übernahmen diesen Begriff, der unter anderem auch auf sie gemünzt war, und fügten den Praktiken des Wahrsagens und der Prophetie noch die »Dämonenfurcht« hinzu. Da alle heidnischen Götter für die Christen Dämonen waren, wurde »superstitio« zur Sünde schlechthin, zur Götzenanbetung.

Im (christlichen) Mittelalter war die »Idolatrie«, die in der Furcht vor Dämonen gründete, der zentrale Inhalt der »superstitio«. Man unterschied zwischen dem Aberglauben der Beobachtung (Deuten von Zeichen und Omen, Visionen, Träume, Orakel), dem Aberglauben der Weissagung (einschließlich Astrologie, Totenbeschwörung und mantischer Techniken) und dem Aberglauben der magischen Kunst. All diese Praktiken schlossen den Kontakt mit heidnischen Göttern oder Dämonen ein – deren Existenz nebenbei gesagt natürlich vorausgesetzt wurde –, die versuchten, die Menschen vom wahren Gott und Glauben abspenstig zu machen.

Ein weiteres Bedeutungsfeld hing mit dem griechischen »deisidaimonia« zusammen. Die aristotelische Lehre von der Mäßigung ließ die rituellen Praktiken mancher Kulte als Formen der Unbesonnenheit und des Exzesses erscheinen, die wiederum auf der (falschen) Furcht vor den Göttern beruhten. Der Exzess des Rituals (exzessive Rituale, Orgien usw.) war das ganze Mittelalter hindurch mit dem Begriff des Aberglaubens verbunden, eine Konnotation die auch noch in der Neuzeit nachklingt.

Die Reformation wendete diesen Begriff der »superstitio« gegen die Katholische Kirche, von der er als Waffe gegen die Heiden entwickelt worden war. Für Protestanten war der Katholizismus der Inbegriff des Aberglaubens, so wie wir heute Rassismus selbstverständlich für verwerflich halten. Der Kirche wurden eine Fülle solcher »abergläubischer«, »heidnischer« Praktiken vorgeworfen: die Anbetung der Hostie und der Sakramente, die Verehrung von Marien-, Heiligenbildern und Reliquien, der Glauben an das Fegefeuer, Totenmessen, Totenwachen, Begräbnisse, das Fasten, die Taufe von Glocken und Kerzen, Prozessionen und so fort. Die Reformatoren kritisierten die Kirche weil sie an die Macht der guten Werke glaubte, statt an die Rechtfertigung durch den Glauben allein. Sie stütze sich auf von Menschen geschaffene Idole und mindere die absolute Macht des Schöpfers herab. Bemerkenswert daran war, dass die Protestanten ihre ganze Kritik mit dem Argument stützten, all jene von ihnen verurteilten Praktiken seien auf die Einflüsterungen von Dämonen, auf Sendboten des Teufels zurückzuführen, und wer sich nicht von ihnen lossage, werde auf ewig und binnen kurzem in der Hölle schmoren. Auch die Protestanten arbeiteten mit der Furcht, wie die römische Kirche es getan hatte.

Der theologische – katholische oder protestantische – Begriff des Aberglaubens definierte diesen als Furcht vor Dämonen, die zu exzessiven Ritualen führe und den Menschen dem wahren Gott entfremde. Die Aufklärung deutete diesen Begriff von einem religiösen in einen intellektuellen Irrtum um, wie aus einer Definition in »Zedlers Universallexikon« Mitte des 18. Jahrhunderts ersichtlich ist: »Aberglaube ist ein Irrtum, durch den natürlichen oder menschlichen Dingen etwas Göttliches zugeschrieben wird, das ihnen nicht zukommt, wodurch aber im Gemüt eine unvernünftige Erregung hervorgerufen wird.« Der Aberglaube irrt, weil er Natürliches und Göttliches nicht auseinanderzuhalten vermag und daher verfällt das Gemüt in emotionale Exzesse. Die Vorstellung, Göttliches könne den Dingen innewohnen, öffnet aus der Sicht der Aufklärer die Tür für alle Arten von Aberglauben, aber dieser ist keine Sünde mehr, sondern eine Illusion. Die französische »Enzyklopädie« folgerte schlüssig, der Aberglaube sei »die unglückliche Tochter der Einbildungskraft« (Imagination, Phantasie). Die Natur ist nach Meinung der Enzyklopädisten frei vom Numinosen und nur die Imagination, die Einbildungskraft, füllt sie damit an. Damit war die »unheilige Trinität der Aufklärung« erreicht, die aus »Enthusiasmus, Aberglaube und Imagination« bestand.

