Op een eind vorig jaar verschenen boek van Christof Wiechert maakte ik 28 januari attent in ‘Driehoek’. Ik geloof niet dat Christof Wiechert eerder een boek geschreven heeft, dus was dit zeker het vermelden waard. Hij schrijft wel regelmatig artikelen, in de eerste plaats voor het tijdschrift van de internationale pedagogische sectie aan het Goetheanum, ‘Der Rundbrief’. De leiding van deze sectie heeft hij trouwens een jaar of negen uitgeoefend, want die heeft hij aan het eind van het afgelopen jaar neergelegd, zoals ik 19 december 2010 meldde in ‘Overvraagd’. Ter plekke van de website van de sectie is zelfs in het linkermenu een item met ‘Veröffentlichungen Christof Wiechert’ te vinden, maar daar staat nog niet meer dan ‘Neunzig Jahre Waldorfschule: 1919-2009 Artikel aus “Das Goetheanum” Nr. 39. 09 G_39_09_Wiechert.pdf’. Waar ik nu naartoe wil, is echter iets anders. Namelijk tijdschrift ‘Erziehungskunst’; daar putte ik al eerder uit, op 27 januari in ‘Punt’, en vorig jaar 26 juli 2010 over de vernieuwing ervan in ‘Uitgeven’. Op de homepage van de website staat nu prominent:
Von Christof Wiechert, Februar 2011
Die Frage wird oft gestellt: »Wie war denn Steiner selbst als Pädagoge?« Sie gibt uns die Gelegenheit zu entdecken, dass Steiner immer nur das lehrte, was er auch selbst tat oder leistete. Die folgenden knappen Skizzen zeigen, wie durch Menschenliebe eine Lehrerpersönlichkeit prägend und heilend auf ihre Schüler zu wirken vermag. [mehr]’
Het artikel blijkt onderdeel te zijn van een ‘Thema » Rudolf Steiner’, een serie van nog minstens vijf andere artikelen over Rudolf Steiner; ongetwijfeld in het kader van de feestmaand ‘150 jaar Rudolf Steiner’. Dat willen we natuurlijk graag weten, wat Christof Wiechert hiervoor geschreven heeft. Dus daar komt de rest van zijn artikel:
‘Alle Erziehung ist Selbsterziehung
Dass Rudolf Steiner im umfassendsten Sinne des Wortes Lehrer war, kann man schon manchen Sätzen seines Buches »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?« entnehmen.
Im Kapitel über die Bedingungen der Selbsterziehung heißt es, man müsse sich »als ein Glied« des ganzen Lebens fühlen. Man müsse sein Gefühlsleben so entwickeln, dass man sich nicht dem Leben gegenüberstellt, sondern mitten in es hinein. Wie diese Lebenshaltung entwickelt werden kann, zeigt Steiner an zwei Beispielen.