Auch wenn die Aufklärung erfinderisch war, indem sie den Aberglauben als »intellektuellen Irrtum« definierte und der Wissenschaft gegenüberstellte, blieb sie doch in den theologischen Vorstellungen befangen, die das Heidentum als Furcht vor Dämonen, Götzenanbetung und eine unendliche Folge ritueller Exzesse imaginierten. Der Grundirrtum, den die Aufklärer der christlichen Kultur austreiben wollten, war in der Tat das »Heidentum«, so Hanegraaff, aber dieses wurde zu einer Schwäche des Verstandes umdefiniert, die seit jeher dazu verleitete, geistige Wesen in die Natur hinein zu imaginieren (dies ist auch die Bedeutung des von Tylor Ende des 19. Jahrhunderts geprägten Begriffs des »Animismus«).

Für christlich orientierte Denker, besonders Protestanten, war diese Wendung der Dinge äußerst attraktiv, weil sie ihnen erlaubte, mit dem wissenschaftlichen Fortschritt gegen den alten Feind zu marschieren, der in ihren Augen schon immer das Christentum verseucht hatte. Die Vorstellung, in der Aufklärung habe die Wissenschaft einen Krieg gegen die Pseudo-Wissenschaft ausgetragen, ist demnach irreführend. Vielmehr setzte sie nur den alten Krieg der christlichen Theologie gegen das Heidentum mit einer mächtigen neuen Waffe fort.

Voltaire genügt als Beispiel. Er bekämpfe nicht in erster Linie das Christentum oder die Religion, sondern die heidnischen Irrtümer, die sich in diese hineingeschlichen hatten. Daher betrachtete er die Astrologie entsprechend der Tradition als Aberglauben, stellte sie aber nicht der Wissenschaft entgegen, sondern der Religion: »Der Aberglaube ist für die Religion, was die Astrologie für die Astronomie ist: die närrische Tochter einer weisen Mutter.« Der Satz lobt bemerkenswerter Weise Wissenschaft und Religion als »weise und intelligent«. Weniger bekannt ist Voltaires Äußerung, wonach alles, was über die »Verehrung eines höchsten Wesens und die Unterwerfung des Herzens unter seine Befehle« hinausgehe, als »Aberglaube« zu bezeichnen sei, der mit dem Fanatismus zusammenhänge. Im übrigen glaubte Voltaire wie die Anti-Apologeten, der im Heidentum geborene Aberglaube sei vom Judentum adoptiert worden und habe die Kirche von Beginn an infiziert.’
Het vervolg hierop is nog niet verschenen. Dus daar is het wachten op.
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(Hilversum, 1960) – – Vanaf 2016 hoofdredacteur van ‘Motief, antroposofie in Nederland’, uitgave van de Antroposofische Vereniging in Nederland (redacteur 1999-2005 en 2014-2015) – – Vanaf 2016 redacteur van Antroposofie Magazine – – Vanaf 2007 redacteur van de Stichting Rudolf Steiner Vertalingen, die de Werken en voordrachten van Rudolf Steiner in het Nederlands uitgeeft – – 2012-2014 bestuurslid van de Antroposofische Vereniging in Nederland – – 2009-2013 redacteur van ‘De Digitale Verbreding’, het door de Nederlandse Vereniging van Antroposofische Zorgaanbieders (NVAZ) uitgegeven online tijdschrift – – 2010-2012 lid hoofdredactie van ‘Stroom’, het kwartaaltijdschrift van Antroposana, de landelijke patiëntenvereniging voor antroposofische gezondheidszorg – – 1995-2006 redacteur van het ‘Tijdschrift voor Antroposofische Geneeskunst’ – – 1989-2001 redacteur van ‘de Sampo’, het tijdschrift voor heilpedagogie en sociaaltherapie, uitgegeven door het Heilpedagogisch Verbond

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