»Bin ich Erzieher und mein Zögling entspricht nicht dem, was ich wünsche, so soll ich mein Gefühl zunächst nicht gegen den Zögling richten, sondern gegen mich selbst. Ich soll mich so weit als eins mit meinem Zögling fühlen, dass ich mich frage: ›Ist das, was beim Zögling nicht genügt, nicht die Folge meiner eigenen Tat?‹ Statt mein Gefühl gegen ihn zu richten, werde ich dann vielmehr darüber nachdenken, wie ich mich verhalten soll, damit in der Zukunft der Zögling meinen Forderungen besser entsprechen könne. Aus solcher Gesinnung heraus ändert sich allmählich die ganze Denkungsart des Menschen. Das gilt für das Kleinste wie für das Größte. Ich sehe aus solcher Gesinnung heraus zum Beispiel einen Verbrecher anders als ohne dieselbe. Ich halte zurück mit meinem Urteile und sage mir: ›Ich bin nur ein Mensch wie dieser. Die Erziehung, die durch die Verhältnisse mir geworden ist, hat mich vielleicht allein vor seinem Schicksale bewahrt.‹ Ich komme dann wohl auch zu dem Gedanken, dass dieser Menschenbruder ein anderer geworden wäre, wenn die Lehrer, die ihre Mühe auf mich verwendet haben, sie hätten ihm angedeihen lassen. Ich werde bedenken, daß mir etwas zuteil geworden ist, was ihm entzogen war...«
Arbeiterbildung in Berlin
Steiner schrieb diese Sätze, kurz nachdem er seine Dozentenstelle an der von Walter Liebknecht gegründeten Arbeiterbildungsschule in Berlin aufgegeben hatte. Er unterrichtete dort von 1899 bis 1904. Man hatte ihn schon viel früher aus dem Kollegium entfernen wollen, aber man wagte es nicht, weil er der beliebteste und geachtetste Lehrer war. Ein Augenzeuge berichtet: »Es war wohl um das Jahr 1904, als er sein Lehramt an der Arbeiterbildungsschule niederlegte. Die buchstabengläubigen Zionswächter hatten schon lange gegen den marxistisch nicht stubenreinen Lehrer gebohrt. Er war als Ketzer verdächtig, und nur die große Liebe, mit der die Schüler an ihm hingen, hatte die Gegner gehindert, loszuschlagen. Endlich aber war es doch soweit. Sie schickten den kleinen Max Grunewald, einen sattelfesten Marxisten, vor. Man setzte einen Abend fest, an dem die beiden Gegner sich messen sollten. Es wurde eine Geisterschlacht von gewaltigem Ausmaß. Steiner war in ganz großer Form. Er sprach mit dramatischer Steigerung, er rückte seinem Gegner mit einem unheimlichen Wissensschatz auf den Leib, er sprach mit Leidenschaft und Feuer und zwang selbst die Feinde in seinen Bann. Der kleine verkrachte Mediziner Grunewald kam gar nicht erst auf die Beine. Er war durchaus nicht dumm und sonst gefürchtet wegen seines Witzes und seiner Schlagfertigkeit. Aber er hatte schon bei der ersten Runde hoffnungslos verloren. Steiner ging, aber er ging als Sieger, umjubelt von seinen getreuen Schülern.«
Zu dieser Zeit unterrichtete Steiner an einer privaten Mädchenschule in Berlin. Eine seiner Schülerinnen wurde viele Jahre später auf Steiner aufmerksam und erkannte in ihm ihren Lehrer aus der Berliner Zeit. Sie besaß als »Backfisch« ein ausgesprochen sanguinisches Naturell und musste sich von den anderen Lehrern viele Ermahnungen gefallen lassen. »Nur Dr. Steiner tat immer, als ob er gar nichts merkte«, schrieb sie im Rückblick, »und sprach ruhig weiter, bis sie wieder Interesse zeigte. Während sie von den Inhalten der Stunden nichts mehr erinnert, hat sich ihr diese Seelenhaltung tief ins Gedächtnis eingeprägt.«
Hauslehrer bei Familie Specht
Vor dieser Zeit unterrichtete Steiner von 1884 bis 1890 bei der jüdischen Familie Specht in Wien als Hauslehrer. Er hatte die vier Söhne von Pauline und Ladislaus zu erziehen. Als er diese Aufgabe annahm, war er gerade 23 Jahre alt. Als er nach sechs Jahren um ein Zeugnis bat, schrieb Ladislaus Specht als letzten Satz: »Es ist nach Obigem selbstredend, dass Herr Steiner nur auf seinen eigenen Wunsch mein Haus verließ, begleitet von dankbarer Anerkennung meiner ganzen Familie.«
Der zweitälteste der vier Söhne, Otto, galt wegen seines Wasserkopfes als nicht bildungsfähig. Als Steiner seine Arbeit begann, war Otto elf Jahre alt, hatte gerade die Aufnahmeprüfung für die erste Volksschulklasse nicht bestanden und seitdem nichts gelernt, da er nicht zur Schule ging. Nach zwei Jahren hatte Steiner den Jungen soweit, dass er ins Gymnasium konnte und bemerkte, »der Kopf wurde immer kleiner«.
Dieses Beispiel verwendet Steiner öfter, um das Prinzip der Ökonomie des Unterrichts zu erläutern. Der Junge war Anfangs so schwach, dass er nur fünfzehn Minuten Unterricht am Tag ertrug. Steiner brauchte volle drei Stunden, um den Stoff zu komprimieren. In dem Jungen muss durch diesen Unterricht ein gewaltiger Selbstheilungsprozess angeregt worden sein.
Auch wenn hier Vieles geheimnisvoll bleibt, kann doch gesagt werden: Die heilende Wirkung der Pädagogik, die hier sichtbar wird, stellt so etwas wie das Urbild der Erziehungskunst dar, die bis heute von den Waldorfschulen angestrebt wird.
Der Unterricht, den Steiner in dieser Familie erteilte, hatte eine große Anziehungskraft. Cousinen, Neffen, Kinder von befreundeten Familien fanden sich ein. Nachdem Steiner Wien verlassen hatte, blieb er mit vielen Familienmitgliedern in brieflichem Kontakt. Und obwohl Pauline Specht fast jeden Brief mit einer Rüge über Steiners Schreibfaulheit beginnt, spürt man doch die Liebe, Anhänglichkeit, Hochachtung und Dankbarkeit, die sie für den ehemaligen Lehrer empfindet.
Dem Geheimnis der lange fortwirkenden Lehrerpersönlichkeit begegnet man auch in manchen Biographien ehemaliger Waldorfschüler, den zahlreichen persönlichen Ratschlägen an Eltern für die Erziehung ihrer Kinder und den erstaunlich wirksamen Hilfen bei der Überwindung von Krankheiten.
Ein Lehrer der Menschenliebe
Wo erleben wir Steiner als Pädagogen bei der Begründung der Waldorfschule? Da gibt es viele kleine Szenen: Er konnte zum Beispiel nicht über den Schulhof gehen, ohne dass Kinderschwärme ihn umringten. Oder er litt darunter, wenn die Lehrer in den Konferenzen nur das Schwierige an ihren Schülern sahen. Und er freute sich aufrichtig, als ein Schüler eine Form gemalt hatte, die ihn derart inspirierte, dass er diesen Jungen in der Pause sehen wollte und ihm für die Form dankte, die er beim Goetheanum-Bau in Dornach zu verwenden gedachte.
Aber es gibt auch die großen Szenen, die Ansprachen an die Schüler und die Besuche in den Klassen.
Die Schule hat am 16. September 1919 ihren Unterricht aufgenommen, am 21. Dezember versammelt sich die Schulgemeinschaft – die Klassen 1–8, die Lehrer und Eltern – zur ersten Weihnachtsfeier der neuen Schule. Steiner hält eine Ansprache:
»Meine lieben Kinder! Vor einigen Wochen, als wir zum ersten Mal alle in diese Schule gingen, da besuchte ich euch öfter. Dann kamen ein paar Wochen, da musste ich ziemlich weit weg von hier sein. Aber jedes Mal, wenn ich morgens aufgestanden war und zu meiner Arbeit ging, da musste ich denken: Was werden jetzt meine lieben Waldorfkinder und ihre lieben Lehrer machen? Und oft am Tage kam mir dieser Gedanke. Und jetzt zur lieben Weihnachtsfeierzeit, da durfte ich euch wiederum besuchen. Da kam ich in alle Klassen hinein, und viele von euch, meine lieben Kinder, fragte ich: Habt ihr eure lieben Lehrer auch lieb? (Ja! rufen die Kinder) Und seht ihr, so habt ihr mir herzlich geantwortet. Und da sagte ich euch: Das ist mir ein ganz besonders liebes Weihnachtsgeschenk!«
Kurz vor dem Ende dieser Ansprache richtet er noch folgende Worte an die Schüler: »Kinder, wenn ihr hereintretet in diese Räume und eure Kameraden und Kameradinnen findet, dann denkt daran, dass ihr einander auch herzlich lieben sollt, jeder und jede den anderen. Liebe soll walten unter euch, dann werdet ihr unter der Sorgfalt eurer Lehrer gedeihen, und eure Eltern werden zu Hause ohne Sorge und auch mit Liebesgefühlen daran denken, wie ihr hier eure Zeit zubringt.«
Dieses Motiv, dass die Schulgemeinschaft durch die Liebe, die gegenseitige Wertschätzung aller entsteht, kommt in all seinen Ansprachen vor, zusammen mit der herzlichen Aufforderung, fleißig und aufmerksam zu sein, die oft in reizende Fabeln gekleidet ist.
Pädagogik ist angewandte Phantasie
Im Juni 1924 besuchte Steiner die erste Waldorfschule außerhalb Deutschlands in Den Haag. Er kam in die Klasse des Schulgründers Daniel van Bemmelen im Zeichenunterricht, Schwarz-Weiß-Schraffur. Van Bemmelen versuchte, die Schüler einen von der Sonne schräg beleuchteten Baum zeichnen zu lassen. Da stellte sich Steiner vor die Schüler, nahm einen Putzlappen und den runden Tafelschwamm, hielt die beiden übereinander, trat ans Fenster, so dass Licht darauf fiel, und stellte voller Freude fest, jetzt habe man den Baum, den man zeichnen könne. Dem Lehrer wurde schlagartig bewusst, was angewandte Phantasie ist.
Eine weitere Episode: Rudolf Treichler gehörte zum Urkollegium der Stuttgarter Waldorfschule. Als Klassenlehrer und Fremdsprachenlehrer war er eine der Stützen der Schule bis zu ihrer Schließung durch die Nazis. Zu ihm kam Steiner eines Tages in den Englisch-Unterricht, es mag wohl in der sechsten oder siebten Klasse gewesen sein. Treichler schildert: »... ich hatte – wie später immer wieder – das Vaterunser auf Englisch durchgenommen und mit den Kindern zu lernen begonnen. Rudolf Steiner kam gerade herein, als wir die Schlussworte sprachen: ›For thine is the kingdom, the power and the glory – for ever and ever‹.
Als wir fertig waren, stand Rudolf Steiner auf, trat zur Tafel, nahm eine Kreide in die Hand und sagte zu den Kindern: ›Ihr habt jetzt die schönen Schlussworte des Vaterunsers auf Englisch gesprochen und wisst natürlich auch die deutschen Worte dazu. Nun, jedes Königreich hat einen gewissen Umfang, eine bestimmte Größe‹ – und dabei zeichnete er einen Kreis – ›... und die Kraft dieses Reiches, die sitzt wohl wo?‹ – ›... in der Mitte‹, antworteten die Schüler. ›Ja in der Mitte‹, sagte Steiner und setzte den Mittelpunkt in den Kreis – ›... und die Herrlichkeit, der Glanz, den dieses Reich ausstrahlt, der leuchtet weit hinaus!‹ Dabei zeichnete er etwas wie Glanz- und Lichtstrahlen darum herum. Und nun fuhr er fort. ›Wie sieht das nun aus das Ganze?‹ Nach kurzem Zögern kam von allen Seiten der Ruf: ›Wie die Sonne!‹ – ›Ja, das ist die Sonne‹, sagte sichtlich befriedigt Rudolf Steiner und ging hinaus.«
Eines kann durch die wenigen Beispiele deutlich werden: Wo auch immer Steiner als Pädagoge wirkte, manifestierte sich jene allumfassende Menschenliebe und pädagogische Phantasie, von der am Anfang die Rede war. Es gibt keine Erziehung, die diesen Namen verdient, ohne diese Menschenliebe.
Zum Autor: Christof Wiechert war bis vor Kurzem Leiter der pädagogischen Sektion am Goetheanum. Zuletzt ist sein Buch Lust aufs Lehrersein im Verlag am Goetheanum erschienen.
Literatur:
Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (GA 10).Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, »Wissen ist Macht – Macht ist Wissen« (Nr. 111), Dornach 1993; Dass.: Rudolf Steiner als Hauslehrer und Erzieher (Nr. 112/113), Dornach 1994Erika Beltle (Hrsg.): Erinnerungen an Rudolf Steiner, Stuttgart 2001Rudolf Steiner in der Waldorfschule (GA 298), Dornach 1980Frans Lutters: Daniel Johan van Bemmelen 1899-1982, Driebergen 2005’
Dat is al een heel eind aan Duitse tekst; maar op zichzelf begrijpelijke tekst, die goed te volgen is. Dat geldt ook voor het volgende, dat ik u evenmin onthouden wil, zeker niet nadat ik al alle vorige recensies van Wolfgang G. Vögele hier heb weergegeven. De laatste keer dat ik hem noemde was nog afgelopen zondag 6 februari in ‘Doorlichten’. Hier komt dan ‘Rudolf Steiner als Prototyp des modernen Menschen’, zoals die eergisteren werd geplaatst bij News Network Anthroposophy Limited (NNA):
‘Biographin Miriam Gebhardt zeigt Zeitgebundenheit und Einfluss seines Denkens auf die heutige Kultur auf – Praxisteile enttäuschen
Mit ihrer Biographie “Rudolf Steiner – ein moderner Prophet”, vom Verlag als “erste umfassende Biographie” angekündigt, hat die Münchner Historikerin und Journalistin Miriam Gebhardt einen eigenwilligen Beitrag zum Steiner-Gedenkjahr geleistet. Die Autorin wurde bekannt durch ihre Schrift “Die Angst vor dem kindlichen Tyrannen” (2009), in der sie eine kritische Bilanz der Erziehung im vorigen Jahrhundert zog.
Ihre Steiner-Biographie weist Miriam Gebhardt als Journalistin aus, die ihr Handwerk beherrscht: Komplizierte Sachverhalte, etwa zur Geschichte des Spiritismus, werden verständlich und anschaulich dargestellt. Mit empathischem Gespür versucht sie, Steiners Innenleben nahe zu kommen, seinen Ängsten und Enttäuschungen, seinen Sehnsüchten und Idealen.
Alles in allem zeichnet sie so das Bild eines modernen Rudolf Steiner, der in seiner Wandelbarkeit wenig Talent zum dogmatischen Sektenoberhaupt hatte. Dass ihn seine Anhänger dennoch oft in die Rolle des Heiligen drängten, ist unbestritten. Steiners Unmut darüber ist ebenso gut dokumentiert wie seine Enttäuschung, von der Mehrzahl seiner Anhängern in seinen wesentlichen Absichten und Zielsetzungen nicht verstanden worden zu sein.
Im Titel der Biographie wird der publikumswirksame Begriff des modernen Propheten verwendet. Ist damit ein Vorherverkünder und Warner unserer Zeit gemeint? Ein Wissender, ein Visionär einer besseren Zukunft, dem es um die Rettung seiner Mitmenschen ging? Oder soll im Leser gar die Assoziation eines “falschen Propheten” erzeugt werden, wie es nach dem ersten Weltkrieg etwa in Pamphleten eines Max Seiling (“Die anthroposophische Bewegung und ihr Prophet”) oder Gerold v. Gleich (“R. Steiner als Prophet einer bedenklichen Lehre”) praktiziert wurde?
Oder will die Autorin damit andeuten, dass Steiner in das Milieu der von der Kulturwissenschaft apostrophierten “barfüßigen Propheten” (Ulrich Linse) gehört, womit die zahlreichen Heilsapostel und Sektenführer der 1920er Jahre gemeint sind? Dann wäre Steiner also einer jener charismatischen, populistischen Scharlatane und Volksverführer, die in Krisenzeiten mit der Dummheit der Menschen ihr einträgliches Geschäft machten? Manche Autoren verorten unterschiedslos R. Steiner und den jungen Adolf Hitler in dieser Szene. Aber Miriam Gebhardt entlastet Steiner: er habe nicht zu den Wegbereitern des NS-Regimes gehört, wie ihm dies Kritiker unterstellten. (S. 12)
Gebhardt verortet Steiner im Milieu der Reformbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Er habe die Sehnsüchte seiner Zeit geschickt aufgegriffen und daraus ein Sinnfindungsprogramm für das Bürgertum gemacht. “Unter all den Visionären des frühen 20. Jahrhunderts ist sein Name populär wie nie. Sein Erfolg war keine Eintagsfliege.”
Gebhardt widerspricht der These vom überholten, historisch gewordenen Steiner. Zu Lebzeiten habe er nur relativ wenige Anhänger gehabt, aber “im Gegensatz zu fast allen anderen Reformern seiner Zeit hat er es nicht nur bis in die Gegenwart geschafft, er hat sogar einen stetig wachsenden Einfluss auf das gegenwärtige Leben und Denken.” (S. 15) Eine These, die diametral jenen Darstellungen widerspricht, Steiner spiele in der gegenwärtigen Gesellschaft nur eine marginale, besser: überhaupt keine Rolle, da er von keiner der etablierten Instanzen Kirche und Wissenschaft ernst genommen werde.
Gleichwohl, so wäre zu ergänzen, wird sein Denken von eben diesen Instanzen als nicht ungefährlich eingeschätzt. Besonders die Kirchen, denen die Deutungshoheit über Spiritualität zunehmend aus den Händen gleitet, glauben vor dem gesellschaftlichen Einfluss der Anthroposophen warnen zu müssen. Der Widerspruch zwischen Marginalisierung und Dämonisierung wird zwar von fast allen Steinerkritikern bemerkt, doch eine plausible Erklärung für den “anthroposophischen Einfluss” auf unsere Gesellschaft hat noch keiner geliefert, wenn man einmal von kruden Verschwörungstheorien absieht. Für Gebhardt liegt der Erfolg Steiners nicht in seiner Lehre, sondern in der “Aktualität seiner Angebote”. Sie zählt eine Reihe von Beispielen auf, etwa die “Demeter-Organisation” als weltweiten global player, die Benutzung von Weleda-Kosmetik durch Hollywoodstars, den wachsenden Zuspruch der Waldorfpädagogik. Kurz: die angewandte Anthroposophie blühe immer mehr auf. (S. 15)
Anthroposophie sei nicht nur im Bereich der Ökonomie, sondern auch als “Kulturfaktor” sichtbar: Sie verweist auf die erfolgreichen Steinerausstellungen an großen deutschen Museen seit 2010 und auf 70.000 Waldorfschüler.
So würdigt das Buch von Miriam Gebhardt, nach Prof. Heiner Ullrich und Helmut Zander nun die dritte Biographie, die zum Jubiläumsjahr erscheint, Rudolf Steiner vor allem als Vordenker der Moderne, dessen Einfluss auf die Gegenwartskultur nicht hinwegdiskutiert werden kann. Hier setzt sie deutlich andere Schwerpunkte als die beiden anderen Biographen. (NNA berichtete, siehe “Anthroposophie als Black Box” und “Rudolf Steiners Leben als Doku-Soap”)
In den “Dunstkreis” der Anthroposophie gehörten in Deutschland Vertreter der Wirtschaftselite, der Polit- und Kulturprominenz: “Manche von ihnen waren Waldorfschüler, manche haben ihre Kinder nach der Steiner-Pädagogik lernen lassen.” (S. 16) Hellhörig mache beispielsweise der Name Andreas Schleicher, Erfinder der PISA-Studie, selbst Ex-Waldorfschüler, der heute den öffentlichen Schulen Versagen vorwerfe. Verschwörungstheorien erteilt die Autorin eine Absage : die “Eliteproduktion” von Waldorfschulen sei gering. Sie verweist zwar auf Hochschulen und Banken, die von Anthroposophen gegründet worden seien. Dennoch stecke dahinter kein “machthungriges Konglomerat”, denn: “Rudolf Steiners Anthroposophie wirkt vielleicht total, weil sie auf so viele Lebensbereiche zugreift, aber sie ist nicht totalitär.” (S. 17) Die Lehre Steiners wende sich letztlich an eine akademisch gebildete, bürgerliche Schicht, die nicht in die Öffentlichkeit dränge oder sogar lieber im Verborgenen operiere. (S. 17)
Trotz dieser gegenwartsbezogenen Interpretation von Steiners Leben und Werk wirft Gebhardt den heutigen Anthroposophen vor, sie hätten sich wenig um die Weiterentwicklung von Steiners Lehren gekümmert. Dies veranlasst sie im Anschluss an den mehr als 250 Seiten starken biographischen Teil die wichtigsten und erfolgreichen Praxisfelder kritisch unter die Lupe zu nehmen. Hier fließen dann allerdings auch oft wenig begründete Urteile ein, etwa, wenn sie im Waldorf-Teil schreibt, Steiners Entwicklungsvorstellungen seien bereits zu seinen Lebzeiten überholt gewesen oder der Waldorfpädagogik gehe es um die “möglichst totale Kontrolle der Lebensbedingungen des Kindes” ( S.286/287). Oder wenn sie Eltern empfiehlt, jede einzelne Waldorfschule müsse daraufhin unter die Lupe genommen werden, ob “das eigene Kind Literatur aus dem völkischen oder rassischen Giftschrank vorgesetzt bekommt” (S.302), oder dort Lehrer zu finden seien, die mit derartiger Literatur ausgebildet würden.
Wie aber erklärt sich Steiners Wirksamkeit bis heute? Das war auch in den Biographien von Zander und Prof. Ullrich die ungeklärte Restgröße. Hier liefert Miriam Gebhardt einen Erklärungsansatz. Den Schlüssel zum Verständnis seiner lang anhaltenden Wirkung besäßen weder die Kritiker, die ihn dämonisierten, noch die Anhänger, die ihn vergöttlichten, meint sie. Der Schlüssel liege vielmehr “im Tatbestand der gekonnten Verkörperung eines modernen Guru.” (S. 18) Eine Wertung verbindet sie damit nicht, weder im Positiven wie im Negativen. Die Frage nach Steiners moralischer Integrität und Glaubwürdigkeit überlässt sie offensichtlich lieber anderen Steinerexperten wie Helmut Zander, von dessen detailreicher Arbeit ihre Biographie in vielerlei Hinsicht profitiert.
In der Blütezeit der Lebensreform, also in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, habe ein hochdifferenzierter Wertepluralismus geherrscht, in dem wir uns heute wieder erkennen: Ein anderer Umgang mit Natur und Gesundheit, eine neue Erziehung sei bereits damals auf die Tagesordnung gesetzt worden als Reaktion auf die Industrialisierungsprozesse. Manches davon habe die Anthroposophie beigesteuert, ohne dass uns dies immer bewusst sei. Modern sei Steiner auch in seiner Ambivalenz zwischen Tradition und Gegenwart gewesen.
Als einen Antidemokraten will sie ihn nicht etikettieren, immerhin habe er von einer Schulreform und von genossenschaftlichem Zusammenarbeiten mehr soziale Gerechtigkeit erhofft (S. 13). Sein Motor seien die großen Fragen seiner Zeit gewesen. Gebhardt interessiert sich weniger für “Wahrheit oder Unwahrheit” der Anthroposophie, sie will wissen, “was an Steiner heute noch lebendig ist.” (S. 14)
Steiners geistig-seelische Beweglichkeit, sein Mut zur Improvisation und zum Experiment, seine Multiperspektivität, die dogmatischer Erstarrung permanent auswich, scheint Gebhardt zu faßinieren: “Er war alles andere als eine immer schon fertige und in sich schlüssige Persönlichkeit, der man in jedem Lebensabschnitt die spätere Karriere hätte ansehen können. Als zutiefst moderne Person nahm er sich wiederholt das Recht auf eine neuerliche Selbstfindung heraus.” (S. 14)
Originell sind auch Gebhardts Kapitelüberschriften, die sich durchgehend am Vokabular der Eisenbahn orientieren, etwa “Im Wartesaal” – “Signale” – “Im Stellwerk” – “Mit Volldampf”. Denn Steiner ist nicht nur in einem Bahnhof geboren: Einen Großteil seines Lebens verbrachte der umtriebige Reformer auf Reisen. Allerdings schießt Gebhardt mit dem locker journalistischen Stil auch an etlichen Stellen über das Ziel hinaus, wenn sie schräge Bilder verwendet, wie das vom “Schmiermittel” des Vortrags, das den “Wissensgenerator auf Hochtouren” laufen ließ (S.166) oder die Esoterische Schule “unter christlich-europäischer Flagge” fahren lässt, wohingegen Annie Besant “in Buddhismus und Hinduismus machte” (S.220).
Steiners Selbstzeugnissen begegnet Gebhardt nicht von vornherein mit Misstrauen. Dies ermöglicht ihr einen weiteren Blickwinkel. “Der moderne Prophet hat viele Leben” resümiert sie am Ende des Buches. Würde er heute leben, so meint sie, wäre er ein Dauergast im Fernsehstudio. Und da säße er und entzöge sich der beliebten Freund-Feind-Zuordnung, das sich auf seine Anhänger genauso negativ auswirke wie auf seine Gegner. Ihnen allen schreibt Miriam Gebhardt eine noch ungelöste Aufgabe ins Stammbuch: Es gelte, Steiners Zeitgebundenheit und seine Aktualität gleichzeitig auszuhalten.
Miriam Gebhardt: Rudolf Steiner – ein moderner Prophet. Eine Biographie. München: DVA 2011. 368 Seiten, 22,99 Euro’
4 opmerkingen:
Het is allemaal buitengewoon interessant, maar het is me te lang om het allemaal te lezen, zeker als het in het Duits is. Ik was vanmorgen om half vijf wakker en kon ook niet meer in slaap komen. Ik heb gewoon de fut niet voor zulke lange epistels. Het zou misschien beter zijn dat u wat minder veel tegelijk in één blog zet. Dat zou voor u zelf ook wat minder werk zijn. Verder niets dan lof. De paar dingen die ik hier nu wel gelezen heb over Steiner als leraar en opvoeder, zijn zeer boeiend.
Beste mijnheer Van Dijk,
Het gekke is dat het meer werk zou zijn om het korter te maken... Wat ik tegenkom en echt gelezen heb en me interessant lijkt, dat zet ik altijd het liefste er meteen bij. U moet het maar opvatten als een soort persoonlijk archief van mij, waar allerlei interessante spullen inzitten. En de lezer kan het beschouwen als een krant waar hij of zij uitpikt wat hem of haar de moeite waard lijkt om te lezen. Dat het Duits is, dat probleem is lastig te omzeilen als ik er niet meer werk van wil maken. Het zou leuk zijn om er een dagtaak aan te hebben! Dan zou ik er echt wat mee kunnen doen voor de Nederlandse markt. Maar ik geloof niet dat ze bij de Antroposofische Vereniging al ontdekt hebben welke mogelijkheden er op dit terrein allemaal braak liggen...
Evengoed knap, heer Gastkemper, dat u naast uw andere werk nog zo veel kunt lezen. Ik zal het inderdaad maar als een een krant beschouwen waar ik het meest interessante uitpik. Overigens zou ik denk ik wel alles lezen, maar de Duitse taal is voor mij toch wel een struikelblok. Ik kan het meestal redelijk begrijpen, maar het kost me zo veel meer moeite dan Nederlandse teksten dat ik vaak maar ophoudt. Ja, ook ik lijd aan de kwaal waar Steiner het nogal eens over heeft, gemakzucht.
Ophoudt moet zijn ophoud. (In mijn vorige reactie)
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